Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Do ist 4 you. (Wort-Bild-Marke)” – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  33 W (pat) 548/10

Datum:
13.3.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
33. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 044 268.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 13. März 2012
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 37 des DPMA vom 14. Juli 2010 aufgehoben.

Gründe

1
I.    
2
Die Anmelderin hat am 10. Juli 2008 die Wort-/Bildmarke
3
in Schwarz/Weiß angemeldet für:
4
Klasse 20: Möbel, insbesondere Möbel für Messen und Büromöbel
5
Klasse 35: Werbung, Verkaufsförderung, Marketing, Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder Werbezwecken; Ausstattung von Messen mit Mietmöbeln; Vermietung von Messeständen und Möbeln für Messen: Vermietung von Werbematerial;
6
Klasse 37: Bau von Messeständen und -Läden.
7
Die Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mit Beschluss vom 14. Juli 2010 zurückgewiesen.
8
Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich bei dem beanspruchten Zeichen in der Gesamtheit um eine beschreibende, werblich anpreisende Spruchfolge in der Bedeutung von „Tu es für Dich, Tue es deinetwegen“ handele. Die Zahl „4“ sei als geläufiges Kürzel für den englischen Begriff „for“ in der Bedeutung „für“ lexikalisch zu belegen und werde in dieser Bedeutung von den angesprochenen Verkehrskreisen auch erkannt. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen stelle die angemeldete Marke daher lediglich ein Verkaufs- oder Anreizargument dar, diese im eigenen Interesse oder zum eigenen Wohl zu kaufen oder in Anspruch zu nehmen. Sämtliche von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen könnten so beschaffen, gestaltet und konzipiert sein oder so erbracht werden, dass sie insbesondere dem Inanspruchnehmer dieser Dienstleistungen oder Käufer dieser Waren nützten oder aber ihm einen Vorteil suggerierten. Auch die grafische Gestaltung könne die Schutzfähigkeit des Zeichens nicht begründen. Sie bestehe lediglich aus unterschiedlichen Schriftbildern, Schriftgrößen und -zeilen, so dass von einer einfachen und gebräuchlichen Gestaltung oder Verzierung auszugehen sei, die den sachbezogenen Charakter der Angabe nicht beseitigen könne.
9
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass dem angemeldeten Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle, weil zunächst erkannt werden müsse, dass die Zahl „4“ als „four/for“ ausgesprochen werden müsse. Zudem weise das angemeldete Zeichen verschiedene charakteristische grafische Gestaltungsmerkmale auf. Es bestehe auch kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da der Wortlaut des Zeichens nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben bestehe und zudem eine auffallende grafische Gestaltung des Zeichens gegeben sei.
10
Die Anmelderin beantragt,
11
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2010 aufzuheben.
II.
12
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
13
Der angemeldeten Marke steht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.
1.
14
Das begehrte Wort-/Bildzeichen setzt sich aus drei Worten, die der englischen Sprache zugehören und der Zahl „4“ zusammen. Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, dass der angesprochene Verkehr die Zahl in Zusammenhang mit den weiteren englischen Wörtern als Kurzform für den englischen Begriff „four“ erkennen werde. Die Verwendung der Ziffern „4“ und „2“ als phonetische Äquivalente für die Wörter „to“ oder „four/for“ sind Werbe- und sprachüblich und werden daher in englisch-sprachigen Wortkombinationen auch mit der entsprechenden Bedeutung verstanden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 133, 153 m. w. N. in Fn. 450; BPatG 28 W (pat) 188/07 – alloys4you; BPatG 27 W (pat) 143/01 – 4fun; BPatG 33 W (pat) 153/01 – 4students; BPatG 27 W (pat) 66/02 – all4printer; BPatG 27 W (pat) 85/09 – fashion4EVA; BPatG 33 W (pat) 6/02 – IPO 4 U; BPatG 27 W (pat) 38/97 – SHOE4YOU; BPatG 27 W (pat) 97/07 – FIT 4 BALANCE; BPatG 33 W (pat) 67/02 – sms4you). Zudem lässt sich die Zahl „4“, wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt, auch als Kürzel für den Begriff „for(für)“ lexikalisch belegen (vgl. DUDEN – Wörterbuch der Abkürzungen, 5. Auflage, Seite 221). Auch die weiteren Wörter der englischen Sprache (do/ it/ you) werden von dem angesprochenen deutschen Verkehr ohne weiteres verstanden, da sie zum Grundwortschatz der englischen Sprache zählen (vgl. dazu BGH GRUR 2008 -VISAGE).
2.
15
Der begehrten Marke steht nicht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, denn der Wortfolge „Tu es für Dich“ bzw. „Tue es deinetwegen“ kann keine inhaltliche Bedeutung beigemessen werden, die geeignet wäre, ein Merkmal der begehrten Waren und Dienstleistungen zu bezeichnen (vgl. ebenso für die Wortfolge „FOR YOU“: BGH GRUR 1999, 1093).
16
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der gewählten Wortkombination grammatikalisch die Bedeutung eines Imperativs beizumessen ist. Insoweit unterscheidet sie sich maßgeblich von anderen Wortfolgen, die infolge der Voranstellung eines Substantivs oder Pronomens, wie beispielsweise „We do it for you“ (dazu: HABM R0461/00-2), „alloys4you“ (dazu BPatG, 28 W (pat) 188/07), „Dessous for you“ (dazu BPatG, 27 W (pat) 100/96), durch das beigefügte Wort einen Sachbezug zu den zugehörigen Waren oder Dienstleistungen erkennen lassen. Es wäre auch unzulässig, bei der Analyse des Bedeutungsgehalts des angemeldeten Zeichens ein zusätzliches Wort, wie etwa den Begriff „We“ oder „I“ gedanklich hinzuzufügen und der Wortfolge dadurch einen anderen Sinngehalt („Wir tun es für dich/Ich tue es für dich“) beizumessen. Eine solche gedankliche Hinzufügung von Wörtern, die das angemeldete Zeichen nicht enthält, ist jedenfalls dann unzulässig, wenn die konkret begehrte Wortkombination auch ohne diese Ergänzung einen vollständigen und grammatikalisch korrekten Satz darstellt, dessen Sinngehalt durch die Hinzufügung eines weiteren Wortes verändert würde.
17
Ein allgemeines Freihaltungsbedürfnis an allgemeinen, nicht warenbezogenen und in verschiedenen Warenbereichen einsetzbaren Ausdrücken, kann § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Übrigen nicht entnommen werden (BGH GRUR 1999, 1093 – FOR YOU).
18
Von der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG werden nämlich nur solche Zeichen erfasst, die einen hinreichenden Warenbezug aufweisen, indem sie die in der Norm im Einzelnen angeführten Angaben oder sonstige Merkmale der Waren und/oder Dienstleistungen bezeichnen (BGH GRUR 1999, 1093 – FOR YOU).
3.
19
Dem beanspruchten Zeichen steht auch nicht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
20
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wären von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (137 Nr. 29) Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (429 f. Nr. 30 f. Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (1043 Nr. 23, 24) – THOMSON LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (944 Nr. 23) – SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) – VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist.
21
Bei der Auslegung der absoluten Schutzhindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO m. w. N.). In Anbetracht des Umfangs des einer Marke verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, um diese ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (EuGH, GRUR 2004, 943 (Nr. 23, 27) – SAT.2). Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) – Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) – Companyline).
22
Die hier beanspruchte Wortkombination ist bei Zugrundelegung des dargelegten Prüfungsmaßstabs hinreichend unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihr im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können.
23
Abzustellen ist dabei auf die Auffassung des beteiligten inländischen Verkehrs, wobei dieser alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) – Henkel). Dabei handelt es sich um den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) – Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff.).
24
Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall für die begehrten Dienstleistungen der Klasse 35 und 37 der Geschäftsverkehr, im Übrigen auch allgemeine und breite Verbraucherkreise. Diese werden das angemeldete Zeichen in Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten als Hinweis auf deren Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.
25
Für die Anwendbarkeit von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt nämlich nicht allein der Umstand, dass es sich um einen Begriff handelt, der mit einer bestimmten Bedeutung Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, da kein grundsätzliches Eintragungshindernis für allgemeine nicht produktbezogene und in verschiedenen Bereichen einsetzbaren Ausdrücke anzunehmen ist und insoweit auch nicht generell die Unterscheidungskraft verneint werden kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 41) – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Kann einer Marke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) – FUSSBALL WM 2006, BGH GRUR 2007, 1071 (Nr. 25) – Kinder II; BGH GRUR 2001, 1042 (1042) – REICH UND SCHÖN).
26
Die Wortfolge „Do it 4 you“ bzw. „Do it for you“ ist in Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen indes nicht als derartig gebräuchliche Wortfolge anzusehen. Zum einen handelt es sich nicht um eine übliche Wortfolge der Alltagssprache, dass sie vom Verkehr allein und stets als solche aufgenommen und verstanden wird und ihr schon deshalb jegliche Unterscheidungskraft im folgenden Sinne fehlen würde (vgl. ebenso: BGH GRUR 1999, 1093 – FOR YOU). Zum anderen handelt es sich auch in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Produkten nicht um eine gebräuchliche Wortfolge. Weder durch die Internetrecherche des Senats noch die Prüfung der Markenstelle ließen sich Belege für die übliche Benutzung der verfahrensgegenständlichen Wortfolge in Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen auffinden. Lediglich im Bereich von Fitness, Kosmetik, Wellness u. ä. wird die Wortfolge üblicherweise verwendet, um darauf hinzuweisen, dass der Konsument mit den entsprechenden Waren oder Dienstleistungen „etwas für sich (d. h. für sein Wohlbefinden) tut“ also als Synonym für „Tu dir etwas Gutes“. In Zusammenhang mit den hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist diese Wendung indes weder in der deutschen noch in der englischen Fassung gebräuchlich.
27
Darüber hinausgehend hat sich auch nicht belegen lassen, dass die Wortfolge „Do it for you“ als Synonym für „Do-it-yourself“ verwendet wird. Die Internetrecherche des Senats hat insoweit lediglich einen Treffer ergeben, in dem es heißt: Der Wachstumstrend 2012: Do-it-yourself war gestern – jetzt beginnt die Ära des Do-it-for-you (www.zukunft-passiert.de). Aus einer einzelnen Fundstelle kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Wortfolge „Do-it-for-you“ allgemein als Synonym für „Do-it-yourself“ verwendet wird.
28
Aus alldem ergibt sich, dass der Verkehr die beanspruchte Wortfolge „Do it 4 you“ in Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen ungeachtet der konkreten grafischen Ausgestaltung als Hinweis auf die Herkunft der Produkte aus einem bestimmten Unternehmen wahrnehmen wird, so dass sie hinreichend unterscheidungskräftig ist.
29
Die Überprüfung der Dienstleistungsbegriffe und der Klassifizierung bleibt dem Deutschen Patent- und Markenamt vorbehalten.


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