Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Ceroxid und Verfahren zu seiner Herstellung und Katalysator für die Abgasreinigung” – zur Offenbarung der Erfindung bei einem Patentanspruch, der eine verallgemeinernde Formulierung enthält

Aktenzeichen  3 Ni 46/16 (EP)

Datum:
15.1.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:150119U3Ni46.16EP.0
Normen:
Art 138 Abs 1 Buchst b EuPatÜbk
Art 2 § 6 Abs 1 Nr 2 IntPatÜbkG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 1. März 2021, Az: X ZR 54/19, Beschlussnachgehend BGH, 11. März 2021, Az: X ZR 54/19, Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 435 338
(DE 602 39 212)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie die Richterin Dipl.-Chem. Univ. Dr. Münzberg, die Richter Hermann und Dipl.-Chem. Dr. Jäger sowie die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 435 338 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 5. September 2002 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität JP 2001272054 vom 7. September 2001 als internationale Patentanmeldung PCT/JP2002/009025 angemeldeten und vor dem Europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patent EP 1 435 338 (Streitpatent) dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 16. Februar 2011 bekannt gemacht wurde. Dieses Patent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 602 39 212.8 geführt und betrifft “Ceric Oxide and Method for Production thereof, and Catalyst for Exhaust Gas Clarification”, also “Ceroxid und Verfahren zu seiner Herstellung und Katalysator für die Abgasreinigung”. Es umfasst 9 Patentansprüche, die folgendermaßen lauten:
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2
In Deutsch lauten die Ansprüche:
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3
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht mangelnde Ausführbarkeit, fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit als Nichtigkeitsgründe geltend. Sie bezieht sich insbesondere auf die Druckschriften:
4
N1 EP 1 435 338 B1 (= Streitpatent)
5
K1 Kopie des BET-Verfahrens gemäß dem Standard ASTM D 3663-78
6
K2 Gregg, S. J. und Sing, K. S. W., “Adsorption, Surface Area and Porosity”, Academic Press, London u. a. , 2. Aufl., 1982, S. 1 bis 10
7
K3 Terribile, D. et al, Journal of Catalysis 1998,178, S. 299 bis 308
8
K4 FR 2 756 819 A1
9
K4a US 2002/0115563 A1
10
K4b Szu Hwee Ng, Experimental Report zum Beispiel 1 der K4/K4a, 10. Dezember 2018, 1 Seite
11
K4c Szu Hwee Ng, Experimental Report zu K4/K4a, 10. Dezember 2018, 1 Seite
12
K4d Szu Hwee Ng, Experimental Report zu K4/K4a, 10. Januar 2019, 1 Seite
13
K5 Holmgren, A. et al, Applied Catalysis B: Environmental 1999, 22, S. 215 bis 230
14
K6 US 5,529,969
15
K7 US 5,712,218
16
K10 DE 695 15 209 T2
17
K11 DE 694 09 006 T2
18
K12 DE 689 21 977 T2
19
K15 BPatG München, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 3 Ni 6/15 (EP)
20
K18 US 5,891,412
21
K19 Szu Hwee Ng, “Report on Repetition of US 412 Example 1 in Singapore from 28 February to 7 March 2017” (Nacharbeitung von Beispiel 1 der K18), 13 Seiten
22
K26 Niederländischer Untersuchungsbericht vom 9. November 2017 (Auszug), 4 Seiten
23
Hinsichtlich der Auslegung des Merkmals „im Wesentlichen aus Ceroxid“ meint die Klägerin, diese Formulierung impliziere das mögliche Vorhandensein weiterer Bestandteile wie z. B. eine gewisse Menge anderer Metalloxide.
24
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei mit der beanspruchten spezifischen Oberfläche nicht ausführbar, da die Streitpatentschrift keine Methode zur eindeutigen Bestimmung dieses Parameters aufzeige. Die im Streitpatent angegebene BET-Methode sei nach den Angaben im für diese Messmethode einschlägigen Standard K1 nicht allgemein anwendbar, da diese nicht für alle Typen von Stickstoffadsorptionsisothermen sinnvolle Ergebnisse liefere. Darüber hinaus sei der Streitgegenstand nach Patentanspruch 1 nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Das Merkmal “spezifische Oberfläche” beinhalte mit der Angabe “nicht unter 30,0 m²/g” einen nach oben offenen Bereich. Das Streitpatent zeige aber nur Beispiele mit einer spezifischen Oberfläche von 30,8 m²/g bis 53,2 m2/g auf. Da eine ausreichende Offenbarung anhand eines Beispiels nur dann ausreichend sei, wenn damit die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich möglich sei und dies im vorliegenden Fall für Ceroxide mit spezifischen Oberflächen von beispielsweise mehr als 100 m2/g ohne weitere Angaben nicht möglich sei, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Schließlich sei auch der Gegenstand des Patentanspruchs 5 nicht ausreichend nachvollziehbar offenbart, denn für das in diesem Patentanspruch beanspruchte Gesamtporenvolumen existiere keine standardisierte Messmethode, so dass die Angabe der Messung dieses Merkmals mittels eines gewöhnlichen Quecksilberporosimeters ohne das Aufzeigen weiterer wesentlicher Messparameter zu keinen genauen und nacharbeitbaren Ergebnissen führe.
25
Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 6 und 9 seien gegenüber den Entgegenhaltungen K3 und K4, die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 zusätzlich gegenüber den Druckschriften K5, K6 und K7 nicht neu. Schließlich sei die K18, wie durch die Nachbearbeitung K19 belegt werde, neuheitsschädlich für das Ceroxid gemäß Patentanspruch 1. Alle Druckschriften offenbarten jeweils Ceroxide, die im Wesentlichen aus Ceroxid bestünden und die eine spezifische Oberfläche im beanspruchten Bereich aufwiesen. Dabei würden geringe Anteile an anderen Oxiden, wie SiO2 oder ZrO2 dem Merkmal „im Wesentlichen auf Ceroxid“ nicht widersprechen und Abweichungen in der Brenndauer nicht zu einer signifikant weiteren Abnahme der spezifischen Oberfläche führen.
26
Da aus K12 Ceroxide bekannt seien, die nach zweistündigem Brennen bei 800 bis 900°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 15 m2/g aufwiesen, mangele es den Gegenständen der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 9 auch an einer erfinderischen Tätigkeit. Zum einen führe eine Erhöhung der Brenndauer von 2 auf 5 Stunden zu keiner signifikanten Abnahme der spezifischen Oberfläche und zum anderen sei beispielsweise aus K3 bekannt, dass eine Brenntemperatur bei 900 °C besonders vorteilhaft sei, so dass die Gegenstände gemäß Patentanspruch 1 und 9 durch die Kombination der K12 mit der K3 nahe gelegen hätten. Auch die Unteransprüche 2 bis 5 beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie lediglich übliche und aus dem Stand der Technik bekannte Merkmale enthielten.
27
Das Verfahren zur Herstellung eines Ceroxids nach Patentanspruch 6 habe ausgehend von K6 ebenfalls nahegelegen. Denn das beanspruchte Verfahren unterscheide sich von dem in K6 beschriebenen Herstellungsverfahren von Ceroxiden lediglich darin, dass gemäß Anspruch 6 eine Cerlösung in den Schritten (b) und (c) erwärmt und anschließend abgekühlt werde, während es sich bei der entsprechenden Zusammensetzung gemäß K6 um eine kolloidale Dispersion handele. Dieser Unterschied sei aber nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit für den Gegenstand des Streitpatents zu begründen, da keinerlei technischer Effekt für diesen Unterschied gezeigt worden sei. Vielmehr führten beide Verfahren zu spezifischen Oberflächen von größer als 30 m2/g nach einer Kalzinierung bei 900°C für fünf Stunden. Dasselbe gelte für die Unteransprüche 7 und 8, zumal die darin beanspruchten Merkmale in K6 offenbart seien. Auch ausgehend von K7 beruhe das streitpatentgemäße Herstellungsverfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. In dieser Entgegenhaltung werde ein Herstellungsprozess für ein Cer-/Zirkoniummischoxid beschrieben, der sämtliche Verfahrensschritte des Patentanspruchs 6 aufweise. Da gemäß den Angaben der K7 der Zirkoniumanteil im Mischoxid sehr klein sein könne, ziehe der Fachmann beim verständigen Lesen dieser Druckschrift auch ein Oxid ohne Zirkoniumanteil in Betracht. Diese Argumentation gelte auch für die K4 als Ausgangspunkt, da diese ebenfalls ein Cer-/Zirkoniummischoxid-Herstellungsverfahren mit allen Schritten (a) bis (e) gemäß Patentanspruch 6 des Streitpatents aufzeige.
28
Die Hilfsanträge seien zum Teil mangels Offenbarung unzulässig, jedenfalls deren Gegenstände entweder nicht neu oder mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
29
Die Klägerin beantragt,
30
das europäische Patent 1 435 338 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
31
Die Beklagte stellt den Antrag,
32
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 17 gemäß Schriftsatz vom 8. Januar 2019 erhält.
33
Gemäß Hilfsantrag 1 wird in den erteilten Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nach der Wortfolge “consisting essentially of ceric oxide” die Wortfolge “in the form of a powder” und in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Wortfolge “in the form of a powder with an average particle size of 1 to 50 mm” eingefügt.
34
Die Hilfsanträge 3 und 4 entsprechen den Hilfsanträgen 1 bzw. 2 mit dem Unterschied, dass in Anspruch 1 jeweils folgendes weiteres Merkmal betreffend das Gesamtporenvolumen zwischen “has” und “a specific surface area” eingefügt wird:
35
“a total pore volume of not smaller than 0.50 ml/g, after calcination at 300°C for 10 hours”.
36
Die Hilfsanträge 5 und 7 entsprechen dem Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass in Anspruch 1 die Untergrenze für die spezifische Oberfläche auf 32.0 m2/g bzw. 35.0 m2/g festgesetzt wird.
37
Die Hilfsanträge 6 und 8 entsprechen dem Hilfsantrag 2 mit dem Unterschied, dass in Anspruch 1 die Untergrenze für die spezifische Oberfläche auf 32.0 m2/g bzw. 35.0 m2/g festgesetzt wird.
38
Gemäß der Hilfsanträge 9 bis 11 wird im erteilten Anspruch 1 gemäß Hauptantrag eine Obergrenze von 100 m2/g bzw. 60 m2/g bzw. 53.2 m2/g für die spezifische Oberfläche nach einer fünfstündigen Kalzinierung bei 900°C festgelegt.
39
Der Hilfsantrag 12 entspricht der erteilten Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag mit dem Unterschied, dass folgendes Merkmal im Anspruch 1 angefügt wird:
40
“… and which is obtainable by the method of claim 6”.
41
Die Hilfsanträge 13 bis 17 entsprechen dem Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen 9 bis 12 mit dem Unterschied, dass im jeweiligen Anspruch 1 immer folgendes, die Rütteldichte definierende Merkmal angefügt wird:
42
“… and wherein said ceric oxide has a tap density of not higher than 1.3 g/ml, after calcination at 300°C for 10 hours”.
43
Die Beklagte verteidigt ihr Patent im Umfang der erteilten Patentansprüche 1 bis 9 und tritt den Angriffen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Zur Stütze ihres Vortrags legt sie insbesondere folgende Dokumente vor:
44
B0 Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, Entscheidung vom 25. Oktober 2011 – T 1730/09
45
B4 Rocchini, E. et al., Journal of Catalysis, 2000, 194, S. 461 bis 478
46
B6a Rhone-Poulenc, “Product Technical Information” des Produkts ACTALYS HSA 514, 31. März 1995, 1 Seite
47
B6b Analysezertifikate des Produkts Ceriumoxid HSA 514 der Firma Rhone-Poulenc aus den Jahren 1994, 1995 und 1998, 4 Seiten
48
B9 Urteil zu EP 1 435 338 des High Court of Justice, Business and Property Courts of England and Wales vom 23. April 2018
49
B11 Bisson L. und Jeanson T., Solvay – R&D SpecialChem, “Rework of Example 1 of FR 2 756 819 (K4) with a pure ceria composition”, 22. Oktober 2018, 4 Seiten
50
Die Beklagte versteht das Merkmal “im Wesentlichen aus Ceroxid“ derart, dass das Ceroxid den wesentlichen Bestandteil darstelle, der die spezifische Oberfläche zuverlässig und reproduzierbar beeinflusse, während weitere Bestandteile unwesentlich in dem Sinne seien, dass sie die spezifische Oberfläche nicht bzw. nicht eindeutig und reproduzierbar beeinflussen würden.
51
Die Beklagte sieht keine unzureichende Offenbarung. Bei der BET-Methode handele es sich ausweislich K1 um eine Standardmethode zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche, die auch im Stand der Technik für die Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Ceroxiden regelmäßig angewendet werde. Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 sei auch über die gesamte Anspruchsbreite ausführbar, da der Fachmann keine unrealistisch hohen Werte in Betracht ziehe und zudem höhere Werte für die spezifische Oberfläche als 53,2 m2/g gemäß dem Ausführungsbeispiel durch weitere Optimierung möglich seien. Auch der Patentanspruch 5 sei ausführbar, da für die Bestimmung des Gesamtporenvolumens im Streitpatent eine Methode angegeben sei. Dabei sei die Oberflächenspannung von Quecksilber bekannt und konstant. In diesem Zusammenhang sei es selbstverständlich, für reproduzierbare Messungen jeweils frisches Quecksilber zu verwenden. Auch sei das Gesamtporenvolumen unabhängig vom Zeitintervall der Druckbeaufschlagung.
52
Die Neuheit der streitpatentgemäßen Gegenstände könne gegenüber K3 nicht verneint werden, da zum einen in K3 wesentlich kürzer bei 900°C kalziniert werde und Voraussagen von Werten für die spezifische Oberfläche nach Brennen bei 900°C und 5 Stunden aus Werten, die nach fünfstündigem Brennen bei 800°C erhalten würden, nicht möglich seien. Zum anderen habe das gemäß K3 vorhandene SiO2 nach dem Brennen einen Einfluss auf die spezifische Oberfläche, weshalb das Oxid gemäß K3 kein “im Wesentlichen aus Ceroxid bestehendes Ceroxid” darstelle. Dasselbe gelte für das ebenfalls SiO2 enthaltene Ceroxid gemäß K5 und K6 sowie für die Cer-/Zirkoniummischoxide betreffenden Druckschriften K4 und K7. Schließlich offenbare die K18 auch nicht implizit eine spezifische Oberfläche von über 30 m2/g nach fünfstündigem Brennen bei 900°C, da sich das in K18 aufgezeigte Herstellungsverfahren vom streitpatentgemäßen Verfahren unterscheide und zudem die von der Klägerin als Beweis vorgelegte Nacharbeitung gemäß K19 erheblich von dem Beispiel 1 der K18 abweiche.
53
Nach Ansicht der Beklagten beruhten die streitpatentgemäßen Gegenstände auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die K12 lehre lediglich Kalzinierungstemperaturen zwischen 800°C und 900°C und lege vor dem Hintergrund des fachmännischen Wissens, dass die spezifische Oberfläche sehr stark von der Kalzinierungstemperatur abhänge und hohe Oberflächen am Prioritätstag nur durch Zusatz von Fremdstoffen möglich gewesen seien, nicht nahe, ein Ceroxid mit den beanspruchten Merkmalen herzustellen. Bei K7 gebe es entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Anlass, das Zirkonium wegzulassen, da Zirkonium gemäß der Lehre der K7 ein wesentlicher Bestandteil sei. Auch die K18 in Verbindung mit der Nacharbeitung K19 könne die streitpatentgemäßen Gegenstände nicht nahelegen. Ein Fachmann, der die Druckschrift K18 ohne Kenntnis der Offenbarung des Streitpatents nachgearbeitet habe, habe nicht die Ergebnisse erhalten, die in Druckschrift K19 berichtet werden. Die Offenbarung der Druckschrift K18 entspreche vielmehr der Offenbarung des bekannten Standes der Technik, der im einleitenden Teil des Streitpatents gewürdigt und der durch die Lehre des Streitpatents auf erfinderische Art und Weise weiterentwickelt werde.
54
Mit den Hilfsanträgen würden abgestuft etwaige Bedenken ausgeräumt.
55
Ergänzend verweist die Beklagte noch auf das parallele Verfahren B9 in Großbritannien, in dem das Gericht den Ansichten der Beklagten gefolgt sei.
56
Schließlich bietet die Beklagte für die Richtigkeit ihres Vortrags zum allgemeinen Fachwissen, zum tatsächlichen Offenbarungsgehalt der Druckschrift K4 sowie zu deren mangelnder Ausführbarkeit Sachverständigenbeweis an.

Entscheidungsgründe

57
Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 b) EPÜ) sowie der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.
I.
58
1. Das Streitpatent betrifft Ceroxid mit hervorragender Hitzebeständigkeit, das insbesondere als Co-Katalysatormaterial in Katalysatoren zur Abgasreinigung bei Fahrzeugen eingesetzt wird. Des Weiteren betrifft das Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen Ceroxids und einen Abgasreinigungskatalysator, der ein derartiges Ceroxid umfasst (vgl. N1 Ansprüche 1, 6, 9 und Abs. [0001]).
59
Im Streitpatent wird ausgeführt, dass Ceroxid als Cokatalysator die katalytische Wirksamkeit des katalytischen Materials, wie z. B. Platin, Palladium oder Rhodium, verstärkt. Ceroxid kann unter einer oxidierenden Atmosphäre Sauerstoff absorbieren und unter einer reduzierenden Atmosphäre Sauerstoff desorbieren. Es kann daher in Abgasen Schadstoffe wie Kohlenwasserstoff, Kohlenmonoxid und Stickoxide entfernen. Ein ceroxidhaltiges Co-Katalysatormaterial wird in der Regel bei einer hohen Temperatur aktiviert. Bei niedrigen Temperaturen, wie sie beispielsweise beim Start eines Verbrennungsmotors auftreten, ist die Reinigungseffizienz häufig gering. Daher wäre es vorteilhaft, wenn das Co-Katalysatormaterial bereits bei niedrigen Temperaturen aktiviert werden kann. Im Allgemeinen gilt dabei, dass die Wirksamkeit der Abgasbehandlung mit einem Katalysator proportional zu der wirksamen Fläche des Katalysators ist, die mit dem Abgas in Kontakt steht. Die Wirksamkeit der Abgasbehandlung ist ebenfalls proportional zu der Fähigkeit des Co-Katalysators Sauerstoff zu absorbieren und zu desorbieren. Es besteht daher ein Bedarf an einem Co-Katalysatormaterial, das eine ausreichend große spezifische Oberfläche aufweist, in ausreichend hohem Maße Sauerstoff absorbieren und desorbieren kann und bereits bei niedrigen Temperaturen eine hohe Aktivität zeigt (vgl. N1 Abs. [0002] bis [0004]).
60
Ceroxid, das nach bekannten Verfahren hergestellt wird, hat das Problem, dass es keine ausreichende Wärmebeständigkeit aufweist. Dies führt dazu, dass das Ceroxid, obwohl es nach seiner Herstellung eine hohe Oberfläche hat, nach dem Brennen eine für praktische Zwecke nicht ausreichende spezifische Oberfläche aufweist. Es gibt im Stand der Technik eine Reihe von Vorschlägen, wie dieses Problem gelöst werden kann. Diese Vorschläge können aber entweder die Wärmebeständigkeit des Ceroxids nicht ausreichend erhöhen oder es wird ein Ceroxid verwendet, das als wesentlichen Bestandteil noch weitere Oxide aufweist, um die Hitzebeständigkeit des Ceroxids zu verbessern (vgl. N1 Abs. [0005] bis [0011]).
61
2. Ausgehend davon liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein hinsichtlich der Hitzebeständigkeit verbessertes Ceroxid zur Verfügung zu stellen, das als Co-Katalysatormaterial für einen Katalysator zur Abgasreinigung geeignet ist (vgl. N1 Abs. [0012]).
62
3. Zuständiger Fachmann ist ein promovierter Chemiker mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Katalyse, der mit der Entwicklung von Abgaskatalysatoren befasst ist.
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4. Diese Aufgabe wird durch ein Ceroxid nach Anspruch 1, gemäß Anspruch 6 durch ein Verfahren zur Herstellung eines Ceroxids nach Anspruch 1 und gemäß Anspruch 9 durch einen das Ceroxid nach Anspruch 1 umfassenden Katalyator gelöst. Anspruch 1 weist dabei die folgende Merkmale auf:
64
Anspruch 1
65
1.A Ceroxid, das ein Oxid ist, welches im Wesentlichen aus Ceroxid besteht,
66
1.B wobei das Ceroxid eine spezifische Oberfläche von nicht weniger als 30,0 m2/g aufweist, wenn es einer Kalzinierung bei 900°C für 5 Stunden unterzogen wird.
II.
67
Die erteilten Ansprüche 1 bis 9, mit denen das Patent gemäß Hauptantrag verteidigt wird, erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig, weil deren Gegenstände jedenfalls nicht neu sind.
68
1. Auch wenn die Frage, ob die technische Lehre des erteilten Anspruchs 1 ausführbar ist, somit nicht abschließend geklärt werden muss, soll diese Fragestellung vorliegend dennoch nicht völlig außer Acht gelassen werden. Diese Frage stellt sich nach Ansicht der Klägerin einerseits aufgrund der Tatsache, dass im Streitpatent zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche bei den patentgemäßen Ceroxiden ausschließlich die BET-Methode verwendet wird und im Streitpatent andererseits kein Verfahren angegeben wird, wie sämtliche vom erteilten Anspruch 1 umfassten Mischoxide mit einer spezifischen Oberfläche von nicht unter 30 m2/g hergestellt werden können und wie die Kalzinierung bei 900°C über 5 Stunden genau durchzuführen ist.
69
1.1 Ohne eine abschließende Wertung vorzunehmen, ist zur angegebenen BET-Methode anzumerken, dass es sich hierbei um ein etabliertes, dem Fachmann bekanntes Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Katalysatoren handelt, welches hierfür schon viele Jahre vor dem für das Streitpatent maßgeblichen Zeitpunkt als Standardverfahren verwendet wurde (vgl. K1, Titel). In der Standardtestmethode K1 findet sich zwar der Hinweis, dass mit dieser Methode die spezifische Oberfläche von Katalysatoren mit einer Adsorptionsisotherme vom Typ II oder IV bestimmt wird (vgl. K1, S. 1140, linke Spalte, Punkt 1). Trotz dieses Hinweises hat der Fachmann allerdings keinen Zweifel daran, dass mit dieser Methode auch die spezifischen Oberflächen von Katalysatoren bestimmt werden können, die davon abweichend einem anderen der 6 möglichen Isothermentypen zuzuordnen sind, da ihm schon aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis bekannt ist, dass die BET-Methode dem Prinzip nach universell einsetzbar ist (vgl. K2, S. 4, Fig. 1.1). Davon geht der Fachmann auch deshalb aus, weil in der Fachwelt ohne Kenntnis des Isothermentyps zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen stets die BET-Methode insbesondere auch im Zusammenhang mit Cer-haltigen Oxiden angewendet wird (vgl. z. B. K3, S. 300 re. Sp. “Characterization” Abs. 1; K4 S. 3 Z. 34 bis 37; K5, S. 217 Table 1; K6 Sp. 1 Z. 15 bis 20; K7 Sp. 3 Z. 5 bis 10; K10 S. 4 le. Abs.). Wie der vorliegend zitierte Stand der Technik belegt, ändert daran selbst die Tatsache nichts, dass der Fachwelt grundsätzlich noch andere Methoden zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen zur Verfügung stehen. Der Einwand, mit der BET-Methode könnten nur theoretische Werte für die spezifischen Oberflächen berechnet werden, nicht aber die realen Werte, ändert an der breiten Anwendung der BET-Methode nichts, da damit auf der Basis von standardisierten theoretischen Werten vergleichbare Daten ermittelt und damit eine Grundlage geschaffen wird, auf der die BET-spezifischen Oberflächen von Katalysatoren miteinander verglichen werden können. Mit der BET-Methode beschreibt das Streitpatent daher ein im praktisch ausreichendem Maße zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche, mit dem der Fachmann allein unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, festzustellen, ob ein Ceroxid die im erteilten Anspruch 1 unter Merkmal 1.B genannte spezifische Oberfläche aufweist.
70
1.2 Gegen die Ausführbarkeit der Lehre des erteilten Anspruchs 1 spricht nach Ansicht der Klägerin des Weiteren die Größe der spezifischen Oberfläche, die darin durch einen nach oben offenen Bereich von mindestens 30 m2/g definiert wird, so dass der Anspruch 1 nicht nur Ceroxide umfasst, die entsprechend den patentgemäßen Ausführungsbeispielen spezifische Oberflächen bis zu 53,2 m2/g aufweisen, sondern auch solche mit weitaus größeren spezifischen und letztlich unbegrenzten Oberflächen. Deren Herstellung ist mit dem patentgemäßen Verfahren nach Ansicht der Klägerin allerdings nicht möglich und die Lehre des erteilten Anspruchs 1 folglich nicht über die gesamte beanspruchte Breite ausführbar.
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Grundsätzlich ist der Klägerin soweit zu folgen, dass das Streitpatent, welches in den Ausführungsbeispielen lediglich Oberflächenwerte von 30,8 bis 53,2 m2/g offenbart, keinen Weg aufzeigt, wie solche unbegrenzten Werte erreicht werden können. Die sich damit stellende Frage, ob der Patentschutz jedenfalls ab dem Bereich, in dem sehr große spezifische Oberflächen nicht mehr plausibel erscheinen, unzulässig verallgemeinert worden ist, muss indes verneint werden.
72
Im Allgemeinen ist es dem Anmelder unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen. Enthält ein Patentanspruch eine verallgemeinernde Formulierung, kann dies allerdings dazu führen, dass sie auch Ausführungsformen umfasst, die in der Beschreibung nicht konkret angesprochen sind. Daraus folgt jedoch nicht notwendiger Weise, dass die Erfindung insgesamt oder teilweise nicht mehr so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (BGH GRUR 2013, 1210, Rn. 15 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Eine generalisierende Formulierung in einem Patentanspruch verstößt jedoch dann gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinert (vgl. BGH a. a. O., Rn. 18; GRUR 2010, 414, 1. Ls. – Thermoplastische Zusammensetzung). Ob die Fassung eines Patentanspruchs, die eine Verallgemeinerung enthält, zulässig ist, richtet sich mithin im Einzelfall danach, ob damit ein Schutz begehrt wird, der über dasjenige hinausgeht, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre erscheint, durch die das der Erfindung zugrunde liegende Problem gelöst wird (BGH, a. a. O., Rn. 21 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
73
Vorliegend geht der Patentschutz unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht über den vom Streitpatent geleisteten Beitrag zum Stand der Technik hinaus. Insbesondere der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung “Thermoplastische Zusammensetzung” lag die Fallkonstellation zugrunde, dass ein einseitig offener Bereich durch zwei einander entgegenwirkende Parameter definiert wurde, ohne dass die sich aus dem Zusammenwirken der Parameter ergebenden Schranken offenbart waren (BGH, a. a. O., Rn. 23). Die für eine ausführbare Offenbarung als erforderlich erachteten Schranken im Zusammenhang mit den verwendeten offenen Bereichsangaben zur Charakterisierung der beanspruchten Gegenstände, können der genannten Entscheidung zur Folge jedoch durch die zusätzliche Aufnahme von Merkmalen betreffend die Herstellung der beanspruchten Gegenstände erzeugt werden (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 25). In Weiterführung dieser Auslegung des gesetzlichen Erfordernisses der ausführbaren Offenbarung hält es der Senat – wie bereits in K15 ausgeführt (vgl. K15 S. 21 Abs. 2 bis S. 22) – für sachgerecht, die erforderliche Begrenzung des Schutzbereichs auch durch andere Merkmale als durch die Angabe des Herstellungsverfahrens vornehmen zu können, solange damit dem vom Bundesgerichtshof betonten Erfordernis genügt wird, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird.
74
Vorliegend wird die erforderliche Begrenzung durch den im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Kalzinierungsschritt gewährleistet. Dabei handelt es sich zwar nicht, wie im Fall „Thermoplastische Zusammensetzung“ gefordert, um einen Herstellungsschritt, sondern vielmehr um eine Art Kontroll- oder Präkonditionierungsschritt, der unabhängig vom Herstellungsverfahren durchgeführt wird. Obwohl dieser Schritt somit keinen Einfluss auf die Herstellung des Produktes hat, handelt es sich dabei aber dennoch um eine verfahrenstechnische Maßnahme, die – worauf es ankommt – eine betreffend die Größe der spezifischen Oberfläche begrenzende Wirkung entfaltet. Denn durch die Kalzinierung, d. h. die thermische Behandlung des patentgemäßen Ceroxids bei 900°C für 5 Stunden, kommt es in dem porösen Ceroxid zum teilweisen Verschmelzen von Poren und damit zu einer Verringerung der Porenzahl, was zwangsläufig zu einer Verkleinerung der spezifischen Oberfläche führt. Im Streitpatent selbst wird dieser Effekt dadurch beschrieben, dass die spezifische Oberfläche des Produkts umso geringer ist, je höher die verwendete Kalzinierungstemperatur gewählt wird (vgl. N1, Abs. [0020]). Dieser physikalische Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Anzahl an offenen Poren gewährleistet somit eine Limitierung der Größe der spezifischen Oberfläche bei den patentgemäßen Ceroxiden. Dass diese Limitierung nicht bereits während der Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen erfolgt, sondern erst in einem daran anschließenden Test- oder Präkonditionierungsschritt oder sogar erst beim technischen Einsatz der patentgemäßen Zusammensetzungen, spielt dabei keine Rolle. Ausschlaggebend ist unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung „Thermoplastische Zusammensetzung“ lediglich die Tatsache, dass die Zusammensetzungen der im Anspruch 1 nach Hauptantrag genannten Kalzinierung unterzogen werden und danach eine tatsächlich ins Unendliche gehende spezifische Oberfläche schon naturgesetzlich nicht mehr möglich ist. Vielmehr kann die beanspruchte spezifische Oberfläche dann nur so groß sein, wie es der Kalzinierungsschritt zulässt (vgl. N1 Abs. [0019] le. Satz und [0020]).
75
Folglich wird mit den patentgemäßen Ceroxiden, die die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag aufweisen, einerseits den berechtigten Interessen der Patentinhaberin Rechnung getragen, die den Stand der Technik dadurch bereichert, indem sie thermisch stabile Ceroxide mit einer großen spezifischen Oberfläche bereitstellt. Andererseits ist sichergestellt, dass der Schutz nur für solche Ceroxide beansprucht wird, die sich unter Einhaltung des patentgemäßen Kalzinierungsschritts im Hinblick auf deren spezifische Oberflächen auch praktisch realisieren lassen.
76
1.3 Das Fehlen von detaillierten Angaben zur Durchführung der Kalzinierung bei 900°C über 5 Stunden in der Streitpatentschrift spricht ebenfalls nicht für eine mangelnde Ausführbarkeit. Denn eine genaue Beschreibung dieses Verfahrensschritts ist nicht erforderlich, da der Fachmann weiß, wie solche Kalzinierungen durchgeführt werden. Derartige Kalzinierungen werden auch im Stand der Technik durchgeführt, ohne dass darin eine genauere Beschreibung der Kalzinierungsbedingungen für erforderlich gesehen worden ist (vgl. z. B. K4 S. 3 Z. 24 bis 33, S. 12 Z. 36 bis 37, S. 13 Z. 18 bis 19 und S. 14 Z. 6 bis 7). Dabei ist dem Fachmann bekannt, dass eine “Kalzinierung” im Zusammenhang mit Katalysatorpulvern immer eine thermische Behandlung unter Luft bezeichnet. Soll demgegenüber eine thermische Behandlung nicht unter Luft sondern unter einem Inertgas durchgeführt werden, spricht die Fachwelt nicht von einer Kalzinierung sondern von einer thermischen Behandlung, und die Art des Inertgases wird angegeben.
77
1.4 Eine abschließende Klärung der Frage der Ausführbarkeit des erteilten Anspruchs 1 kann – wie schon zuvor angesprochen – letztlich jedoch dahinstehen, da dessen Gegenstand mangels Neuheit nicht patentfähig ist.
78
2. Vor der Bewertung der Neuheit ist zunächst der Sinngehalt der Formulierung “Oxid, das im Wesentlichen aus Ceroxid besteht” im Merkmal 1.A des erteilten Anspruchs 1 zu ermitteln, da diese von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich ausgelegt wird.
79
Die Streitpatentschrift enthält keine expliziten Angaben zur Reinheit bzw. zum Gehalt des Ceroxids im streitpatentgemäßen Produkt. Auch die Gehaltsangabe der Eduktlösung im Schritt (a) des Herstellungsverfahrens gemäß Anspruch 6 lässt keine Rückschlüsse auf die Reinheit oder den Gehalt des Ceroxids im Endprodukt zu. Daher kommt es bei der Auslegung dieser Formulierung auf das in der Fachwelt übliche Verständnis an (vgl. Benkard, PatG, 11. Aufl., § 4 Rn. 65). Dabei ist dem Fachmann klar, dass durch die Formulierung “im Wesentlichen” kein hochreines, hundertprozentiges Ceroxid beansprucht wird, da ansonsten diese Formulierung im Anspruch überflüssig wäre.
80
Unter Heranziehung der Beschreibung ist diese Formulierung als funktionales Merkmal zu verstehen, welches festlegt, dass weitere Bestandteile maximal in solchen Mengen in dem Ceroxid vorhanden sein dürfen, dass diese keine Auswirkungen auf die spezifische Oberfläche des Ceroxids haben. Denn die gesamte Streitpatentschrift enthält keine Angaben über weitere Bestandteile, sowohl was die Art dieser Bestandteile als auch die Menge anbetrifft. Daher wird durch die Formulierung im Merkmal 1.A des Anspruchs 1 klargestellt, dass zwar weitere Bestandteile enthalten sein können, diese aber nur in solchen Mengenanteilen vorhanden sind, dass sie die Materialeigenschaften des beanspruchten Ceroxids für die streitpatentgemäße Lösung nicht wesentlich beeinflussen. Eine derartige Auslegung der Formulierung “im Wesentlichen aus” wird im Übrigen auch von den technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts vorgenommen (vgl. z. B. B0, Abschnitt 1.2.3, le Abs.). Aufgrund der Formulierung “Oxid, das im Wesentlichen aus Ceroxid besteht” kann das beanspruchte Ceroxid somit Verunreinigungen oder Reste von zusätzlichen Bestandteilen enthalten, die bei der Herstellung benötigt werden oder aus den Edukten stammen, die aber im vorliegenden Streitfall nach einer fünfstündigen Kalzinierung bei 900°C keinen für die streitpatentgemäße Lösung wesentlichen Einfluss auf die spezifische Oberfläche des hergestellten Ceroxid-Produkts haben.
81
Eine Auslegung dahingehend, dass sich diese Formulierung im Merkmal 1.A des erteilten Anspruchs 1 auf den Gehalt an Cer(IV)-oxid im Verhältnis zu Cer(III)-oxid – Cer kommt in den Oxidationsstufen III oder IV vor (vgl. K26 S. 48 Satz 1; B9 S. 2 Rn. 5) – beziehe und daher weitere oxidische Materialien vorhanden sein können, ergibt sich aus der Streitpatentschrift nicht. Zwar versteht der Fachmann, worüber Einigkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht, unter dem Begriff “ceric oxide” – es ist der englischsprachige Begriff maßgeblich, da die Verfahrenssprache des Streitpatents Englisch ist – das Cer(IV)-oxid (= CeO2). Auch wird im streitpatentgemäßen Herstellungsverfahren und im Beispiel 1 eine Cerlösung eingesetzt, die mindestens 90 mol-% tetravalente Cerionen und damit Cer in der Oxidationsstufe IV enthält (vgl. N1 Anspruch 6, Abs. [0015] und [0050]). Allerdings spricht die Streitpatentschrift an keiner Stelle über Ceroxide mit verschiedenen Oxidationsstufen von Cer. Auch dass Cer(III)-oxid ein Problem für die beabsichtigte Verwendung in Katalysatoren für die Abgasreinigung darstellen könnte, wird in der Streitpatentschrift nicht thematisiert. Der Fachmann bezieht daher die Formulierung “Oxid, das im Wesentlichen aus Ceroxid besteht” nicht ausschließlich auf geringe Anteile an Cer(III)-oxid im beanspruchten Cer(IV)-oxid. Vielmehr stellt Cer(III)-oxid eine von mehreren möglichen Verunreinigungen dar, deren Anteil – wie oben ausgeführt – keinen wesentlichen Einfluss auf die spezifische Oberfläche des hergestellten Ceroxid-Produkts nach einer fünfstündigen Kalzinierung bei 900°C hat.
82
Auch die Tatsache, dass weitere Bestandteile selbst in geringen Mengen eine signifikante Auswirkung auf die spezifische Oberfläche von Ceroxid haben können, was beispielsweise bei sehr geringen Zugabemengen an SiO2 zu Ceroxid beobachtet wird (vgl. B4 S. 462 Tab. 1), führt zu keiner anderen Auslegung. Dem Fachmann ist bekannt, dass in realen Proben immer geringe Verunreinigungen anderer Bestandteile vorliegen. Aus diesem Grund wurde in B4 auch die Ceroxidprobe CS0, der kein SiO2 zugesetzt worden ist, auf ihren Siliziumgehalt überprüft. Dabei wurde eine “Verunreinigung” von 0,02 Gew.-% Silizium gefunden. Trotz dieses geringen Siliziumanteils geht die B4 bei ihren Untersuchungen von der Probe CS0 aus und untersucht ausgehend davon den Einfluss von SiO2 auf die spezifische Oberfläche des Ceroxids. Durch die Bezeichnung 100 Gew.-% CeO2 und 0 Gew.-% SiO2 bei der Probe CS0 unterstellt sie dabei, dass es sich um eine Probe aus reinem Ceroxid handelt. Damit ist der in Tab. 1 angegebene Wert für die spezifische Oberfläche trotz des als Verunreinigung enthaltenen SiO2-Anteils als der Wert für reines Ceroxid anzusehen, so dass B4 davon ausgeht, dass dieser SiO2-Anteil keine Auswirkungen auf die spezifische Oberfläche des Ceroxids hat.
83
Die BGH-Entscheidung X ZR 103/04 ist hier nicht einschlägig. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat der BGH die Formulierung “im Wesentlichen aus” im Zusammenhang der Bestandteile einer Lampe ausgelegt, wobei die Lampe Elektroden “aus” Wolfram und eine Füllung enthalten hat, die “im Wesentlichen aus” Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen bestanden hat. Er hat also zum einen die Formulierung “aus” und zum anderen die Formulierung “im Wesentlichen aus” in einem Patentanspruch vorgefunden. Beim Vergleich dieser beiden Formulierungen ist der BGH zu dem Ergebnis gekommen, dass die Füllung weitere Bestandteile enthalten kann, während die Elektrode nur aus einem einzigen Material besteht. Im vorliegenden Anspruch 1 liegt allerdings keine derartige Differenzierung von Merkmalen mit der unterschiedlichen Abstufung “aus” und “im Wesentlichen aus” vor, so dass sich die BGH-Entscheidung X ZR 103/04 nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragen lässt.
84
3. Bei der Beurteilung der Neuheit ist folglich der Stand der Technik unerheblich, der Mischoxide von Cer mit anderen Elementen mit einem Mengenanteil betrifft, der dazu führt, dass diese Elemente einen Einfluss auf die spezifische Oberfläche des Ceroxids haben. Es kommt vielmehr auf den Stand der Technik an, der sich mit Oxiden beschäftigt, die im streitpatentgemäßen Sinn im Wesentlichen nur aus Ceroxid bestehen.
85
a) Die Druckschrift K4 betrifft Zusammensetzungen auf Ceroxidbasis in extrudierter Form zur Verwendung in Katalysatoren (vgl. K4 u. a. Abstract und S. 1 Z. 9 bis 11). Dazu offenbart K4 zwei alternative Zusammensetzungen auf Ceroxid- und auf Cer-/Zirkoniummischoxid-Basis (vgl. K4 Anspruch 1). Die spezifische Oberfläche dieses Ceroxids bzw. Cer-/Zirkoniummischoxids liegt gemäß Anspruch 6 der K4 nach einer Kalzinierung bei 900°C über 6 Stunden bevorzugt bei mindestens 30 m2/g. Zwar ist damit in K4 die Kalzinierungsdauer um eine Stunde länger als im Merkmal 1.B gefordert. Dies steht aber der Neuheitsschädlichkeit dieser Druckschrift nicht entgegen. Für den Fachmann versteht es sich von selbst, dass bei der streitpatentgemäß kürzeren Kalzinierungsdauer eine höhere spezifische Oberfläche erreicht wird, weil es zu seinem Fachwissen gehört, dass aufgrund der Korrelation zwischen der spezifischen Oberfläche und der Kalzinierungsdauer bei einer gegebenen Kalzinierungstemperatur mit zunehmender Kalzinierungsdauer die spezifische Oberfläche abnimmt (vgl. z. B. K3 S. 304 spaltenübergr. Satz und Tab. 2). Damit zeigt die K4 sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 auf, so dass dieser neuheitsschädlich vorweggenommen ist.
86
b) Das Argument, dass die in K4 beschriebenen hohen spezifischen Oberflächen nur bezüglich der Cer-/Zirkoniummischoxide offenbart seien, da sich der Anspruch 6 nur auf diese Alternative des Anspruchs 1 beziehen könne, wenn die K4 aus Sicht des fachverständigen Lesers unter Hinzuziehung der Beschreibung korrekt ausgelegt werde, kann nicht durchgreifen. Um die Frage zu klären, ob sich der Anspruch 6 nur auf die Cer-/Zirkoniummischoxide oder doch auf beide alternative Lösungen des Anspruchs 1 bezieht, ist zu prüfen, was die Erfinder der K4 bei der Abfassung der Anspruchsfassung im Blick hatten. Denn bei der Auslegung einer Patentschrift kommt den Patentansprüchen verstärkte Bedeutung zu, da sie die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Gegenstands der Patentschrift sind (vgl. Busse, PatG, 8. Aufl., § 14 Rn. 20). Betrachtet man demnach Anspruch 1, so betrifft dieser Ceroxide und Cer-/Zirkoniummischoxide. Anspruch 2 beschäftigt sich lediglich mit den Mischoxiden und unterscheidet dabei Cer-arme und Cer-reiche Mischoxide. In den Ansprüchen 3 bis 5 werden verschiedenen Zusatzstoffe und Additive angegeben. Aufgrund des Rückbezugs in diesen Ansprüchen ist unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass in K4 diese Additive sowohl für die Ceroxide als auch für die Cer-/Zirkoniummischoxide des Anspruchs 1 vorgesehen sind. Dies steht auch in Übereinstimmung mit der Beschreibung, da darin die Additive im Zusammenhang mit beiden Alternativen explizit offenbart werden (vgl. K4 S. 2 Z. 13 bis 16 i. V. m. S. 2 Z. 21 bis S. 3 Z. 8). Im sich direkt daran anschließenden Anspruch 6 haben die Erfinder der K4 den Rückbezug in identischer Weise zu den Ansprüchen 3 bis 5 formuliert. Damit bringen sie zum Ausdruck, dass der Rückbezug im Anspruch 6 in derselben Weise zu verstehen ist wie der Rückbezug bei den Ansprüchen 3 bis 5, so dass die im Anspruch 6 angegebene spezifische Oberfläche nach sechsstündiger Kalzinierung als Eigenschaft von beiden Alternativen des Anspruchs 1, also sowohl von Ceroxid als auch von Cer-/Zirkoniummischoxide, zu verstehen ist.
87
Dies steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht im Widerspruch zur Beschreibung der K4. Dort werden zwar die expliziten Zahlenwerte für die spezifische Oberfläche, wie sie sich im Anspruch 6 wiederfinden, nur im Zusammenhang mit Cer-/Zirkoniummischoxiden offenbart (vgl. K4 S. 3 Z. 13 bis 17 und 24 bis 28). Auch die Ausführungsbeispiele betreffen nur Cer-/Zirkoniummischoxide. Demgegenüber lehrt aber der allgemeine Teil der Beschreibung der K4 die beiden Alternativen Ceroxid und Cer-/Zirkoniummischoxide ohne Abstufung oder Rangfolge als gleichwertige Lösungen für das Ziel der Bereitstellung von Zusammensetzungen auf Basis von Cer-haltigen Oxiden in extrudierter Form (vgl. K4 S. 1 Z. 9 bis 11, 28 bis 33 und S. 2 Z. 13 bis 16), was sich im Anspruch 1 der K4 wiederspiegelt. Dafür spricht auch, dass in den nebengeordneten Verfahrensansprüchen 7 bis 11 die Herstellung von Ceroxid und Cer-/Zirkoniummischoxiden explizit als Alternativen beansprucht werden. Darüber hinaus werden in der Beschreibung der K4 unter Hinweis auf den Stand der Technik explizite Herstellungsverfahren für Ceroxid aufgezeigt (vgl. K4 S. 4 Z. 26 bis 37), so dass der Fachmann die Lehre der K4 nicht allein auf die Cer-/Zirkoniummischoxide liest.
88
c) Der Einwand, dass nach dem allgemeinen Fachwissen Cer-/Zirkoniummischoxide eine höhere spezifische Oberfläche besäßen als reines Ceroxid und sich daher die im Anspruchs 6 der K4 angegebenen Werte für die spezifische Oberfläche nicht auf beide Alternativen beziehen könnten, kann nicht überzeugen. Der Wortlaut des Anspruchs 6 gibt keinen punktuellen Wert sondern eine Untergrenze an. Für den Fachmann ist damit unmittelbar ersichtlich, dass aufgrund dieses nach oben offenen Parameterbereichs nicht ausgeschlossen ist, dass Cer-/Zirkoniummischoxide letztlich eine höhere spezifische Oberfläche aufweisen können als Ceroxide, zumal ihm Ceroxide mit spezifischen Oberflächen von mehr als 30 m2/g nach einer Calcinierung bei 900°C bekannt sind (vgl. z. B. K3 S. 304 Tab. 2 Sample 7; K5 S. 217 Tab. 1 Eintrag 3).
89
d) Dass die K4 keine explizite Offenbarung, insbesondere beispielhafte Werte für die spezifische Oberfläche von Ceroxiden im Gegensatz zu den Angaben hinsichtlich der spezifischen Oberfläche von Cer-/Zirkoniummischoxiden und auch kein Ausführungsbeispiel für Ceroxid aufzeigt, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung der Neuheit. Denn aus dem Wortlaut des Anspruchs 6 geht unmittelbar und eindeutig die Untergrenze für die spezifische Oberfläche von beiden Alternativen Ceroxid und Cer-/Zirkoniummischoxide hervor. Die weiteren Ausführungen zur spezifischen Oberfläche auf Seite 3 Zeilen 13 bis 23 der K4 stellen demgegenüber lediglich beispielhafte bzw. bevorzugte Werte für die Alternative Cer-/Zirkoniummischoxide dar. Denn bei näherer Betrachtung der K4 ist zu erkennen, dass bis Seite 3 Zeile 12 die allgemeine Lehre mit den beiden alternativen Lösungen Ceroxid und Cer-/Zirkoniummischoxid beschrieben wird, da K4 wiederholt auf die Zusammensetzungen der Erfindung (= “les compositions des l’invention”) hinweist. Erst danach erfolgt die Darstellung von bevorzugten und beispielhaften Ausführungsformen dieser allgemeinen Lehre, an die sich dann ab der Mitte der Seite 12 drei Ausführungsbeispiele anschließen. Dass dabei in dem Teil der Beschreibung der K4, in dem bevorzugte und beispielhafte Ausführungsformen dargestellt werden, keine beispielhaften Werte für die Alternative Ceroxide angegeben werden, ist für die Neuheitsbetrachtung ebenso unschädlich wie das Fehlen eines Ausführungsbeispiels für Ceroxid, da eine besondere Hervorhebung oder Betonung, etwa durch ein Ausführungsbeispiel oder die Kennzeichnung als vorteilhaft für die Offenbarung nicht erforderlich ist (vgl. Busse PatG, 8. Aufl., § 3 Rn. 129 Satz 3).
90
Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten gerügte mangelnde Nacharbeitbarkeit der Lehre der K4 hinsichtlich der Alternative Ceroxid, weshalb die K4 nicht als neuheitsschädlicher Stand der Technik zu werten sei (vgl. Benkard PatG, 11. Aufl., § 3 Rn. 157), konnte nicht nachgewiesen werden. Zwar hat die Beklagte mit dem Versuchsbericht B11 dargelegt, dass mit der Verfahrensweise gemäß Beispiel 1 der K4 kein Ceroxid mit einer spezifischen Oberfläche entsprechend dem streitpatentgemäßen Merkmal 1.B hergestellt werden kann. Dies kann allerdings nicht belegen, dass K4 der Fachwelt das streitpatentgemäße Ceroxid generell nicht in die Hand gibt. Denn die Nacharbeitung gemäß B11, die sich zwangsläufig vom Beispiel 1 der K4 unterscheiden muss, da dieses Beispiel die Herstellung eines Cer-/Zirkoniummischoxid aufzeigt, während in B11 zu Demonstrationszwecken ein Ceroxid ohne Zirkoniumoxid-Anteil hergestellt worden ist, mag zwar die mangelnde Nacharbeitbarkeit eines Ceroxids mit den Verfahrensmaßnahmen nach diesem Beispiel belegen. K4 offenbart aber mehrere alternative Verfahren zur Herstellung von Ceroxid und Cer-/Zirkoniummischoxiden (vgl. K4 Ansprüche 9 bis 11), so dass die mangelnde Nacharbeitbarkeit eines einzigen Beispiels von mehreren Alternativen zur Herstellung von Ceroxid vorliegend eine mangelnde praktische Realisierbarkeit von Ceroxid grundsätzlich nicht belegen kann. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in ihrem Gegenbeweis K4b das Beispiel 1 der K4 und in den Versuchsberichten K4c und K4d den ersten Prozess gemäß K4 in allen Details identisch nachgearbeitet hat. Denn die materielle Beweislast liegt hier nicht bei der Klägerin sondern bei der Beklagten, da es sich um eine Einwendung der Beklagten handelt, mit der sie den schlüssig begründeten Vortrag der Klägerin anzweifelt (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 155).
91
e) Dem Argument, die in den Beispielen der K4 gezeigte Abnahme der spezifischen Oberfläche mit sinkenden Zirkoniumoxid-Gehalt im Mischoxid führe nicht unmittelbar und eindeutig zum streitpatentgemäßen Merkmal 1.B, kann nicht gefolgt werden. Denn durch die drei aufgezeigten Beispiele erfolgt keine Offenbarung für sämtliche Ausführungsformen der K4. Vielmehr wird die Lehre der K4 durch die Beispiele nur punktuell belegt, weil sich die darin verwendeten Herstellungsverfahren voneinander unterscheiden und somit ein direkter Vergleich von deren Ergebnissen keine eindeutigen Aussagen über die gesamte Lehre der K4 ermöglicht. Insbesondere wird der erste Kalzinierungsschritt im Beispiel 1 bei 600°C, im Beispiel 2 bei 500°C und im Beispiel 3 bei 700°C und damit in den drei Beispielen bei deutlich verschiedenen Temperaturen durchgeführt (vgl. K4 S. 12 Z. 34 bis 35, S. 13 Z. 15 bis 17 und S. 14 Z. 4 bis 5).
92
f) Die Anspruchsfassung der im Hauptantrag verteidigten erteilten Form hat aus den zuvor genannten Gründen somit keinen Bestand, da das Ceroxid des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der Druckschrift K4 nicht neu ist.
93
Die weiteren Ansprüche 2 bis 9 in der erteilten Fassung bedürfen dabei keiner isolierten Prüfung, weil die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass sie die Antragsstellung nach Haupt- und Hilfsanträgen als geschlossene Anspruchssätze verstehen (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – Informationsvermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).
III.
94
Aber auch die beschränkte Verteidigung der Anspruchsfassung gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 17 führt nicht zum Erfolg, da sich diese Anspruchsfassungen jeweils aufgrund mangelnder Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig erweisen. Die bezüglich der Hilfsanträge 2, 5 bis 8, 10 und 11 geltend gemachte unzulässige Erweiterung kann daher ebenso dahinstehen wie der bezüglich der Hilfsanträge 5 bis 8 vorgebrachte Verspätungseinwand.
95
Im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 17 wird das Ceroxid gegenüber demjenigen, das im erteilten Anspruch 1 beansprucht wird, durch ein oder mehrere zusätzliche Merkmale weiter beschränkt.
96
1. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass das Ceroxid nunmehr in Form eines Pulvers beansprucht wird.
97
Durch dieses zusätzliche Merkmal erfolgt zwar eine Abgrenzung gegenüber dem Ceroxid gemäß K4, die die Neuheit begründet. Allerdings beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
98
Zur Lösung der Aufgabe, ein hinsichtlich der Hitzebeständigkeit verbessertes Ceroxid zur Verfügung zu stellen, das als Co-Katalysatormaterial für einen Katalysator zur Abgasreinigung geeignet ist, konnte der Fachmann von der K18 ausgehen. Diese Druckschrift beschäftigt sich ebenfalls mit Ceroxiden, die eine große spezifische Oberfläche bei erhöhten Temperaturen aufweisen und für Katalysatoren eingesetzt werden können (vgl. K18 Sp. 1 Z. 15 bis 19, Sp. 3 Z. 7 bis 11). Als Lösung schlägt die K18 ein partikuläres Ceroxid vor, das eine spezifische Oberfläche von wenigstens 15 m2/g nach einer mindestens zweistündigen Kalzinierung bei 800°C bis 900°C aufweist (vgl. K18 Ansprüche 1, 4, 13, 15). Aus der K18 erhält der Fachmann somit die Lehre, dass es möglich ist, pulverförmige Ceroxidmaterialien für Katalysatoren mit einer spezifischen Oberfläche von mindestens 15 m2/g nach einer Kalzinierung bei 900°C zu erreichen.
99
Zur weiteren Verbesserung dieser Eigenschaft hinsichtlich eines noch hitzebeständigeren Materials wird sich der Fachmann im Stand der Technik zu Ceroxiden mit hohen spezifischen Oberflächen nach einer Kalzinierung bei hohen Temperaturen umschauen. Dabei wird er auf die K4 treffen, aus der ein Ceroxid bekannt ist, das wie in K18 ebenfalls bei 900°C kalziniert wird und nach einer sechsstündigen Kalzinierung bei dieser Temperatur eine spezifische Oberfläche von mindestens 30 m2/g aufweist (vgl. K4 Ansprüche 1, 6). Dies motiviert ihn, diese Druckschrift näher zu betrachten.
100
Dabei stellt er zwar fest, dass in K4 pulverförmiges Ceroxid als nachteilig beschrieben wird, was durch die direkte Herstellung von Extrudaten aus Ceroxid bzw. Cer-/Zirkoniummischoxid überwunden werden soll (vgl. K4 Anspruch 1 und S. 1 Z. 9 bis 23). Trotzdem ist er dazu angeregt, diese Druckschrift heranzuziehen. Denn zum einen sucht er auf dem Gebiet der Ceroxide für Abgaskatalysatoren unabhängig von der Konfektionierung des Ceroxids als Extrudat oder Pulver nach Lösungen für seine Aufgabe. Zum anderen ist dem Fachmann bei der Lektüre der K4 bewusst, dass Extrudate eine spezielle Ausführungsform für Ceroxide enthaltende Abgaskatalysatoren darstellen und auf dem Gebiet der Ceroxid-haltigen Katalysatoren ansonsten pulverförmige bzw. partikuläre Ceroxide gebräuchlich sind (vgl. z. B. K6 Ansprüche 1, 39, Sp. 8 Z. 60 bis 67 und K18 Anspruch 1, Sp. 8 Z. 3 bis 5). Sie sind gegenüber Extrudaten bei der Herstellung von Katalysatoren universeller einsetzbar und können bei Bedarf jederzeit zu Extrudaten weiter verarbeitet werden.
101
Auch ein gegebenenfalls notwendiges Vermahlen der Ceroxidextrudate der K4, um ein pulverförmiges Material zu erhalten, spricht nicht gegen die Anregung, diese Druckschrift bei seinen Überlegungen zu berücksichtigen und mit der Lehre der K18 zu kombinieren. Denn dem Fachmann ist bekannt, dass das Vermahlen eines Ceroxidextrudats einen Einfluss auf dessen mittels BET gemessene spezifische Oberfläche hat. So gehört es zu seinem Fachwissen, dass bei einer Extrudatbildung einzelne Ceroxidpartikel zu einem Formkörper verbunden werden, weshalb die Oberfläche der einzelnen Partikel an den Verbindungsstellen von Nachbarpartikeln bedeckt ist und damit nicht vollständig für die Katalysatorfunktion zur Verfügung steht. Beim Vermahlen eines Extrudats wird daher seinen Erwartungen gemäß die spezifische Oberfläche vergrößert, da die Ceroxidpartikel nicht mehr zu einem Formkörper verbunden sind, so dass deren Oberfläche an den Verbindungsstellen nicht länger von Nachbarpartikeln für die Katalysatorfunktion blockiert ist. Der Fachmann wird somit beim Vermahlen der Ceroxidextrudate der K4 mit einer Vergrößerung der spezifischen Oberfläche rechnen. Somit wird er durch das Vermahlen in seiner Anregung, die K4 heranzuziehen, sogar bestärkt. Im Übrigen kommt auch das Streitpatent bei der Herstellung des pulverisierten Ceroxids ohne ein Vermahlen mit üblichen Mühlen nicht aus (vgl. N1 Abs. [0044]).
102
In Anbetracht dessen und der hohen spezifischen Oberflächen des Ceroxids gemäß K4 bestand somit die Veranlassung, das in K4 beschriebene Ceroxid in Pulverform bei der Optimierung der Lehre der K18 heranzuziehen. Die Verkürzung der Kalzinierungsdauer von 6 Stunden gemäß K4 auf die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 angegebenen 5 Stunden kann die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands gemäß dem Anspruch 1 nicht begründen, da die Bestimmung der optimalen Dauer für diesen Test- oder Präkonditionierungsschritt (vgl. II.1.2) zum routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns gehört und ihm dabei bewusst ist, dass aufgrund der Korrelation zwischen der spezifischen Oberfläche und der Kalzinierungsdauer bei einer gegebenen Kalzinierungstemperatur mit zunehmender Kalzinierungsdauer die spezifische Oberfläche abnimmt, weshalb er bei einer Verkürzung der Kalzinierungsdauer gemäß K4 um eine Stunde auf keinen Fall mit einer Verkleinerung der spezifischen Oberfläche rechnet.
103
Damit hat der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nahe gelegen.
104
2. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 dahingehend weiter konkretisiert, dass die durchschnittliche Partikelgröße des Ceroxidpulvers auf 1 bis 50 mm festgelegt ist. Bei dieser Partikelgröße handelt es sich um eine auf dem Gebiet der Ceroxid-haltigen Materialien für Katalysatoranwendungen übliche Partikelgröße, da als abschließender Schritt bei der Herstellung von Ceroxid-haltigen Materialien eine Zerkleinerung in Form einer Mikronisierung zu 1 bis 100 mm großen Partikeln gebräuchlich ist (vgl. z. B. K11 S. 11 Z. 12 bis 18). Daraus den beanspruchten Bereich von 1 bis 50 mm auszuwählen, gehört zur routinemäßigen Optimierung des Fachmanns, zumal gerade für Ceroxide Partikelgrößen im unteren Teil des in K11 angegebenen Bereichs bekannt sind. So weist gemäß den Analysezertifikaten B6b das in K5 für die Katalysatorherstellung verwendete Ceroxid HSA 514 der Rhône-Poulenc Partikelgrößen von 5 bzw. 7,5 mm auf (vgl. K5 S. 216 spaltenübergr. Abs. i. V. m. B6b S. 1 und 4 jeweils Tab. Zeile “d50 Sed”). Zudem zeigt das Streitpatent keinen technischen Effekt auf, der mit der beanspruchten Partikelgröße verbunden ist (vgl. N1 Abs. [0045]). Die Beklagte hat einen solchen technischen Effekt auch nicht geltend gemacht.
105
Dass in den pulverförmige Ceroxide betreffenden Druckschriften K6 und K18 Partikelgrößen im Nanometerbereich und damit außerhalb des beanspruchten Partikelgrößenbereichs offenbart werden, kann die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht begründen (vgl. K6 Sp. 3 Z. 51 bis 57 und K18 Sp. 3 Z. 54 bis 57, Sp. 8 Tab. 1 Spalte “Crystalline size (nm)” sowie Sp. 9 Z. 46 und 50). In diesen Druckschriften strebt der Fachmann gezielt möglichst kleine Partikelgrößen an, da dies mit Vorteilen bei der Anwendung in der Katalyse verbunden ist (vgl. K6 Sp. 3 Z. 58 bis 65). Da aber ein Vermahlen zu Partikelgrößen im Nanometerbereich erheblich aufwendiger ist als ein Vermahlen zu Mikrometer-großen Partikeln, wird der Fachmann dies nur ins Auge fassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Das Herausfinden der zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe optimalen Partikelgröße gehört in Kenntnis des Standes der Technik zum routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns und kann daher die erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
106
3. In der Anspruchsfassung der Hilfsanträge 3 und 4 wird im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bzw. 2 jeweils zusätzlich das Gesamtporenvolumen von nicht unter 0,50 ml/g nach dem Kalzinieren bei 300°C über 10 Stunden beansprucht. Dieses Merkmal kann ebenfalls keinen Beitrag zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit leisten. Denn die beanspruchten Gesamtporenvolumina sind wiederum auf dem Gebiet der Ceroxid-haltigen Materialien für Katalysatoranwendungen fachüblich und beispielsweise aus K11 bekannt (vgl. K11 Ansprüche 1, 13, S. 10 Abs. 2, wobei 0,6 cm3/g 0,6 ml/g entspricht, Beispiel 9). Zudem zeigt das Streitpatent abermals keinen technischen Effekt auf, der mit dem beanspruchten Gesamtporenvolumen verbunden wäre, und von der Beklagten ist ein solcher auch nicht vorgetragen oder geltend gemacht worden (vgl. N1 Abs. [0028], Tab. 1).
107
4. Für die Ceroxide des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 5 bis 8, in denen die Untergrenze für die spezifische Oberfläche des beanspruchten Ceroxids nach fünfstündiger Kalzinierung bei 900°C gemäß dem jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 von 30,0 m2/g auf 32,0 m2/g bzw. 35,0 m2/g abgeändert wird, und der Hilfsanträge 9 bis 11, in denen basierend auf dem erteilten Anspruch 1 eine – stufenweise an die BET-Werte der Ausführungsbeispiele angenäherte – Obergrenze für die spezifische Oberfläche des Ceroxids nach fünfstündiger Kalzinierung bei 900°C festgelegt wird, gelten die Ausführungen zu den Hilfsanträgen 1 und 2 bzw. zum Hauptantrag analog. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die in den Hilfsanträgen 5 bis 11 beanspruchten Ceroxide gegenüber den Ceroxiden des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bzw. 2 bzw. der erteilten Fassung keine zusätzlichen technischen Merkmale aufweisen, sondern lediglich beschränkte Bereiche hinsichtlich der beanspruchten Breite des Merkmals “spezifische Oberfläche” nach fünfstündiger Kalzinierung bei 900°C, so dass deren Bereitstellung in Kenntnis des zuvor erörterten Standes der Technik ebenfalls nicht über dessen Lehren sowie über das allgemeine Können und Wissen des Fachmanns hinausgeht.
108
5. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 wird der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 dadurch präzisiert, dass das beanspruchte Ceroxid zusätzlich durch die Herstellungsverfahrensschritte des nebengeordneten Anspruchs 6 charakterisiert wird. Diese Bezugnahme auf das Herstellungsverfahren ist allerdings nicht geeignet, das streitgegenständliche Ceroxid neuheitsbegründend von der K4 abzugrenzen, weil der nunmehr als product-by-process-Anspruch formulierte Erzeugnisanspruch 1 nach wie vor dasselbe Erzeugnis schützt wie der erteilte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Denn das durch den product-by-process-Anspruch definierte Erzeugnis genießt absoluten Schutz. Das Verfahren dient lediglich der Definition des Erzeugnisses, schränkt aber nicht den Schutzbereich auf die Erzeugnisse ein, die durch das im Anspruch angegebene Verfahren hergestellt werden (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 34 Rn. 153). Übertragen auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 12 bedeutet dies, dass durch den Bezug auf die Verfahrensschritte des nebengeordneten Anspruchs 6 der Schutzbereich des Anspruchs 1 nicht auf Erzeugnisse beschränkt wird, die durch diese Verfahrensschritte hergestellt werden. Vielmehr werden wegen des absoluten Stoffschutzes des Erzeugnisanspruchs sämtliche Ceroxide beansprucht, die die Merkmale 1.A und 1.B gemäß Hauptantrag aufweisen. Damit gelten für das Ceroxid des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 12 dieselben Ausführungen wie für das Ceroxid des erteilten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
109
Zudem handelt es sich, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden hat, bei den im Anspruch 1 angegebenen Verfahrensschritten um auf dem Gebiet der Ceroxid-haltigen Materialien für Katalysatoranwendungen übliche Verfahrensmaßnahmen, so dass auch aus diesem Grund durch deren Beanspruchung keine Abgrenzung zum Stand der Technik erfolgt. So werden beispielsweise in K7 dieselben Verfahrensschritte für die Herstellung eines Ceroxid-haltigen Materials für Katalysatoranwendungen verwendet (vgl. K7 Sp. 3 Z. 18 bis 29 i. V. m. Sp. 4 Z. 47 bis 52, Sp. 5 Z. 41 bis 47, Sp. 6 Z. 13 bis 23 und Sp. 1 Z. 15 bis 18), wobei es für den Fachmann selbstverständlich ist, dass nach dem Erwärmungsschritt die wässrige Mischung abgekühlt wird, bevor der Niederschlag durch Abtrennung isoliert werden kann. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 12 jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
110
6. Im Anspruch 1 der Hilfsanträge 13 bis 17 wird das Ceroxid im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 bzw. zum jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 9 bis 12 zusätzlich mit der Rütteldichte von nicht über 1,3 g/ml nach einer Kalzinierung bei 300°C über 10 Stunden charakterisiert. Auch dieser Parameter ist nicht geeignet, die Patentfähigkeit des beanspruchten Ceroxids zu begründen. Denn bei der “Rütteldichte” handelt es sich um einen von der Beklagten eingeführten, nicht fachüblichen Parameter, durch dessen Definition dem aus K4 bekannten Ceroxid keine Neuheit verliehen wird (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 164 Satz 2 und § 34 Rn. 156 drittle. Satz). Jedenfalls hat die Beklagte nicht glaubhaft belegt, dass sich das streitpatentgemäße Erzeugnis aufgrund des im Vergleich zum diskutierten Stand der Technik ungewöhnlichen Parameters “Rütteldichte” vom Ceroxid der K4 unterscheidet (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 164 le. Satz). Sie hat lediglich den technischen Unterschied zwischen der “Rütteldichte” und der im diskutierten Standes der Technik angeführten “Schüttdichte” dargelegt. Auch das Streitpatent zeigt keinen technischen Effekt auf, der mit der beanspruchten Rütteldichte verbunden wäre (vgl. N1 Abs. [0027], Tab. 1). Somit stellt die “Rütteldichte” einen zusätzlichen Parameter dar, der sich nach Ansicht des fachkundig besetzten Senats allenfalls für die Analytik des beanspruchten Ceroxids als interessant erweisen kann. Für eine vom Stand der Technik abgrenzende Charakterisierung des beanspruchten Ceroxids ist er aber nicht geeignet (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 164).
111
Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der neben- und nachgeordneten Ansprüche 2 bis 8 des Hilfsantrags 17 zu erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Ein solcher ist auch für den Senat nicht ersichtlich, zumal im nebengeordneten Verfahrensanspruch 5, wie unter III.5. ausgeführt, nur fachübliche Verfahrensmaßnahmen beansprucht werden und der nebengeordnete Anspruch 8 aufgrund des Rückbezugs lediglich zum Anspruch 1 gleichlautende technische Merkmale aufweist. Die neben- und nachgeordneten Ansprüche 2 bis 8 des Hilfsantrags 17, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt worden ist, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
IV.
112
Die vorstehenden Ausführungen zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags und der Hilfsanträge stehen auch nicht im Widerspruch zu der parallelen Entscheidung des britischen High Court of Justice (vgl. B9), weil in diesem Verfahren die Patentfähigkeit nicht vor dem Hintergrund der K4 diskutiert worden ist und ansonsten die Einschätzungen des britischen Richters bezüglich der Auslegung und der Ausführbarkeit zu demselben Ergebnis kommen.
V.
113
Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten entsprechend ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Fragen zu verschiedenen Aspekten des fachmännischen Wissens und Verständnisses, insbesondere hinsichtlich des tatsächlichen Offenbarungsgehalts der Druckschrift K4 und deren Ausführbarkeit, einzuholen. Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist ein solcher Beweis in der Regel nicht erforderlich, da die Nichtigkeitssenate und die technischen Beschwerdesenate mit sachverständigen Richtern besetzt sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1235 LS 1 u. Rn 8 – Kommunikationsrouter; Schulte/Voit, PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 157; Busse/Schuster, PatG, 8. Aufl., § 87 Rn. 23, § 88 Rn. 11). Insbesondere bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht, wenn sich das Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 39. Aufl., Vorbem § 402 Rn. 3). Nach diesen Grundsätzen war vorliegend kein Beweis durch Sachverständige zu erheben, da der Senat aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage ist, anhand der Fachliteratur, insbesondere der von den Parteien umfangreich zur Verfügung gestellten Literatur einschließlich mehrerer Privatgutachten, das darin wiedergegebene Fachwissen zur Tatsachenbeurteilung zur Kenntnis zu nehmen und damit den gegebenen Sachverhalt umfassend zu erkennen und zu würdigen.
VI.
114
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
115
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
VII.
116
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.


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