Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “fahrer-umfrage.de PKW-ZUFRIEDENHEITS-STUDIE (Wort-Bild-Marke)” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  29 W (pat) 68/10

Datum:
10.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 024 906.4
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. Februar 2010 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, des Richters Dr. Kortbein und der Richterin Kortge
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2008 und vom 22. April 2009 werden aufgehoben.

Gründe

I.
1

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 16. April 2008 das Wort-/Bildzeichen

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2

für nachfolgende Dienstleistungen der Klasse 35 angemeldet worden:

3

Erbringen von Marketing-Dienstleistungen, nämlich Durchführung von Marktforschung, Event-Marketing, nämlich Budgetierung, Einsatzplanung und Kommunikation von Werbe-Events, Verkaufsförderung (für Dritte), nämlich Entwicklung von geschäftlichen Werbekampagnen, Durchführung von Wettbewerben und Incentive-Prämienprogrammen für die Förderung des Verkaufs von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen Dritter und Einholung der Verbraucherzustimmung für die Nutzung von Verbraucherinformationen für Marketing und Werbung.

4

Durch Beschlüsse vom 23. Oktober 2008 und vom 22. April 2009, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass das angemeldete Zeichen als Hinweis auf eine Fahrerumfrage zum Thema der Zufriedenheit mit PKWs verstanden werde. Seine Bedeutung sei den angesprochenen breiten Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich, da es sprachüblich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache gebildet sei. Dem Bestandteil “.de” komme die Funktion einer deutschen Internetadresse zu. Mittels einer Fahrerumfrage zur PKW-Zufriedenheit könnten Maßnahmen etwa im Bereich der Marktforschung oder Verkaufsförderung durchgeführt werden. Werbefachleute müssten stets über die Bedürfnisse der Verbraucher informiert sein, um ihre Werbestrategien planen zu können. Folglich benenne das beanspruchte Zeichen auch in seiner Gesamtheit die Thematik der angemeldeten Dienstleistungen. Ebenso könne ihm die grafische Gestaltung nicht die notwendige Schutzfähigkeit verleihen, da sie in der Werbung gebräuchlich sei. Der auf eine Internetadresse und damit eventuell auf eine elektronische Umfrage hinweisende Bestandteil “de” und die Darstellung eines Schreibblocks mit Stift seien nicht widersprüchlich. Letztere werde nur als Synonym für eine Umfrage aufgefasst. Der Verkehr werde nicht da-von ausgehen, dass es nur eine Institution zur Durchführung von Fahrerumfragen für eine PKW-Zufriedenheitsstudie gebe. Im Übrigen seien bereits vergleichbare Anmeldungen nicht zur Eintragung gelangt.

5

Dagegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt, mit der er beantragt,

6

die Beschlüsse vom 23. Oktober 2008 und vom 22. April 2009 aufzuheben.

7

Eine Begründung der Beschwerde hat er nicht vorgelegt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
9

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.

10

1. Das beanspruchte Wort-/Bildzeichen weist für die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 35 noch die notwendige Unterscheidungskraft auf, so dass seiner Eintragung nicht das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

11

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2006, 229, 230, Rdnr. 27 -BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 –
FUSSBALL
WM 2006). Bei Zeichen, die aus Wort- und Bildbestandteilen gebildet sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit des Zeichens darauf zu erstrecken, ob es als solches, jedenfalls in einem seiner Bestandteile, den geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. BPatG 32 W (pat) 145/01 – Milch). Allerdings darf die Prüfung, ob die erforderliche Unterscheidungskraft vorhanden ist, nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607/608, Rdnr. 59 – Libertel; EuGH GRUR 2004, 674, 680, Rdnr. 123 – Postkantoor).

12

a) Der Zeichenbestandteil “
fahrer
-umfrage.de” vermittelt in Verbindung mit dem Element “
PKW-ZUFRIEDENHEITS-STUDIE
” die Bedeutung einer Internetadresse, unter der systematisch Kraftfahrzeugführer befragt werden, um auf wissenschaftliche Art und Weise ihre Zufriedenheit mit dem jeweils benutzten PKW zu ermitteln (vgl. auch Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim 2006, CD-ROM). Die stilisierte Darstellung eines Klemmbretts mit Stift unterstreicht hierbei den Begriff “Umfrage”, da es sich hierbei um ein Hilfsmittel zur Durchführung einer Umfrage handeln kann.

13

b) Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung weisen die einzelnen Bestandteile des angemeldeten Zeichens einen engen beschreibenden Bezug zu der Dienstleistung “Erbringen von Marketing-Dienstleistungen, nämlich Durchführung von Marktforschung” auf, die die Erstellung von PKW-Zufriedenheits-Studien mittels Befragung der Fahrer umfasst. Dies gilt jedoch nicht für das Gesamtzeichen. Es vermittelt als Ganzes gerade noch einen Eindruck, der über die Zusammenfügung der einzelnen Elemente hinausgeht und sich nicht in deren bloßer Summenwirkung erschöpft (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, Rdnrn. 45 und 69 – EUROHYPO).

14

Hierzu trägt zum einen die Darstellung des Klemmbretts bei. Es scheint sich hinter dem Bestandteil “umfrage” zu befinden, während es das Element “
fahrer
” teilweise überdeckt. Hierdurch entsteht ein gewisser räumlicher Effekt, der durch die schiefe Wiedergabe verstärkt wird. Selbst wenn sich die Darstellung des Klemmbretts im Rahmen der üblichen Gestaltungen hält, so ist doch zu berücksichtigen, dass sie fast schemenhaft wirkt und zu genauerer Betrachtung anregt. Hinzu kommt die etwas undeutliche Abbildung eines schräg liegenden Stiftes, die auf den ersten Blick auch als Lineal interpretiert werden kann. Zur individuellen Charakteristik des angemeldeten Zeichens tragen zum anderen die Unterschiede in der Größe des Bestandteils “
fahrer
” und des dazugehörigen Elements “umfrage.de” sowie deren zueinander etwas versetzte Anordnung bei. In Kombination mit der darunter befindlichen Wortfolge “PKW-ZUFRIEDENHEITS-STUDIE” und dem Rechteck weist das angemeldete Zeichen insgesamt ein Mindestmaß an Eigenart auf, das im Gegensatz zu als schutzunfähig angesehenen Gestaltungen für die Begründung der erforderlichen Unterscheidungskraft gerade noch ausreicht (vgl. u. a. 33 W (pat) 183/04 – easyline; 32 W (pat) 240/04 -FestSpielHaus; 29 W (pat) 251/03 – Druck Discount 24.de). Allerdings beschränkt sich mangels Kennzeichnungskraft der einzelnen Bestandteile der Schutzbereich hierbei auf die konkret angemeldete Kombination.

15

c) In Verbindung mit den übrigen Dienstleistungen “Event-Marketing, nämlich Budgetierung, Einsatzplanung und Kommunikation von Werbe-Events, Verkaufsförderung (für Dritte), nämlich Entwicklung von geschäftlichen Werbekampagnen, Durchführung von Wettbewerben und Incentive-Prämienprogrammen für die Förderung des Verkaufs von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen Dritter und Einholung der Verbraucherzustimmung für die Nutzung von Verbraucherinformationen für Marketing und Werbung” ist bereits ein eindeutiger Sachbezug nicht erkennbar. Selbst wenn sie auf Umfragen und Studien zur Zufriedenheit von Autofahrern beruhen oder damit im Zusammenhang stehen, so werden sie hierdurch nicht charakterisiert. Maßgeblich für die Budgetierung, Einsatzplanung und Kommunikation von Werbe-Events, die Entwicklung von geschäftlichen Werbekampagnen und die Durchführung von Wettbewerben und Incentive-Prämienprogrammen für die Förderung des Verkaufs von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen Dritter und Einholung der Verbraucherzustimmung für die Nutzung von Verbraucherinformationen für Marketing und Werbung sind vielmehr konkrete Planungen und Maßnahmen zu ihrer Umsetzung. Demgegenüber beschränken sich Umfragen und Studien regelmäßig auf die Ermittlung und Wiedergabe des Istzustands.

16

2. Bei dem angemeldeten Zeichen handelt es sich darüber hinaus nicht um eine unmittelbar beschreibende freihaltungsbedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

17

Nach dieser Vorschrift sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen dienen können (vgl. BGH GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt; EuGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT). Solche Zeichen oder Angaben müssen im Gemeininteresse allen Unternehmen zur freien Verfügung belassen werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 – BIOMILD).

18

Entsprechend den Ausführungen unter 1.) weist die beanspruchte Wort-/Bildkombination für die Dienstleistung “Erbringen von Marketing-Dienstleistungen, nämlich Durchführung von Marktforschung” eine über eine Sachaussage hinausgehende Charakteristik und für die übrigen Dienstleistungen keinen beschreibenden Sinngehalt auf. Insofern muss sie zugunsten von Mitbewerbern nicht freigehalten werden, zumal es – wie die Recherchen des Senats zeigen – vielfältige Möglichkeiten zur Darstellung eines Klemmbretts gibt (vgl. Google-Trefferliste “Bilder”, Suchbegriff: Klemmbrett).

19

3. Auch die von der Markenstelle zur Begründung der Schutzunfähigkeit herangezogenen Zurückweisungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie betreffen Marken, die nicht die in dem angemeldeten Zeichen enthaltenen Wort- und Bildbestandteile enthalten. Demzufolge ist der jeweilige den Zurückweisungen zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

20

Weitere Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich, so dass der Beschwerde stattzugeben war.


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