Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Chancen-Checker” – keine Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  27 W (pat) 515/11

Datum:
28.2.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 057 665.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. Februar 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Zurückweisung der zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen
2
„Bücher; Druckereierzeugnisse; Unterrichts- und Lehrmaterial (außer Apparate); Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; interaktive Beratungsdienstleistungen organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Art im Internet; Konzeption von Präsentationen und Informationsmaterialien für Werbe- und Verkaufzwecke, insbesondere zur Veröffentlichung im Internet, in anderen Datennetzen, in Online-Diensten sowie mittels Multimediatechniken; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Ausbildung; Erziehung und Unterricht; Training (Schulung); Coaching; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Organisation und Durchführung von Seminaren auf dem Gebiet Rhetorik; Organisation und Durchführung von Seminaren auf dem Gebiet Persönlichkeitsentwicklung; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; Videofilmproduktion; Fernunterricht; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Organisation und Durchführung von Symposien, Konferenzen, Kongressen, Schulungen, Lehr- und Vortragsveranstaltungen für Ausbildungszwecke; Konzeption von Präsentationen und Informationsmaterialien für Ausbildungs- und Unterrichtszwecke, insbesondere zur Veröffentlichung im Internet, in anderen Datennetzen, in Online-Diensten sowie mittels Multimediatechniken“
3
angemeldeten Wortmarke 30 2009 057 665
4
Chancen-Checker
5
hat die Markenstelle damit begründet, „Chancen-Checker“ sei eine beschreibende, freihaltebedürftige Angabe, die zur Bezeichnung der von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen dienen könne. Die aus den beiden aus dem deutschen Sprachgebrauch stammenden Worten „Chance“ (günstige Gelegenheit, Aussicht auf Erfolg, DUDEN Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, S. 353) und „Checker“ (jemand, der etwas checkt, Prüfer, Kontrolleur, DUDEN Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, S. 355) zusammengesetzte Zeichen sei in personifizierter Form die Bezeichnung einer Person, die Chancen prüfe im Sinn von „Aufseher, Prüfer, Kontrolleur“ oder einer Anleitung, Chancen zu prüfen, zumal vergleichbare Wörter wie „Check“, „checken“, „Check-Liste“, „Checkpoint“, „Check-up“ bereits im Deutschen gebräuchlich seien. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen könne das z. B. jemand oder etwas sein, der Möglichkeiten bei Bewerbungen auslote oder mit deren Hilfe dabei Aussichten auf Erfolg geprüft würden
6
Unerheblich sei, ob der Begriff im Sprachgebrauch üblich sei, in irgendeiner Weise „schillernd“ wirke oder aufgrund der Doppelung der Wortanfänge „Ch“ eine besondere Prägnanz besitze. Ob eine Schutz begründende Bedeutungsvielfalt vorliege, sei nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen, sondern müsse im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gesehen werden, wodurch sich die lexikalisch in Betracht kommenden Begriffsinhalte auf einen im Vordergrund stehenden Sinngehalt reduzieren könnten.
7
Ob auch wegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der Schutz zu versagen wäre, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
8
Der Anmelder hat dagegen Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, es sei von einem großzügigen Maßstab bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft auszugehen. Die Alliteration des doppelten CH unterstütze die Annahme von Unterscheidungskraft. Dementsprechend habe der BGH „Radio von hier – Radio wie wir“ eingetragen (GRUR 2000, 321). Rein beschreibend sei „Chancen Checker“ jedenfalls nicht. „Checken“ sei ein schillernder, interpretationsbedürftiger Begriff. Er benenne eine kluge Person.
9
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
10
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.
II.
11
Über die Beschwerde kann, nachdem der Anmelder keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden.
12
1) Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
13
a) Eine Registrierung des angemeldeten Zeichens steht § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
14
Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum Einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum Anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
15
Die Markenstelle hat zutreffend dargestellt, dass es sich bei „Chancen Checker“ um eine zur Beschreibung von Waren und Dienstleistungen geeignete, nahe liegende Sachaussage handelt, nämlich dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen für den Check bestimmter Möglichkeiten und Erfolgsaussichten bestimmt sind. Dazu hat die Markenstelle auf die Beschlüsse des Bundespatentgerichts vom 14.2.2000, 30 W pat 235/97 – VALUE-CHECKER; vom 7.10.2008, 25 W (pat) 3/07 – Visioncheck; vom 27.4.2010 33 W pat 106/08 – XtraCheck, sowie auf die Entscheidung des EuG T-0296/07 vom 21.1.2009 – PharmaCheck hingewiesen. Die beschreibende Wirkung ergibt sich nicht nur unmittelbar für Schulungen, Coachings und dafür verwendete Publikationen, sondern auch für die weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die auf das Prüfen von Erfolgsaussichten, gleich welcher Art, ausgerichtet sein und damit  als auf den Gegenstand der Produkte hinweisende Angabe dienen können.
16
b) Einer Registrierung der als Marke angemeldeten Wortfolge steht für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen zudem das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
17
Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung, oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).
18
Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 – WindsurfingChiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 – Linde).
19
Dies trifft mit dem oben erläuterten Verständnis auf „Chancen Checker“ zu. Dabei ist es unerheblich, ob andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind. Maßgeblich sind der objektiv beschreibende Charakter und das darauf beruhende Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit als Sachangabe. Insoweit können bereits die Bedürfnisse eines relativ kleinen Teils des Publikums, nämlich der sich am Checken der Erfolgsaussichten Interessierten und um diesen Kundenkreis bemühenden Mitwerber der Markeneintragung unter dem Gesichtspunkt des Allgemeininteresses entgegenstehen.
20
2) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
21
3) Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Es ist weder ersichtlich noch vom Anmelder aufgezeigt, dass der vorliegende Fall eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft. Die Entscheidung des Senats erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben