Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “die Zukunft der Energie” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 553/10

Datum:
10.11.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 035 399. 9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. November 2010 unter Mitwirkung der Richterinnen Martens und Bayer sowie des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Angemeldet zur Eintragung in das Register ist die Wortfolge
2
die Zukunft der Energie
3
als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 11, 35, 36, 37 und 39
4
„Energieerzeugungsanlagen, nämlich Generatoren, Gas- und Dampfturbinen; Verbrennungsmotoren;
5
Dampferzeugungsanlagen, Kessel, Öfen, industrielle Warmwasser-Heizungsanlagen, insbesondere zur Erzeugung von Warmwasser zu Heizzwecken (Fernwärme);
6
Dienstleistungen eines Energiemaklers, nämlich die Vermittlung von Verträgen über den Kauf von Elektrizität und Gas;
7
Projektplanung und Dienstleistungen eines Baubetreuers (ausgenommen Planung und Installation von Beleuchtungseinrichtungen), nämlich Vorbereitung und Durchführung fremder Bauvorhaben in finanzieller Hinsicht; Erstellung schlüsselfertiger Bauten für Energieübertragungs-, Energieverteilungs- und Energieerzeugungsanlagen; Finanzierung von Energieübertragungs-, Energieverteilungs- und Energieerzeugungsanlagen;
8
Bau von Energieerzeugungsanlagen;
9
Energieversorgung, insbesondere Lieferung von Strom“.
10
Die Markenstelle für Klasse 7 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Wortfolge werde vom Verkehr als sloganartige Anpreisung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst. Einen über die bloße Werbeaussage hinausgehenden Bedeutungsgehalt weise die Anmeldemarke nicht auf.
11
Die Anmelderin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Zur Vorbereitung einer Entscheidung hat der Senat die Anmelderin mit gerichtlichem Zwischenbescheid auf die Gebräuchlichkeit des angemeldeten Werbeslogans sowie vergleichbar gebildeter Slogans hingewiesen. Die Anmelderin hat daraufhin vorgetragen, an Werbeslogans dürften keinesfalls strengere Anforderungen gestellt werden als an andere Markenformen. Selbst ein anpreisender Sinn einer Marke schließe deren Unterscheidungskraft nicht zwangsläufig aus. Dies gelte bei der angemeldeten Wortfolge umso mehr, als sie den angesprochenen Verbrauchern eine mehrdeutige, interpretationsbedürftige Aussage vermittle, die von einer beschreibenden Sachangabe gerade wegführe. Die Anmeldemarke sei zwar sprachüblich gebildet, ihr könne aber kein klar beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden. Die beiden verwendeten Begriffe „Energie“ und „Zukunft“ seien für sich genommen mehrdeutig, da bereits offen bleibe, ob der Begriff „Energie“ in seiner physikalischen Bedeutung oder im Sinne einer starken körperlichen oder geistigen Spannkraft oder Tatkraft von Menschen gemeint sei. Und auch die Vorstellungen von Zukunft seien sehr unterschiedlich. Selbst zu der Frage, was die Zukunft der Energie überhaupt sein solle, existierten im Bereich der Energieversorgung völlig voneinander abweichende Auffassungen. Somit erweise sich die Anmeldemarke nicht als gewöhnliche Werbeaussage, sondern löse vielmehr einen Denkprozess aus, der die Schutzfähigkeit des Zeichens begründe. Diese Wertung stehe auch im Einklang mit einer aktuellen Entscheidung des BPatG zu dem Slogan „Energie mit Ideen“. Da die Mitbewerber mangels Beschreibungseignung nicht auf die angemeldete Wortfolge angewiesen seien, könne auch kein Freihaltungsbedürfnis bejaht werden.
12
Im weiteren Verfahrensverlauf hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und beantragt, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die Beschwerde ist nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der angemeldeten Wortfolge fehlt jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
15
Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 – EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel).
16
Mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen werden neben Fachkreisen aus dem Bereich der Energiewirtschaft teilweise auch die allgemeinen Endverbraucher angesprochen.
17
Bei der angemeldeten Wortfolge „die Zukunft der Energie“ handelt es sich entgegen der Wertung der Anmelderin um keine originelle und interpretationsbedürftige Aussage, sondern um einen allgemein verständlichen und gebräuchlichen Slogan, der u. a. zum Motto des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerufenen „Wissenschaftsjahr 2010“ erklärt wurde (vgl. unter http://www.zukunft-der-energie.de/). Aufgrund ihres unzweideutigen Aussagegehalts wird die Wortfolge von den angesprochenen Verkehrskreisen im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als werbeüblicher Hinweis darauf verstanden werden, dass diesen eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Energiegewinnung und -nutzung zugrunde liegt, also etwa die Anwendung entsprechender Technologien, Produkte und technischer Verfahren. Mit der Verwendung des Slogans wird hinsichtlich der fraglichen Produkte und Leistungen gleichzeitig eine „zukunftsträchtige“ Kompetenz in Anspruch genommen. So führt bspw. auch die Anmelderin auf ihrer Homepage aus:
18
„Machen Sie einen Schritt in Richtung Energiewende und wechseln Sie jetzt zur Zukunft der Energie!“ (unter
http://www.lichtblick.de/gas/?chn=aw)
19
„ Erfahren Sie mehr über … den Beitrag, den wir so gemeinsam für die Zukunft der Energie leisten .“ http://www.lichtblick.de/h/Ueberblick_286.php
20
Um der angemeldeten Wortfolge – wie von der Anmelderin in den Raum gestellt – im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich der Energiewirtschaft die Aussage „ die Zukunft der menschlichen (geistigen oder körperlichen) Spannkraft “ zuzuordnen, bedürfte es einer äußerst praxisfremden Interpretation, die nicht mit den allgemeinen Sprachgewohnheiten in Einklang zu bringen wäre. Bereits aus diesem Grund können die Ausführungen der Anmelderin zur vermeintlichen Mehrdeutigkeit der angemeldeten Wortfolge nicht überzeugen. Gleiches gilt, wenn die Anmelderin sinngemäß geltend macht, dem Verständnis der Werbeaussage würden je nach Standpunkt der jeweiligen Verkehrsteilnehmer unterschiedliche Assoziationen folgen, weil die Vorstellungen über Zukunft generell sehr individuell seien. Auch dieser Gesichtspunkt vermag eine Interpretationsbedürftigkeit der angemeldeten Wortfolge im markenrechtlichen Sinne nicht zu begründen, weil die Anmeldemarke bei aller möglichen Vielfalt von „Zukunftsvisionen“ oder „zukunftstauglichen Energiekonzepten“ als sachbezogene Werbeaussage allgemein verständlich bleibt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Wortzeichen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es – wie hier – in einer von mehreren Bedeutungen eine Aussage mit produktbeschreibendem Charakter aufweist (vgl. dazu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 93 m. w. N.). Zur beschreibenden Verwendung der angemeldeten Sachaussage durch Dritte sowie weiterer, vergleichbar gebildeter Wortfolgen hat der Senat der Anmelderin mit einem Zwischenbescheid zahlreiche Fundstellen übermittelt, etwa zu Sachaussagen und Slogans wie „ Die Zukunft der Energie. Verschlafen .“, „ die neue … Serie zur Zukunft der Energie “, „ Die Zukunft der Energie: Die Antwort der Wissenschaft “, „ Die Zukunft der Energieversorgung “ sowie „ Zukunft der Energie gestalten “. Die angemeldete Wortfolge „die Zukunft der Energie“ bewegt sich somit in jeder Hinsicht im Rahmen der üblichen und für die angesprochenen Verkehrskreise verständlichen Werbesprache und verlangt ihnen keinerlei analysierende Überlegungen ab. Zwar kann aus der Wahrnehmung einer Wortfolge als Werbeslogan nicht schon für sich genommen auf ihre fehlende Unterscheidungskraft geschlossen werden, denn es ist grundsätzlich möglich, dass auch solche Slogans eine Herkunftsfunktion i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllen können (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 41 f., 45 – Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027, Rdn. 41 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949, Rdn. 12 – My World). Selbst einfachen Aussagen kann durchaus die erforderliche Unterscheidungskraft zukommen (vgl. BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 12 – Willkommen im Leben). Andererseits darf aber nicht verkannt werden, dass Werbeslogans und sloganartige Wortfolgen auch keinen geringeren Schutzvoraussetzungen unterliegen als andere Wortzeichen, so dass ihnen die notwendige, markenrechtliche Unterscheidungskraft dann abzusprechen ist, wenn sie sich als bloße produktbeschreibende bzw. -anpreisende Aussage darstellen oder wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Produkten oder Leistungen hergestellt wird (vgl. nochmals BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 11, 14 – Willkommen im Leben; BGH GRUR 2006, 850, 854; Rdn. 19 – FUSSBALL WM 2006; sowie Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 144 m. w. N.). Genau dies ist vorliegend der Fall, da sich die angemeldete Marke in einer werbeüblichen Sachaussage erschöpft, die das Publikum im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne jede weitergehendere Überlegung als bloßes Werbemittel zur Herausstellung einer spezifischen Orientierung und Kompetenz des Anbieters und einer dementsprechenden Beschaffenheit der verfahrensgegenständlichen Produkte und Leistungen verstehen und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen wird. Die dargelegten Grundsätze für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen wurden im Übrigen durch die von der Anmelderin besonders hervorgehobene Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ des EuGH (vgl. GRUR 2010, 228) nicht etwa in Frage gestellt oder grundlegend modifiziert, sondern erneut bestätigt und differenziert. Nicht zuletzt hat der EuGH in diesem Urteil seine Wertung bestätigt, dass Slogans von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenformen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 37 – Vorsprung durch Technik, unter Verweis auf EuGH GRUR 2004, 1027, Rdn. 33 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
21
Da das angemeldete Zeichen somit die zwingend erforderliche Herkunftsfunktion nicht erfüllen kann, steht seiner Eintragung bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Frage, ob an der Wortfolge auch ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
22
Soweit sich die Anmelderin auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts zu dem Slogan „Energie mit Ideen“ beruft (vgl. BPatG, 26W(pat)71/09, veröffentlicht unter http://www.bundespatentgericht.de/index.html), vermag dies ihrer Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. In der genannten Entscheidung wurde ausdrücklich festgestellt, dass der Werbeaussage „Energie mit Ideen“ im Hinblick auf die dort einschlägigen Waren und Dienstleistungen kein eindeutig beschreibender Aussagegehalt zugeordnet werden könne, da bereits offen bleibe, ob der Begriff „Energie“ in seiner physikalischen Bedeutung oder im Sinne einer starken körperlichen oder geistigen, menschlichen Spannkraft oder Tatkraft zu verstehen sei. Eine solche Unbestimmtheit bzw. Mehrdeutigkeit des fraglichen Wortes scheidet angesichts der konkreten Wortkombination aber aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im vorliegenden Fall aus. Der Sachverhalt der genannten Entscheidung ist mit dem hier zu entscheidenden Fall zudem deshalb nicht vergleichbar, weil hier konkrete Feststellungen dazu vorliegen, dass es sich bei der angemeldeten Wortfolge „die Zukunft der Energie“ um einen völlig gebräuchlichen Werbeslogan handelt, der bereits von Dritten in beschreibender Art und Weise verwendet wird.
23
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Der Senat konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat und ein solcher Termin auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich war.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben