Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “VANTAGE” – fehlende Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis –

Aktenzeichen  33 W (pat) 529/12

Datum:
26.2.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 37 Abs 1 MarkenG
Spruchkörper:
33. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 063 830.6
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter am Amtsgericht Dr. Wache und die Richterin Dr. Hoppe am 26. Februar 2013
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Am 24. November 2011 hat die Anmelderin die Wortmarke
2
VANTAGE
3
angemeldet für folgende Waren:
4
Klasse 25:
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Ski- und Snowboardschuhe sowie deren Teile;
6
Klasse 28:
7
Skier, Snowboards und Stöcke sowie Teile aller vorgenannten Waren; Ski- und Snowboardbindungen sowie deren Teile; Säcke, Hüllen und Behälter für Skier, Snowboards und Stöcke, Bindungshüllen.
8
Mit Beschluss vom 27. März 2012 hat die Markenstelle für Klasse 28 die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für sämtliche Waren zurückgewiesen.
9
Sie hat hierzu ausgeführt, dass der Verkehr die Bedeutung des englischen Wortes „VANTAGE“, das sprachlich eng an das Wort „advantage“ angelehnt sei, erkenne. Er werde das Zeichen daher als betriebsneutralen Hinweis verstehen, der auf einen Vorzug bzw. eine Verbesserung der Ware hinweise.
10
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass weder ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliege. Sie meint, dass der angesprochene Verkehr die Bedeutung von „vantage“ nicht kenne, da es sich um ein entlegenes Wort der englischen Sprache handele. Es sei auch keine beschreibende Angabe, weil mit „Vorteil“ keinerlei Information über die Waren verbunden sei, so dass ein unspezifischer Begriff mit unklarer Aussage vorliege. Um von dem Begriff auf eine Sachaussage zu schließen, bedürfe es einer Interpretation. Es handele sich daher nicht um einen eindeutigen, unmissverständlichen Sachhinweis, der ohne gedankliche Schritte verstanden werde.
11
Dem Zeichen fehle auch nicht die Unterscheidungskraft, weil es keine gebräuchliche Angabe sei und zudem markenmäßige Verwendungsmöglichkeiten existierten.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
13
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
14
Mit Schreiben vom 9. Januar 2013 hat der Senat die Anmelderin auf mögliche Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG hingewiesen und verschiedene Belege aus der Internetrecherche des Senats (im Folgenden zitiert als „Anlagen“) übersandt.
II.
15
Der angemeldeten Marke stehen die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Anmeldung ist deshalb von der Markenstelle zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen worden.
1.
16
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
17
Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 lit. c der MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) – ADIDAS II; EuGH MarkenR 2012, 147 (Nr. 32) – NAI-Der Natur-Aktien-Index). Es gibt nämlich – insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs – Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) – Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) – DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) – Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 – 36) – BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 265 m. w. N.).
18
b) Auf der Grundlage dieser Vorgaben ist das begehrte Zeichen für die verfahrensgegenständlichen Waren aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs beschreibend im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
19
Abzustellen ist dabei auf die Auffassung des beteiligten inländischen Verkehrs, wobei dieser alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) – Henkel; EUGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 19) – Maglite; BGH GRUR 2009, 411 (Nr. 8) – STREETBALL). Die hier beanspruchten Waren richten sich an den Handel und an Endverbraucher, wobei von dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen ist (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) – Matratzen Concord/ Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) – Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 30 ff.).
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Das begehrte Zeichen besteht aus dem Wort „vantage“, das zur englischen Sprache gehört und vorrangig mit „Vorteil“ übersetzt wird (Anlage 1).
21
Der hier angesprochene Verkehr wird den Begriff übersetzen können, denn weite Teile der angesprochenen deutschen Verkehrskreise sprechen Englisch. Die Verständnisfähigkeit des deutschen Durchschnittsverbrauchers darf insoweit nicht zu gering veranschlagt werden, denn die Fremdsprachenkenntnisse des inländischen Publikums werden durch den gemeinsamen europäischen Markt und das Erlernen verschiedener Fremdsprachen – insbesondere der englischen Sprache – in der Schule, laufend verbessert (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 395). Die Verständnisfähigkeit des inländischen Verkehrs ist daher nicht auf Grundbegriffe der englischen Sprache zu beschränken, sondern umfasst darüber hinausgehende Begriffe zumindest dann, wenn diese regelmäßig verwendet werden, wie das Wort „vantage“. Der Begriff „vantage“ ist nämlich ausweislich des Ergebnisses der Internetrecherche des Senats ein gebräuchlicher Bestandteil zusammengesetzter Markennamen (vgl. Anlage 2), der branchenübergreifend benutzt wird. Es handelt sich daher nicht um ein „entlegenes Wort“ der englischen Sprache, wie die Anmelderin meint.
22
Mit der Bedeutung „Vorteil“ beinhaltet das begehrte Zeichen im Hinblick auf die begehrten Waren eine Sachaussage gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dahingehend, dass die Waren einen Vorteil bieten und damit anderen Produkten überlegen sind. Dem steht nicht entgegen, dass „Vorteil“ nur unpräzise ein Merkmal der Waren bezeichnet. Die Annahme einer beschreibenden Sachangabe setzt nämlich nicht voraus, dass der Wortbegriff feste begriffliche Konturen hat (BGH GRUR 2008, 900 (Nr. 15) – SPA II). Aus diesem Grund vermag weder die Mehrdeutigkeit noch die Unbestimmtheit eines Begriffs für sich genommen auszuschließen, dass es sich um beschreibende Angaben in Form einer Sachinformation handelt (vgl. BGH GRUR 2000, 882 f. – Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2008, 900 (Nr. 15) – SPA II; BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 17) – My World). Das gilt auch, wenn es sich lediglich um eine Anspielung auf Qualitätsmerkmale, ohne konkrete Präzisierung derselben handelt (vgl. HABM 0192/04-1 – MASTERCAM; BPatG 32 W (pat) 90/99; BPatG 28 W (pat) 45/96; vgl. auch EuG GRUR Int. 2003, 834 – BEST BUY; EuG GRUR Int. 2004, 951 – bestpartner; BPatG 27 W (pat) 23/05 – BESTWORK). Auch Begriffe wie z. B. „top, exzellent, super“ informieren lediglich unpräzise über ein Merkmal von Waren, nämlich darüber, dass es sich um besonders herausragende Produkte auf dem Markt handelt, was aber nichts daran ändert, dass die angesprochenen Verkehrskreise derartigen Begriffen nur ihre offensichtliche Bedeutung beilegen und sie nicht als Marke, sondern als Hinweis auf Produkteigenschaften wahrnehmen (vgl. EuG GRUR Int. 2005, 908 (Nr. 63 – 66) – TOP; vgl. BPatG MarkenR 2007, 351 – Topline; EuG T-373/07 – PrimeCast; BGH GRUR 1996, 770 – MEGA; BPatG GRUR 2002, 889 (890) – Fantastic; BPatG 33 W (pat) 131/09 – OPTIMUM; Ingerl/Rohnke, MarkenR, 3. Aufl., § 8 Rd. 246; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 371 m. w. N. und § 8 Rd. 299).
23
Es ist auch nicht notwendig, den Begriff Begriff „vantage“ / „Vorteil“ in einen Wort- oder Satzzusammenhang zu stellen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Erwerber sich mit den beworbenen Waren oder Tätigkeiten einen Vorteil verschaffen kann oder sie ihm gegenüber anderen Produkten oder angebotenen Tätigkeiten einen Vorteil bieten (so aber BPatG 27 W (pat) 255/03) – ADVANTAGE). Da die Beurteilung des beschreibenden Charakters einer Marke stets im Hinblick auf die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen vorzunehmen ist, ist zu ermitteln, welche Bedeutung der Verkehr dem Zeichen beimisst, wenn es ihm in Zusammenhang mit den begehrten Produkten begegnet. Vorliegend wird der Verkehr die Kennzeichnung einer Ware mit dem Begriff „Vorteil“ – ebenso wie mit dem englischen Synonym „vantage“ – als Hinweis auf eine vorteilhafte Ware verstehen, ohne dass es dazu weiterer Erläuterungen bedürfte. Um zu einer derartigen beschreibenden Sachangabe zu gelangen sind – entgegen der Auffassung der Anmelderin – auch keine analysierenden Gedankenschritte notwendig. Der Bezug zwischen dem Wort „Vorteil“ und einem vorteilhaften Produkt erschließt sich nämlich direkt und unmittelbar. Zusätzliche Gedankenschritte ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass es zunächst einer Übersetzung des entsprechenden englischen Begriffs in die deutsche Sprache bedarf.
24
Die Anmelderin hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Marke in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist und eine zergliedernde Betrachtung unzulässig wäre. Allerdings kommt es darauf vorliegend nicht an, weil die Marke ohnehin aus nur einem Wortelement besteht.
25
Auch eine bereits stattfindende beschreibende Verwendung der konkret begehrten Marke ist für das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 nicht erforderlich, da es sowohl nach der Formulierung der entsprechenden Norm im Markengesetz als auch nach der rechtlichen Grundlage in Art. 3 Abs. 1 lit. c der MarkenRL ausreicht, wenn die Angaben zur Beschreibung von Waren und Dienstleistungen dienen können, ohne dass bereits eine tatsächliche Verwendung erfolgt sein müsste (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 97) – Postkantoor). Vorliegend ist eine zukünftige beschreibende Verwendung des angemeldeten Zeichens zu erwarten, weil der Begriff „vantage“ bereits vielfach verwendet wird. Dies gilt auch und gerade in den verfahrensgegenständlichen Warenbereichen, wo der Begriff von unterschiedlichen Herstellern bereits für Skistöcke, Skihelme, Skischuhe, Skijacken und Skibrillen verwendet wird.
2.
26
Der begehrten Wortmarke steht zudem das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, weil es ihr an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehlt.
27
Einer Wortmarke, die im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, fehlt nach der Rechtsprechung des EuGH zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 86) – Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 19) – BIOMILD). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es nämlich keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 16) – VISAGE; BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) – FUSSBALL WM 2006 m. w. N.).
3.
28
Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Nr. 18) – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 (Nr. 8) – Marlene-Dietrich-Bildnis; zuletzt: BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG ist die rechtsprechende Gewalt allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an vorangehende Entscheidungen eines Amtes, dessen Tätigkeit gerade überprüft werden soll. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt zudem, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.


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