Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – Patentanmeldung – Beschwerde gegen ein Schreiben der Prüfungsstelle des DPMA – Schreiben des DPMA entspricht seinem Inhalt nach einer Mitteilung mit reiner Hinweisfunktion – Unzulässigkeit der Beschwerde

Aktenzeichen  7 W (pat) 12/19

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:190520B7Wpat12.19.0
Normen:
§ 73 Abs 1 PatG
Spruchkörper:
7. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2006 003 437.6
(Mitteilung zur Fälligkeit von Jahresgebühren,
hier: Statthaftigkeit der Beschwerde)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 19. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Die Beschwerde des Anmelders wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Anmelder reichte am 25. Januar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung “Verfahren zur Herstellung von Polyvinylacetalen” als Zusatzanmeldung zur Patentanmeldung 10 2005 012 924.2 ein. Das Hauptpatent 10 2005 012 924 ist inzwischen widerrufen worden; die hiergegen eingelegte Beschwerde und die gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts eingelegte Rechtsbeschwerde sind erfolglos geblieben. Durch Beschluss vom 23. Januar 2019 hat die Prüfungsstelle für Klasse C08F die vorliegende, unter dem Aktenzeichen 10 2006 003 437.6 geführte Zusatzanmeldung zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Anmelders ist beim Bundespatentgericht anhängig (Az. 14 W (pat) 38/19).
2
Mit Eingabe vom 11. Juni 2019 hat der Anmelder die Umwandlung seines Antrags auf Erteilung eines Zusatzpatents in einen Antrag auf Erteilung eines selbständigen Patents beantragt. Als Reaktion auf eine telefonische Mitteilung des Patentamts zur Höhe der aus diesem Anlass nachzuentrichtenden Jahresgebühren hat der Anmelder mit Eingabe vom 21. Juni 2019 das Patentamt um eine schriftliche Mitteilung zum Fälligkeitstag und zur Gebührenhöhe ersucht. Außerdem hat er die Ansicht vertreten, dass keine Jahresgebühren nachzuentrichten seien, weil diese so erhoben werden müssten, als ob ein das Zusatzpatent betreffender Erteilungsbeschluss bereits im Jahr 2014 ergangen wäre; es sei ein Anwendungsfall des § 9 PatKostG gegeben.
3
In ihrer Mitteilung vom 9. August 2019, die dem Anmelder am 14. August 2019 zugegangen ist, hat ihm die Prüfungsstelle für Klasse C08F daraufhin erläutert, dass mit Eingang seines Antrags auf Umwandlung für die vorliegende Anmeldung sämtliche Jahresgebühren ab der dritten Jahresgebühr fällig geworden seien. Sofern die ausstehenden Jahresgebühren nicht binnen einer Frist von drei Monaten ab Eingang des Antrags auf Umwandlung, also bis spätestens 13. September 2019, vollständig gezahlt würden, gelte die Anmeldung als zurückgenommen. Der Hinweis des Anmelders, dass Kosten im Sinne von Jahresgebühren bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, werde als Antrag auf Feststellung einer unrichtigen Sachbehandlung gemäß § 9 PatKostG interpretiert. Diesem Antrag könne, wie die Prüfungsstelle näher erläutert hat, voraussichtlich nicht stattgegeben werden. Die Mitteilung enthält keine Rechtsmittelbelehrung und ist mit der Angabe “Prüfungsstelle für Klasse C08F” gezeichnet. Darunter ist das Dienstsiegel angebracht, gefolgt von dem Hinweis: “Dieses Dokument wurde elektronisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.”
4
Auf diese Mitteilung hat der Anmelder mit einer als “Beschwerde” bezeichneten Eingabe vom 19. August 2019 reagiert, die beim Patentamt am 22. August 2019 eingegangen ist. Er hat seine bisherige Rechtsauffassung ergänzend erläutert und dargelegt, dass das Schreiben vom 9. August 2019, mit dem das Patentamt seiner im Schreiben vom 21. Juni 2019 geäußerten Ansicht entgegengetreten sei, eine Entscheidung und damit einen beschwerdefähigen Beschluss im Sinne von § 73 Abs. 1 PatG darstelle.
5
Das Patentamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
6
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
7
die Mitteilung der Prüfungsstelle für Klasse C08F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. August 2019 aufzuheben,
8
die Rückzahlung überzahlter Jahresgebühren in Höhe von 2.340,- € sowie
9
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen,
10
hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen,
11
sowie hilfsweise dem Patentamt den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung aufzugeben.
12
Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 hat der Senat auf die Unstatthaftigkeit der Beschwerde hingewiesen. In seinem Antwortschreiben vom 4. März 2020 hat der Anmelder mitgeteilt, dass er sich außerstande sehe, das Patentamt selbst zu einer beschwerdefähigen Entscheidung zu veranlassen. Der angefochtene Beschluss entspreche den Anforderungen des § 47 Abs. 1 PatG. Als Adressat habe er jedenfalls auf die Gültigkeit der patentamtlichen Mitteilung vertrauen dürfen, was auch für den Fall einer Verwerfung der Beschwerde als unzulässig zumindest die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
13
Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
14
Die Beschwerde gegen die Mitteilung der Prüfungsstelle für Klasse C08F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. August 2019 ist nicht statthaft und daher unzulässig. Es liegt kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss im Sinne des § 73 Abs. 1 PatG vor.
15
1. Zwar kommt es für die Frage, ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, nicht auf die äußere Form oder Bezeichnung der Entscheidung, sondern auf ihren materiellen Gehalt an. Allerdings muss das betreffende Schreiben in formeller Hinsicht den in § 47 Abs. 1 PatG genannten Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beschluss zumindest insoweit entsprechen, dass es von dem Entscheidungsträger, der die Entscheidung getroffen hat, unterschrieben ist, weil anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Entwurf oder um eine rein formularmäßige Mitteilung handelt (z.B. BPatG BlPMZ 2006, 415 – Paraphe). Ist – wie im vorliegenden Fall – das patentamtliche Schreiben im Rahmen der elektronischen Aktenführung erstellt worden, ist anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Entscheidungsträgers eine elektronische Signatur nach § 5 Abs. 3 EAPatV erforderlich, damit einem Dokument die Qualität eines Beschlusses zuerkannt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2013 – 10 W (pat) 25/12, BPatGE 54, 89 – Formularmäßige Mitteilung II; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 47 Rdn. 10, § 73 Rdn. 28).
16
Dies ist bei der patentamtlichen Mitteilung vom 9. August 2019 nicht der Fall. Diese benennt im Briefkopf lediglich den in Maschinenschrift wiedergegebenen Namen eines Mitarbeiters des Patentamts als Kontaktperson und am Schluss des Schreibens die Prüfungsstelle für Klasse C08F als verantwortliche Organisationseinheit. Jedoch ist sie weder von einem Entscheidungsträger unterschrieben noch mit einer elektronischen Signatur versehen. Einen beschwerdefähigen Beschluss nach § 73 Abs. 1 PatG stellt diese Mitteilung ihrer Form nach nicht dar.
17
Zudem kommt der patentamtlichen Mitteilung ihrem Inhalt nach kein Entscheidungscharakter zu. Ein Beschluss im Sinne des § 73 Abs. 1 PatG ist eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 25 ff m. w. N.).
18
Mit ihrem Wortlaut: “Diesem Antrag kann voraussichtlich nicht stattgegeben werden.” stellt die angefochtene Mitteilung jedoch gerade keine abschließende Regelung dar, sondern weist ausdrücklich auf eine erst in Zukunft zu treffende Entscheidung hin.
19
Auch der dem Anmelder mitgeteilte Termin zum Ablauf der Frist zur Zahlung noch ausstehender Jahresgebühren lag bei Erstellung des Schreibens vom 9. August 2019 noch in der Zukunft. Ob bei Fristablauf die Voraussetzungen der Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG vorliegen würden, wonach eine Patentanmeldung als zurückgenommen gilt, konnte das Patentamt ex ante – vor Fristablauf – weder vorhersehen, noch verbindlich feststellen.
20
Seinem Inhalt nach entspricht das Schreiben der Prüfungsstelle für Klasse C08F vom 9. August 2019 also einer Mitteilung mit reiner Hinweisfunktion, jedoch keiner Entscheidung. Die gegen diese Mitteilung gerichtete Beschwerde ist daher unstatthaft und somit unzulässig.
21
2. Infolgedessen ist der Weg für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem weiteren Begehren des Anmelders nicht eröffnet. Dies gilt für seine Anträge, die beanstandete Mitteilung der Prüfungsstelle aufzuheben und angeblich überzahlte Jahresgebühren zurückzuerstatten ebenso wie für sein Begehren, dem Patentamt hilfsweise den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung aufzugeben. Auf ihre Begründetheit hin zu untersuchen ist erst die zulässige Beschwerde (Busse/ Keukenschrijver/Engels, PatG, 8. Aufl., § 73 Rdn. 11, vor § 73 Rdn. 71 ff., § 79 Rdn. 27). Die Beschwerde des Anmelders hingegen ist bereits unzulässig.
22
3. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG besteht kein Anlass. Nach dieser Vorschrift kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalles aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, insbesondere weil die Beschwerdeerhebung durch ein unsachgemäßes oder verfahrensfehlerhaftes Handeln des Patentamts veranlasst war (vgl. Benkard/Schäfers/Schwarz, PatG, 11. Aufl., § 80 Rdn. 22).
23
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Einlegung einer unstatthaften Beschwerde kann nicht dem Patentamt angelastet werden. Durch die Versendung einer rein formularmäßigen, weder unterschriebenen noch elektronisch signierten Mitteilung, der auch keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, hat das Patentamt keinen Anlass gegeben, dagegen mit einer Beschwerde vorzugehen. Dies gilt umso mehr, als dem Anmelder, einem Patentanwalt, aus den Senatsbeschlüssen BPatGE 47, 10 = BlPMZ 2003, 244 – formularmäßige Mitteilung – und BPatGE 54, 89 = BlPMZ 2014, 140 – formularmäßige Mitteilung II – sowie aus verschiedenen Veröffentlichungen (z. B. Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 29, Buchst. i)) hätte bekannt sein müssen, dass derartige formularmäßige Mitteilungen nicht im Beschwerdeweg angefochten werden können.
24
4. Die Entscheidung konnte unbeschadet des hilfsweise gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beschwerde als unzulässig verworfen wird, § 79 Abs. 2 Satz 2 PatG.


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