Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Moda Piu” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 529/11

Datum:
22.5.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 042 359.5
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I
1
Die am 20. Oktober 2010 für die Waren
2
“Parfümeriewaren, ätherische Öle; Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen”
3
angemeldete Wortmarke
4
Moda Piu
5
hat die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 1. Februar 2011 wegen eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Bei dem angemeldeten Zeichen handle es sich um Worte der italienischen Sprache. In wortwörtlicher Übersetzung heiße die angemeldete Marke “Mode mehr (und/oder) plus”. Die beanspruchten Waren gehörten zumindest in den Industrieländern immer einer gewissen Moderichtung an. Die Anmeldung gehe somit nicht über eine klare und sofort erkennbare Sachaussage hinaus. Daran ändere auch der Zusatz “Piu” nichts, der auf einen besseren oder höheren Standard im Hinblick auf die Modewaren bzw. auf einen Vorteil gegenüber anderen Produkten hinweise. Ein beschreibender Charakter der deutschen Übersetzung dränge sich damit für die beanspruchten Produkte auf.
6
Die beschreibende Bedeutung des Zeichens werde zwar der überwiegende Teil des inländischen Publikums mangels ausreichender Italienischkenntnisse nicht ohne weiteres erkennen. Die Beschreibungseignung resultiere aber aus der Erforderlichkeit für den inländischen Warenvertrieb sowie den Import/Export der Waren. Der Einsatz als Sachangabe sei im grenzüberschreitenden Handel möglich und erscheine unter Berücksichtigung von Warengattung, Ausmaß der Außenhandelsbeziehungen und dem Sachbezug der Bezeichnung wahrscheinlich. Die italienische Mode sei nicht nur berühmt und edel, was insbesondere für einen Import der beanspruchten Waren spreche. Auch die intensiven Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien stünden außer Frage. Deshalb beherrschten die hier involvierten Fachkreise und Mitbewerber die italienische Sprache und würden für “Moda Piu” einen konkreten Sachbezug herstellen.
7
Auch die Verbindung der Begriffe ergebe keinen schutzwürdigen Gesamtbegriff. Das angesprochene Publikum werde wegen der ohne weiteres erkennbaren und unmittelbar beschreibenden Sachaussage in “Moda Piu” nur einen Hinweis auf eine Mode sehen, die noch zusätzlich mehr, ein zusätzliches Plus anbiete oder enthalte. Auch wenn der Hinweis auf diesen besseren Standard unbestimmt sein möge, mache dies die werbemäßige Anpreisung nicht schutzfähig. Dass der bessere Standard nicht präzise angegeben sei, ändere nichts daran, dass die angemeldete Wortfolge beschreibend sei. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren beschreibe das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit zumindest in der Bedeutung “Mode plus” deren Zweck und vermittle eine klare Information.
8
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
9
den Beschluss der Markenstelle vom 1. Februar 2011 aufzuheben.
10
Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, das angemeldete Zeichen sei schutzfähig. Eine Bezeichnung von Modeartikeln unter der Kennzeichnung “Moda Piu” sei nahezu ausgeschlossen. Im Italienischen wäre eine Satzstellung “Moda Piu” grammatikalisch schlicht falsch. Wenn dem Kennzeichen der Begriffsinhalt zukommen würde, den die Markenstelle ihm beimesse, müsste es sich richtigerweise um “piu Moda” (für “mehr Mode”) handeln, wobei “piu” quantitativ zu verstehen sei. So stelle sich das angemeldete Zeichen aber gerade nicht dar.
11
Hintergrund für die Namenswahl der Anmelderin, die seit mittlerweile zwölf Jahren unter Nutzung dieses Kennzeichens als Alleinstellungsmerkmal im deutschen Markt tätig sei und sich in Abnehmerkreisen einen hervorragenden Ruf erarbeitet habe, sei gerade das italienisch kreative Wortspiel, den Begriff “Piu” für “mehr” oder “plus” in grammatikalisch falscher Verwendung hinter “Moda” zu setzen. Dieser bewusste Verstoß gegen Grammatikregeln solle eine Interpretation und Auseinandersetzung mit dem Begriff erforderlich machen. Hintergrund hierfür sei, dass die Anmelderin ausschließlich hochpreisige Mode für fülligere Frauen herstelle. Auch für dieses spezielle Segment der Modebranche sei und werde der Begriff “Moda Piu” nie beschreibend sein. Vielmehr bleibe es bei einer kreativen Wortschöpfung.
12
Im Amtsverfahren hat die Anmelderin unter Hinweis auf als Anlagen eingereichte Zeitungsartikel und Reportagen in einschlägigen Modezeitschriften darauf hingewiesen, dass sie auf dem Markt in dem Nischensegment “Mode für Füllige” eine große Bekanntheit genieße.
II
13
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
14
1. Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG) und ohne zeitliche Bindung. Die Anmelderin hat eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Nach Wertung des Senats ist diese auch nicht sachdienlich.
15
2. Der angemeldeten Wortfolge “Moda Piu” fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft.
16
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Nr. 27 ff. – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006).
17
Ist – wie hier – die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (vgl. z. B. BGH BlPMZ 2000, 161 – Radio von hier).
18
Die Unterscheidungskraft fehlt einer fremdsprachigen Wortfolge dann, wenn die beteiligten inländischen Verkehrskreise erstens im Stande sind, die Bedeutung der Wörter zu erkennen und es sich hierbei zweitens um eine im Vordergrund des Verständnisses stehende beschreibende Angabe oder um eine allgemeine Werbeaussage handelt. Die insoweit maßgeblichen Beteiligten definiert der EuGH dabei als “den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher” (EuGH GRUR 2006, 411, Nr. 24 – Matratzen Concord/Hukla). In diesem Zusammenhang muss der Formulierung “und/oder” entnommen werden, dass sowohl das Verständnis der Endabnehmer als auch der Kenntnisstand der am Handel beteiligten Fachkreise jeweils allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (BPatG MarkenR 2007, 527, 529 ff. – Rapido; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 129).
19
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungskraft, da sie bezüglich dieser Waren einen ohne weiteres erkennbaren Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird.
20
Die angemeldete Bezeichnung setzt sich zusammen aus den beiden italienischen Wörtern “Moda” (= Mode) und “Piu” (= mehr) und bedeutet in ihrer Gesamtheit demnach “Mode mehr”.
21
Wegen der Ähnlichkeit des italienischen Wortes “Moda” mit dem deutschen Wort “Mode” werden deutsche Durchschnittsverbraucher dieses italienische Wort verstehen. Dies gilt zwar nicht für das Wort “Piu”, dessen deutsche Bedeutung “mehr” nicht allen deutschen Durchschnittsverbrauchern bekannt sein dürfte. Ebenso wie die Markenstelle ist der Senat jedoch der Meinung, dass ein entsprechendes Verständnis bei den am Handel beteiligten Fachkreisen überwiegend gegeben ist. Damit versteht ein insgesamt maßgeblicher Teil der angesprochenen Verbraucher und Händler “Piu” als “mehr”. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es gerade auf dem Modesektor intensive Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien gibt, weil die italienische Mode in Deutschland einen besonderen Stellenwert besitzt, was gerichtsbekannt ist.
22
Die Wortfolge “Mode mehr” hält der Senat in Bezug auf die hier beanspruchten Waren für eine allgemeine Werbeaussage. Das Wort “mehr” vermittelt einen Hinweis auf etwas Zusätzliches, sei es in quantitativer oder qualitativer Hinsicht.
23
An einem entsprechenden Verständnis ändert es auch nichts, dass das angemeldete Zeichen grammatikalisch falsch gebildet ist, da die richtige Reihenfolge der Wörter im Italienischen “piu Moda” lautet. Wer “piu” versteht, wird der Wortkombination “Mode mehr” den gleichen Sinngehalt entnehmen wie der Wortkombination “mehr Mode”, nämlich den Werbehinweis auf “ein Mehr an Mode”, auf eine Mode mit zusätzlichen Vorteilen. Insoweit steht “Moda piu” dem aus der Werbesprache allgemein bekannten “… and more” gleich (vgl. dazu BPatG 33 W (pat) 16/02 – Banking & More; 29 W (pat) 248/99 – Design & more; 28 W (pat) 153/02 – Best Burger and more; HABM R0955/11-1 – Caps & more).
24
c) Für die Beurteilung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft spielt es keine Rolle, wie bekannt die Anmelderin ist, da die Prüfung der Unterscheidungskraft grundsätzlich unabhängig von der Person des Anmelders zu erfolgen hat (BGH GRUR 2006, 503 – Casino Bremen). Entgegen der Auffassung der Anmelderin kann für die Beurteilung der Frage, ob das Zeichen Unterscheidungskraft hat, auch nicht auf bereits erfolgte Benutzungshandlungen der Anmelderin abgestellt werden. Etwaigen Benutzungshandlungen der Anmelderin könnte allenfalls im Rahmen der Prüfung einer Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG Bedeutung zukommen. Dass sich das angemeldete Zeichen infolge tatsächlicher Benutzung für die beanspruchten Waren durchgesetzt hat, hat die Anmelderin nicht ansatzweise glaubhaft gemacht.
25
3. Ob der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.


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