Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “ROMI (Wort-Bild-Marke)/rohi (Unionswortmarke)” – Warenidentität und -ähnlichkeit – durchschnittliche Kennzeichnungskraft – unmittelbare Verwechslungsgefahr – überdurchschnittliche klangliche Markenähnlichkeit

Aktenzeichen  26 W (pat) 548/19

Datum:
4.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:040520B26Wpat548.19.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
§ 158 Abs 3 MarkenG
§ 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG vom 04.04.2016
§ 125b Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke
30 2017 212 728
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Mai 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2019 wird aufgehoben und das DPMA angewiesen, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 013 623 401 für die Waren der Klasse 24 zu löschen.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke (schwarz/weiß)
2
ist am 21. April 2017 angemeldet und am 29. Mai 2017 unter der Nummer 30 2017 212 728 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der Klassen 20 und 27 sowie der
3
Klasse 24: Bezüge für Kissen; Gewebte Stoffe für Kissen; Kissenbezüge.
4
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 30. Juni 2017 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus der Unionswortmarke
5
rohi
6
die am 7. Januar 2015 angemeldet und am 16. Juni 2015 unter der Nummer 013 623 401 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der
7
Klasse 12: Bezüge für Fahr- und Flugzeugsitze;
8
Klasse 18: Leder, Lederimitationen und Kunstleder; Möbelbezüge und Möbelüberzüge aus Leder, Lederimitationen und/oder Kunstleder; Lederfäden; Ledergurte; Lederriemen; Lederleinen; Lederschnüre;
9
Klasse 24: Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, mit Ausnahme von Bett- und Tischwäsche; Webstoffe; Wollstoffe; Gewebe für textile Zwecke; Grobgewebe; Möbelbezüge aus Kunststoff und/oder Textilien; Textilien und Stoffe für Bezüge für Sitzkissen; Industrietextilien;
10
Klasse 35: Werbung und Werbemittlung; Geschäftsführung; Dienstleistungen des Einzel- oder Großhandels, auch über das Internet, in den Bereichen Textilwaren, Stoffe, Einrichtungswaren und Dekorationswaren mit Ausnahme von Bett- und Tischwäsche;
11
Klasse 42: Dienstleistungen eines Designers in Bezug auf Stoffe, Textilwaren und Gewebe für textile Zwecke, insbesondere im Bereich der Industrietextilien.
12
Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren der Klasse 24.
13
Mit Beschluss vom 12. Juni 2019 hat die Markenstelle für Klasse 24 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Vergleichswaren der Klasse 24 durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlich seien. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. Den Abstand, an den überdurchschnittliche Anforderungen zu stellen seien, halte die jüngere Marke in jeder Hinsicht ein. Visuell unterschieden sich die Vergleichsmarken bereits durch die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke deutlich voneinander. Bei den kurzen Markenwörtern falle der abweichende, mittige Buchstabe „h“ der Widerspruchsmarke auf. Da dem stimmhaften Verschlusslaut „M“ der angegriffenen Marke der stimmlose Konsonant „h“ der älteren Marke gegenüberstehe, sei auch das Klangbild sehr unterschiedlich. Eine begriffliche Verwechslungsgefahr scheide aus, weil der Widerspruchsmarke keine Bedeutung zukomme, während die jüngere Marke dem weiblichen Vornamen „Romi“ entspreche.
14
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, die Widerspruchswaren „Möbelbezüge aus Kunststoff und/oder Textilien; Textilien und Stoffe für Bezüge für Sitzkissen“ der Klasse 24 seien mit allen angegriffenen Produkten identisch. Im Übrigen liege eine überdurchschnittliche Warenähnlichkeit in Klasse 24 vor. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei normal. Klanglich seien die Vergleichsmarken aufgrund identischer Silbenzahl, identischer erster Silbe und identischer Vokalfolge ähnlich. Die zweite Silbe unterscheide sich nur im Eingangslaut. Drei der vier Buchstaben seien an identischer Stelle im Wort angeordnet. Demgegenüber sei der klangliche Unterschied im dritten Buchstaben „M“ statt „h“ vernachlässigbar. Auch (schrift-)bildlich bestehe eine Ähnlichkeit, da der einzige Unterschied wiederum im dritten Buchstaben „M“ statt „h“ bestehe, wobei der Wechsel von Klein- zu Großschreibung bei Wortmarken im Regelfall nicht aus der Zeichenidentität herausführe. Die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke in Form eines Quadrats vermöge keine Unterscheidung zu begründen, da einfachen geometrischen Figuren keine Unterscheidungskraft zukomme. Da beiden Markenwörtern kein begrifflicher Inhalt zugeordnet werden könne, bestehe auch insoweit Ähnlichkeit. Denn die Widerspruchsmarke „rohi“ sei ein aus den Initialen des Firmengründers H… zusammengefügtes Kunstwort. Dies gelte auch für die jüngere Marke, weil „ROMI“ eine dem Großteil der Verbraucher nicht bekannte Abkürzung für „Return on Marketing Investment“ sowie im Gegensatz zu „Romy“ einen sehr seltenen Vornamen darstelle.
15
Die Widersprechende beantragt,
16
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des DPMA vom 12. Juni 2019 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 013 623 401 für die Waren der Klasse 24 zu löschen.
17
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich weder im patentamtlichen noch im Beschwerdeverfahren geäußert.
18
Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Januar 2020 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Vergleichsmarken im Umfang des Widerspruchs für verwechslungsfähig erachtet werden.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
20
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
21
Zwischen der angegriffenen Marke und der Unionswiderspruchsmarke „rohi“ besteht im tenorierten Umfang die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 125b Nr. 1, 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
22
1. Da es sich vorliegend um ein Verfahren über einen Widerspruch handelt, der nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, ist die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
23
2. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
24
a) Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage sind die Vergleichswaren teilweise identisch und teilweise weit überdurchschnittlich ähnlich.
25
aa) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM).
26
bb) Die Waren der angegriffenen Marke der Klasse 24 „Gewebte Stoffe für Kissen“ sind von den für die ältere Marke registrierten Oberbegriffen „Webstoffe; Wollstoffe; Gewebe für textile Zwecke“ umfasst, so dass insoweit Identität vorliegt.
27
cc) Die in Klasse 24 angegriffenen Waren „Bezüge für Kissen; Kissenbezüge“ unterfallen zwar zu einem großen Teil den für die Widerspruchsmarke geschützten Oberbegriffen „Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, mit Ausnahme von Bett- und Tischwäsche; Textilien und Stoffe für Bezüge für Sitzkissen“. Da es sich bei diesen angegriffenen Produkten aber auch um von den Widerspruchswaren nicht umfasste Bettwäsche, nämlich z. B. um Kopfkissenbezüge, handeln kann, ist wegen der Übereinstimmungen in stofflicher Beschaffenheit, gemeinsamen Produktions- und Vertriebsstätten sowie im Verwendungszweck nur von einer weit überdurchschnittlichen Ähnlichkeit auszugehen.
28
b) Mit den teilweise im Identitäts- und teilweise im sehr hohen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren werden über Unternehmen der Textilindustrie und den Textilfachhandel hinaus breite Verkehrskreise, insbesondere auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher angesprochen. Nicht nur die gewerblichen Kunden, sondern auch die Endverbraucher werden diesen Produkten mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen, da die Anschaffung von Textilwaren regelmäßig für einen längeren Zeitraum erfolgt.
29
c) Der Unionswiderspruchsmarke „rohi“ kommt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
30
aa) Ihr Schutzumfang ist von Haus aus normal.
31
aaa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – Wunderbaum II).
32
bbb) Die Widerspruchsmarke „rohi“ ist aus Sicht der angesprochenen breiten Verkehrskreise ein Kunst- bzw. Fantasiebegriff. Selbst wenn ihnen bekannt sein sollte, dass sich dieses Wort aus den Initialen des Firmengründers H… zusammensetzt, fehlt es an einer beschreibenden Bedeutung für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Stoffe und Textilien.
33
bb) Anhaltspunkte für eine durch intensive Nutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
34
d) Die jüngere Marke hält den bei identischen und weit überdurchschnittlich ähnlichen Vergleichswaren und normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke gebotenen Abstand trotz erhöhter Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise wegen weit überdurchschnittlicher klanglicher Markenähnlichkeit nicht mehr ein.
35
aa) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – Limoncello/LIMON-CHELO; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet).
36
bb) Die Vergleichsmarken und „rohi“ sind klanglich weit überdurchschnittlich ähnlich.
37
aaa) In phonetischer Hinsicht wird der Gesamteindruck der jüngeren Wort-/Bildmarke durch das Wortelement „ROMI“ geprägt, da die grafische Ausgestaltung nur in der Verwendung von Großbuchstaben in einer üblichen schwarzen Druckschrift besteht, die in einem aus einer schwarzen Linien bestehenden Quadrat vor weißem Hintergrund rechts unten angeordnet sind. Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist ferner von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil – sofern er kennzeichnungskräftig ist – den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rdnr. 39 – OTTO CAP). Der Wortbestandteil „ROMI“ ist als kennzeichnungskräftig anzusehen, weil er, selbst wenn er nach Ansicht der Widersprechenden eine Abkürzung für „Return on Marketing Investment“ oder im Gegensatz zu „Romy“ einen sehr seltenen Vornamen darstellen würde, genauso wenig wie die Widerspruchsmarke eine Sachaussage über die angegriffenen Stoffe oder Kissenbezüge der Klasse 24 träfe.
38
bbb) Zwischen den beiden Markenkurzwörtern „ROMI“ und „rohi“ besteht eine sehr hohe phonetische Ähnlichkeit.
39
(1) Sie stimmen in drei – R O I – von insgesamt vier Buchstaben überein. Bei gleicher Anzahl von zwei Silben sind die erste Silbe „RO“, also der stärker beachtete Wortanfang, und die Vokalfolge „O-I“ identisch. Dies gilt auch für den Betonungs- und Sprechrhythmus. Die Anfangs- und Endlaute „R-I“ stimmen ebenfalls überein. Damit liegt eine weitgehende Identität bei den für den klanglichen Gesamteindruck maßgebenden Kriterien vor.
40
(2.1) Der einzige Unterschied besteht im dritten Buchstaben „M“ bzw. „h“. Zwar kann die Abweichung in einem Laut bzw. Buchstaben den Gesamteindruck eines Kurzwortes im Verhältnis stärker beeinflussen als den eines längeren Markenwortes (BPatG 29 W (pat) 587/17 – neo/NAO; 25 W (pat) 104/12 – Talo/tilo; 26 W (pat) 324/03 – WELT/WEST). Diese Erfahrungssätze sind aber weder isoliert zu betrachten noch verallgemeinernd oder schematisch anzuwenden, sondern im Hinblick auf die klangliche Auswirkung der Abweichung auf den Gesamteindruck zu prüfen und entsprechend zu gewichten (vgl. BGH GRUR 2004, 783 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX m. w. N.). Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann nicht einmal eine Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr regelmäßig ausschließen (vgl. BGH GRUR 1974, 30, 31 – Erotex/Protex; GRUR 1982, 611, 613 – Prodont; BPatGE 6, 141 – ZEA/Teo; 6, 247 Kawoti/Sarotti; GRUR 1996, 496, 499 – PARK/LARK; GRUR 1997, 287, 289 – INTECTA/tecta; Mitt. 1970, 193, 194 – REA/ZEA; BPatG 33 W (pat) 203/02 – REDI/Wedi). Vielmehr müssen auch bei solchen Kurzwörtern die Abweichungen in jeder Richtung deutlich in Erscheinung treten (vgl. BGH GRUR 1957, 499, 502 – Wipp; BPatG Mitt 1970, 193, 194 – REA/ZEA; 26 W (pat) 204/94 – FOX/FOG; BPatG 26 W (pat) 14/96 – ON/WON). Denn bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (st. Rspr.: BGH GRUR 1998, 924, 925 salvent/Salventerol m. w. N.; GRUR 2003, 1044, 1046 – Kelly; a. a. O. – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
41
(2.1) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass der klangliche Gesamteindruck der beiden Markenkurzwörter von der identischen Lautfolge „O-I“ geprägt wird, die aufgrund der Kombination aus einem dunklen und einem hellen Vokal deutlich hervortritt und zu einer markanten klanglichen Übereinstimmung zwischen den Vergleichsmarken führt. Hinzu kommt, dass es sich bei der einzigen Abweichung um die klangschwachen Konsonanten „M“ und „h“ handelt, die sich an einer unbetonten Stelle in der weniger beachteten Wortmitte befinden, so dass dieser geringfügige Unterschied auch bei günstigen Übertragungsverhältnissen kaum auffällt.
42
(2.3) Abgesehen davon, dass den angesprochenen Verkehrskreisen weder die Abkürzung für „Return on Marketing Investment“ noch der im Gegensatz zu „Romy“ sehr seltene weibliche Vorname „Romi“ geläufig sein dürfte, scheidet eine Verwechslungsminderung durch einen abweichenden Sinngehalt der angegriffenen Marke schon wegen der nahezu phonetischen Identität der Vergleichsmarken aus.
43
Denn bei hochgradig klanglichen Übereinstimmungen wie hier kommt ein Ausschluss der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt regelmäßig nicht mehr in Betracht, da der Verkehr die Vergleichsmarken infolge des Verlesens oder Verhörens von Vornherein identisch wahrnehmen kann, und so die Markenwörter nicht mehr anhand eines unterschiedlichen Sinngehalts voneinander abzugrenzen vermag (vgl. EuGH MarkenR 2011, 22 Rdnr. 47 – Clina/CLINAIR; BGH GRUR 1986, 253, 255 – Zentis; BPatG 29 W (pat) 537/15 – qonsense/conlance; 27 W (pat) 208/05 – Chrisma/CHARISMA).
III.
44
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.


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