Aktenzeichen 30 W (pat) 65/09
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 303 10 228
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Vogel von Falckenstein sowie der Richterinnen Martens und Hartlieb
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 vom 24. Februar 2009 und vom 14. Dezember 2007 insoweit aufgehoben als der Widerspruch aus der Marke 398 43 692 zurückgewiesen worden ist.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 43 692 wird die Löschung der Marke 303 10 228 angeordnet.
Gründe
I.
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Gegen die für die Waren
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„Humanarzneimittel, nämlich neurologische Produkte“
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am 23. April 2003 unter der Nummer 303 10 228 registrierte Wortmarke
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LevoCarb TAD
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ist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 398 43 692,
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Levocarb ,
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eingetragen für die Waren
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„Verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Medikamente zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit“
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sowie aus der prioritätsälteren Wortmarke 398 51 244
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Levocarb-TEVA
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eingetragen für die Waren
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„Verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Medikamente zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit“.
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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Widersprüche wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei identischen und hochgradig ähnlichen Waren sowie normaler Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken sei der erforderliche Abstand eingehalten. Bei dem Bestandteil „Levocarb“ handle es sich um einen für die angesprochenen Fachleute erkennbar zusammengesetzten Hinweis auf die Wirkstoffe „ Levodopa“ (INN) und „ Carbidopa“ (INN), die ausschließlich zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit eingesetzt würden. Da diese Gesamtbezeichnung selbst kein INN oder eingeführter Fachbegriff sei, könne nicht von einem eindeutig schutzunfähigen Bestandteil ausgegangen werden. Obwohl der in beiden Marken gemeinsame Bestandteil „Levocarb“ selbst kein INN oder eingeführter Fachbegriff sei, könne aufgrund seines für Fachleute deutlich sprechenden Charakters als Wirkstoff- Kombinationsabkürzung nicht von einer eigenständig kennzeichnenden Stellung von „Levocarb“ ausgegangen werden. Es bestehe nicht die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden.
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Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, die Auffassung der Markenstelle sei widersprüchlich, da diese einmal eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit angenommen habe (da es sich nicht um einen INN oder einen eingeführten Fachbegriff handle), zum anderen aber („aufgrund seines für Fachleute deutlich sprechenden Charakters als Wirkstoff-Kombinationsabkürzung“) keine eigenständig kennzeichnende Stellung von „Levocarb“ in der angegriffenen Marke angenommen habe. Die selbständig kennzeichnende Stellung von „Levocarb“ werde durch die deutlich abgesetzte Darstellung dieses Bestandteils noch unterstützt. Es sei jedenfalls eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne anzunehmen, da vorliegend die ältere Marke identisch bzw. in hochgradig ähnlicher Form in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen worden sei, dort zumindest eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten habe und es sich bei dem dem jüngeren Zeichen hinzugefügten Bestandteil um ein Firmenschlagwort handle.
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Die Widersprechende beantragt,
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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Februar 2009 und vom 14. Dezember 2007 aufzuheben.
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Die Markeninhaberin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Markeninhaberin führt aus, Medikamente zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit sprächen ganz überwiegend aufmerksame und geschulte Fachkreise, nämlich Ärzte und Apotheker an. Verwechslungsmindernd wirke sich zunächst die im Warenverzeichnis zu den Widerspruchsmarken niedergelegte Rezeptpflicht der beanspruchten Arzneimittel aus, in einem derartigen Fall überwiege bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr die Auffassung der verordnenden Ärzte, die eigenverantwortlich die Auswahl des Arzneimittels mit der erforderlichen Sorgfalt treffen würden. Die Widerspruchsmarke Levocarb verfüge jedenfalls über nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, da der Begriff Levocarb durch Aneinanderreihung zweier Abkürzungen „Levo“ für die Wirkstoffbezeichnung (INN) Levodopa und „ Carb “ für die Wirkstoffbezeichnung (INN) Carbidopa gebildet sei. Damit lehne sich die Widerspruchsmarke eng an warenbeschreibende Begriffe an. Die Abkürzungen seien für die ganz überwiegend angesprochenen Fachkreise ohne weiteres erkennbar, selbst die möglicherweise mit angesprochenen Laien würden einen Sachhinweis vermuten, da die Einzelbestandteile klar erkennbar blieben. Es bestehe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr, da die angegriffene Marke sich deutlich durch den weiteren Bestandteil TAD sowie die Binnengroßschreibung unterscheide. Auch präge das Element Levocarb weder das angegriffene Zeichen noch die Widerspruchsmarke Levocarb-TEVA derart, dass die weiteren Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten würden. Obwohl es sich bei den Zusätzen TAD und TEVA um Unternehmenskennzeichen handle, würden sie jedoch in ihrer Bedeutung für den Gesamteindruck nicht wesentlich in den Hintergrund treten. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Begriff „Levocarb“ denkbar geringe Kennzeichnungskraft aufweise, so dass die ganz überwiegenden Fachkreise die Firmenzusätze einbezögen. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn, die Widerspruchsmarke finde sich nur in abgewandelter Form nämlich mit einer Binnengroßschreibung in der angegriffenen Marke wieder, so dass sie schon aus diesem Grund keine selbständig kennzeichnende Stellung einnehmen könne, da insoweit die identische Übernahme gefordert werde. Ebenso fehle es an der normalen Kennzeichnungskraft der älteren Marke.
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In der mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, den erhobenen Nichtbenutzungseinwand nicht aufrecht zu erhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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A) Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 398 43 692 „Levocarb“ Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
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Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; MarkenR 2008, 12 – T-Interconnect; GRUR 2008, 906 – Pantohexal).
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1. Bei seiner Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zugrunde gelegt.
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Da die Widerspruchsmarke die ersten vier Buchstaben mit dem INN-Wirkstoff „Levodopa“ sowie die letzten vier Buchstaben mit dem INN-Wirkstoff „Carbidopa“ gemeinsam hat, lassen sich zwar beschreibende Anklänge an die beiden INN erkennen, wodurch ein gewisser Hinweis auf Wirkungsweise und Anwendungsgebiet der Widerspruchswaren gegeben wird. Im Arzneimittelbereich sind jedoch häufig mehr oder weniger deutliche Sachhinweise in den Zeichen enthalten, die aber regelmäßig nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese insgesamt eine ausreichend eigenständige Abwandlung einer beschreibenden Angabe darstellt (vgl. BGH GRUR 1998, 815 – Nitrangin). Das ist vorliegend der Fall, da die Widerspruchsmarke „Levocarb“ eine deutliche Abwandlung darstellt. Durch die Verkürzung des INN „Levocarb“ um die Hälfte der Buchstaben, des INN „Carbidopa“ um mehr als die Hälfte seiner Buchstaben werden keine gängigen Abkürzungen der beiden INN gebildet, zumal die Buchstabenfolge „Levo“ – wie die Markenstelle im Erstbeschluss zutreffend festgestellt hat – der Anfangsbestandteil einiger anderer INN ist wie z. B. Levocabastinum , Levocarnitinum , Levodropropizinum . Die Zusammenfügung dieser aus den INN entnommenen, stark verkürzten Wortteile ist unter diesen Umständen hinreichend phantasievoll und verfremdend, so dass ein ausreichender Abstand zu den jeweiligen INN vorliegt und die Widerspruchsmarke eine ausreichende schutzbegründende Eigenprägung aufweist.
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2. Ausgehend von der Registerlage können die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teils identischer teils eng ähnlicher Waren verwendet werden. Die Widerspruchswaren werden von dem Warenoberbegriff der jüngeren Marke umfasst.
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Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei den vorliegenden „Medikamenten zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit“ der Widerspruchsmarke durchweg faktisch und hinsichtlich der beiden Widerspruchsmarken auch registermäßig eine Rezeptpflicht besteht, so dass die Verwechslungsgefahr – wenn auch nur eingeschränkt – gemindert ist. Bei bestehender Rezeptpflicht ist die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs grundsätzlich erheblich eingeschränkt, so dass auch bei – hier bestehender – einseitiger Rezeptpflicht verstärkt auf den Fachverkehr (insbesondere Ärzte und Apotheker) abzustellen ist, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt (vgl. BGH GRUR 1999, 587 – Cefallone). Indessen ist die Minderung der Verwechslungsgefahr bei einseitiger Rezeptpflicht insofern eingeschränkt, als die Gefahr mündlicher Benennungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Patienten nicht völlig vernachlässigt und auch die Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden darf, dass auch Fachleute – zu denen nicht nur ausgebildete Ärzte und Apotheker, sondern auch deren Hilfskräfte zählen und die Kreise, die mit dem Vertrieb der Arzneimittel befasst sind, Verwechslungen unterliegen können (vgl. BGH, GRUR 1995, 50, 53 – Indorektal/Indohexal; a .a. O. – Nitrangin).
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3. Der unter diesen Umständen gebotene sehr deutliche Markenabstand wird von der angegriffenen Marke nicht eingehalten.
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a) Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Dabei bleibt auch ein beschreibender Bestandteil bei der Feststellung des Gesamteindrucks nicht außer Betracht, sondern ist mitzuberücksichtigen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
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Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrer Gesamtheit klar unterscheiden. Wegen der deutlich unterschiedlichen Länge – das mit Abstand angefügte zusätzliche Markenelement „TAD“ findet bei der Widerspruchsmarke keine Entsprechung – werden unter diesen Aspekt beide Marken nicht miteinander verwechselt werden.
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b) Die Gefahr von Verwechslungen käme jedoch dann in Betracht, wenn allein der Bestandteil „LevoCarb” der jüngeren Marke der Widerspruchsmarke gegenüberzustellen wäre. Denn die Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken als Ganzes anhand eines Vergleichs ihres Gesamteindrucks schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. BGH, BGHZ 167, 322 – Malteserkreuz; MarkenR 2008, 436 – Pantohexal).
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So ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes oder für den Verkehr als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen ist, im Allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in dem oder den anderen Markenbestandteilen sieht (vgl. BGH GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten, m. w. N.; a. a. O. – Pantohexal). Vorliegend sind keine Umstände erkennbar, die ein im Einzelfall von diesem allgemeinen Erfahrungssatz abweichendes Ergebnis erfordern würden (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 345 – ASTRA/ESTRA-PUREN). Zwar ist der Fachverkehr gerade im Arzneimittelbereich aufgrund der weit verbreiteten Praxis, bei Marken einen mehr oder weniger an einen INN angelehnten produktkennzeichnenden Bestandteil mit einem Unternehmens- oder Firmenkennzeichen zu kombinieren, daran gewöhnt, dass das Unternehmenskennzeichen in Marken im Falle eines beschreibenden Charakters des anderen Markenteils oder jedenfalls einer sprechenden Anlehnung an ein INN (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ESTRA-PUREN) häufig eine kennzeichnende Bedeutung hat. Da es sich aber bei der phantasievoll gebildeten Kombination „Levocarb“ – wie unter 1. erörtert – in Bezug auf neurologische Produkte im Unterschied hierzu nicht um einen derart beschreibenden Markenbestandteil handelt, liegt dieser Fall hier nicht vor.
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Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass die Herstellerangabe „TAD“ für den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zurücktritt, weshalb dem Wortbestandteil „LevoCarb” in der angegriffenen Marke „LevoCarb TAD“ eine prägende Funktion zuerkannt werden kann. Da der Bestandteil „TAD“ weder durch Zusammenschreibung noch durch Bindestrich mit dem vorangehenden produktkennzeichnenden Bestandteil „LevoCarb“ verbunden ist, sondern in getrennter Schreibweise nachgestellt ist, steht seiner Alleinprägung eine ansonsten mögliche Klammerwirkung nicht entgegen und „TAD“ ist für den angesprochenen Verkehr ohne Weiteres als Herstellerangabe erkennbar. Auch hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den von der Markeninhaberin herangezogenen Entscheidungen zu Firmenbestandteilen. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Verkehr auf dem Arzneimittelmarkt aus Sicherheitsgründen nicht dazu neigt, Arzneimittelbezeichnungen verkürzt wiederzugeben (BGH a. a. O. – ASTRA/ESTRA-PUREN), kann dieser Umstand allein die nach Auffassung des Senats bestehende Verwechslungsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen.
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Auf die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr der Marken auch unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne bestehe (vgl. BGH a. a. O. – Pantohexal) kommt es bei dieser Beurteilung nicht mehr an.
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B) Nachdem die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 398 43 692 erfolgt, ist der Widerspruch aus der Marke 398 51 244 gegenstandslos.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).