Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “MEDICAL:CONTACT (Wort-Bild-Marke)” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  30 W (pat) 550/17

Datum:
30.4.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 021 580.8
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. April 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2017 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke
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2
ist am 27. Juli 2016 für die Dienstleistungen
3
„Klasse 41: Coaching; Schulung; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte;
4
Klasse 44: medizinische Dienstleistungen; Gesundheitspflege für Menschen; Gesundheitsberatung“
5
zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
6
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 12. Mai 2017 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
7
Die aus den zum englischen Grundwortschatz gehörenden und im inländischen Sprachgebrauch gebräuchlichen Begriffen „medical“ und „contact“ gebildete Wortfolge des angemeldeten Zeichens werde ohne weiteres iS von „medizinischer Kontakt“ verstanden. Mit dieser Bedeutung erschöpfe sich die Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen in einer beschreibenden bzw. sachbezogenen Angabe zu deren Gegenstand und Inhalt, nämlich der Aufnahme von Kontakten auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und im Bereich medizinischer Dienstleistungen.
8
Das Schutzhindernis werde auch nicht durch die graphische Ausgestaltung überwunden, da diese keine kennzeichnende Eigenart aufweise.
9
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat das Dienstleistungsverzeichnis im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 28. November 2019, in welcher auf Antrag der Anmelderin der Übergang ins schriftliche Verfahren beschlossen worden ist, mit Schriftsatz vom 8. Januar 2020 zunächst teilweise, nämlich in Bezug auf die zu Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen sowie mit weiterem Schriftsatz vom 22. April 2020 insgesamt wie folgt beschränkt:
10
„Klasse 41: Coaching und Schulung von Mitarbeitern von Krankenversicherungsunternehmen“.
11
Sie beantragt,
12
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2017 aufzuheben.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie nach der seitens der Anmelderin vorgenommenen zulässigen Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen nicht festgestellt werden können.
15
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) – OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, sodass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).
16
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) – Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) – Stadtwerke Bremen; 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) – Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) – DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) – TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).
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2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Wort-/Bildzeichen
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auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Dienstleistungsverzeichnisses die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden.
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a. Allerdings ist davon auszugehen, dass die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise die den Wortbestandteil des angemeldeten Zeichens bildende Kombination des zum englischen Grundwortschatz gehörenden Adjektivs „MEDICAL“ mit der Bedeutung „medizinisch“ mit dem im Deutschen bedeutungsgleichen Substantiv „CONTACT“ ohne weiteres in grammatikalisch korrekter Weise mit „medizinischer Kontakt“ übersetzen und iS „eines Kontakts/einer Kontaktaufnahme einer Person zu medizinischen Einrichtungen, Ärzten zum Zwecke der Aufnahme/Durchführung einer medizinischen Untersuchung, Behandlung etc.“ verstehen.
19
b. Wenngleich somit das begriffliche Verständnis des Wortbestandteils des Anmeldezeichens dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten bereitet, ist gleichwohl die Beurteilung eines Zeichens stets im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, für die eine Eintragung begehrt wird (EuGH, GRUR 2004, 674, Nr. 33 – Postkantoor).
20
In Bezug auf die nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses mit Schriftsatz vom 22. April 2020 allein noch beanspruchten Dienstleistungen „Coaching und Schulung von Mitarbeitern von Krankenversicherungsunternehmen“ weist die Wortfolge „MEDICAL CONTACT“ jedoch keinen sich auf Anhieb erschließenden beschreibenden bzw. sachbezogenen Aussagegehalt auf.
21
So kann zwar die Herstellung/Aufnahme eines „Kontakts“ zwischen einem Krankenversicherungsunternehmen und seinen Versicherten/Kunden Gegenstand einer Schulung von Mitarbeitern des Unternehmens sein. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen „medizinischen Kontakt“, da es sich bei einem Krankenversicherungsunternehmen nicht um eine medizinische Einrichtung handelt.
22
Soweit Mitarbeitern eines (Krankenversicherungs)Unternehmens auch die Aufgabe zukommen kann, Versicherte hinsichtlich der Aufnahme eines Kontakts zu medizinischen Einrichtungen zu beraten oder auch einen entsprechenden Kontakt zu vermitteln, können diese Tätigkeiten zwar auch Gegenstand eines Coachings bzw. einer Schulung von Mitarbeitern von (Krankenversicherungs)Unternehmen sein. Diese betreffen jedoch lediglich Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten von Mitarbeitern eines Krankenversicherungsunternehmens im Vorfeld eines zwischen Versicherten und medizinischen Einrichtungen/Ärzten herzustellenden „medizinischen Kontakts“, führen selbst jedoch nicht unmittelbar zu einer Kontaktaufnahme eines Versicherten zu medizinischen Einrichtungen/Ärzten. Es bedarf daher jedenfalls einiger Überlegung und interpretatorischer Zwischenschritte, um „MEDICAL CONTACT“ in Bezug auf diese Dienstleistungen als Hinweis darauf zu verstehen, dass diese ein Coaching/eine Schulung von Mitarbeitern von (Krankenversicherungs)Unternehmen betreffend die Beratung/Vermittlung eines Kontakts von Versicherten des (Krankenversicherungs)Unternehmens zu medizinischen Einrichtungen, Ärzten o.ä. zum Gegenstand haben; ein solches Verständnis erschließt sich dem Verkehr jedenfalls nicht sofort und ohne weiteres.
23
c. Im Hinblick auf die vorliegend nach Einschränkung des Verzeichnisses alleine noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen lässt sich danach nicht feststellen, dass
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deren Merkmale beschreibt oder zumindest einen engen beschreibenden Bezug hierzu aufweist. Demnach gibt es keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass dem Anmeldezeichen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
24
3. Aus den vorgenannten Gründen unterliegt die angemeldete Marke auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
25
4. Da der Anmeldemarke somit nach der erfolgten Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht mehr versagt werden kann, war der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.


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