Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Quinté+” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – keine Rückerstattung der Beschwerdegebühr –

Aktenzeichen  27 W (pat) 534/11

Datum:
27.3.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 71 Abs 3 MarkenG
§ 37 Abs 1 MarkenG
§ 113 MarkenG
Art 5 Abs 1 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ
Spruchkörper:
27. Senat

Leitsatz

Quinte
Ein Beleg, dass ein Zeichen ein beschreibender oder üblicher Fachbegriff ist, fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die gefundenen Verwendungen nur markenmäßig und nicht eindeutig beschreibend erfolgen.
Die Verwendung einer IR-Marke im Kontext mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, belegt allein noch nicht eine Funktion als reine Sachangabe, insbesondere wenn andernorts Markenschutz besteht.
Die Beschwerdegebühr ist nicht zu erstatten, wenn die Markenstelle der Eintragung in einem anderen Land keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat und die Eintragung dort auf einer Monopolstellung beruhen kann und vergleichbare Marken, die lexikalisch eindeutig als Sachangabe nachweisbar sind, Schutz genießen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 973 022
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 IR vom 28. September 2010 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Markenstelle hat der IR-Marke 973 022 (Ursprungsland Frankreich mit Priorität vom 16. Januar 2008)
2
Quinté +
3
für die Waren und Dienstleistungen der
4
16: formulaires, récépissés pré-imprimés à remplir et servant de support à la prise de paris sur les courses de chevaux; tickets de jeux
5
41: jeux d’argent; organisation de paris sur les courses de chevaux; enregistrement de paris sur les courses de chevaux; services d’aide aux paris sur les courses de chevaux (services de jeux d’argent); conseils en matière de paris sur les courses de chevaux (services de jeux d’argent); génération instantanée de paris sur les courses de chevaux (services de jeux d’argent)
6
mit Beschluss vom 28. September 2010, wie im avis de refus de protection vom 19. März 2009 sowie im Bescheid vom 18. Juni 2009 beanstandet, gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ den Schutz für Deutschland versagt.
7
Das ist damit begründet, es müsse den Mitbewerbern unbenommen bleiben, ebenfalls in derart beschreibender Weise auf Eigenschaften ihrer Waren und Dienstleistungen hinweisen zu können. „Quinté” sei ein feststehender Begriff aus dem Sektor der Wetten bei französischen Pferderennen. Die beteiligten Kreise wüssten, was die Bezeichnung „Quinté +“ meine und seien im Stande, die beschreibende Bedeutung „Fünferwette“ zu erkennen.Auch das Pluszeichen begründe keine Schutzfähigkeit; es diene lediglich dazu, den beschreibenden Aussagegehalt zu verstärken.
8
Der Beschluss ist der Anmelderin am 4. Oktober 2010 zugestellt worden.
9
Mit ihrer Beschwerde vom 28. Oktober 2010 wendet sie sich gegen die Wertung in der angegriffenen Entscheidung. In der mündliche Verhandlung hat sie u. a. vorgetragen, der Schutz der IR-Marke in den französischsprachigen Ländern Frankreich, Monaco und Schweiz zeige, dass das Zeichen unterscheidungskräftig und nicht beschreibend sei.
II.
10
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.
1)
11
Unter dem absoluten Schutzhindernis der Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eignung einer Marke als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer zu verstehen. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Kreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verbraucher lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
12
Die Markenstelle hat nicht belegt, dass „Quinté“ ein Fachbegriff für eine bestimmte Pferdewette ist. Auch der Senat konnte keine letztendlich durchgreifenden Belege für diese Annahme finden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die gefundenen Verwendungen markenmäßig erfolgen.
13
Dies ist allerdings unabhängig von der Frage, ob die Beschwerdeführerin den Begriff „Quinté“ entwickelt hat (BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2001 – 32 W (pat) 111/00, BeckRS 2009, 17771 – Aurikulo-Medizin). Die konkrete Verwendungsform durch die Beschwerdeführerin und Wettanbieter bzw. -vermittler ist jedenfalls nicht eindeutig beschreibend.
14
Auch dass „Quinté +“ in Deutschland im Kontext mit Pferdewettangeboten nachweisbar verwendet wird, belegt allein noch nicht, dass „Quinté“ eine reine Sachangabe ist. Wettvermittler sowie die IR-Markeninhaberin selbst können bei solchen Angeboten die Marke benutzen, zumal in Frankreich Markenschutz besteht.
15
„Quinte +” ist nicht als Bezeichnung einer sogenannten Fünferwette oder als Synonym einer beschreibenden französischen Wettbezeichnung nachzuweisen. „Quinte” ist mit einer solchen Bedeutung nicht Teil des französischen Wortschatzes. Die Anklänge von „Quinté” an „Fünf(ter)“ kommen aus dem Lateinischen und aus der Musik (fünfter Ton einer diatonischen Tonleiter, Intervall von fünf diatonischen Tonstufen) und haben in Bezug auf Pferdewetten keinen Aussagegehalt, der als Sachangabe ohne Unterscheidungskraft ist, zumal „fünf“ im Französischen „cinq“ heißt.Ob und inwieweit das Plus-Zeichen zur Schutzfähigkeit der Marke beiträgt, kann damit dahingestellt bleiben.
2)
16
Einem Schutz in Deutschland steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
17
Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
18
„Quinté +“ bezeichnet derzeit keine Pferdewettform nach ihrer Art, wie oben dargestellt wurde.
19
Es besteht auch kein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis, weil nicht unterstellt werden kann, dass die Marke „Quinté +” in einer Weise benutzt wird, die sie zu einer Sachangabe machen wird – auch wenn die Benutzung in einer Reihe neben „Couple”, „Quarté” und „Tiercé“ in diese Richtung führen könnte.
3)
20
Dass die Markenstelle der Eintragung in französischsprachigen Ländern keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, kann nicht als so falsch eingeschätzt werden, dass deshalb die Beschwerdegebühr zu erstatten wäre (§ 71 Abs. 3 MarkenG). Die Eintragung in Frankreich kann auch darauf beruhen, dass das französische Landwirtschaftsministerium die Wette mit der Bezeichnung „Quinté“ 1989 ausschließlich für die Anmelderin zugelassen hatte. Nachdem außerdem die Bezeichnung „Tiercé“, die lexikalisch als Ausdruck für „Dreierwette“ nachweisbar ist, als IR-Marke 973 021 in Frankreich Schutz genießt, musste der Markenschutz für die streitgegenständliche IR-Marke den Schutz in Deutschland nicht zwangsläufig nach sich ziehen.


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