Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “PUR HEREFORD RIND VOM FEINSTEN (Wort-Bild-Marke)” – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis – Täuschungsgefahr

Aktenzeichen  28 W (pat) 551/16

Datum:
4.10.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:041018B28Wpat551.16.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 046 405.8
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Mai 2016 aufgehoben, soweit die Anmeldung für nachfolgende Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
Klasse 35:
Werbung;
Klasse 44:
Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft; Tierzucht; Beratung im Agrarbereich, insbesondere im Zusammenhang mit der Tierzucht, Tierpflege und Tierhaltung.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Anmelderin hat am 11. Juli 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Zeichen
2
unter anderem für die nachgenannten Waren und Dienstleistungen als Wort-/Bildmarke (Farben: Senfgelb, Silber, Weiß, Schwarz) in das Markenregister einzutragen:
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Klasse 29:
4
Fleisch, Wild; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse;
5
Klasse 35:
6
Werbung; Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fleisch und Wild; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse; Felle und Lederwaren;
7
Klasse 44:
8
Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft; Tierzucht; Beratung im Agrarbereich, insbesondere im Zusammenhang mit der Tierzucht, Tierpflege und Tierhaltung.
9
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 9. November 2015 mit Beschluss vom 31. Mai 2016 im Umfang der vorgenannten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Das angesprochene Publikum verstehe das Anmeldezeichen ausschließlich als sachbezogenen Hinweis darauf, dass die beanspruchten Lebensmittel aus hochwertigem Hereford-Rind gewonnen seien und sich die beanspruchten Dienstleistungen auf derartige Waren bezögen. Insbesondere werde die Wortfolge „PUR HEREFORD“ unmissverständlich im Sinn von „reines Hereford Rind“ verstanden. Die Kombination der Wortbestandteile weise keine insbesondere semantischen oder syntaktischen Besonderheiten auf und ginge über die Summe dieser Angaben nicht hinaus. Auch die Bildkomponenten des Anmeldezeichens entbehrten charakteristischer Gestaltungselemente, denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft entnehmen könne. Dabei werde die senffarbene Flächendarstellung, die die Wiedergabe einer Öse enthalte, als branchenübliches Anhängeetikett wahrgenommen. Auch der in dem Zeichen wiedergegebene Haken sei ein herkömmliches grafisches Mittel, das vorliegend der Bekräftigung des Wortelements „PUR“ diene. Die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen ließen keine andere Bewertung zu, da dem Deutschen Patent- und Markenamt bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse kein Ermessen eingeräumt sei.
10
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung besteht das Anmeldezeichen aus einer Kombination von Wort- und Bildelementen, die sich nicht in einer herkömmlichen Wiedergabe von Sachangaben erschöpfe. Zwar mögen die einzelnen Wortbestandteile für sich betrachtet nicht schutzfähig sein. Bei Lebensmitteln sei es aber üblich, dass Produktbezeichnungen an beschreibende Angaben angelehnt seien und in Verbindung mit grafischen Elementen, gegebenenfalls auch mit einer bestimmten Farbe als Marke begriffen würden. Es treffe daher nicht zu, dass die konkrete Anordnung und Ausgestaltung der Wortbestandteile des Anmeldezeichens nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werde. Insbesondere verstehe das Publikum in der Lebensmittelbranche bereits geringste grafische Anstrengungen als Herkunftshinweis. Das Anmeldezeichen zeige ein bestimmtes Etikett, auf dem das Publikum typischerweise einen Herkunftshinweis vermute. Das Etikett sei zudem in einer ungewöhnlichen Signalfarbe gehalten und mit einem Haken versehen, der aus ihm herausrage. Es sei für sich ohne Weiteres schutzfähig. Für das Gesamtzeichen könne daher nichts anderes gelten. Die Zurückweisung sei umso weniger nachvollziehbar, als von vier Parallelanmeldungen drei Zeichen in das Markenregister eingetragen worden seien, während die Markenstelle das Streitzeichen nicht für schutzfähig erachtet habe.
11
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
12
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 31. Mai 2016 aufzuheben.
13
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Die Zurückweisung sei vor dem Hintergrund der Eintragung von drei gleich gelagerten Anmeldungen ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot gleichmäßigen Verwaltungshandelns und müsse Folgen für die Bewertung des Anmeldezeichens haben. Ferner sei klärungsbedürftig, ob eine an sich unterscheidungskräftige grafische Gestaltung ihre Schutzfähigkeit durch die Aufnahme von Wortbestandteilen verlieren könne.
14
Der Senat hat die Anmelderin mit gerichtlichen Hinweisen vom 5. März 2018 und vom 2. Mai 2018 darauf aufmerksam gemacht, dass das Anmeldezeichen für bestimmte beschwerdegegenständliche Waren und Dienstleistungen dem Schutzhindernis der Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 3 MarkenG ausgesetzt sein könnte. Daraufhin hat sie das Verzeichnis der angemeldeten Waren und Dienstleistungen in Bezug auf Klasse 35 durch Erklärung vom 15. Mai 2018 wie folgt beschränkt:
15
Klasse 35:
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Werbung; Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fleisch, Fleischextrakte, konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte, Eier, Milch und Milchprodukte, Speiseöle und -fette, Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse, Felle und Lederwaren.
17
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
18
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nur teilweise Erfolg. In Bezug auf die im Tenor unter 1. genannten Dienstleistungen stehen der Eintragung des Anmeldezeichens keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, so dass das Deutsche Patent- und Markenamt die Anmeldung insoweit jedenfalls im Ergebnis zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen hat.
19
1. Die Anmelderin hat das Verzeichnis der angemeldeten Waren und Dienstleistungen durch ihre Erklärung vom 15. Mai 2018 wirksam beschränkt. Die „Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Wild“, die Gegenstand der Zurückweisung durch den angefochtenen Beschluss sind, werden von der Anmelderin nicht mehr beansprucht. Der Beschluss vom 31. Mai 2016 ist daher insoweit wirkungslos.
20
Soweit die Beschwerdeführerin die Anmeldung für Dienstleistungen der Klasse 35 nicht weiter verfolgt, die nicht Gegenstand der Zurückweisung sind („Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fisch, Geflügel“), ist das Beschwerdeverfahren hierdurch nicht berührt.
21
2. Die Beschwerde der Anmelderin ist zurückzuweisen, soweit sie die Eintragung des gegenständlichen Zeichens für nachfolgende Waren und Dienstleistungen begehrt:
22
Klasse 29:
23
Fleisch; Wild; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse;
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Klasse 35:
25
Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fleisch; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse; Felle und Lederwaren.
26
a) Das angemeldete Zeichen weist in Verbindung mit folgenden beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft auf:
27
Klasse 29:
28
Fleisch; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse;
29
Klasse 35:
30
Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fleisch; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse; Felle und Lederwaren.
31
(1) Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (vgl. BGH GRUR 2017, 186, Rdnr. 29 – Stadtwerke Bremen).
32
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Angaben, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2018, 301, Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
33
Ist ein angemeldetes Zeichen grafisch ausgestaltet und besteht es somit aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit des Zeichens auszugehen (vgl. BGH GRUR 2014, 872, Rdnr. 13 – Gute Laune Drops).
34
(2) Die Wortbestandteile des Anmeldezeichens
35
erschöpfen sich im Gesamteindruck, der sich aus den jeweiligen Wortbedeutungen, der grafischen Gestaltung der Wörter und ihres Umfeldes ergibt, in bloßen Sachangaben.
36
Die im Bildzentrum übereinander angeordneten Begriffe „PUR“ und „HEREFORD“, die in derselben Schriftart wiedergegeben sind, werden ungeachtet der größeren Darstellung des Wortes „PUR“ im Sinne von „reines Hereford-Rind“ verstanden, zumal sich darunter die ebenfalls in weißer Schrift gehaltene Zeichenkomponente „RIND“ befindet. Mit ihr wird auch unkundigen Verkehrsteilnehmern deutlich gemacht, dass mit dem Wort „HEREFORD“ eine Rinderrasse gemeint ist. Sie stammt ursprünglich aus Herefordshire in England und ist für ihr Qualitätsfleisch bekannt (vgl. Wikipedia, Suchbegriff „Hereford-Rind“). Dieser Umstand wird auch durch die werbeübliche Wortfolge „RIND VOM FEINSTEN“ zum Ausdruck gebracht, bei der es sich folglich um eine Qualitätsberühmung handelt.
37
Das Zeichenelement „PUR“ ist ein im Lebensmittelsektor vielfach nachweisbares Adjektiv (vgl. Anlagen 1 bis 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 5. Juli 2017, u. a. „RIND PUR“), das auf eine reine, unverfälschte Zusammensetzung (vgl. Duden Online, Suchbegriff „pur“) hier des Bezugswortes „HEREFORD“ hinweist. Dass das Wort „PUR“, wie die Anmelderin meint, als Anregung zu einem unveränderten Verzehr verstanden werde könne, liegt nicht nur aufgrund des inneren Zusammenhangs der beiden Zeichenbestandteile, sondern auch in Verbindung mit den betroffenen Waren, die regelmäßig nicht „pur“ genossen werden, fern.
38
Den Wortelementen ist damit ausschließlich zu entnehmen, dass die beschwerdegegenständlichen Waren „Fleisch; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette“ von einem Hereford-Rind stammen bzw. sein Fleisch enthalten. Dies gilt insbesondere auch für „Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse“. Darunter fallen zwar „Fertiggerichte auf der Basis von Gemüse“. Sie können jedoch als weitere Zutat Fleisch von Hereford-Rindern aufweisen, da die Formulierung – anders als „Fertiggerichte aus Gemüse“ – die Möglichkeit offen lässt, dem Hauptbestandteil „Gemüse“ andere Nahrungsmittel wie Fleisch hinzuzufügen.
39
Weiter werden die Wortbestandteile in Verbindung mit nachfolgenden Dienstleistungen als eine im Rahmen der Präsentation und Verkaufsanbahnung naheliegende Sachaussage zur Abstammung und Beschaffenheit des Handelsguts wahrgenommen:
40
„Großhandels-, Einzelhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Fleisch; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte auf der Basis von Fleisch und/oder Gemüse; Felle und Lederwaren.“
41
Auch hier ist in Betracht zu ziehen, dass „Fertiggerichte auf der Basis von Gemüse“ Fleischkomponenten enthalten können.
42
(3) Auch seine grafischen Merkmale sind nicht geeignet, dem Anmeldezeichen als Ganzem die notwendige Unterscheidungskraft zu verleihen. Denn es handelt sich um einfache grafische Elemente, denen das Publikum keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der vorgenannten Waren und Dienstleistungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 20 – Visage; GRUR 2014, 128, Rdnr. 18 – grill meister; BPatG GRUR 2004, 873, 874 – FRISH; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 8, Rdnr. 215).
43
Das gegenständliche mit einer Öse versehene Etikett ist entgegen dem Vortrag der Anmelderin nicht geeignet, die unter Ziffer 2. a) genannten Waren und Dienstleistungen unterscheidbar zu machen. Etiketten werden regelmäßig als Träger von Sachinformationen genutzt (vgl. Wikipedia, Suchbegriff „Etikett“, dort unter 2. „Funktion“; European Trademark and Design Network, Konvergenzprogramm 3 vom 2. Oktober 2015, Seite 5). Nichts anderes gilt für den Bereich der Lebensmittelbranche (vgl. auch zu etikettenähnlichen Umrahmungen im Lebensmittelbereich BGH GRUR 2014, 376 – grill meister; BPatG, Beschluss vom 19. Juli 2016, 24 W (pat) 516/16 – Unser Brot; Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis 5. März 2018: Knorr, Bauern-Topf, Etikettaufschrift: „Guter Geschmack ist unsere Natur – natürlich ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe … – mit Meersalz“). Die äußere Aufmachung als Etikett hat damit im Allgemeinen eine lediglich gestalterische Bedeutung, während die konkrete Funktion eines in dieser Weise gestalteten Zeichens – entweder als Sachhinweis oder als Kennzeichen – in erster Linie von den auf das Etikett aufgebrachten Wortkomponenten abhängt. So verhält es sich auch vorliegend. Die im Anmeldzeichen enthaltene Etikettendarstellung wird lediglich als blickfangmäßige Aufmachung für die oben genannten Wörter in Form von Sachhinweisen wahrgenommen. Das konkrete Etikett weist weder nach Form noch nach Farbgestaltung Merkmale auf, die über diese typische visuelle Funktion eines Etiketts hinausgehen. Insbesondere wird die hier gewählte senfgelbe Färbung als eher zurückhaltende, gefällige Aufmachung wahrgenommen, die die auf dem Etikett enthaltenen Sachangaben zur Geltung bringen soll. Der oberhalb des Wortbestandteils „PUR“ angebrachte Haken wird entsprechend seiner allgemeinen Funktion im Zusammenhang mit den Wortbestandteilen als Bestätigung der von ihnen vermittelten Sachaussagen gewertet (vgl. Wikipedia, Suchbegriff „Häkchen“: „Das Häkchen ist ein Zeichen, das verwendet wird, um Dinge als ‚richtig‘, ‚gut‘ oder ‚erledigt‘ zu markieren“; BPatG, Beschluss vom 10. November 2008, 30 W (pat) 66/05 – Haut ok). Dass das Häkchen hier über das Etikett hinausragt, lässt ersichtlich keine andere Bewertung zu. Die grafische Gestaltung des Anmeldezeichens dient damit lediglich der einfachen bildlichen Hervorhebung der in ihrem Zentrum wiedergegebenen produktbeschreibenden Wortelemente.
44
Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein derartiges Etikett in dieser Gestaltung bereits verwendet wird (vgl. BGH GRUR 2011, 158, Rdnr. 12 – Hefteinband). Vielmehr lässt die typische Funktion der hier naheliegend ausgeführten Bildelemente die Annahme zu, dass das Zeichen vom Verkehr aufgrund seiner Gewöhnung an solche Formelemente nur als dekorative Gestaltung aufgefasst wird. Insofern ist auch weder ersichtlich, noch durch die Anmelderin substantiiert vorgetragen worden, dass im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen von – grundsätzlich relevanten (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 19 – DüsseldorfCongress) – spezifischen Kennzeichnungsgewohnheiten auszugehen wäre.
45
Der Auffassung der Anmelderin, dass aus der – unterstellten – Schutzfähigkeit der grafischen Gestaltung die Schutzfähigkeit des auch die Wortbestandteile umfassenden Anmeldezeichens folge, ist unzutreffend. Sie verkennt dabei, dass nach anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung der Prüfung auf Eintragungsfähigkeit der Gesamteindruck des beanspruchten Zeichens zugrunde zu legen ist (vgl. EUGH GRUR 2012, 616, Rdnr. 32 ff. – Alfred Strigl/DPMA; BGH GRUR 2017, 186, Rdnr. 30 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2011, 65, Rdnr. 10 – T mit Strich; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 208, 136). Danach können nicht nur Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein (vgl. BGH, a. a. O. – T mit Strich). Ebenso können für sich schutzfähige Bestandteile im Kontext des Gesamtzeichens in anderer Weise wahrgenommen werden als in Alleinstellung, so dass ihnen im Einzelfall keine schutzbegründende Bedeutung zukommt (vgl. EuGH, a. a. O., Rdnr. 37 f. – Alfred Strigl/DPMA). Selbst wenn die hier beanspruchte Etikettengestaltung als solche über die erforderliche Unterscheidungskraft verfügen sollte, so hat sie in Verbindung mit den Wortbestandteilen lediglich die Bedeutung eines bloßen Hervorhebungsmittels.
46
b) Die angemeldete Wort-/Bildmarke ist in Verbindung mit den beanspruchten Waren der Klasse 29 „Wild“ ersichtlich zur Täuschung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 3 MarkenG geeignet. „Wild“ ist ein Sammelbegriff für jagdbare Säugetiere und Vögel (Duden Online, Suchbegriff „Wild“). Das Hereford-Rind fällt nicht in diese Kategorie. Angesichts der Warennähe zwischen Rindfleisch und Wild können die für eine Täuschungsgefahr ausreichenden Wortbestandteile „PUR HEREFORD – RIND VOM FEINSTEN“ in Kombination mit Wild die irrige Vorstellung hervorrufen, dass es sich hierbei um Rindfleisch handele.
47
Der Senat sieht sich nicht gehindert, diesen rechtlichen Gesichtspunkt von sich aus aufzugreifen und bezüglich der Ware „Wild“ zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen (vgl. BPatG MarkenR 2013, 165, Rdnr. 46 – grill meister, unbeanstandet durch BGH GRUR 2014, 376 – grill meister). Gemäß § 73 Abs. 1 MarkenG besteht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Bindung an die Begründung der angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle oder an das Vorbringen der Beschwerdeführerin (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 70, Rdnr. 2). Der zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebotene rechtliche Hinweis ist der Anmelderin u. a. mit der gerichtlichen Mitteilung vom 5. Juli 2017 gegeben worden.
48
c) Soweit die Anmelderin die Zurückweisung des Streitzeichens
49
unter Hinweis auf die eigenen (vorausgegangenen) Voreintragungen
50
als widersprüchlich beanstandet, ist dies – auf der Grundlage der im Register veröffentlichten Angaben – nicht von der Hand zu weisen. Indessen entfalten selbst identische Voreintragungen keine Bindungs- oder Indizwirkung für die im vorliegenden Fall vorzunehmende Beurteilung der Schutzhindernisse. Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist (vgl. EuGH GRUR 2009, 667, Nr. 18 – Bild.t.-Online.de.; BGH GRUR 2008, 1093, Rdnr. 8 – Marlene-Dietrich-Bildnis; MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche; GRUR 2014, 872, Rdnr. 45 – Gute Laune Drops). Die Korrektur einer unterschiedlichen Eintragungspraxis muss damit folgerichtig dort ansetzen, wo Rechtsfehler aufgetreten sind. Zu diesem Zweck stehen gesetzliche Verfahren zur Überprüfung ggf. unzutreffender Voreintragungen zur Verfügung. Der hier tragende Grundsatz der Gesetzesbindung lässt auch in den Fällen keine andere Bewertung zu, in denen die Voreintragungen zugunsten der Anmelderin selbst erfolgt sind. Zwingende Schutzhindernisse können nicht durch außerhalb des Markenrechts liegende Erwägungen der Gleichbehandlung im etwaigen Unrecht außer Kraft gesetzt werden (vgl. BGH GRUR 2013, 522, Rdnr. 20 – Deutschlands schönste Seiten). Dabei ist im Übrigen zu beachten, dass die Beschwerdeführerin keinen Vertrauensschutz in Bezug auf die Beurteilung der Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens genießen kann. Das Markengesetz räumt – abgesehen von ausdrücklichen Regelungen – selbst im Rahmen eines Löschungsverfahrens gegen eine bereits eingetragene Marke keinen Vertrauensschutz ein (vgl. BGH GRUR 2014, 872, Rdnr. 40 ff. – Gute Laune Drops). Umso weniger kann Vertrauensschutz im Rahmen von Parallelanmeldungen in Anspruch genommen werden.
51
d) Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, hat der Senat weder über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu entscheiden, noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich.
52
3. Für die nachgenannten Waren und Dienstleistungen stehen der Eintragung des Anmeldezeichens demgegenüber keine Schutzhindernisse entgegen:
53
Klasse 35:
54
Werbung;
55
Klasse 44:
56
Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft; Tierzucht; Beratung im Agrarbereich, insbesondere im Zusammenhang mit der Tierzucht, Tierpflege und Tierhaltung.
57
Das Anmeldezeichen verfügt insoweit insbesondere über die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
58
Auch wenn sich die Dienstleistungen „Werbung“ (Klasse 35) und „Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“ (Klasse 44) auf Hereford-Rinder beziehen können, werden sie regelmäßig nicht unter Angabe einer konkreten Tierart angeboten, mit der nur ein willkürlicher Ausschnitt des vollen Tätigkeitsspektrums, insbesondere einer Werbeagentur bzw. einer Veterinärpraxis, benannt werden würde. Der Gegenstand vorgenannter Tätigkeiten wird regelmäßig nach der angesprochenen Branche (Lebensmittel, Bauwesen, Immobilien etc.) oder – im Bereich der Klasse 44 – wenigstens unter Bezugnahme auf Tiergattungen oder -familien näher unterschieden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, § 8, Rdnr. 117). Das Anmeldezeichen wird daher insoweit nicht als eine verkehrsübliche beschreibende Angabe wahrgenommen.
59
Dies gilt auch für die weiteren Dienstleistungen der Klasse 44, nämlich
60
„Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft; Tierzucht; Beratung im Agrarbereich, insbesondere im Zusammenhang mit der Tierzucht, Tierpflege und Tierhaltung.“
61
Bei ihnen stehen die Bewirtschaftung von Flächen und bäuerlichen Betrieben sowie die Beschäftigung mit lebenden Tieren im Vordergrund. Demgegenüber werden mit den Wortbestandteilen „PUR HEREFORD“ und vor allem „RIND VOM FEINSTEN“ Nahrungsmittel angesprochen, die von Hereford-Rindern stammen. Das Anmeldezeichen weist damit einen ausreichend großen Abstand zu den besagten Dienstleistungen auf, auch wenn sie mittelbar der Erzeugung tierischer Lebensmittel dienen können.
62
4. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und eine solche auch nicht aus Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 3 MarkenG).


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