Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “fly” – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  30 W (pat) 66/11

Datum:
2.2.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 043 667.3
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 2. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
fly
3
soll für folgende Waren in das Markenregister eingetragen werden:
4
“Schutzhelme für den Sport; Schutzpolster (Sportausrüstungen); Ellbogenschützer (Sportartikel); Knieschützer (Sportartikel); Schienbeinschutz (Sportartikel)”.
5
Auf den Beanstandungsbescheid hatte die Anmelderin ausgeführt, sie verwende das angemeldete Zeichen nicht für Schutzkleidung im Bereich von Flugsportarten, sondern ausschließlich für die Sportbereiche Skateboard, Fahrrad, Snowboard und Ski.
6
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung mit Beschluss vom 10. Mai 2011 wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das zum englischen Grundwortschatz gehörende Wort “fly” für “fliegen” sei eine Angabe, die im Verkehr zur Merkmalsbeschreibung der beanspruchten Waren dienen könne. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren aus dem Bereich Schutzhelme und ergänzende Schutzbekleidung für den Sport und dabei insbesondere – nach eigenen Angaben der Anmelderin – für die Sportbereiche Skateboard, Fahrrad, Snowboard und Ski weise “fly” lediglich darauf hin, dass die Schutzbekleidung dazu geeignet und bestimmt sei, dem Sportler Schutz vor den Risiken der eben genannten Sportarten zu bieten, deren wesentliche Eigenart darin bestehe, den Sportler mittels verschiedener Sprungtechniken fliegen zu lassen, bzw. ihm durch Schnelligkeit ein Gefühl des Fliegens zu vermitteln. Die genannten Fun- oder Trendsportarten seien darauf ausgerichtet, das Erleben und den Spaß in den Vordergrund zu stellen. Sie hätten nicht nur eine Bedeutung als Sportaktivität, sondern seien auch Ausdruck einer besonderen Lebensart und verfügten regelmäßig über ein eigenständiges, meist englischsprachiges Vokabular. “Fly” bzw. “fliegen” verkörpere Leichtigkeit, Freiheit und Unabhängigkeit, ein Überwinden von Grenzen und spreche damit gerade das Lebensgefühl Jugendlicher und junger Erwachsener an, die besonders häufig Fun- bzw. Trendsportarten ausübten. Da für eine möglichst risikoarme Ausübung der Sportarten das Tragen von Schutzbekleidung und eines Helmes unerlässlich sei, beschreibe der Begriff “fly” in Bezug auf die beanspruchten Waren für die umworbenen Abnehmerkreise bedeutsame Umstände.
7
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, die Auffassung der Markenstelle, der Verkehr erblicke in dem Begriff “fly” eine Merkmalsangabe der Ware, weil er mit den betreffenden Sportarten (Skateboarding, Fahrrad/BMX, Snowboarden, Freestyle-Skiing) ein (Lebens-) Gefühl des Fliegens verbinde, sei nicht zutreffend. Die Markenstelle verkenne, dass in den von ihr angeführten Sportarten nicht geflogen werde, sondern lediglich Sprünge ausgeführt würden. Zudem würde es sich aber ohnehin nur um eine Eigenschaft handeln, die der Sportart selbst anhafte, nicht hingegen der Schutzkleidung. Denn die Schutzkleidung ermögliche es dem Sportler nicht, zu fliegen bzw. zu springen und verleihe ihm auch kein dahingehendes Gefühl, sondern biete lediglich Schutz bei Stürzen. Insofern bedürfe es erheblicher Gedankenschritte, um das Wort “fly” einer Eigenschaft der Ware zuzuordnen.
8
Die Anmelderin beantragt,
9
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
11
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
12
Die angemeldete Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie eine für den Wettbewerb freizuhaltende beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist, der auch jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
13
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können.
14
Derartigen Angaben kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei die Verständnisfähigkeit des Publikums nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR  2003, 58 (Nr. 24) – Companyline; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 24) – SAT.2; BGH GRUR 2001, 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung beanspruchten verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck “dienen können”.
15
2. Diese Voraussetzungen liegen bei dem angemeldeten Begriff “fly” vor. Das zum englischen Grundwortschatz gehörende Wort “fly” bedeutet “fliegen”; in diesem Sinne werden die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke ohne weiteres verstehen. In Bezug auf die angemeldeten Waren ergibt die angemeldete Bezeichnung “fly” daher die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um solche Schutzausrüstungen für den Sport handelt, die zum Fliegen geeignet sind, zum Fliegen verwendet werden oder zum Fliegen bestimmt sind. Die Bezeichnung “fly” beschreibt daher unmittelbar ein Produktmerkmal bzw. stellt eine Bestimmungsangabe für das so gekennzeichnete Produkt dar.
16
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, gehört es bei bestimmten Trendsportarten dazu, dass der Sportler mit dem Sportgerät eine nicht unerhebliche Zeit durch die Luft fliegt und dabei erhöhten Belastungen und Risiken durch den Flug ausgesetzt ist, so dass die hierfür erforderliche Schutzausrüstung entsprechend beschaffen sein muss. Aber auch bei gängigen Sportarten wie Skifahren, Snowboarden, Skaten oder Radfahren werden bei sportlicher Ausübung so große und weite Sprünge ausgeführt, dass man davon sprechen kann, dass der Sportler dabei eine gewisse Strecke durch die Luft fliegt. Um für diese Fälle mögliche Stürze und Verletzungen zu vermeiden, ist es notwendig, dass hierbei entsprechende Spezialschutzkleidung und Spezialschutzvorrichtungen getragen werden, die für derartige besondere Belastungen ausgelegt sind.
17
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass darüber hinaus Schutzkleidung für eine bestimmte Sportart angeboten werden kann, die zusätzlich für den Flugsport geeignet sein kann, wie z. B. ein Skihelm, der auch zum Skispringen oder Gleitschirmfliegen geeignet sein kann.
18
3. Wegen des in Bezug auf die angemeldeten Waren im Vordergrund stehenden Begriffsgehalts handelt es sich um eine deutlich und unmissverständlich beschreibende Angabe ohne jegliche begriffliche Ungenauigkeit. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die angemeldete Marke daher auch nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel auffassen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).


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