Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “redhot” – Freihaltungsbedürfnis –

Aktenzeichen  24 W (pat) 90/10

Datum:
13.9.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
24. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 11. November 2008 angemeldete Wortmarke
2
redhot
3
ist für die folgenden Waren und Dienstleistungen bestimmt:
4
„(3) Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
5
(9) Motorradhelme;
6
(12) Motorräder, deren Teile und Zubehör, soweit in Klasse 12 enthalten; Motorradtaschen, Motorradtankrucksäcke;
7
(14) Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;
8
(18) Waren aus Leder, Lederimitationen und/oder textilem Material, soweit in Klasse 18 enthalten, insbesondere Reise- und Handkoffer, Reise- und Handtaschen, Packsäcke, Rucksäcke, Seesäcke, Mehrzweckbeutel, Kleinlederwaren, insbesondere Geldbörsen Brieftaschen, Gürteltaschen, fahrbare Gepäcktaschen, Gepäckrollen, Lederpacktaschen;
9
(25) Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
10
(28) Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck;
11
(32) Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
12
(33) alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
13
(35) Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 3, 9, 12, 14, 18, 20, 24, 25, 28, 29, 30, 32, 33;
14
(41) Veranstaltung von Konzerten, Veranstaltung von Unterhaltungsshows, Durchführung von Tanzveranstaltungen;
15
(43) Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen“.
16
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG mit Erstbeschluss vom 29. Januar 2010 als beschreibende Angabe und als nicht unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG und im Erinnerungsbeschluss vom 3. Mai 2010 allein wegen fehlender Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. In beiden Beschlüssen liegt der Schwerpunkt der Argumentation auf der Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem Markenwort „redhot“ ohne weiteres den englischen Ausdruck „red hot“ erkennen und diesen – zutreffend – im Sinne von „allerneuest“, „brandaktuell“ oder – auch im übertragenen Sinn – „glühend heiß“ verstehen würden. In diesem Sinne eigne sich „redhot“ als Beschreibung aller beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
17
Die Anmelderin meint, dass ihrer Marke keines der absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen, insbesondere stelle das Wort „redhot“ in Bezug auf keine der beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.
18
Das angemeldete Markenwort könne schon deswegen nicht als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen, weil es die angesprochenen weitesten deutschen Verkehrskreise allenfalls im Sinne von „rotheiß“ verstehen würden und diese Beschreibung im Zusammenhang mit keiner der beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen sachlichen Sinn ergebe. Bei den von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreisen könnten nur Grundkenntnisse des Englischen und damit ein Verständnis der englischen Wörter „red“ und „hot“ vorausgesetzt werden, nicht dagegen eine Kenntnis des englischen Begriffs „red hot“, der nicht zum englischen Grundwortschatz gehöre. Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise das Markenwort „redhot“ in dem von der Markenstelle zugrunde gelegten Sinn von „brandaktuell“, „besonders aktuell“ oder „besonders scharf“ verstehen würden, sei damit keine im Vordergrund stehende Sachaussage über bestimmte Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verbunden. Allenfalls handele es sich um eine unscharfe, interpretationsbedürftige Aussage. Es werde nicht hinreichend klar, was z. B. an einem Körperpflegemittel „brandaktuell“ sein soll und auf was sich der Begriff eigentlich beziehe. Vielmehr handele es sich um einen unspezifischen Begriff, der weder konkrete Eigenschaften beschreibe, noch eine Zielgruppe definiere oder sonst eine hinreichend klare Sachaussage treffe.
19
In ihrer Beschwerdeschrift vom 2. Juni 2010 hat die Anmelderin sinngemäß beantragt,
20
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2010 und vom 3. Mai 2010 aufzuheben.
21
Auf den Hilfsantrag der Anmelderin hat der Senat Termin zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf den 13. September 2011 anberaumt. An dieser Verhandlung hat die Anmelderin nicht teilgenommen.
22
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
23
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, in der Sache ist sie jedoch nicht begründet. Denn in Bezug auf alle für die angemeldete Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft sich das Wort „redhot“ in einer beschreibenden Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die nicht in das Register eingetragen werden kann.
24
Das Markenwort „redhot“ gibt den englischen Ausdruck „red-hot“ in einer – für das Englische – eher unüblichen Zusammenschreibung wieder, die jedoch die Verständlichkeit des Wortes nicht berührt. Der englische Ausdruck „red-hot“ ist eine Art Steigerung des Adjektivs „hot“, das auf Deutsch „heiß“ bedeutet, und zwar auch im übertragenen Sinn. Bei dieser Bedeutungsvariante von „hot“ bedeutet „red-hot“ „allerneuest“, „brandheiß“, „brandaktuell“. Insoweit wird Bezug genommen auf die lexikalischen Belege in den Anlagen zu dem Sitzungsprotokoll vom 13. September 2011.
25
In der vorgenannten Bedeutung kann das Markenwort „redhot“ als Bezeichnung eines sonstigen Merkmals i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Bezug auf alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen. Zu den sonstigen Merkmalen im Sinne dieser Vorschrift gehören u. a. solche Umstände, auf die sich positiv besetzte Vorstellungen des Publikums beziehen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 26) – Chiemsee). Dass etwas „allerneuest“ sei, gehört allem Anschein nach aus der Sicht der beworbenen Verkehrskreise zu den attraktivsten Eigenschaftsbehauptungen überhaupt, die sich über eine Ware oder eine Dienstleistung aufstellen lassen. Anders lässt sich nicht erklären, dass der Handel eben diese Eigenschaft traditionell in den Mittelpunkt seiner Werbung stellt, wenn eine Ware oder eine Dienstleistung neu oder in einer neuen Variante auf den Markt kommt. Im Vergleich dazu muss eine „brandaktuelle“ Sache nicht unbedingt neu sein, sie wird jedoch als etwas beschrieben, was gerade jetzt, in der jeweiligen Gegenwart von unmittelbarer Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise sein soll. Es ist allenfalls als Ausnahme vorstellbar, dass ein Anbieter ernsthaft damit wirbt, seine Leistungen seien nicht oder nicht mehr aktuell. Dass Adjektive wie „neu“ oder „aktuell“ – hier in der Steigerung von „allerneuest“, „brandaktuell“ – nahezu unbegrenzt verwendbar sind, macht sie auch nicht beliebig und damit ungeeignet als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zu dem Wort „MEGA“ hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Feststellung getroffen, dass ein Begriff, der in seiner beschreibenden Bedeutung als Eigenschaftswort nahezu unbegrenzt verwendbar ist, von der Eintragung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen ist, weil er zur Bezeichnung der Beschaffenheit der Waren dienen kann (BGH GRUR 1996, 770).
26
In dem Sinne von „allerneuest“, „brandheiß“, „brandaktuell“ ist der Ausdruck „redhot“ für den gesamten inländischen Handel in der Bundesrepublik Deutschland sowie für bedeutende Anteile der weitesten deutschen Verkehrskreise ohne weiteres verständlich.
27
Für den Handel folgt das daraus, dass Englisch in Deutschland von jeher zu den Welthandelssprachen mit der größten praktischen Bedeutung gehört hat und gehört. Für die allgemeinen deutschen Verkehrskreise setzt sich das angemeldete Markenwort erkennbar aus den beiden englischen Wörtern „red“ und „hot“ zusammen, die beide zum englischen Grundwortschatz gehören (Freese/Langenscheidt-Redaktion, Grundwortschatz Englisch, 2000; Weis, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, Ernst-Klett-Verlag, 1977). Das englische Wort „hot“ kann auch die Bedeutung von „neuest“, „aktuell“, „angesagt“ annehmen (s. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. Mannheim 2005, zu „hot“). Mit dieser Bedeutung ist das Wort dem inländischen Publikum schon deswegen geläufig, weil es insoweit zu einem eingedeutschten Fremdwort geworden ist (s. bereits Fritz und Ingeborg Neske, dtv-Wörterbuch englischer und amerikanischer Ausdrücke in der deutschen Sprache, 1970, S. 146; Krämer, Modern Talking auf deutsch, München 2000, S. 114) und außerdem Bestandteil einer Reihe von ebenfalls eingedeutschten Wortkombinationen ist wie „hotline“, „hotlist“, „hotspot“ oder „hotshot“ (Junker, Der Anglizismen-Index, 2008, S. 123; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2007, S. 573, 574).
28
Das englische Wort „red“ bedeutet „rot“. Dass der englische Ausdruck „redhot“ eine Steigerung von „hot“ zum Ausdruck bringt mit der Bedeutung von „allerneuest“, „brandheiß“, „brandaktuell“, wird wegen der aktuellen Verbreitung  des Englischen in Deutschland jedenfalls von einem bedeutenden Anteil der allgemeinen inländischen Verkehrskreise ohne weiteres erkannt werden. Englisch ist nicht nur die im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen die am häufigsten gesprochene Fremdsprache in Deutschland, auch unabhängig von dieser relativen Stellung hat die englische Sprache in Deutschland in den letzten 30 Jahren in großem Maß an allgemeiner praktischer Bedeutung gewonnen. Deutsch als eine der internationalen Wissenschaftssprachen ist weitgehend aufgegeben worden, an seine Stelle ist das Englische getreten. Das betrifft die gesamte Forschung, also sowohl die staatlichen Forschungseinrichtungen, z. B. an den Universitäten, als auch alle Forschungseinrichtungen der privaten Wirtschaft. Englisch ist die an den Schulen am häufigsten gelehrte Fremdsprache. Inzwischen erlangen jedes Jahr mehr als 250.000 Menschen die Hochschulreife, für die auch die Kenntnis von mindestens einer Fremdsprache verlangt wird. Das ist in den überwiegenden Fällen Englisch. Nicht nur im Handel gehören gute Englischkenntnisse zu den Schlüsselqualifikationen, dasselbe gilt auch für andere Wirtschaftsbereiche, z. B. für Logistik und Transport, Tourismus, Hotel- und Messewesen und für Konzeption, Entwicklung und Einrichtung von Waren, Warensystemen und Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung. Auch auf Seiten der Endabnehmer verlangen Betrieb und Pflege der Systeme der elektronischen Datenverarbeitung Englischkenntnisse, umsomehr, je komplexer das System ist. Die touristischen Reisen der Deutschen ins Ausland führen in vielen Fällen in solche Länder, in denen Englisch oder Irisch, U.S.-Amerikanisch oder das kanadische Englisch Landessprache oder erste Fremdsprache sind. So haben die Deutschen im Jahre 2010 in mehr als 6 Millionen Fällen Reisen von mehr als fünf Tagen Dauer nach Großbritannien, Irland, Dänemark, dem weiteren Skandinavien, Kanada oder in die Vereinigten Staaten von Amerika und in die Karibik unternommen (Fakten und Zahlen zum deutschen Reisemarkt 2010, Eine Übersicht zusammengestellt vom Deutschen Reise-Verband). In Unterhaltungsfilmen und in der Unterhaltungsmusik ist die englische Sprache für jedermann wahrnehmbar präsent. In der Vokal-Musik in den Richtungen Blues, Gospel, Rock, Pop, Punk, Hip Hop, Rap, Metal ist Englisch die überwiegende Sprache der Songs, wobei „Song“ ebenfalls ein aus dem Englischen stammender eingedeutschter Begriff ist.
29
Aus diesen Gründen steht der Anmeldung das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
30
Für die Zurückweisung einer Markenanmeldung genügt gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG das Vorliegen nur eines absoluten Schutzhindernisses gem. § 8 MarkenG. Daher kommt es nicht darauf an, ob einer Eintragung der angemeldeten Marke neben dem Schutzhindernis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch weitere absolute Schutzhindernisse entgegenstehen.


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