Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “pjur (Wort-Bild-Marke)” – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft – keine bösgläubige Markenanmeldung – Verbietungsrechte sind zentrales Element des Markenrechts – Markeninhaber handelt bei der Markenanmeldung nicht bösgläubig, wenn er Verletzungsprozess führt und den Schutzumfang seiner Marke möglicherweise zu weit zieht – zur Kostenauferlegung

Aktenzeichen  25 W (pat) 16/10

Datum:
31.3.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 50 Abs 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG
§ 14 MarkenG
Spruchkörper:
25. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BPatG München, 8. Februar 2012, Az: 25 W (pat) 16/10, Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Löschungsverfahren S 31/09
gegen die Marke 302 39 695
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. März 2011 unter Mitwirkung…
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Der Antragstellerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gründe

I.
1
Die am 10. August 2002 angemeldete Wort-Bildmarke
2
ist am 2. Dezember 2002 für die Waren der Klassen 3 und 5
3
“Körperpflege- und Kosmetikprodukte; Massage-Fluids, Gleitmittel, Aphrodisiaka, potenzsteigernde Präparate zur äußerlichen und innerlichen Anwendung, Massage-Öle, Gleitcremes und -gels, Orgasmus-Cremes, Aktverlängerungspräparate, nicht für medizinische Zwecke; pharmazeutische Produkte; medizinische Sexualhilfsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten; Massage-Fluids, Gleitmittel, Aphrodisiaka, potenzsteigernde Präparate zur äußerlichen und innerlichen Anwendung, Massage-Öle, Gleitcremes und -gels, Orgasmus-Cremes, Aktverlängerungspräparate, für medizinische Zwecke”
4
unter der Nummer 302 39 695 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.
5
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 9. Januar 2009 die Löschung dieser Marke gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG mit der Begründung beantragt, dass diese entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 10 MarkenG eingetragen worden sei. Die Antragsgegnerinnen haben der Löschung innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen.
6
Im Dezember 2008 hatten die Markeninhaberinnen gegen die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren vor dem Landgericht Köln (Az.: 31 O 718/08) eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragstellerin die Verwendung der Kennzeichen “Pure”, “pure massageoil”, “puremassageoil.com” untersagt worden ist. Sowohl der Widerspruch gegen den einstweiligen Verfügungsbeschluss wie auch die Berufung der Antragstellerin gegen das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil des Landgerichts Köln blieben erfolglos. Die Antragstellerin war den Markeninhaberinnen auch in dem anschließenden Verletzungsprozess zur Hauptsache vor dem Landgericht Köln und sodann vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 19. Mai 2010, Az.: 6 U 186/09) unterlegen. Die Zivilgerichte hatten jeweils eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der eingetragenen Marke “pjur”, die seit vielen Jahren umfangreich benutzt wird, und den von der hiesigen Antragstellerin verwendeten Zeichen bejaht. Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Löschungsantrag zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
7
Absolute Schutzhindernisse hätten weder im Zeitpunkt der Eintragung der Marke noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag vorgelegen. Weder sei die angegriffenen Marke beschreibend und deshalb freihaltebedürftig noch fehle der Marke die Unterscheidungskraft. Vielmehr sei das angegriffene Zeichen aufgrund seines Bildbestandteils unterscheidungskräftig. Aber auch dem Wortbestandteil “pjur” komme Unterscheidungskraft zu, da der Verkehr in der ungewöhnlichen Buchstabenfolge “pj” eine bewusste Abweichung von “pur” bzw. “pure” sehe und dem Zeichen dadurch ein individualisierender Charakter verliehen werde. Für eine Bösgläubigkeit der Markeninhaberinnen bei Antragstellung gebe es keine Anhaltspunkte. Die bloße Anmeldung einer an eine beschreibende Angabe angelehnten Bezeichnung könne nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden und könne nicht die Annahme von Bösgläubigkeit begründen. Für einen zweckfremden Einsatz der angegriffenen Marke im Wettbewerbskampf fehle es an konkreter Darlegung durch die Antragstellerin und zudem auch an Nachweisen. Mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren hätten die Inhaberinnen der angegriffenen Marke lediglich ihre in der Natur des Markenrechts liegenden Rechte wahrgenommen.
8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
9
Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die angegriffene Marke bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG angemeldet worden sei. Die Bösgläubigkeit der Inhaberinnen der angegriffenen Marke werde durch ihr Vorgehen in den Verletzungsverfahren, die jeweils mit verfehltem Ergebnis endeten, gegen die von ihr, der Antragstellerin, verwendeten Zeichen “pure, pure massageoil, puremassageoil.com” belegt. Denn die Inhaberin einer Marke könne nicht ihre Marke dazu verwenden, die Unterlassung der Verwendung eines zwar phonetisch ähnlichen aber rein beschreibenden und freihaltebedürftigen Zeichens zu erreichen. In einem solchen Vorgehen liege eine missbräuchliche Nutzung eines Markenrechts und damit Bösgläubigkeit der Inhaberinnen der Marke. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die Gesetzesbegründung zu § 23 MarkenG, wonach bei an beschreibende Angaben angelehnten oder entsprechend wesensgleichen Marken die Eintragung einer solchen Marke in aller Regel kein Recht geben soll, die Benutzung der beschreibenden Angabe selbst zu untersagen und zwar auch dann nicht, wenn die beschreibende Angabe im herkömmlichen Sinne “markenmäßig” benutzt werde.
10
Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß,
11
den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Löschung der Marke 302 39 695 anzuordnen.
12
Die Markeninhaberinnen beantragen,
13
die Beschwerde zurückzuweisen.
14
Sie nehmen im Wesentlichen Bezug auf die Entscheidungen der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes und des Oberlandesgerichts Köln in dem Verletzungsverfahren. Sie meinen, dass sich die Antragstellerin nicht auf die Regelung des § 23 MarkenG berufen könne, da diese selbst in sittenwidriger Weise beschreibende Zeichen wie “pure®”, “pure®massageoil” nutze.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
17
1. Die Markenabteilung hat den Antrag der Antragstellerin auf Löschung der angegriffenen Marke zu Recht zurückgewiesen, da Löschungsgründe i. S. d. § 50 Abs. 1 MarkenG nicht gegeben sind.
18
a) Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind nicht gegeben, da die angegriffene Marke in Bezug auf die eingetragenen Waren weder beschreibend ist noch ihr die Unterscheidungskraft fehlt. Dem Verkehr erscheint nämlich das Wortzeichen “pjur” für sich jedenfalls aber in Verbindung mit dem Bildbestandteil als Phantasiebegriff und wird als solches als von einem bestimmten Unternehmen stammend wahrgenommen. Trotz seiner Anlehnung an den deutschen Begriff “pur” bzw. an das englische Wort identischer Bedeutung nämlich  “pure” werden die Verkehrskreise das Zeichen durch die Einfügung des auffälligen Buchstabens “j” und der dadurch bedingten jedenfalls optischen Veränderung des kurzen Wortes nicht ohne weitere analysierende gedankliche Zwischenschritte einen Bezug zu diesen Begriffen erkennen. Dies wird letztlich auch von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen.
19
b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch der Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nicht gegeben.
20
Danach ist eine Markeneintragung zu löschen, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war. Bösgläubigkeit liegt dabei nur im Falle einer rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Markenanmeldung vor (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 RdNr. 532).
21
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind bisher im Wesentlichen drei Fallgruppen bösgläubiger Markenanmeldungen herausgearbeitet worden (s. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 531 m. Rspr.nachw.). Hierbei handelt es sich einmal um die Anmeldung sogenannter “Spekulationsmarken”, d. h. Marken, welche der Anmelder nicht benutzen möchte, sondern allein mit dem Ziel schützen lassen möchte, um gutgläubige Dritte unter Druck zu setzen, ohne dass ein genereller Benutzungswille des Markenanmelders vorliegt (vgl. BGH GRUR 2001, 242, 244 – Classe E; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 539). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, weil die angegriffene Marke unstreitig seit Jahren in erheblichem Umfang benutzt wird, wobei der Wortbestandteil “pjur” bereits einige Jahre vor der Anmeldung der angegriffenen Wort-Bildmarke verwendet wurde.
22
Des weiteren hat der Bundesgerichtshof Bösgläubigkeit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG bejaht, wenn Marken mit dem Ziel angemeldet werden, den erkannten schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers zu stören oder den weiteren Gebrauch der vorbenutzten Bezeichnung durch den Vorbenutzer zu sperren (vgl. BGH GRUR 2008, 160, 161 – CORDARONE; BGH GRUR 2001, 242, 244 – Classe E; Ströbele in  Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 547). Auch diese Fallkonstellation ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Eine Vorbenutzung etwa durch die von der Anmelderin verwendeten Zeichen, die Gegenstand der Verletzungsverfahren waren, und ein auf diese Weise begründeter Besitzstand eines Vorbenutzers hat es nicht gegeben, jedenfalls hat die Anmelderin nicht Entsprechendes vorgetragen.
23
Schließlich ist auch nicht die vorliegend allein in Betracht kommende dritte Fallgruppe böswilliger Markenanmeldung, die der Bundesgerichtshof herausgearbeitet hat, zu bejahen. Danach ist Bösgläubigkeit anzunehmen, wenn der Anmelder zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 528, § 50 RdNr. 7) die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbs einsetzen will (ständige Rechtsprechung: vgl. BGH GRUR 2005, 414, 417 – Russisches Schaumgebäck, BGH GRUR 2001, 242 – Classe E; vgl. auch Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 558 m. w. N.). Dabei ist die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht allein durch den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens des Anmelders ausgeschlossen, vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich (vgl. BGH GRUR 2008, 621, 624 (Nr. 32) AKADEMIKS; vgl. Ströbele in Hacker/Ströbele, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 558).
24
Bösgläubigkeit im Sinne dieser Fallgruppe kann aber regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn, ohne dass besondere auf eine Behinderungsabsicht des Anmelders schließen lassende Umstände hinzutreten, eine schutzfähige Marke zur Eintragung gebracht wird und der Markeninhaber aus der so berechtigt erlangten Rechtsposition heraus, seine Marke gegen andere Zeichen verteidigt oder zu verteidigen versucht, zumal wenn die Marke in erheblichem Umfang benutzt wird. Der Markenschutz, zu dem die Verbietungsrechte nach §§ 14 ff. MarkenG gehören, ist zentrales Element des Markenrechts. Es liegt damit in der Natur des Markenrechts, dass ein Markeninhaber gegen die Verletzung seiner Marke durch Dritte vorgeht. Mit dem Verletzungsprozess haben die Markeninhaberinnen also lediglich ihre berechtigten Interessen aus dem rechtmäßig erlangten Schutz ihrer Marke wahrgenommen.
25
Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung ist auch nicht daraus herzuleiten, dass der Inhaber einer berechtigt zur Eintragung gebrachten Marke einen Verletzungsprozess gegen Dritte anstrengt und dabei möglicherweise deshalb einen unzutreffenden Rechtsstandpunkt einnimmt, weil er den Schutzumfang seiner Marke zu weit zieht. Die Argumente, mit denen in einer solchen Verfahrenssituation die markenrechtlichen Verbietungsansprüche abzuwehren sind bzw. abgewehrt werden könnten, sind ausschließlich solche gegen Forderungen aus dem Markenschutz. Mit diesen Argumenten ist aber eine Bösgläubigkeit des Markeninhabers im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke und damit einen Löschungsgrund für die Marke regelmäßig nicht begründbar, insbesondere dann nicht, wenn keine weiteren zu missbilligende Umstände hinzukommen. Solche Umstände fehlen hier.
26
Die Antragstellerin hat ihren Löschungsantrag nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG darauf gestützt, dass die Inhaberinnen der von ihr angegriffenen Marke diese nicht dazu einsetzen dürften, die markenmäßige Verwendung eines rein beschreibenden und damit freihaltebedürftigen Zeichens wie “pure”, “pure massageoil” untersagen zu lassen, weil sie damit einen zu weitreichender Schutz ihrer Marke anstreben würden bzw. angestrebt hätten. Damit führt die Antragstellerin aber ausschließlich Gründe an, mit denen die geltend gemachten Verletzungsansprüche abzuwehren sind. Damit liegen aber keine ausreichenden Argumente dafür vor, den Löschungsgrund der Bösgläubigkeit der Markenanmeldung nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG zu begründen.
27
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ein Zeichen, das an beschreibende Angaben angelehnt ist und als Marke eingetragen wird, nicht das Recht erhalten soll, die Benutzung der beschreibenden Angabe selbst zu untersagen und zwar auch dann nicht, wenn die beschreibende Angabe im herkömmlichen Sinne “markenmäßig” benutzt wird. Die Antragstellerin führt damit ausschließlich Argumente gegen die Bejahung einer Verwechslungsgefahr und somit gegen die Begründetheit von Verletzungsansprüchen aus der angegriffenen Marke an und nicht solche, die einen Löschungsantrag gegen diese Marke wegen Bösgläubigkeit begründen könnten. Zwar spricht einiges für die Rechtsauffassung der Antragstellerin zur Unbegründetheit der Markenverletzung, da der Schutzumfang eines Zeichens wie “pjur”, das sich an eine beschreibende oder sonst freizuhaltende Angabe annähert, im Verhältnis zu anderen Bezeichnungen besonderen Beschränkungen unterliegt, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise an den beschreibenden oder freizuhaltenden Begriff annähern oder sogar rein beschreibende Sachangaben enthalten, wie dies bei den von der Antragstellerin verwendeten Zeichen “pure”, “pure massageoil, “pure massageoil.com” der Fall sein dürfte (vgl. “Apotheke pur” (BPatG 30 W (pat) 011/06; “Pure” BPatG 24 W (pat) 009/09; “Pure Power” BPatG 30 W (pat) 519/10). Die unter diesem Gesichtspunkt kennzeichnungsschwachen Marken verfügen über einen geringeren Schutzumfang, der sich auf die jeweilige gegebenenfalls nur minimale eintragungsbegründende Eigenart beschränkt (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 RdNr. 131). Die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Eigenprägung erhalten solche an Sachangaben angenäherten Kennzeichnungen aus der Abwandlung gegenüber der Sachangabe. Es ist nicht mit markenrechtlichen Grundsätzen zu vereinbaren, dem Inhaber einer Marke, die sich an eine beschreibende Angabe annähert, ein Ausschließlichkeitsrecht zur Annäherung an diesen Begriff oder zur Verwendung sogar dieses Begriffs selbst einzuräumen, jedenfalls nicht, wenn es unter angemessener Berücksichtigung der geschützten Markenrechte geschieht. Ein so weitreichender Schutz kann auch nicht mit der BGH-Entscheidung “HEITEC” (GRUR 2008, 803 (Tz. 22)) gemeint gewesen sein.
28
Dass bei Beachtung der vorgenannten Grundsätze eine Verletzung der Marke “pjur” durch Zeichen wie “pure massageoil” möglicherweise zu verneinen sein könnte, jedenfalls dann, wenn keine gesteigerte Kennzeichnungskraft gegeben ist, ist für das Löschungsverfahren ohne Bedeutung. Hierdurch kann kein Löschungsgrund i. S. d. § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG entstehen, insbesondere nicht rückwirkend auf den mehrere Jahre zurückliegenden Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke.
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Dass die Anmelderin in den Verletzungsprozessen vor dem Landgericht/ Oberlandesgericht Köln gegen die Markeninhaberinnen – aus welchen Gründen auch immer – unterlegen gewesen ist, kann jedenfalls eine Löschung und damit vollständige Beseitigung des Schutzes der betreffenden Marke zum Zwecke der Verhinderung solcher Prozesse oder zur Beseitigung der zuerkannten Rechtsansprüche führen. Hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Das Löschungsverfahren dient nicht dazu, eng an beschreibende Angaben angelehnte, aber gleichwohl schutzfähige Kennzeichnungen zu löschen, wenn die Inhaber solcher Marken im Verletzungsverfahren oder auch Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG ihre Marken in dem problematischen Bereich der Sachangabe selbst verteidigen. Dieser Konflikt ist allein im Kollisionsverfahren, etwa durch sachgerechte Begrenzung des Schutzumfanges oder gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG zu lösen.
30
Schließlich kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 23 Nr. 2 MarkenG berufen. Denn diese Vorschrift findet weder im Widerspruchsverfahren und erst recht nicht im Löschungsverfahren Anwendung, wo es nicht um eine Zeichenkollision, sondern um die Schutzfähigkeit nur einer Marke geht. § 23 Nr. 2 MarkenG enthält als Vorschrift über die Schranken eines bestehenden Schutzes i. S. v. §§ 14 ff. MarkenG lediglich eine Klarstellung und Beschränkung der Rechte des Markeninhabers im Verletzungsverfahren. Dementsprechend ist die Verteidigungsmöglichkeit des § 23 Nr. 2 MarkenG nur im Rahmen des Zivilprozesses eröffnet (vgl. Ströbele in Hacker/Ströbele, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 230).
31
Da die Markenabteilung somit den Löschungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat, war der Beschwerde der Antragstellerin der Erfolg zu versagen.
32
2. Der Antragstellerin sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen, da die Einlegung der Beschwerde nicht mit der prozessualen Sorgfalt zu vereinbaren war und damit besondere Umstände vorlagen, die die Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (vgl. hierzu Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 71 RdNr. 11 m. w. N.). Die Antragstellerin hat nämlich in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen Situation, ihr Interesse an dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht. Sie hat ein Löschungsverfahren angestrengt, obwohl sie tatsächlich keine Löschungsgründe gegen die von ihr angegriffenen Marke anführen konnte, sondern nur solche Gründe, die allein geeignet sind, der Abwehr von markenrechtlichen Verbietungsansprüchen in einem Verletzungsprozess zu dienen. Wegen der näheren Begründung hierzu wird auf die obigen Ausführungen (siehe 1.) verwiesen.

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