Aktenzeichen 30 W (pat) 87/09
Tenor
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 305 65 083.1
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Mai 2007 und 25. Juni 2009 aufgehoben.
Gründe
I.
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Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet worden ist
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speedway
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für die Waren:
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„I/O-Komponenten für Feldbussysteme, insbesondere schienen-montierbare Busklemmen, Feldbus-Koppler und programmierbare Feldbus-Controller; elektrische und/oder elektronische Klemmen und Funktionsbausteine für die Weiterleitung und/oder Verarbeitung von elektrischen Signalen und/oder von elektronischen Daten und/oder für den Aufbau von elektrischen Stromverbindungen zur Stromversorgung von elektrischen Geräten“.
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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen – einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen – wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Der Verkehr werde der Wortmarke „speedway“ mit dem Aussagegehalt „Schnell-Übertragungsweg“ einen werblichen, unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf die verfahrensgegenständlichen Waren entnehmen, nämlich dass diese einen schnellen Übertragungsweg von Prozessdaten in Feldbussystemen gewährleisteten. Der englische Fachbegriff aus der Telekommunikation „way“ für „Übertragungsweg“ werde durch das englische Wort „speed“ (Geschwindigkeit) näher konkretisiert. Die Kombination der beiden beschreibenden Begriffe ergebe keinen neuen Sinngehalt, der über den Bedeutungsgehalt der beschreibenden Einzelelemente hinausgehe. Der Erinnerungsprüfer hat ergänzend ausgeführt, in Bezug auf die beanspruchten Waren werde der Verkehr „speedway“ im übertragenen Sinne als Hinweis auf schnelle Übertragungsraten erkennen vergleichbar den Wortbildungen „Daten-highway“, „information-highway“. In diesem Sinne werde der Begriff bereits verwendet.
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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, „speedway“ sei ein Begriff aus dem Motorsport für „Rennbahn“ und nicht dem Begriff „Schnellstraße“ gleichzusetzen. Es handle sich nicht um ein neu zusammengesetztes Kunstwort und werde daher nicht in seine beiden Bestandteile zergliedert. In dieser Bedeutung sei „speedway“ für die beanspruchten Waren nicht beschreibend. Aber selbst bei zergliedernder Betrachtungsweise sei der Begriff „way“ kein Synonym für Übertragungsweg, dieser werde mit „communication“, path“ oder „route“ übersetzt. Bei den angemeldeten Waren handle es sich um Spezialwaren aus dem Bereich Automatisierungstechnik, die sich nicht an Endverbraucher richteten, sondern als Bausteine insbesondere in der Robotersteuerung verwendet würden, um Messdaten aufzunehmen, zu verarbeiten und zu verteilen. Die herangezogenen Verwendungsbeispiele des Begriffs „speedway“ in Alleinstellung oder in der Kombination „multimedia-speedway“ beträfen dagegen den Bereich der Kommunikationstechnik und würden ausschließlich markenmäßig verwendet. Auch soweit der Begriff „Daten-speedway“ verwendet werde, sei dies nur in redaktionellen Überschriften der Fall, im nachfolgenden Text werde „speedway“ markenmäßig verwendet. Für die beanspruchten Waren, die zum Teil für den Bereich der Stromversorgung bestimmt seien, könne Geschwindigkeit keine Rolle spielen.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.
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1. „speedway“ enthält hinsichtlich der beanspruchten Waren keine im Vordergrund stehende unmittelbar beschreibende, freihaltebedürftige Aussage im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 222, 251 m. w. N.).
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Nach § 8 Absatz 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können.
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Der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht entgegen, wenn der beschreibende Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriff erfüllen kann. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums vor allem als Folge des gemeinsamen europäischen Markts nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 –
LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER
; GRUR 2001, 735, 736 – Test it; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 326, 327 m. w. N.).
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Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von deren Inhalt jeder Merkmale der beanspruchten Waren beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wortinhalt und der bloßen Summe des Inhalts seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 – BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 – KPN-Postkantoor).
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Diese Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegen bei der angemeldeten Bezeichnung „speedway“ nicht vor. Das englische Wort „speedway“ bedeutet im Deutschen „Motorradrennbahn, Rennbahn“ (vgl. LEO-Online Lexikon der TU München unter dict.leo.org). Konkret wird unter „speedway“ verstanden „der Name einer asphaltierten, meist ovalen Autorennstrecke mit überhöhten Kurven sowie der Name einer Art des Bahnsports, die auf ovalen Bahnen auf losem Untergrund oder auf Eis ausgetragen wird“ (vgl. Internetdatenbank Wikipedia unter wiki.org). In Bezug auf die beanspruchten Waren, die dem Bereich der Automatisierungstechnik angehören und keinen Bezug zum Motorradrennsport haben, ergibt sich hieraus kein beschreibender Aussagegehalt.
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Ein beschreibender Aussagegehalt lässt sich auch nicht feststellen, soweit die angemeldete Bezeichnung als Kombination aus den beiden englischen Begriffen „speed“ und „way“ verstanden wird. Bei Begriffskombinationen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, soweit die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 – BioID). Der Bestandteil „speed“ hat im Deutschen die Bedeutung „Geschwindigkeit, Tempo, Schnelligkeit“, der Bestandteil „way“ bedeutet „Bahn, Strecke, Verfahren, Weg, Weise“ (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch 3. Aufl. Mannheim 2005 (CD-ROM); LEO-Online Lexikon der TU München unter dict.leo.org; PONS Großwörterbuch für Experten und Universität, 1. Aufl. 2001).
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Eine Bedeutung des Wortes „way“ im Sinne von Übertragungsweg hat sich dagegen für den hier maßgeblichen Warenbereich der Automatisierungstechnik nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen.
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Der Bestandteil „speed“ wird im Bereich der Kommunikationstechnik insbesondere in der Zusammensetzung „high-speed“ im Zusammenhang mit dem Zugang ins Internet verwendet, der Bestandteil „way“ in der Bedeutung „Bahn“ in Zusammensetzungen wie „data-highway“ verwendet. Für ein beschreibendes Verständnis der Zusammensetzung „speedway“ im Sinne einer „Rennbahn“ bzw. eines „Geschwindigkeitsübertragungsweges“, mit Hilfe dessen Daten schnell weitergeleitet werden, ergeben sich hingegen keine Anhaltspunkte. Zu einem derartigen beschreibenden Verständnis könnte man nur durch eine (unzulässige) analysierende Betrachtungsweise und als Ergebnis mehrerer gedanklicher Schritte kommen. Für ein beschreibendes Verständnis der Kombination „speedway“ im Sinne einer „Datenrennbahn“ wäre nämlich von Zusammensetzungen wie „data-highway“ und „high-speed“ auszugehen, es wären die Bestandteile zu verkürzen, neu zu kombinieren und unter Weglassen des Bestandteils „Data“ auf den Bereich der Automatisierungstechnik zu übertragen.
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Aufgrund des lediglich andeutungsweise feststellbaren beschreibenden Aussagegehalts fehlt es an sicheren Anhaltspunkten, die die Annahme rechtfertigen könnten, die angemeldete Gesamtbezeichnung „speedway“ sei geeignet, Merkmale der angemeldeten Waren i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unmittelbar zu beschreiben. Diesem Schutzhindernis unterfallen lediglich unmittelbar beschreibende Zeichen und Angaben. Soweit dagegen eine beschreibende Aussage nur angedeutet wird und allenfalls aufgrund gedanklicher Schlussfolgerungen und in analysierender, möglichen Bestandteilen und deren (beschreibenden) Begriffbedeutungen nachgehender Betrachtungsweise erkennbar ist, steht § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung regelmäßig nicht entgegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr Kennzeichen von Waren/Dienstleistungen regelmäßig in der Gesamtform aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten, und erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können (vgl. BGH GRUR 2001, 162, 163 –
RATIONAL SOFTWARE CORPORATION
; GRUR 2002, 261, 262 – AC; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 251, 335 m. w. N.).
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Ein Verständnis des Verkehrs im unmittelbar beschreibenden Sinn lässt sich auch anhand der von der Markenstelle angeführten Belege einer Internetrecherche nicht feststellen. Wie die Anmelderin anhand von Nachweisen in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, handelt es sich bei allen in diesem Zusammenhang angeführten Nachweisen um Beispiele markenmäßiger Verwendung bzw. um schlagwortartige Überschriften zu Artikeln, die im nachfolgenden Text ausschließlich eine markenmäßige Verwendung erkennen lassen. Die vereinzelt feststellbaren Nachweise zu der Begriffskombination „Daten-Speedway“ betreffen den Handybereich, die entsprechende Technologie ist für die speziellen Waren der Automatisierungstechnik jedoch nicht einschlägig.
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Damit lässt sich eine beschreibende Sachaussage in Bezug auf die beanspruchten speziellen Waren der Automatisierungstechnik nicht feststellen.
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2. Die angemeldete Bezeichnung besitzt auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2002, 64, 65 –
INDIVIDUELLE
m. w. N.). Diese Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren nicht abgesprochen werden. „speedway“ vermittelt – wie oben dargelegt – keine unmittelbar beschreibende Gesamtaussage, so dass der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (vgl. BGH a. a. O. –
RATIONAL SOFTWARE CORPORATION
).
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Die Beschwerde hat daher Erfolg.