Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Der Volksmotor” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 21/11

Datum:
25.4.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung
30 2010 037 834.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. April 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), Markenstelle für Klasse 7, hat mit Beschluss vom 4. Januar 2011 die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 037 834.4
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Der Volksmotor
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für die Waren der
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Klasse 7: elektrische Antriebe, insbesondere für Rollläden, Rollos, Jalousien, Markisen, Rolltore etc.;
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Klasse 9:  elektromechanische Schalter für die vorgenannten Antriebe, elektrische Steuerungen (drahtlos und drahtverbunden) für die vorgenannten Antriebe etc.
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wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Anmeldezeichen sei ausschließlich als werbemäßige Anpreisung geeignet, die Eigenschaften eines besonders preiswerten und für jedermann geeigneten Produktes zu bezeichnen. Der Begriff reihe sich nahtlos in die Reihe vergleichbar gebildeter Begriffe wie “Volks-Lauf”, “Volks-Aktie” oder auch “Volks-Computer” ein, bei denen der Verkehr daran gewöhnt sei, den Begriff in vorgenannter Weise zu verstehen.
7
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, der Begriff “Der Volksmotor” vermittle dem Verkehr, dass die Anmelderin in der Lage sei, Rollladenantriebe zu produzieren und zu vertreiben, die ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis aufwiesen. Die angemeldeten Waren, die die Anmelderin herstelle und vertreibe, ließen sich anhand des Anmeldezeichens wegen eines besonderen Preis-Leistungsverhältnisses von der Konkurrenz abheben. Der Verkehr würde aus diesen Gründen einen Herkunftshinweis in dem angemeldeten Zeichen sehen und ihm Unterscheidungskraft beimessen. Die Anmelderin verweist auf eine Vielzahl von im Register des DPMA eingetragenen Wortmarken, die den Bestandteil “Volks” aufwiesen, weshalb hier nicht anders entschieden werden könne. Einen bestimmten Sachantrag hat die Anmelderin nicht gestellt.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Eintragung des vorliegenden Wortzeichens als Marke steht das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die angefochtene Entscheidung der Markenstelle in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist.
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1) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2012, 270-272 – Link Economy; GRUR 2010, 825-828 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH a. a. O. – Link Economy).
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Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
13
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Link Economy; GRUR 2009, 949 f. Rdnr. 10 – My World; GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
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2) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Wortzeichen nicht, denn die Wortfolge “Der Volksmotor” stellt lediglich eine die beanspruchten Waren anpreisende Angabe im Sinne einer Verwendbarkeit “für jedermann” dar.
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a) Das angemeldete Zeichen besteht aus dem bestimmten männlichen Artikel “der” (in Großschreibung) und dem – aus den Wortbestandteilen “Volks” und “Motor” – zusammengesetzten Begriff “Volksmotor”. In seiner Gesamtheit ist der Begriff “Volksmotor” lexikalisch nicht nachweisbar. Eine isolierte lexikalische Betrachtungsweise ist für die markenrechtliche Bewertung ohnehin nicht entscheidend (vgl. BPatG GRUR 2010, 425 – VOLKSFLAT), da es allein auf das Verständnis des Gesamtbegriffs durch den maßgeblichen Empfängerkreis ankommt.
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Der Wortbestandteil “Motor” bezeichnet eine Maschine, die durch Umwandlung von Energie Kraft zum Antrieb erzeugt (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 – CD-ROM).
17
Der vorangesetzte Wortbestandteil “Volks” gehört in der Bedeutung “Geeignetheit für jedermann” zum lebendigen Wortschatz der deutschen Sprache. “Volks” ist der Genitiv des Substantivs “Volk”, das eine “durch gemeinsame Kultur, Geschichte (und Sprache) verbundene große Gemeinschaft von Menschen” bzw. die “Masse der Angehörigen einer Gesellschaft, der Bevölkerung eine Landes, eines Staates” bezeichnet (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In der deutschen Sprache finden sich zahlreiche Begriffe, die aus einem Substantiv mit einem vorangestellten “Volks” gebildet sind. Je nach Zusammenhang können dem Vorwort “Volks” verschiedene Bedeutungen zukommen. Das Wort “Volk” kann auf eine politische Bedeutung hinweisen (z. B. in den Begriffen Volksbegehren, Volksabstimmung oder Volkszählung) oder auf etwas, das volkstümlich ist (z. B. in den Begriffen Volkslied oder Volkstheater) oder auf ein Produkt, das “günstig, billig bzw. preiswert” ist. Schließlich kann ein vorangesetztes “Volks” die Bedeutung “für alle/jedermann, von allen/jedermann, allen/jedermann zugänglich oder alle/jedermann betreffend” haben (z. B. in den Begriffen Volkshochschule, Volksfest oder Volkslauf). Wegen weiterer Einzelheiten und lexikalischer Nachweise insoweit nimmt der Senat auf die umfangreichen Ausführungen des 29. Markensenats in dessen Entscheidung vom 24. März 2011 (BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 195/10 – Volks.Tippschein) Bezug.
18
Da die beanspruchten Waren jedenfalls auch im Einzelhandel (z. B. in Baumärkten) vertrieben werden können, ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 44 Rdnr. 24 – SAT 2; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard).
19
Dieser wird, wenn er im Baumarkt auf einen mit “Der Volksmotor” gekennzeichneten elektrischen Antrieb stößt, erkennen, dass mit dem Zusatz “Volk” das technische Produkt “Motor” in keiner Weise spezifiziert wird. Vielmehr wird er der Bezeichnung die Bedeutung einer Warenanpreisung beimessen, die darauf hinweist, dass es sich bei dem so bezeichneten Motor (etwa wegen seines guten Preis-Leistungsverhältnisses oder seiner universellen Verwendbarkeit) um ein massentaugliches, “für jedermann” geeignetes Produkt handelt.
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b) Mit diesem Aussagegehalt ist der Begriff “Der Volksmotor” für die beanspruchten Waren der Klassen 7 und 9 anpreisend (“für jedermann”) und nicht geeignet, auf deren betriebliche Herkunft hinzuweisen, mithin nicht unterscheidungskräftig.
21
Die beanspruchten Waren der Klasse 7 “elektrische Antriebe, insbesondere für Rollläden, Rollos, Jalousien, Markisen, Rolltore” sind Motoren. Der Begriff “Motor” erfasst sämtliche Maschinen, die durch Umwandlung – jeglicher – Energie Kraft zum Antrieb erzeugen, so dass die Verkehrskreise auch einen elektrischen Antrieb ohne weiteres als Motor verstehen. Elektrische Antriebe finden in Massenprodukten, wie z. B. elektrischen Haushaltswaren, Verwendung und sind somit auch massentauglich. Dies gilt insbesondere auch für elektrische Antriebe, die in “Rollläden, Rollos, Jalousien, Markisen oder Rolltoren” verwendet werden. Das Zeichen “Der Volksmotor” wird deshalb ausschließlich als werbeübliche Anpreisung, nicht aber als individueller betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 39 – BIOMILD). Der Einwand der Anmelderin, dass das angemeldete Zeichen dem maßgeblichen Empfängerkreis gegenüber zum Ausdruck bringe, dass gerade sie in der Lage sei, Rollladenantriebe zu produzieren und zu vertreiben, die ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis aufwiesen, bestätigt die Wertung des Senats letztlich.
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Für die beanspruchten Waren der Klasse 9 “elektromechanische Schalter für die vorgenannten Antriebe, elektrische Steuerungen (drahtlos und drahtverbunden) für die vorgenannten Antriebe” ist der Begriff “Volksmotor” ebenfalls anpreisend. Der Vertrieb von “Schaltern” und “Steuerungen” für elektrische Antriebe erfolgt in naheliegender Weise zusammen mit den “elektrischen Antrieben”, da diese aufeinander abgestimmt sind und dementsprechend auch in Kombination verwendet und auch zusammen angeboten werden. Wegen des funktionalen Zusammenhangs elektrischer Schalter und Steuerungen im Verhältnis zu einem elektrischen Antrieb ist davon auszugehen, dass der Verbraucher den anpreisenden Charakter des Begriffs “Volksmotor” auch auf diese Waren bezieht. Hierzu bedarf es keiner analysierenden Betrachtung, da der funktionale Zusammenhang zwischen einem Schalter bzw. einer Steuerung und einem Motor allgemein bekannt ist.
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Im Übrigen verwendet auch die Anmelderin selbst das Anmeldezeichen auf ihrer Internetseite in ausschließlich anpreisender Form: “Der Volksmotor für Rollläden und Markisen hält, was schon sein Vorbild – der VW-Käfer – versprach. Er läuft und läuft und läuft, zu einem Preis, den sich jeder leisten kann. … Bezahlbarer Luxus – Nur der elektrische Rollladenantrieb wird zumeist noch als Luxusprodukt betrachtet. Dabei ist die hierfür erforderliche Investition deutlich geringer als viele annehmen (www.acomax.de/der-volksmotor)”.
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Weitere, zur Begründung der Unterscheidungskraft geeignete Merkmale, wie etwa eine ungewohnte Schreibweise oder eine besondere graphische Gestaltung, weist das Zeichen nicht auf. Der vorangestellte bestimmte Artikel “der” ist zur Individualisierung nicht geeignet, denn eine solche Anpreisung als – vermeintlich – einzigartig ist eine übliche Form der Werbeansprache.
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c) Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses letztlich auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen sind zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rdnr. 17 und 19 – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum Einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum Anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 18 – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2012, 276-277  – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; GRUR 2011, 230 Rdnr. 12 – SUPERgirl; WRP 2011, 349 Rdnr. 12 – FREIZEIT Rätsel Woche). Denn für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind. Der Umstand, dass identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen worden sind, ist demgegenüber nicht maßgebend (EuGH a. a. O. Rdnr. 15, 18 f. – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2011, 230-232 – SUPERgirl).
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3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht, insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 83 Abs. 2 Ziffer 2 MarkenG). Der hier vorliegende Fall ist eine Einzelfallentscheidung, deren maßgebliche Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind. Über die Frage der Bedeutung von Voreintragungen hat der Bundesgerichtshof zuletzt in der vorgenannten Entscheidung – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. – (BGH a. a. O.) befunden. Neue Gesichtspunkte, die eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern, liegen nicht vor.


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