Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren und Vorrichtung zur Busankopplung sicherheitsrelevanter Prozesse“ – zur Zuständigkeit für die Prüfung einer im Beschwerdeverfahren entstandenen Teilanmeldung

Aktenzeichen  18 W (pat) 36/14

Datum:
1.12.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 39 Abs 1 PatG
Spruchkörper:
18. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Teilanmeldung 10 2004 064 283.4

hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn und die Richter Kruppa, Dipl. Phys. Dr. rer. nat. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater am 1. Dezember 2014
beschlossen:
1. Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aufgrund der Teilungserklärung vom 27. Januar 2014 aus der Stammanmeldung 10 2004 039 932.8-53 entstandenen Patentanmeldung 10 2004 064 283.4 nicht zuständig.
2. Das aufgrund der Teilung durchzuführende Anmeldeverfahren 10 2004 064 283.4 wird zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt verwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin war Anmelderin der am 17. August 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung 10 2004 039 932.8-53 mit der Bezeichnung
2
„Verfahren und Vorrichtung zur Busankopplung sicherheitsrelevanter Prozesse“,
3
aus welcher die vorliegende Teilanmeldung 10 2004 064 283.4 hervorgeht.
4
Mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2008 wurde die Anmeldung 10 2004 039 932.8-53 zurückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Druckschriften DE 195 32 639 C2 und DE 100 65 907 A1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 15. Mai 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde der Anmelderin.
6
Mit am 27. Januar 2014 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Anmelderin hilfsweise die Teilung der Patentanmeldung für den Fall erklärt, dass ihren Patenterteilungsanträgen nicht entsprochen werde.
7
In der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2014 hat die Anmelderin beantragt,
8
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2008 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 29. März 2007 eingereichten Ansprüche 1 – 16, ursprüngliche Beschreibung Seiten 1 – 21 und 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 – 4, jeweils vom Anmeldetag, zu erteilen,
9
hilfsweise das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 13. Januar 2014 eingereichten Hilfsanträge I – IV und der darin abgeänderten Ansprüche zu erteilen.
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Weiter hilfsweise wurde gemäß der Eingabe vom 27. Januar 2014 die Teilung der Patentanmeldung erklärt.
11
Mit am 28. April 2014 zugestelltem Beschluss vom 29. Januar 2014 hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen, da die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I bis IV nicht patentfähig seien.
12
Bezugnehmend auf die am 27. Januar 2014 hilfsweise erklärte Teilung der Patentanmeldung 10 2004 039 932.8-53 hat die Anmelderin mit an das Bundespatentgericht gerichtetem Schriftsatz vom 11. April 2014 Unterlagen zur Teilanmeldung (Patentansprüche, Beschreibung, Zusammenfassung, Zeichnungen) und eine Einzugsermächtigung über zu entrichtende Gebühren eingereicht. Unter Hinweis auf drei Entscheidungen des Bundespatentgerichts hat sie beantragt, die Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen.
13
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat in der Folge die Teilungsakte mit dem Aktenzeichen 10 2004 064 283.4 angelegt und diese dem Bundespatentgericht vorgelegt.
II.
14
1. Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aus der Stammanmeldung 10 2004 039 932.8-53 entstandenen Teilanmeldung 10 2004 064 283.4 nicht zuständig. Die Zuständigkeit für die Teilanmeldung liegt beim Deutschen Patent- und Markenamt, sodass die Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen ist.
15
Die gemäß § 39 PatG wirksame Teilanmeldung ist zwar beim Bundespatentgericht anhängig geworden, da die mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 hilfsweise erklärte Teilung während des Beschwerdeverfahrens zur Stammanmeldung beim Bundespatentgericht eingegangen ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Gericht für die Prüfung der Teilanmeldung zuständig ist (ebenso BPatG 12 W (pat) 42/14 – Beschluss vom 13. Mai 2014; 7 W (pat) 44/11 – Beschluss vom 22. November 2013; 21 W (pat) 1/09 – Beschluss vom 21. Dezember 2010; a. M.: BGH GRUR 1999, 574 ff. – Mehrfachsteuersystem; BGH GRUR 1998, 458 ff. – Textdatenwiedergabe; BPatG 17 W (pat) 6/13 – Beschluss vom 22. Oktober 2013).
16
Die gegenteilige Auffassung beruht auf der Annahme, dass es sich bei der Teilung nach § 39 Abs. 1 PatG um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleichbaren Vorgang handelt (vgl. BGH GRUR 1999, 574 ff. – Mehrfachsteuersystem; GRUR 1998, 458, 460 – Textdatenwiedergabe). Wie der 21. Senat des Bundespatentgerichts aber in der von der Anmelderin genannten Entscheidung (BPatG Beschluss vom 07.12.2010 – 21 W (pat) 10/09, GRUR 2011, 949 – Teilung einer Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren) im Einzelnen dargelegt hat, ist dies jedoch nicht der Fall. Danach entsteht bei einer Teilung nach § 39 PatG vielmehr ein neuer Verfahrensgegenstand, der im bisherigen Erteilungsverfahren bis zur Erklärung der Teilung keine Rolle gespielt hat. Dementsprechend fällt der Gegenstand der Teilanmeldung auch nicht in der Beschwerde an. Denn der Beurteilung durch das Beschwerdegericht unterliegt ein Rechtsschutzbegehren nur insoweit, als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde. Nur in diesem Umfang kommt einer Beschwerde Devolutiveffekt zu (sog. Anfallwirkung). Sie ist das Mittel, um angegriffene Entscheidungen in der höheren gerichtlichen Instanz nachprüfen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Rechtsmittelgericht alleine über das prozessuale Schicksal des erstinstanziellen Streitgegenstandes entscheidet (vgl. Bay. VGH NVwZ 2000, 210 f. m.w.N.). Demgegenüber ist die erstmalige Prüfung von Patentanmeldungen – wozu auch die Prüfung einer Teilanmeldung gehört – grundsätzlich Sache des Deutschen Patent- und Markenamts als Verwaltungsbehörde. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den o.g. Beschluss des 21. Senats Bezug genommen, dem sich der erkennende Senat in vollem Umfang anschließt.
17
Der Senat hält eine Verweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt insbesondere auch deshalb für sachgemäß, damit der Anmelderin für die abgetrennte Teilanmeldung zwei Instanzen zur Verfügung stehen (vgl. Busse, PatG, 7. Aufl., § 39 Rdn. 27). Die nach der Zurückweisung der Anmelderbeschwerde mit den Teilungsunterlagen eingereichten neuen Ansprüche waren in dieser Form nicht Gegenstand im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung. Die eingereichten neuen Ansprüche unterscheiden sich im geltenden Anspruch 1 zumindest von den der Entscheidung in der Stammanmeldung zugrunde liegenden Ansprüchen 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen I – IV. Dass sich die neuen Merkmale des Anspruchs 1 sinngemäß oder auch implizit aus Unteransprüchen der Stammanmeldung ergeben, spielt keine Rolle, da diese zumindest inhaltlich nicht Gegenstand der Entscheidung über die Stammanmeldung waren. Über den Anspruchsgegenstand der Teilanmeldung wurde daher inhaltlich bisher noch nicht entschieden.
18
Zwar hätte die Anmelderin auch im Beschwerdeverfahren die jetzt geltenden Ansprüche als Hilfsantrag einreichen können. Da sie aber die Anmeldung „jederzeit“ bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Stammanmeldung teilen darf, dürfte sie auch ein berechtigtes Interesse daran haben, zur Prüfung „neuer“ Aspekte in einer solchen Teilanmeldung alle Instanzen des Prüfungsverfahrens nutzen zu können.
19
Ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis wegen Verfahrensverschleppung (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 39 Rdn. 17) liegt nicht vor, weil die Teilungserklärung keinen Einfluss auf das Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung hatte.
20
Da es somit an einer funktionalen Zuständigkeit des Bundespatentgerichts zur Entscheidung über die Teilanmeldung mangelt, ist diese durch Beschluss gemäß § 17a Abs. 2 i.V.m. § 13 GVG, § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen.
21
2. Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen, da der Senat zwar mit der Rechtsprechung des 21. Senats des Bundespatentgerichts übereinstimmt, hiermit aber von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Senate des Bundespatentgerichts abweicht.

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