Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – “Verfahren zur Hervorhebung und Detektion wiederholter Nutzsignalkomponenten innerhalb eines Quellsignals” – zur Patentfähigkeit

Aktenzeichen  17 W (pat) 6/18

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:260520B17Wpat6.18.0
Normen:
§ 1 Abs 3 Nr 1 PatG
§ 1 Abs 4 PatG
Spruchkörper:
17. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2012 012 626.3-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Städele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Dezember 2017 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 25. Juni 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und trägt die Bezeichnung
2
„ Verfahren zur Hervorhebung und Detektion wiederholter Nutzsignalkomponenten innerhalb eines Quellsignals “.
3
Die Anmeldung wurde durch den von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes in der Anhörung vom 5. Dezember 2017 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Als Begründung wurde sinngemäß ausgeführt, dass der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 als mathematische Methode als solche unter das Patentierungsverbot des § 1 PatG falle und daher nicht gewährbar sei.
4
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
5
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
6
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen
7
und hilfsweise das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
8
gemäß Hauptantrag mit
9
Patentansprüchen 1 bis 17,
10
Beschreibung Seiten 1 bis 38,
11
sowie 12 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 12,
12
jeweils vom Anmeldetag;
13
gemäß Hilfsantrag 1 mit
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Patentansprüchen 1 bis 17 vom 12. April 2017,
15
im Übrigen wie Hauptantrag;
16
gemäß Hilfsantrag 2 mit
17
Patentansprüchen 1 bis 17 vom 12. April 2017,
18
im Übrigen wie Hauptantrag;
19
gemäß Hilfsantrag 3 mit
20
Patentansprüchen 1 bis 17 vom 5. Dezember 2017,
21
im Übrigen wie Hauptantrag.
22
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist die Druckschrift
23
D1: EP 1 543 665 B1
24
entgegengehalten worden.
25
Der geltende Patentanspruch 1 des Hauptantrags, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:
26
„1. Verfahren zur Hervorhebung und Detektion wiederholt auftretender Nutzsignalkomponenten innerhalb eines Quellsignals bei dem
27
– ein eindimensionales Quellsignal q als Folge von Signalwerten vorliegt,
28
– zwei Abstandswerte a1 und a2 als Schätzung der Abstände wiederholt auftretender Nutzsignalkomponenten bekannt sind,
29
umfassend die Schritte
30
a) dass aus dem Quellsignal q punktweise Absolutwerte gewonnen werden, x(n) = |q(n)|, resultierend in einem Absolutsignal x,
31
b) dass eine um a1 Signalwerte verschobene Version x1 von x gebildet wird, x1(n) = x(n – a1),
32
c) dass durch punktweise Produktbildung ein Zwischensignal y1 gebildet wird, y1(n) = x1(n) *x(n),
33
d) dass eine um a2 Signalwerte verschobene Version x2 des Zwischensignals y1 gebildet wird, x2(n) = y1(n – a2),
34
e) dass durch punktweise Minimumbildung von x2 und y1 ein Resultatssignal y gebildet wird, y(n) = Min(x2(n), y1(n)),
35
f) dass aus dem Resultatsignal y durch Auffinden lokaler Maxima oder lokaler Energieanhäufungen Kandidatenpositionen bestimmt werden,
36
g) dass aus jeder der Kandidatenpositionen unter Berücksichtigung der Abstandswerte a1 und a2 Wiederholungspositionen im Quellsignal x bestimmt werden
37
h) dass die ermittelten Wiederholungspositionen zur weiteren Verarbeitung ausgegeben werden.“
38
Zu den nebengeordneten Patentansprüchen 16 und 17, und zu den Unteransprüchen 2 bis 15 sowie zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Akte verwiesen.
II.
39
Die rechtzeitig eingegangene und auch sonst zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.
40
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Hervorhebung und Detektion von Nutzsignalkomponenten, die innerhalb eines Quellsignals wiederholt auftreten.
41
Die Anmeldung geht dabei von dem grundlegenden Problem im Bereich der digitalen Signalverarbeitung aus, alle potenziell in einem Quellsignal enthaltenen Nutzsignalkomponenten zu detektieren. Die interessierenden Nutzsignalkomponenten könnten dabei anhand gewisser Kriterien wie Zeitdauer, enthaltener Frequenzen, Bandbreiten oder Lautstärkeverlauf charakterisiert sein (Offenlegungsschrift, Absätze [0001] bis [0003]).
42
Laut Beschreibungseinleitung geht es im erfindungsgemäßen Verfahren um eine Detektionsaufgabe, bei der die zu detektierenden Nutzsignale mehr als einmal im Quellsignal vorkommen, wobei vorab bestimmte Abstände wiederholter Nutzsignalkomponenten im Quellsignal bekannt sind (Offenlegungsschrift, Absätze [0007] bis [0011]).
43
Ausweislich der Patentanmeldung gebe es verschiedene Situationen, in denen die Leistungsfähigkeit der aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen limitiert sei. Solche Situationen seien insbesondere die Überlagerung eines oder mehrerer Nutzsignale (oder Nutzsignalkomponenten) mit starken Stör- und Rauschkomponenten (s. Offenlegungsschrift, Absatz [0028] und zu den einzelnen bekannten Lösungen ferner Absätze [0029] bis [0033]).
44
Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zu schaffen, das eine geeignete Hervorhebung und nachfolgende Detektion von innerhalb eines Quellsignals wiederholt vorkommenden Nutzsignalkomponenten ermöglicht (Offenlegungsschrift, Absatz [0035]).
45
Als Fachmann, der mit der Lösung dieser Aufgabe betraut wird, ist ein Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik anzusehen, welcher fundierte Kenntnisse in der Entwicklung digitaler Signalverarbeitungsverfahren besitzt.
46
2. Der Patentanspruch 1 schlägt zur Lösung der Aufgabe ein Verfahren vor, das von einem eindimensionalen Quellsignal q ausgeht und sich zunutze macht, dass zwei Abstandwerte a1 und a2 als Schätzung der Abstände der wiederholt auftretenden Nutzsignalkomponenten bereits bekannt sind. Diese Abstände können beispielsweise zeitliche oder örtliche Abstände darstellen oder auch in einem Frequenzraum definiert sein (vgl. Offenlegungsschrift, Absätze [0007]-[0011], [0038]).
47
Gemäß dem beanspruchten Verfahren wird zunächst aus dem Quellsignal q = q(n) durch punktweise Betragsbildung ein Absolutsignal x = x(n) = |q(n)| gebildet (Schritt a); die Größe n indiziert dabei Positionen, an denen Quellsignalwerte q(n) vorliegen, vgl. Offenlegungsschrift, Absatz [0038]ff). Das Absolutsignal x wird in den Schritten b) und c) in ein Zwischensignal y1 transformiert, welches das Produkt des um a1 verschobenen Absolutsignals x1 und des unverschobenen Absolutsignals x repräsentiert, d.h. es gilt y1(n) = x1(n) * x(n) = x(n – a1) * x(n).
48
Die Werte des Zwischensignals y1 sind folglich besonders an denjenigen Positionen n mit einem ausgeprägten Wert des Absolutsignals hervorgehoben, bei denen sowohl an der Position n als auch an der um a1 verschobenen Position n – a1 ein ausgeprägter Signalwert vorliegt. Im Zwischensignal y1 sind Komponenten mit Periodizität a1 gegenüber anderen Quellsignalkomponenten (beispielsweise einer Störsignal- oder einer Rauschkomponente) verstärkt, so dass wiederholt auftretende Nutzsignalkomponenten auch dann noch detektiert und lokalisiert werden, wenn sie durch andere, nicht interessierende Signalkomponenten überlagert sind (vgl. Offenlegungsschrift, Absätze [0028], [0053] und [0067]).
49
Durch punktweise Verschiebung um den Abstandswert a2 wird eine verschobene Version x2 des Zwischensignals gebildet, so dass x2(n) = y1(n – a2) gilt (Schritt d)). Die punktweise Minimumbildung y(n) = Min(x2(n), y1(n)) in Schritt e) führt anschließend zu einem Resultatssignal y. Die Schritte d) und e) haben insbesondere die Funktion, solche Signalkomponenten – etwa die durch den Schritt c) im Zwischensignal y1 hervorgerufenen „Geisterkomponenten“ – zu unterdrücken, die sich nicht gemäß einem vorgegebenen Abstandswert wiederholen (vgl. Offenlegungsschrift, Absätze [0067], [0069]; Figuren 4, 5 mit „Geisterkomponenten“ G1, G2).
50
Aus dem Resultatssignal werden durch Auffinden lokaler Maxima oder lokaler Energieanhäufungen Kandidatenpositionen bestimmt (Schritt f)). Kandidatenpositionen bezeichnen Positionen innerhalb des Resultatssignals y, an denen besonders große Werte angenommen werden (Offenlegungsschrift, Absatz [0042]). Unter der Signalenergie ist dabei die Summe oder Quadratsumme der Signalabsolutwerte zu verstehen (Offenlegungsschrift, Absatz [0049]).
51
Gemäß Schritt g) sollen aus jeder Kandidatenposition unter Berücksichtigung der Abstandswerte a1 und a2 Wiederholungspositionen im Quellsignal bestimmt werden. Laut Beschreibung erfolgt die beanspruchte Bestimmung insbesondere durch Subtraktion eines oder beider Abstandswerte a1, a2 von der jeweiligen Kandidatenposition (Offenlegungsschrift, Absatz [0043]). Die ermittelten Wiederholungspositionen werden anschließend zur weiteren Verarbeitung ausgegeben (Schritt h)).
52
Das anspruchsgemäße Verfahren kann auf einer Reihe von Anwendungsgebieten zum Einsatz kommen, wie etwa bei der signalbasierten Mustererkennung, der Audiosignalverarbeitung, der Funkaufklärung, bei der Überwachung und dem Monitoring von Funkverkehr oder auch der Bildverarbeitung (vgl. Offenlegungsschrift, Absätze [0004], [0011], [0060] bis [0063]).
53
3. Das geltende Patentbegehren gemäß Hauptantrag ist zulässig. Die jeweilige Lehre der Ansprüche 1, 16 und 17 ist für den Fachmann ausführbar. Im Übrigen ist ihr jeweiliger Gegenstand dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich sowie durch den aus der Druckschrift D1 entnehmbaren Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch durch diesen nahegelegt.
54
3.1 Das geltende Patentbegehren gemäß Hauptantrag entspricht den Unterlagen vom Anmeldetag und geht daher nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
55
3.2 Die jeweilige Lehre der Ansprüche 1, 16 und 17 ist in den Anmeldeunterlagen so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
56
3.3 Der jeweilige Gegenstand der Ansprüche 1, 16 und 17 liegt auf technischem Gebiet und ist dem Patentschutz zugänglich, da er eine Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln liefert.
57
3.3.1 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 liegt auf dem Gebiet der Technik gemäß § 1 Abs. 1 PatG.
58
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs liegt schon deshalb zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet, weil er die Detektion von Positionen von Nutzsignalkomponenten in einem diskreten Quellsignal q(n) lehrt.
59
Im Verständnis der Fachwelt ist ein diskretes Quellsignal eine Menge von Messwerten, die auf Grundlage einer Abtastung einer insbesondere zeitlich oder örtlich variierenden physikalischen Größe erzeugt wurden, deren Änderung eine Information über das Verhalten eines physikalischen Systems repräsentiert. Unter einem Nutzsignal sind diejenigen Komponenten des Quellsignals zu verstehen, die interessierende oder erwünschte Informationen repräsentieren.
60
Durch die Verarbeitung des diskreten Quellsignals zur Ermittlung der Positionen der Nutzsignalkomponenten ist die Lehre somit bereits inhaltlich auf die Verarbeitung physikalischer Größen festgelegt und dem Gebiet der Technik zuzuordnen.
61
Da die Verarbeitung eines diskreten Quellsignals eine unüberschaubare Menge vieler einzelner Rechenschritte erfordert, ist im Übrigen davon auszugehen, dass das beanspruchte Verfahren mittels eines Computerprogramms durchgeführt wird, welches auf einer Datenverarbeitungsanlage abläuft. Damit wird die bestimmte Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage gelehrt und eine Anweisung zum technischen Handeln gegeben, so dass der beanspruchte Gegenstand auch aus diesem Grund zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (BGH GRUR 2010, 613 – Dynamische Dokumentengenerierung).
62
3.3.2 Ein Ausschlusstatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 PatG liegt nicht vor.
63
Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Verfahren der elektronischen Datenverarbeitung im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG nur dann patentierbar, wenn sie der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Sie sind vom Patentschutz ausgeschlossen, wenn sie losgelöst von einer konkreten technischen Umsetzung beansprucht werden. Für mathematische Methoden im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG gilt insoweit entsprechendes (BGH GRUR 2015, 983 – Flugzeugzustand, Leitsatz a) und B. III. b)).
64
Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (vgl. BGH GRUR 2005, 141 – Anbieten interaktiver Hilfe, II. 4. b)).
65
Bei dem Verfahren gemäß Patenanspruch 1 handelt es sich um ein Rechenverfahren, das von einem an bestimmten Positionen gegebenen Quellsignal ausgeht. Unter Verwendung von Information über die darin enthaltenen Nutzsignalkomponenten (geschätzte Abstandswerte a1 und a2) wird durch Transformation des Quellsignals gemäß den Verfahrensschritten a) bis h) eine Menge von Quellsignalpositionen („Wiederholungspositionen“), an denen wiederholt auftretende Nutzsignalkomponenten vorliegen können, bestimmt und ausgegeben.
66
Bei der Detektion der Wiederholungspositionen aus dem Quellsignal (Schritte b) bis e)) werden sich wiederholende Signalkomponenten verstärkt und andere Signalkomponenten unterdrückt. Diese selektive Verstärkung der Nutzsignalkomponenten erleichtert es, die vor Anwendung des Verfahrens unbekannten Wiederholungspositionen der Nutzsignalkomponenten in verrauschten oder gestörten Quellsignalen bereitzustellen.
67
Die tatsächliche Leistung der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Lehre liegt somit darin, Positionen von wiederholt auftretenden Komponenten eines diskreten Nutzsignals (bzw. Objekts, vgl. Absatz [0006] der Offenlegungsschrift) in einem Quellsignal zu bestimmen, hervorzuheben und auszugeben.
68
Das objektive technische Problem besteht nach Auffassung des Senats demnach darin, ein Verfahren zur Detektion von innerhalb eines diskreten Quellsignals wiederholt auftretenden Nutzsignal- bzw. Objektpositionen anzugeben, welches deren zuverlässige Erkennung auch in verrauschten oder anderweitig gestörten Quellsignalen gewährleistet.
69
Um die Lösungsschritte b) bis g) zu entwickeln, sind technische Überlegungen zur geeigneten Berücksichtigung von im physikalischen Quellsignal unterschiedlich stark repräsentierten Signalkomponenten (z.B. Nutzsignal-, Störsignal- oder Rauschkomponenten) erforderlich. Die technischen Überlegungen beruhen z.B. auf der Erkenntnis, dass sich Signalkomponenten eines bestimmten Nutzsignals oder einer bestimmten Störung im Gegensatz zu Rauschen in bekannten Orts-, Zeit- oder Frequenzabständen wiederholen, was sich der Fachmann bei der Verstärkung von Nutzsignalen gegenüber aperiodischen oder zufälligen Signalen zunutze machen kann.
70
Durch die Verwendung geschätzter Werte für solche Abstände bei der Verarbeitung des Quellsignals werden zudem physikalische Gegebenheiten berücksichtigt, die indirekt diese Abstandswerte hervorrufen, wie etwa die Tatsache, dass sich bestimmte Defekte einer Maschine mit normierter Drehzahl immer nach einer Umdrehung in gleicher Form akustisch äußern (vgl. Offenlegungsschrift, Absatz [0011]).
71
Die Rechenschritte gemäß den Merkmalen a) bis g) weisen auch einen hinreichenden Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften auf; denn die mit diesen Rechenschritten bewirkte Bestimmung der Wiederholungspositionen der Nutzsignalkomponenten bezieht sich auf die Ermittlung von Werten physikalischer Größen, die den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolgs erfordert und dient dem Zweck, anhand von geschätzten Abstandswerten der Nutzsignalkomponenten und den zur Verfügung gestellten Werten des Quellsignals Erkenntnisse über dessen Zusammensetzung zu gewinnen, mittels derer eine nachgeordnete Signalverarbeitung unterstützt bzw. beeinflusst wird.
72
Demnach muss die vorliegende mathematische Methode als technisch angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2015, 983 – Flugzeugzustand, Leitsatz b)). Sie unterfällt nicht dem Patentierungsausschluss.
73
3.3.3 Auch den Gegenständen der nebengeordneten Ansprüche ist die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln nicht abzusprechen, da sie inhaltlich sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 mit umfassen.
74
3.4 Das geltende Patentbegehren nach Hauptantrag ist durch den bisher bekannt gewordenen Stand der Technik weder vorbekannt noch nahegelegt.
75
3.4.1 Die genannte Druckschrift D1 nimmt den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht vorweg und kann ihn auch nicht nahelegen.
76
Die Druckschrift D1 betrifft ein Verfahren zur Erkennung des Vorhandenseins eines Nutzsignals, in welchem ein zeitlich periodisches Signal s enthalten ist. Dabei wird ein auf einer Verknüpfung der Signale einer Auto- und einer Kreuzkorrelationseinheit basierendes Verknüpfungssignal ausgegeben, das angibt, ob das Nutzsignal in dem Signal enthalten ist (vgl. Anspruch 8; Absätze [0027] bis [0029]; Fig. 9 mit Beschreibung). Um dies zu erreichen, werden Autokorrelationsfunktionen mittels einer Summation von Produkten eines Signalwerts s(t) und eines zeitlich um die bekannte Signalperiode τ verschobenen Werts s*(t – τ) desselben Signals gebildet (vgl. Absatz [0053] i. V. m. Gleichung (1)), wodurch im Wesentlichen die Verfahrensschritte b) und c) verwirklicht sind.
77
Jedoch erfolgt beim Verfahren der Druckschrift D1 weder eine punktweise Gewinnung von Absolutwerten des Signals s (Schritt a)), noch werden die bei der Bildung der Autokorrelationsfunktion gebildeten Produkte s(t) s*(t – τ) wie in den Schritten d) bis h) weiterverarbeitet.
78
Die Druckschrift D1 liefert auch keine Veranlassung für eine derartige Weiterverarbeitung, da sie eine in sich abgeschlossene Lösung zur Detektion des bloßen Vorhandenseins eines periodischen Nutzsignals beschreibt. Eine Weiterverwendung der Produkte, die von einer Berechnung einer Autokorrelationsfunktion abweicht, kann auf Basis der Lehre der Druckschrift D1 nicht abgeleitet werden.
79
Es ist nicht erkennbar, wie der Fachmann in Kenntnis lediglich des aus der ermittelten Druckschrift D1 bekannten Standes der Technik zur beanspruchten Lehre hätte gelangen können.
80
Ferner ist auch nicht abzustreiten, dass die Verfahrensschritte d) bis g) die Ermittlung der Wiederholungspositionen beeinflussen. Dass dies zumindest teilweise mit technischen Mitteln geschieht, folgt bereits aus der Berücksichtigung der Abstände a1 und a2 der wiederholt auftretenden Nutzsignalkomponenten und den zu deren Detektion erforderlichen technischen Überlegungen über die verschiedenen Quellsignalkomponenten.
81
Demnach sind die Merkmale d) bis g) bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b)).
82
3.4.2 Mit Rücksicht auf die Druckschrift D1 sind auch die nebengeordneten Patentansprüche 16 und 17 des Hauptantrags nicht anders zu beurteilen als der Patentanspruch 1.
83
4. Die Anmeldung war an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
84
Einer unmittelbaren Patenterteilung steht entgegen, dass das Deutsche Patent- und Markenamt für die geltende Fassung der Patentansprüche noch nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Patents erfüllt sind, und somit noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Deshalb war die Anmeldung – auch um der Anmelderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen – an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG; Benkard, PatG, 11. Auflage, § 79 Rdnr. 44).
85
Insbesondere die Merkmale a) sowie d) bis g) waren nicht Gegenstand des bisherigen Prüfungsverfahrens. Die bisherige Recherche zum Stand der Technik lieferte lediglich die von der Anmelderin selbstgenannte Druckschrift D1 (vgl. Offenlegungsschrift, Absatz [0014]). Es deutet nichts darauf hin, dass diese Recherche auch auf die Ermittlung von Signalverarbeitungsverfahren ausgerichtet war, welche die Schritte a) und d) bis g) umfassen. Eine dieses berücksichtigende, umfassende Recherche wird nachzuholen sein.
86
Nachdem das Schicksal der Anmeldung insgesamt mangels vollständiger Ermittlung des Standes der Technik noch offen ist, kann die Prüfung der Hilfsanträge vorerst zurückgestellt werden.


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