Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “ImplantMarker” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 78/11

Datum:
26.2.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 001 922.3
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Februar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 25. Juli 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen 30 2011 001 922.3
2
ImplantMarker
3
ist am 13. Januar 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 10, 42 und 44 angemeldet worden. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis lautet nach der Einschränkung im Beschwerdeverfahren (mit Schriftsatz vom 22. Januar 2013):
4
Klasse 10: Diagnosegeräte für medizinische Zwecke; Analysegeräte für medizinische Zwecke; ärztliche Instrumente und Apparate; medizinische Apparate und Instrumente; zahnärztliche Apparate und Instrumente; sämtliche beanspruchten Waren zur Erkennung von Dentalkeimen und Dentalentzündungen;
5
Klasse 42: Dienstleistungen von chemischen Labors; Durchführung chemischer Analysen; Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen; Erstellung wissenschaftlicher Gutachten; Forschungen auf dem Gebiet der Bakteriologie und Chemie; wissenschaftliche Forschung; Entwicklung von medizinisch-technischen Apparaten und Geräten; Beratung von Kliniken und Ärzten im medizinischtechnischen Bereich; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; sämtliche beanspruchten Dienstleistungen zur Erkennung von Dentalkeimen und Dentalentzündungen;
6
Klasse 44: Dienstleistungen eines medizinischen Labors; Dienstleistungen von Kliniken; Durchführung medizinischer und klinischer Untersuchungen; Durchführung von Therapien; Gesundheitsberatung; therapeutische Betreuung und ärztliche Versorgung; Vermietung von medizinischen Geräten; Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen eines Arztes; sämtliche beanspruchten Dienstleistungen zur Erkennung von Dentalkeimen und Dentalentzündungen.
7
Die Markenstelle für Klasse 10 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 25. Juli 2011 auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, welches noch nicht die jeweilige Einschränkung „sämtliche beanspruchten Waren/Dienstleistungen zur Erkennung von Dentalkeimen und Dentalentzündungen“ enthielt, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angesprochenen Verkehrskreise würden der angemeldeten Wortzusammensetzung „ImplantMarker“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres den beschreibenden Hinweis entnehmen, dass es sich bei den so gekennzeichneten Produkten um solche handle, die mit der Positionsüberwachung mittels sogenannter Marker (Indikatorsubstanzen) anlässlich von Implantationen zu tun hätten. Dies könnten z. B. Diagnose- und Analysegeräte sein, die bei einer Positionsüberwachung anlässlich von Implantationen eingesetzt würden, wissenschaftliche Forschung darüber, Programme für die Datenverarbeitung, die diese Geräte steuerten, und diesbezügliche Dienstleistungen von Kliniken und Ärzten. Aus den Recherchebelegen des DPMA sei auch ersichtlich, dass es sich bei dem Begriff „implant marker“ um einen Fachbegriff aus der Medizintechnik handle, der vielfach im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen verwendet werde. Das Anmeldezeichen stelle damit einen Sachhinweis auf Art, Thema und Anwendungsgebiet der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dar und eigne sich nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.
8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie vorträgt, dass es sich bei dem Begriff „ImplantMarker“ entgegen der Ansicht der Markenstelle um keinen medizinischen Fachbegriff handle. Das originelle und einprägsame Anmeldezeichen erfordere im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen vom angesprochenen Publikum ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand und löse bei diesem einen Denkprozess aus, so dass dem Zeichen eine betriebliche Herkunftsfunktion nicht abgesprochen werden könne.
9
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2013 hat der Senat die Beschwerdeführerin auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses hingewiesen. Die mündliche Verhandlung wurde mit einem Beschluss nach § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG (Ankündigung einer Zustellung der Entscheidung an Verkündungs Statt, jedoch nicht vor dem 23. Januar 2013) geschlossen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2013, per Fax eingegangen am selben Tag, hat die Beschwerdeführerin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie oben wiedergegeben beschränkt und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeregt.
10
Sie beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,
11
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 25. Juli 2011 aufzuheben.
12
Mit Beschluss vom 7. Februar 2013 hat der Senat die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 76 Abs. 6 S. 2 MarkenG, § 156 ZPO angeordnet.
13
Gleichzeitig ist mit Zustimmung der Beschwerdeführerin der Übergang ins schriftliche Verfahren erfolgt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
15
Die zulässige Beschwerde ist auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet.
16
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „ImplantMarker“ als Marke stehen in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
17
1. Dem Anmeldezeichen kann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
18
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. – FUSSBALL WM 2006).
19
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen. Denn es weist für die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.
20
Zu den hier angesprochenen Verkehrskreisen gehören in erster Linie medizinische Fachkreise, von einem Teil der in Klasse 44 beanspruchten Dienstleistungen sind auch Patienten und deren Angehörige angesprochen.
21
aa) Die angemeldete Wortkombination setzt sich aus den Elementen „Implant“ und „Marker“ zusammen. „Implant“ ist die englische Bezeichnung für „Implantat, implantieren“ (www.dict.cc – Deutsch-Englisch-Wörterbuch). Der englische Begriff „marker“, der auch im deutschen Sprachgebrauch zu finden ist, hat die Bedeutungen „Marker, Markierung, Markierungsmittel, Kennzeichen“ (www.dict.cc – Deutsch-Englisch-Wörterbuch). Im medizinischen Bereich bezeichnet „Marker“ eine „biologische Substanz (z. B. Protein, Hormon), deren Vorhandensein im Körper auf einen Krankheitszustand hindeutet“ (www.duden.de). In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die Begriffe „Tumormarker“ oder „Biomarker“ gebräuchlich (www.duden.de).
22
bb) Der Gesamtbegriff „ImplantMarker“ ist lexikalisch nicht nachweisbar. Das angemeldete Wortzeichen kann in seiner Gesamtheit dennoch – jedenfalls von den medizinischen Fachkreisen, die der englischen Sprache in der Regel mächtig sind – als eine Markersubstanz verstanden werden, die im Körper eingesetzte Implantate markiert, um beispielsweise deren Position und Funktion für bildgebende Untersuchungen sichtbar zu machen und/oder nicht-invasiv zu beobachten. Ausweislich der vom DPMA recherchierten Internetauszüge in englischer Sprache wird die Wortfolge „implant marker“ im Bereich der Medizin(technik) mehrfach im obigen Sinne beschreibend verwendet (vgl. Anlagen zum angefochtenen Beschluss des DPMA). Allein anhand dieser Belege kann allerdings entgegen der Annahme der Markenstelle nicht festgestellt werden, dass sich die Bezeichnung „implant marker“ zu einem im Inland gebräuchlichen Fachbegriff entwickelt hat, zumal auch fraglich ist, ob sich die o. g. Internetseiten auch an das deutsche Fachpublikum richten. Eine ergänzende Recherche des Senats ergab keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine im Inland gebräuchliche (beschreibende) Verwendung dieser Bezeichnung in der medizinischen Fachsprache.
23
cc) Ungeachtet dessen weist die Wortkombination „ImplantMarker“ keine ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auf.
24
Die in Klasse 10 noch beanspruchten medizinischen und zahnärztlichen Geräte, Instrumente und Apparate werden „zur Erkennung von Dentalkeimen und Dentalentzündungen“ eingesetzt, was jedenfalls ohne näheres Nachdenken nichts mit der Sichtbarmachung und Positionsüberwachung von Implantaten mittels Markersubstanzen zu tun hat. Ein denkbarer beschreibender Aussagegehalt des Anmeldezeichens im Zusammenhang mit diesen Waren ließe sich daher allenfalls in mehreren gedanklichen Schritten ermitteln. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für das angesprochene Publikum ohne weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Waren oder Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 12 – Link economy; a. a. O. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
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Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 42 und 44. Diese beziehen sich aufgrund der erfolgten Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ebenfalls allesamt auf die „Erkennung von Dentalkeimen und -entzündungen“, so dass auch hier ein längerer Denkprozess und Interpretationsaufwand erforderlich ist, um überhaupt einen Bezug zur Markierung von Implantaten bzw. Sichtbarmachung und Überwachung von Implantaten mittels Markersubstanzen herzustellen.
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Dem angemeldeten Zeichen kommt daher insoweit die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zu.
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2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.


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