Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – “Glasscheibenaufbau mit elektrochromer Schichteinrichtung” – zur wirksamen Stellung eines Prüfungsantrags im Erteilungsverfahren – handschriftliche Streichung bzw. Zusätze auf dem SEPA-Basislastschriftmandat

Aktenzeichen  7 W (pat) 4/19

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:240719B7Wpat4.19.0
Normen:
§ 44 Abs 2 S 1 PatG
§ 1 Abs 1 Nr 4 PatKostZV
§ 133 BGB
Spruchkörper:
7. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2011 122 199.2
wegen Stellung des Prüfungsantrags
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 24 Juli 2019 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts – Prüfungsstelle 51 – vom 24. April 2019 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Anmelderin am 30. November 2018 rechtzeitig einen wirksamen Prüfungsantrag gestellt hat.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Am 23. Dezember 2011 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Erfindung mit der Bezeichnung „Glasscheibenaufbau mit elektrochromer Schichteinrichtung“ zur Patentierung ein.
2
Mit formularmäßiger Mitteilung vom 24. August 2018 wies das Patentamt die Anmelderin darauf hin, dass die Prüfungsantragsfrist mit Ablauf des 24. Dezember 2018 ende, und dass die Anmeldung als zurückgenommen gelten müsse, wenn der Prüfungsantrag bis dahin nicht gestellt werde.
3
Am 30. November 2018 ging beim Patentamt per Telefax ein ausgefülltes und von dem Vertreter der Anmelderin handschriftlich unterschriebenes Formular mit Angaben zum Verwendungszweck des SEPA-Basislastschriftmandats mit der Mandatsreferenznummer … und dem Aktenzeichen 10 2011 122199.2 ein, wobei hinter der Gebührennummer „311 400“ der Betrag von 350,- € eingetragen war. In der Spalte „Erläuterungen“ ist der Text „Prüfungsverfahren wenn ein Antrag nach § 43 PatG nicht gestellt ist“ (ebenso wie alle sonstigen von der Anmelderin in dem Formular vorgenommenen Eintragungen) in Maschinenschrift eingetragen, jedoch ist von dieser maschinenschriftlichen Eintragung mit Ausnahme des ersten Wortbestandteils „Prüfungs“ der Text durchgestrichen. An Stelle des durchgestrichenen Textes ist über dem zweiten Wortbestandteil „verfahren“ handschriftlich der Wortbestandteil „antrag“ notiert, so dass im Ergebnis in der Spalte „Erläuterungen“ – teils maschinenschriftlich, teils handschriftlich – das Wort „Prüfungsantrag“ vermerkt ist.
4
Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 teilte das Patentamt der Anmelderin mit, dass mit Eingabe vom 30. November 2018 zwar eine Einzugsermächtigung für die Prüfungsantragsgebühr eingereicht worden sei; ein Prüfungsantrag sei aber bislang noch nicht zur Akte gelangt. Die Anmelderin wurde gebeten, die Stellung des Prüfungsantrags nachzuholen oder mitzuteilen, dass die Gebühr irrtümlich angewiesen worden sei. In letzterem Fall würde die Rückzahlung auf ihr Konto veranlasst.
5
In Beantwortung dieses Schreibens machte die Anmelderin am 14. Januar 2019 folgende Mitteilung: „Hiermit wird die Prüfung der Anmeldung beantragt und unser Prüfungsantrag vom 30. November 2018 ausdrücklich bestätigt“.
6
Unter Bezugnahme auf den am 14. Januar 2019 eingegangenen Prüfungsantrag richtete das Patentamt an die Anmelderin die weitere Mitteilung, dass dieser nach der gesetzlichen Antragsfrist gestellt worden und daher unwirksam sei; die Patentanmeldung gelte als zurückgenommen.
7
Die Anmelderin stellte sich in Beantwortung dieses neuerlichen Bescheids auf den Standpunkt, dass der Prüfungsantrag tatsächlich bereits am 30. November 2018 gestellt worden sei. Auf der Einzugsermächtigung sei nämlich bereits unter der Spalte „Erläuterungen“ schriftlich „Prüfungsantrag“ eingetragen. Im Zusammenhang mit der Einzahlung der Prüfungsgebühr sei dem Wortlaut „Prüfungsantrag“ bei verständiger Würdigung der Umstände klar entnehmbar, dass hiermit die Prüfung der Anmeldung beantragt werde sollte.
8
Mit signiertem Beschluss vom 24. April 2019 stellte daraufhin die Prüfungsstelle 51 des Deutschen Patent- und Markenamts fest, dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte. Innerhalb der Frist von sieben Jahren nach Einreichung der Patentanmeldung (§ 44 Abs. 2 PatG) sei zwar die Prüfungsantragsgebühr fristwahrend gezahlt, jedoch kein Prüfungsantrag gestellt worden. Erst mit Datum 14. Januar 2019 – und somit verspätet – sei der dazugehörige schriftliche Prüfungsantrag eingegangen. Eine für sich genommene Gebührenzahlung – auch wenn sie, wie bei einer Zahlung üblich, den Verwendungszweck beinhalte – entspreche nicht der vom Gesetz ausdrücklich geforderten schriftlichen Willensäußerung, den Prüfungsantrag stellen zu wollen.
9
Gegen diesen ihr am 13. Mai 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. Mai 2019 eingelegte Beschwerde der Anmelderin. Sie wiederholt ihren bisherigen Vortrag und beantragt sinngemäß,
10
– den angefochtenen Beschluss aufzuheben und
11
– festzustellen, dass der Prüfungsantrag fristwahrend gestellt worden ist;
12
– die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen;
13
– hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
14
Am 24. Mai 2019 hatte die Anmelderin außerdem gegenüber dem Patentamt die Teilung ihrer Anmeldung erklärt.
II.
15
Die gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss vom 24. April 2019 ist begründet. Die Anmelderin hat fristgemäß einen wirksamen Prüfungsantrag gestellt.
16
1. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG ist bis zum Ablauf von sieben Jahren nach Einreichung der Anmeldung der Prüfungsantrag zu stellen. Vorliegend begann die Frist nach dem Anmeldetag vom 23. Dezember 2011 und endete am Montag, dem 24. Dezember 2018, § 99 Abs. 1 PatG, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB. Vor Ablauf dieser Frist ist am 30. November 2018 beim Patentamt ein ausgefülltes und unterschriebenes Formular mit Angaben zum Verwendungszweck eines SEPA-Basislastschriftmandats – hier der Zahlung der Prüfungsantragsgebühr, Nr. 311 400 des Gebührenverzeichnisses, Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG, in der korrekten Höhe von 350 € – eingegangen. Aus diesem ergibt sich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ausnahmsweise auch die Stellung des Prüfungsantrags.
17
a) Grundsätzlich dient das Formular mit Angaben zum Verwendungszweck eines SEPA-Basislastschriftmandats allerdings lediglich Zahlungszwecken, d. h. im vorliegenden Fall der Zahlung der Prüfungsantragsgebühr, und kann daher einen fristgerecht zu stellenden Antrag nicht ersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung beinhaltet die bloße Gebührenzahlung nämlich keine eindeutige Erklärung zur Vornahme einer bestimmten Verfahrenshandlung (vgl. BGH NJW 1965, 1862; BGHZ 107, 129; BPatG, Beschl. v. 3. September 2012 – 10 W (pat) 10/09; Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 10. Aufl., § 44 Rdnr. 10). Wird die Zahlung im Wege einer Banküberweisung oder Bareinzahlung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 PatKostG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 PatKostZV) vorgenommen, ergibt sich dies bereits daraus, dass in diesen Fällen keine schriftliche Erklärung gegenüber dem Patentamt vorliegt. Aber auch wenn die Gebührenzahlung – wie im vorliegenden Fall – gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 PatKostZV durch Erteilung eines gültigen SEPA-Basislastschriftmandats mit Angaben zum Verwendungszweck, d. h. durch eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Patentamt, erfolgt, kann darin grundsätzlich nicht zugleich die Vornahme einer Verfahrenshandlung gesehen werden. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass eine Zahlung rein vorsorglich, vor einer endgültigen Entscheidung über die Antragstellung, geleistet wird.
18
b) Etwas anderes kann sich in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise dann ergeben, wenn bei Einreichung des SEPA-Basislastschriftmandats zugleich eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass das Prüfungsverfahren auch tatsächlich eröffnet und die Anmeldung dadurch aufrechterhalten werden soll. Wie jede an das Patentamt gerichtete Erklärung ist nämlich auch ein SEPA-Basislastschriftmandat einer Auslegung entsprechend § 133 BGB zugänglich (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juni 2018 – 7 W (pat) 7/18). Entscheidend ist insoweit der objektive, dem Erklärungsempfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Erklärende das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. z. B. BGH GRUR 2017, 1286, Tz. 29 – Mehrschichtlager m. w. N.; NJW-RR 1995, 1183).
19
c) Im vorliegenden Fall ist aus der Sicht des Patentamts klar ersichtlich, dass die Anmelderin durch die Einreichung des SEPA-Basislastschriftmandats nicht nur die Gebührenzahlung bewirken, sondern zugleich auch den Prüfungsantrag stellen wollte. Dies ergibt sich aus der Eintragung in der Spalte „Erläuterungen“. Während dort zunächst offensichtlich lediglich der Gebührentatbestand 311 400 („Prüfungsverfahren – wenn ein Antrag nach § 43 PatG nicht gestellt worden ist“) aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) wiederholt werden sollte, hat der Vertreter der Anmelderin durch die handschriftliche Streichung der zunächst maschinenschriftlich eingetragenen Worte „…verfahren wenn ein Antrag nach § 43 PatG nicht gestellt worden ist“ und durch die ebenfalls handschriftlich vorgenommene Ergänzung des nach der Streichung einzig verbliebenen Wortbestandteils „Prüfungs“ durch den weiteren Wortbestandteil „antrag“ unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass es ihm hier nicht lediglich um die Erläuterung des Gebührentatbestandes ging (insoweit wäre die Streichung bzw. Ergänzung sinnlos gewesen), sondern um die explizite Stellung des Prüfungsantrags. Vor diesem Hintergrund ist die am 30. November 2018 zusammen mit Angaben zum Verwendungszweck eines SEPA-Basis-Lastschriftmandats zur Akte gereichte Erklärung bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht nur als Gebührenzahlung, sondern auch als Prüfungsantrag zu verstehen.
20
2. Da somit ein wirksamer Prüfungsantrag vorliegt, gilt die Anmeldung nicht gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zurückgenommen mit der Folge, dass der angefochtene Beschluss des Patentamts vom 24. April 2019 aufzuheben und die mit der Beschwerde der Anmelderin beantragte Feststellung zu treffen ist.
21
3. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG besteht kein Anlass; die durch die Prüfungsstelle vorgenommene Sachbehandlung stellt keinen Umstand dar, der die Einbehaltung der Gebühr als unbillig erscheinen ließe (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 135).
22
4. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil dem Beschwerdebegehren in der Hauptsache entsprochen worden ist und die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr für sich allein keiner mündlichen Verhandlung bedarf, wenn – wie hier – die insoweit zugrunde liegenden Tatsachen geklärt sind (vgl. BPatGE 13, 69, 71; BPatG BlPMZ 2010, 374 – Mikro-Schweißspitze; Schulte, a. a. O., § 78 Rdnr. 15).
23
5. Über die vor Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens am 24. Mai 2019 gegenüber dem Patentamt erklärte Teilung ist im Rahmen des vorliegenden, erst am 28. Mai 2019 eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nicht zu befinden.


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