Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Saugfähiges, mindestens dreilagiges Papierprodukt und Verfahren zu seiner Herstellung” – zur Bestellung eines Sachverständigen über das Verständnis des Fachmanns im Nichtigkeitsverfahren

Aktenzeichen  3 Ni 13/17 (EP)

Datum:
2.4.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:020419U3Ni13.17EP.0
Normen:
§ 81 PatG
§ 88 PatG
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 081 284
(DE 699 37 884)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, des Richters Hermann, des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger und der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 31. August 1999 beim Europäischen Patentamt angemeldeten und mit der Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 1 081 284, dessen Erteilung am 2. Januar 2008 veröffentlicht worden ist und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 699 37 884 geführt wird.
2
Das nach dem Einspruchsverfahren und anschließendem Beschwerdeverfahren in vollem Umfang aufrechterhaltene Patent betrifft ein „Produit en papier absorbant comprenant au moins trois plis et son procédé de fabrication“ („Saugfähiges, mindestens dreilagiges Papierprodukt und Verfahren zu seiner Herstellung“) und umfasst 18 Patentansprüche. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 4, 6, 7 und 9 lauten in der französischen Fassung wie folgt:
3
Die deutsche Fassung der Patentansprüche 1 bis 4, 6, 7 und 9 hat folgenden Wortlaut:
4
Die Klägerin greift das Patent im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 4 und seines Patentanspruchs 6, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4 zurückbezogen ist, und seines Patentanspruchs 7, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4 und 6 zurückbezogen ist, und seines Patentanspruchs 9, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4, 6 und 7 zurückbezogen ist, an. Als Nichtigkeitsgründe führt sie fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit an. Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie u.a. auf die Dokumente:
5
NK1 : EP 1 081 284 B1 (Streitpatent)
6
NK2 : DE 699 37 884 T2 (deutsche Übersetzung der NK1)
7
NK3 : US 6 551 691 B1
8
NK4 : US 3 414 459
9
NK5 : EP 0 570 578 B1
10
NK6 : EP 0 564 319 B1
11
NK 7: US 3 867 225
12
NK8 : US 5 846 636 A
13
NK9 : US 5 840 404 A
14
NK10 : WO 97/44529 A1
15
NK11 : US 4 320 162
16
NK12 : DE 694 14 575 T2
17
NK13 : DE 26 19 188 A1
18
NK14 : WO 96/18771 A1
19
NK15 : WO 99/45205 A1
20
NK16 : DE 699 31 631 T2 (deutsches Familienmitglied der NK15)
21
NK19 : WO 99/41064 A1
22
NK20 : EP 0 370 972 B1
23
NK21 : Auszüge aus dem „P.C.M.C. Combination Embosser 1004283, Instruction Manual“ der Paper Converting Machine Co. Ltd., Plymouth, England, 9-1, 0916106e.qxd, Seiten 6 bis 8, undatiert
24
Im Hinblick auf die Auslegung von Patentanspruch 1 meint die Klägerin, dass unter dem Begriff „Verschachtelungs-Modus“ sowohl eine Verbindung der Papierlagen zu verstehen sei, bei der sich die Vorsprünge einer Papierlage zwischen die Vorsprünge der gegenüberliegenden Papierlage exakt einnisteten, als auch eine Verbindung der Lagen, bei der ein Vorsprung der ersten Lage bei der Vereinigung mit einer gegenüberliegenden zweiten Lage nicht zwischen zwei gegenüberliegenden Vorsprüngen eingreife, sondern einen dieser Vorsprünge der gegenüberliegenden zweiten Lage teilweise oder auch gänzlich zerdrücke. Das Merkmal „Mittellage“ lasse es offen, ob eine geprägte oder eine nicht geprägte Mittellage vorliege, sodass grundsätzlich auch Mittellagen mit Vorsprüngen darunter zu verstehen seien. Im Übrigen fordere das Merkmal „geprägte Lage“ nicht, dass die äußeren Lagen vor der Herstellung des Papierprodukts geprägt sein müssten. Es sei vielmehr ausreichend, wenn die Lagen erst bei deren Vereinigung geprägt würden.
25
Die Neuheit des Erzeugnisses aus saugfähigem Papier gemäß Patentanspruch 1 sieht die Klägerin gegenüber jeder der Druckschriften NK9, NK10 und NK15/NK16 als nicht gegeben an. NK9 offenbare ein dreilagiges absorptives Papierprodukt mit einer Grammatur von 30 bis 120 g/m2, dessen äußere geprägten Lagen verschachtelt seien. Die distalen Oberflächen der Vorsprünge der geprägten Lagen seien zur Mittellage hin gerichtet, wobei die Vorsprünge der unteren Lage unterschiedlich hoch seien. In NK9 sei auch im Zusammenhang mit der einleitend gewürdigten NK7 die patentgemäße Motivdichte offenbart. NK10 beschreibe ein dreilagiges Papiererzeugnis aus saugfähigen Papier mit einer Grammatur von etwa 63 mg/m2. Die äußeren Lagen wiesen unterschiedlich hohe Motive auf. Die Prägung, die gleichzeitig auch die Verschachtelung darstelle, finde im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage statt. In NK15/NK16 sei ein dreilagiges, Stich-Stich-verbundenes Erzeugnis aus saugfähigem Papier mit einer Grammatur von 36 bis 105 g/m2 genannt. Das Erzeugnis weise zwei äußere geprägte Lagen mit reliefartigen Motiven einer Dichte von mehr als 30 Vorsprünge/m2 auf, wobei die Motivvorsprünge der unteren Lage unterschiedlich hoch seien. Zudem offenbare NK15/NK16 auch eine Verschachtelung der Lagen, da verschachtelte Vergleichsprodukte von gleicher Beschaffenheit wie die Stich-Stich-Produkte in dem Dokument genannt seien.
26
Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bestreitet die Klägerin gegenüber der Kombination der Druckschrift NK9 und einer der Schriften NK4, NK7, NK8 oder NK11 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens. Ausgehend von NK9, die ein dreilagiges absorptives Papierprodukt betreffe, beruhe das Merkmal, nach dem eine der äußeren Lagen eine Motivdichte von größer als 30 Vorsprünge/cm2 aufweise, nicht auf erfinderischen Überlegungen. Bereits in NK4 werde für eine verbesserte Weichheit des Papiers eine hohe Motivdichte von 31 bis 62 Vorsprüngen/cm2 bezogen auf eine „Stich-Stich“-Verbindung vorgeschlagen. Zudem werde in NK9 ausdrücklich auf eine Kombination der Vorteile von NK7 und NK11 hingewiesen. Eine hohe Motivdichte sei mit der Verschachtelungstechnik der NK9 auch vereinbar gewesen, da bereits aus NK7 und NK8 Erzeugnisse mit Lagen mit bis zu 31 bzw. 80 Vorsprünge/cm2 bekannt gewesen seien, die auf einer sehr ähnlichen Verschachtelungskonfiguration basierten. Somit habe der Fachmann für eine höhere Weichheit und ein besseres Handgefühl bedarfsweise Motivdichten von mehr als 30 Vorsprünge/cm2 für das Papierprodukt in Betracht gezogen. Darüber hinaus sei aus NK11 ein dreilagiges Papier mit hoher Weichheit und Dicke bekannt, das eine mittlere nicht geprägte Lage aufweise. Die Vorsprünge der äußeren Lagen seien zur Mittellage hin gerichtet, sodass sich ein großes Leervolumen zwischen den äußeren Lagen im Bereich zwischen den Verbindungsstellen der größeren Vorsprünge ergebe. Dass ein großes Leervolumen zwischen den äußeren Lagen mit einer erhöhten Absorption gekoppelt sei, gehe aus NK9 hervor.
27
Gleichfalls lege die Zusammenschau der Dokumente NK11 und NK7 bzw. NK8 das patentgemäße Papiererzeugnis nahe. NK11 gebe ein dreilagiges Papierprodukt mit zwei äußeren geprägten Lagen und einer Mittellage an, wobei die äußeren Lagen jeweils zwei reliefartige Motive mit unterschiedlichen Höhen aufwiesen, die aus Vorsprüngen gebildet würden. Die distalen Oberflächen der jeweils zur Mittellage hin gerichteten Vorsprünge seien durch eine „Stich-Stich“-Verbindung miteinander verbunden. Dieses Produkt zeichne sich aufgrund der weiten Beabstandung der höheren Vorsprünge durch eine hohe Weichheit aus, da die Papierlagen im Bereich zwischen den höheren Vorsprüngen leichter zusammengedrückt werden könnten. Der Fachmann habe jedoch auch gewusst, dass Stich-Stich-Papierprodukte gegenüber Verschachtelungsprodukten eine geringere Festigkeit aufwiesen. In NK11 werde im Übrigen beschreibungseinleitend auf die aus NK7 bekannten verschachtelten Papierprodukte hingewiesen, die eine Grammatur von 81 g/m2 aufweisen. Aus NK7 gehe auch die vom Streitpatent geforderte Motivdichte von mehr als 30 Vorsprüngen/cm2 hervor. Eine solche hohe Motivdichte stelle somit für den Fachmann keine Hürde dar, wie auch NK8 belege. Zudem habe für den Fachmann eine Veranlassung bestanden, bei dem aus NK11 bekannten Papierprodukt ebenfalls eine Verbindung durch Verschachtelung der äußeren Lagen vorzusehen.
28
Die Klägerin beantragt,
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das europäische Patent 1 081 284 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 4 und seines Patentanspruchs 6, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4 zurückbezogen ist, und seines Patentanspruchs 7, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4 und 6 zurückbezogen ist, und seines Patentanspruchs 9, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 4, 6 und 7 zurückbezogen ist, für nichtig zu erklären.
30
Die Beklagte beantragt,
31
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung eines der Hilfsanträge I bis III gemäß Schriftsatz vom 16. November 2018 erhält.
32
Sie führt zu den Angriffen der Klägerin im Wesentlichen aus, dass das angegriffene Papierprodukt weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch durch den Stand der Technik nahegelegt sei.
33
In der NK15/NK16 werde keine Anordnung der Lagen im Verschachtelungs- bzw. Nested-Modus im Papierprodukt offenbart. Die NK9 beschreibe weder eine Motivdichte von größer als 30 Vorsprünge/cm2 der äußeren Lagen noch eine Mittellage. Das in NK10 angegebene Papier weise weder äußere Lagen mit einer Motivdichte von größer als 30 Vorsprüngen/cm2 und eine Mittellage auf, noch seien diese Lagen im Verschachtelungsmodus miteinander verbunden.
34
Das Streitpatent beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der NK9 in Kombination mit NK4, NK7 oder NK11. Es habe für den Fachmann kein Anlass bestanden, die NK4 mit NK9 zu kombinieren, da die Papierprodukte dieser Schriften auf unterschiedlichen Verbindungstechniken basierten, nämlich einerseits auf der Verschachtelungsverbindung und andererseits auf der Stich-Stich-Technik. Auch die Zusammenschau der NK9 mit der NK7 führe nicht zum patentgemäßen Papierprodukt. Denn in NK9 werde die NK7 als nachteilig beschrieben und NK9 habe zum Ziel, sich von der Technik gemäß NK7 abzugrenzen. Zudem sei für den Fachmann nicht ersichtlich, wie ausgehend von NK9 eine Erhöhung der Motivdichte bei Anwendung der Verschachtelungsverbindung erreicht werden könne. Erst die erfindungsgemäße Verschachtelung, die teilweises Zerdrücken der Vorsprünge erlaube, habe dies bewirkt. Eine derartige Technik finde aber in NK9 keine Erwähnung und sei auch technisch nicht anwendbar, da beim Verfahren der NK9 die notwendige Verformung der doppellagigen Materialbahn keine höhere Motivdichte zuließe. Auch die Verwendung einer Mittellage werde dem Fachmann ausgehend von NK9 nicht nahegelegt. Um die Innenschicht der äußeren Lage durch eine Mittellage zu ersetzen, hätte der Fachmann ein völlig anderes strukturelles Konzept und eine andere Verbindungstechnik wählen müssen.
35
Die NK11 besage, dass eine höhere Weichheit erhalten werde, wenn die Vorsprünge zur Mittellage beabstandet seien. Ausgehend von NK9 hätte der Fachmann somit die gesamte Struktur ändern müssen, um zum patentgemäßen Papiererzeugnis zu gelangen. Insbesondere hätte er die Doppellage aufgeben und eine höhere Motivdichte vorsehen müssen. Solche selektive Änderungen würden aber durch die Kombination von NK9 und NK11 nicht nahegelegt.
36
Auch habe für den Fachmann ausgehend von NK11 kein Anlass bestanden, die dort zur Herstellung des Papiers angewandte Stich-Stich Technik durch eine Verschachtelungstechnik zu ersetzen bzw. beide Techniken miteinander zu kombinieren. Zum Prioritätszeitpunkt sei eine kombinierte Technik nicht realisierbar gewesen. Es hätte im Übrigen noch eine Vielzahl anderer Modifikationen bedurft, wie die Erhöhung der Musterdichte bei gleichzeitiger Abweichung von klassischen Verschachtelungsverbindungen hin zu Verbindungen, bei denen zugleich noch die Vorsprünge zerdrückt würden.
37
Nachdem sich das Papiererzeugnis gemäß Patentanspruch 1 als neu und erfinderisch erweise, seien auch die weiteren Angriffe auf die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 4, 6, 7 und 9 unbegründet.

Entscheidungsgründe

38
Die auf mangelnde Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig, in der Sache bleibt die Klage jedoch erfolglos.
I.
39
1. Das Streitpatent betrifft ein saugfähiges, mindestens dreilagiges Papierprodukt für den sanitären oder häuslichen Gebrauch, das insbesondere aus Zellulosewatte besteht (vgl. NK2, S. 2 [0001]).
40
Einleitend berichtet das Streitpatent, dass solche Produkte vor allem aus einer oder mehreren aufeinander gelegten Lagen oder Blättern bestünden, wobei die Lagen durch Zusammenbringung miteinander verbunden würden. Bei einem bekannten saugfähigen Papier, welches aus wenigstens drei Lagen mit einer Grammatur von jeweils etwa 17 g/m2 bestehe, sei eine ungeprägte Mittelschicht zwischen die zwei äußeren geprägten Lagen eingefügt. Die äußeren Lagen wiesen eine geringe Motivdichte von ca. 11 Vorsprüngen auf, wobei die distalen Oberflächen der Vorsprünge zur Mittellage ausgerichtet seien. Die drei Lagen würden mittels einer Stich-Stich-Verbindung im Bereich der zur Mittellage hingewandten distalen Oberflächen der Vorsprünge durch Pressdruck miteinander verbunden. Derartige Stich-Stich-verbundene Papierprodukte zeichneten sich durch eine hohe Widerstandsfähigkeit und Saugfähigkeit aus (vgl. NK2 S. 2 [0002] bis [0010]).
41
Das Streitpatent führt des Weiteren aus, dass andere dreilagige Produkte mit einer alternativen Verbindungstechnik miteinander verbunden würden, die als „Verschachtelung“ („nesting“) bezeichnet werde. Dabei würden die zwei übereinander gelegten Lagen und die dritte Lage mittels eines Vereinigungszylinders („marrying roll“) so verbunden, dass die distalen Flächen der Vorsprünge der zwei übereinander gelegten Lagen gegenüber den Flächen angeordnet würden, die zwischen zwei Vorsprüngen auf der Ebene der dritten Lage angeordnet seien (vgl. NK2 S. 2 [0011] und [0012]). Derartig verschachtelte Papierprodukte zeichneten sich durch eine gute Griffigkeit aus, jedoch mangele es ihnen an der gewünschten Zartheit (vgl. NK2 S. 3 [0016]).
42
Die allgemeine Definition der „Verschachtelung“ wird eingangs im Streitpatent noch dahingehend erweitert, dass die Verbindungsebenen zwischen den distalen Flächen der Vorsprünge der ersten geprägten Lage und der zweiten Lage auf derselben Ebene wie die Ebene der zweiten Lage liegen, wobei die relative Positionierung zur distalen Fläche im Verhältnis zu den Vorsprüngen der zweiten Lage unberücksichtigt bleibt. Folglich könnten sich diese zwischen zwei Vorsprüngen der zweiten Lage befinden oder aber auch teilweise oder gänzlich einen dieser Vorsprünge überdecken, der dann zerdrückt werden würde (vgl. NK2, S. 2/3 [0013]).
43
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, ein dreilagiges Papierprodukt zur Verfügung zu stellen, das sowohl stark und zart ist und eine gute Griffigkeit aufweist, sowie widerstandsfähig gegen Zerdrücken ist (vgl. NK2 S. 4 [0027]).
44
3. Gelöst wird die patentgemäße Aufgabe u.a. durch ein Papierprodukt gemäß Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen:
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1.1 Erzeugnis aus saugfähigem Papier mit einer Grammatur von etwa 36 bis etwa 105 g/m2,
46
1.2 das wenigstens drei Lagen aufweist, nämlich zwei äußere, eine untere und eine obere geprägte Lage, die jeweils reliefartige Motive aufweisen, welche wenigstens teilweise aus einzelnen Vorsprüngen gebildet sind, sowie eine Mittellage, wobei
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1.3 die distalen Oberflächen wenigstens eines Teils der Vorsprünge jeder der äußeren Lagen zu der Mittellage hin gerichtet sind und wobei
48
1.4 wenigstens eine der äußeren Lagen eine Motivdichte aufweist, die größer ist als 30 Vorsprünge/cm2, wobei
49
1.5 die untere geprägte äußere Lage ein erstes Motiv und ein zweites Motiv aufweist, wobei das zweite Motiv eine Höhe aufweist, die geringer als die des ersten Motivs ist, wobei
50
1.6 die Mittelage und die obere geprägte äußere Lage in einem so genannten „Verschachtelungs“-Modus mit der unteren geprägten äußeren Lage im Bereich wenigstens eines Teils der Scheitel des ersten Motivs der unteren geprägten äußeren Lage verbunden sind.
51
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Hochschulingenieur der Papiertechnik, der über eine einschlägige Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von mehrlagigen Papiererzeugnissen verfügt.
II.
52
1. Da die Patentansprüche die maßgebliche Grundlage des Patentschutzes bilden, sind diese vor der Beurteilung der Patentfähigkeit auszulegen. Dabei ist festzustellen, wie weit die offenbarte Erfindung in den Patentansprüchen, vorliegend insbesondere in Patentanspruch 1, Ausdruck gefunden hat.
53
1.1 Der erteilte Patenanspruch 1 bedarf insbesondere einer Auslegung im Hinblick auf den im Merkmal 1.6 enthaltenen Begriff „Verschachtelungs-Modus“.
54
Vorliegend entnimmt der Fachmann Merkmal 1.6, dass die Mittellage und die obere äußere geprägte Lage mit der unteren äußeren geprägte Lage im Bereich wenigstens eines Teils der Scheitel des ersten Motivs der unteren äußeren Lage im „Verschachtelungs-Modus“ verbunden sind. Der Anspruch lehrt ihn zudem, dass die untere Lage zwei Motive unterschiedlicher Höhe aufweist, wobei die distalen Vorsprünge des ersten Motivs höher sind als die des zweiten Motivs. Ergänzende Informationen zu dem Verbindungstyp „Verschachtelungs“-Modus lehrt ihn aber weder Anspruch 1 noch einer der weiteren Patentansprüche. Damit reicht der Inhalt der Patentansprüche für eine funktionsorientierte Auslegung des patentgemäßen Begriffs vorliegend nicht aus. Zur Auslegung ist entsprechend § 14 PatG daher auch die Beschreibung des Streitpatents heranzuziehen. Aus der Beschreibung des Streitpatents erfährt der Fachmann, dass der Begriff „Verschachtelung“ die Verwirklichung einer Verbindung ist, bei der die Ebene der distalen Oberflächen der höheren Vorsprünge der unteren geprägten Lage zwischen zwei distale Scheitel des Motivs der oberen geprägten Lage eingeschoben ist. Hierbei ist ein passgenauer Einschub jedoch nicht erforderlich (vgl. NK2 S. 4 [0028] i.V.m. [0037] und S. 5 [0043] vorletzt. und letzt. Satz). Somit versteht der Fachmann unter dem Begriff „Verschachtelungs-Modus“ sowohl einen exakten wie einen nicht exakten Einschub eines der höheren Vorsprünge der unteren Lage zwischen zwei Scheitel der oberen Lage. Dem Fachmann ist dabei evident, dass bei einer nicht exakten Verschachtelung die Vorsprünge zerdrückt werden, wobei er aber ausschließt, dass eine Stich-Stich-Verbindung im Bereich der niedrigeren Vorsprünge vorliegt (vgl. NK2 S. 5 [0049] i.V.m. Fig. 1). Die niedrigen Vorsprünge dienen nach der Lehre des Streitpatents vielmehr dazu, dem Papierprodukt eine größere Weichheit und eine höhere Dichte zu verleihen (vgl. NK2 S. 4 [0029]).
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1.2 Darüber hinaus ist der Sinngehalt des Begriffs „geprägte Lage“ in Patentanspruch 1 zu ermitteln, da zwischen den Verfahrensbeteiligten strittig ist, ob hierunter auch eine Lage zu verstehen ist, deren Motive durch ein Durchström-Trocknungsverfahren erzeugt worden sind.
56
Eine eingehende Betrachtung von Patentanspruch 1 liefert dem Fachmann zu dieser Fragestellung keine Hinweise. Aus Patentanspruch 12, welcher auf ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses aus säugfähigen Papier nach einem der Ansprüche 1 bis 11 gerichtet ist, erfährt er jedoch, dass die Motive der äußeren Lagen durch Prägen mit einem Prägezylinder erzeugt werden. Auch in der Beschreibung des Streitpatents wird mehrfach betont, dass die Motive der äußeren Lagen durch Prägung erzeugt werden (vgl. NK2 S. 4 [0031], S. 8 [0086]). Angaben zur Erzeugung der Motive auf andere Art und Weise, wie bspw. mit Hilfe eines Durchström-Trocknungsverfahrens („TAD-Verfahren“), bei dem eine feuchte, über eine perforierte Auflage geführte Papierbahn zur Trocknung mit Heißluft durchströmt wird, wobei sich Wölbungen ausbilden (vgl. gutachterlich: Stichwort „Durchströmtrocknung“ im Papier-Lexikon, Hrsg.: L. Göttsching und C. Katz, Bd. 1, Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, 1999, Seite 333), finden sich im Streitpatent hingegen nicht. Folglich versteht der Fachmann unter „geprägten Lagen“ solche, die ein reliefartiges Motiv aufweisen, welche durch Prägen einer glatten Lage mit einem Prägezylinder erhalten werden (vgl. gutachterlich: Stichwort „Prägen“ im Papier-Lexikon, Hrsg.: L. Göttsching und C. Katz, Bd. 2, Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, 1999, Seiten 447 bis 448).
57
1.3 Einer Auslegung bedarf auch der in Patentanspruch 1 verwendete Begriff „Mittellage“ und zwar inwiefern darunter auch eine geprägte Lage zu verstehen ist, da der erteilte Anspruch 1 hierzu keine Angaben enthält.
58
Der Fachmann wird sich zur Bestimmung des Sinngehalts dieses Merkmals wiederum der Beschreibung zuwenden. Dabei stößt er im Zusammenhang mit dem Herstellungsverfahren auf die Angabe, dass die Mittellage vorzugsweise nicht geprägt ist (vgl. NK2 S. 6 [0068] i.V.m. Fig. 1). Aus dieser Angabe schließt er, dass die Mittellage sowohl geprägt wie ungeprägt sein kann.
59
2. Das Papiererzeugnis des erteilten Patentanspruchs 1 erweist sich gegenüber dem Inhalt der Druckschriften NK9, NK10 oder NK15/NK16 (im Folgenden wird nur das deutsche Familienmitglied NK16 zitiert) als neu.
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In der Druckschrift NK9 wird ein dreilagiges Papierprodukt beschrieben, das eine untere geprägte Lage mit hohen und niedrigen Vorsprüngen, eine Mittellage und eine obere geprägte Lage mit Vorsprüngen in einer weiteren Höhe aufweist. Die Lagen werden im Bereich der distalen, zur Mittellage orientierten Vorsprungsoberflächen der oberen Lage miteinander verschachtelt (vgl. NK9, Fig. 2 Bezugszeichen 26). Dabei fügen sich die Vorsprünge der oberen Lage zwischen zwei niedrige Vorsprünge der unteren Lage ein. Zusätzlich findet eine weitere Verschachtelung der Lagen im Bereich (24) der niedrigeren Vorsprünge der unteren Lage statt (vgl. NK9, Patentanspruch 1, Sp. 2 Z. 26 bis 51; Sp. 4 Z. 41 bis Sp. 5 Z. 13, Fig. 2, Bezugszeichen 24, 26). Demzufolge unterscheidet sich das streitpatentgemäße Papierzeugnis von dem Produkt gemäß NK9 darin, dass eine Verschachtelung im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren geprägten Lage stattfindet, welche zumindest teilweise zwischen zwei zur Mittellage ausgerichteten Vorsprüngen der oben Lage eingefügt werden.
61
Nach Ansicht der Klägerin würden die Figuren 3, 4, 5 und 6 der NK9 ein Papierprodukt zeigen, bei dem die Mittellage und die obere äußere geprägte Lage mit der unteren äußeren geprägten Lage im Bereich der Scheitel des ersten höheren Motivs der unteren Lage exakt verschachtelt seien. Dem ist nur insoweit zu zustimmen, als die untere äußere Lage und die Mittellage im Bereich (22) der höheren Motive der unteren Lage exakt verschachtelt sind. Allerdings werden diese beiden Lagen im Bereich der Scheitel der höheren Motive der unteren Lage nicht mit der oberen Lage streitpatentgemäß verschachtelt, d.h. zwischen zwei Vorsprünge der oberen Lage eingefügt. Die Verbindung dieser Lagen mit der oberen Lage erfolgt vielmehr nur durch die Herstellung einer Klebebindung, wie sie in den Figuren 5 und 6 gezeigt wird, welche aber weder eine Verschachtelung noch eine Stich-Stich-Verbindung darstellt (vgl. NK9, Sp. 6 Z. 41 bis Sp. 7 Z. 8, Fig. 5 und 6). Als Endprodukt wird ein Papiererzeugnis gemäß Figur 2 bzw. 4 erhalten (vgl. NK9 Sp. 4 Z. 50 bis 53, Sp. 5 Z. 61 bis Sp. 6 Z. 21, Sp. 7 Z. 9 bis 12, Fig. 2 und 4), das demzufolge keine Verschachtelung gemäß dem patentgemäßen Merkmal 1.6 zeigt.
62
Das Dokument NK10 offenbart ein mehrlagiges Papiererzeugnis, das u.a. auch drei Lagen umfassen kann (vgl. NK10 Patentanspruch 1, S. 5 letzt. vollst. Abs., Fig. 2A, 2B). Die äußeren Lagen des Papierprodukts weisen Wölbungen („domes“) auf, die zur Mittellage hingerichtet sind. Diese Wölbungen werden gemäß NK10 durch ein Durchströmtrocknungsverfahren erzeugt (vgl. NK10 S. 9 erster vollst. Abs., S. 24 bis 26 Beispiel 3). Damit unterscheidet sich das patentgemäße Papiererzeugnis bereits darin von dem Produkt der NK10, dass die äußeren Lagen geprägt sind (vgl. II.1.2).
63
Die gemäß § 3 Abs. 2 PatG zu berücksichtigende NK16 nennt ein dreilagiges saugfähiges Papierprodukt mit zwei äußeren geprägten Lagen. Die Motivdichte der äußeren Lagen beträgt mehr als 30 Vorsprünge/cm2. Die Scheitel der Vorsprünge der äußeren Lagen können unterschiedliche Höhen aufweisen. Die Verbindung der Lagen erfolgt im Bereich der zur Mittellage hingerichteten Scheitel der Vorsprünge der äußeren Lagen durch eine „Spitze-Spitze“-Verbindung, die einer klassischen „Stich-Stich“-Verbindung entspricht (vgl. NK16 Patentanspruch 1, S. 3 [0014], [0016], S. 4 [0019], S. 5 [0031], [0033], Fig. 1). Die Klägerin ist zwar der Ansicht, dass auch verschachtelte Produkte von der Lehre der NK16 erfasst seien, dies ist jedoch seitens des Senats nicht erkennbar. Damit unterscheidet sich das Papiererzeugnis gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 von dem Erzeugnis nach NK16 darin, dass deren Lagen mit dem „Verschachtelungs-Modus“ verbunden sind.
64
Desweiteren wendet die Klägerin ein, dass die in den Absätzen [0038] und [0058] der NK16 genannten Produkte des Standes der Technik bzw. die beschriebenen Vergleichsbeispiele, die zwar nicht Bestandteil der Lehre der NK16 seien, sich als neuheitsschädlich erweisen würden. Diesem Vorbringen kann ebenfalls nicht gefolgt werden, da NK16 kein Papiererzeugnis entnommen werden kann, dessen äußere Lagen eine Motivdichte von größer als 30 Vorsprüngen/cm2 aufweisen und bei dem gleichzeitig die Lagen mittels der Verschachtelungstechnik miteinander verbunden worden sind. In Absatz [0038] auf Seite 5 wird lediglich beschrieben, dass die Dicke eines Blattes gemäß NK16 größer sei als die Dicke eines Blattes, welches durch das „Nested“-Verfahren (= Verschachtelungsverfahren) gewonnen werde und welches so gaufriert sei, dass es letztendlich die gleiche Festigkeit aufweise wie das „Stich-Stich“-Produkt gemäß der Lehre der NK16. Dies impliziert, entgegen der Schlussfolgerung der Klägerin, jedoch nicht, dass die Lagen des Verschachtelungsprodukts eine Motivdichte von mehr als 30 Vorsprüngen/cm2 aufweisen müssen. Denn es wird nur eine Motivdichte gefordert, die zur gleichen Festigkeit, wie die der Stich-Stich-Produkte, führt. Nachdem aber mit der Verschachtelungstechnik hohe Festigkeiten auch mit geringer Motivdichte erzielt werden können, wie die Beispiele in Abschnitt [0039] auf Seite 6 der NK16 zeigen, offenbart Abschnitt [0038] nicht unmittelbar und eindeutig verschachtelte Papierprodukte mit einer Vorsprungsdichte von mehr als 30 Vorsprüngen. So weist das dreilagige, verschachtelte Vergleichsprodukt eine Festigkeit von 124 N/m in Querrichtung und von 297 N/m in Laufrichtung bei einer Motivdichte von 9 Vorsprüngen/cm2 auf, während für eine äquivalente Festigkeit von 129 N/m in Querrichtung und von 289 N/m in Laufrichtung für das Stich-Stich-Produkt eine Motivdichte von 80 Vorsprüngen/cm2 benötigt wird (vgl. NK16 S. 6 [0039] bis [0041]). In einer weiteren Testserie haben die Produkte der NK16 wie die entsprechenden verschachtelten Vergleichsprodukte gemäß dem Stand der Technik eine Motivdichte von 16 bzw. 30 Vorsprüngen/cm2 (vgl. NK16 S. 7 [0048] bis S. 9 [0056]). Somit kann der NK16 nicht die Lehre entnommen werden, dass der Stand der Technik bereits Papierprodukte mit einer Motivdichte von mehr als 30 Vorsprüngen/cm2 kannte, die im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage verschachtelt sind. Das weitere Argument, der Fachmann würde bei einem Wert von 30 Vorsprüngen eine Unschärfe von ±1 miteinberechnen, sodass er auch 31 Vorsprünge mitlese, kann ebenfalls nicht überzeugen. Denn weder aus NK16 noch aus dem Fachwissen kann der Fachmann ableiten, dass der Wert mit einer solchen Ungenauigkeit vorliegt.
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Weiterer als neuheitsschädlicher in Betracht kommender Stand der Technik ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
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Ein Teil der zitierten Druckschriften offenbart zwar verschachtelte Papierprodukte, allerdings weisen diese Erzeugnisse keine patentgemäße Verbindung der Lagen auf, bei der die Mittellage und die oberen geprägte äußere Lage in einem so genannten „Verschachtelungs“-Modus mit der unteren geprägten äußeren Lage im Bereich wenigstens eines Teils der Scheitel des höheren Motivs der unteren geprägten äußeren Lage verbunden sind. Ein weiterer Teil der genannten Dokumente betrifft keine verschachtelten, sondern Stich-Stich-verbundene Papierprodukte. Ein Erzeugnis aus saugfähigen Papier mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist demzufolge keiner der weiteren Druckschriften zu entnehmen, sodass sich ein näheres Eingehen auf diese Druckschriften erübrigt.
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3. Das Erzeugnis aus saugfähigen Papier gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
68
3.1 Als geeigneter Ausgangspunkt erweist sich vorliegend die Druckschrift NK9, die die Herstellung von mehrlagigen, saugfähigen Papieren mit größerer Dicke und Festigkeit betrifft (vgl. NK9 Sp. 1, Z. 4 bis 9, Sp. 2 Z. 22 bis 25). Die jeweiligen Lagen haben eine Grammatur von 10 bis 40 g/m2. Für ein dreilagiges Papiererzeugnis resultiert somit eine Gesamtgrammatur von 30 bis 120 g/m2. Die äußeren Lagen sind geprägt, wobei die untere Lage über Vorsprünge in zwei unterschiedlichen Höhen verfügt. Die mittlere Lage hat Vorsprünge in einer weiteren Höhe, wobei die Vorsprünge so ausgebildet sind, dass sie gleichgerichtet sind zu den Vorsprüngen der unteren Lage. Die Vorsprünge der oberen äußeren Lage haben eine Höhe, die mindestens 50% der Höhe der Vorsprünge der mittleren Lage entspricht. Die untere Lage und die Mittellage sind im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage miteinander verschachtelt. Die obere Lage ist in diesem Bereich durch eine Klebebindung an die distale Oberfläche des Vorsprungs der Mittellage gebunden. Zusätzlich sind die drei Lagen durch eine Verschachtelung der zur Mittellage hingerichteten Vorsprünge der oberen äußeren Lage und im Bereich der kleineren Vorsprünge der unteren Lage miteinander verbunden (vgl. NK9 Patentansprüche 1 und 2, Fig. 2). Damit mag die NK9 ein dreilagiges Papiererzeugnis offenbaren, dessen Lagen durch eine Verschachtelung miteinander verbunden sind, jedoch liefert die Druckschrift dem Fachmann keinen Hinweis, eine Motivdichte von mehr als 30 Vorsprüngen/cm2 für die äußeren Lagen vorzusehen und zudem alle drei Lagen des Papiererzeugnisses im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren äußeren Lage zu verschachteln.
69
Der Klägerin kann nicht zugestimmt werden, dass der NK9 eine Vorsprungsanzahl von 31 Vorsprüngen/cm2 für die äußeren Lagen entnommen werden kann. Aus der Angabe in Spalte 4, Zeilen 39 und 40 der NK9, gemäß der die Vorsprünge der Lagen „sehr zahlreich“ seien, kann jedenfalls nicht geschlossen, dass damit eine Motivdichte gemeint ist, wie sie für Lagen des Papierprodukts der NK7 angegeben ist, welche als Stand der Technik in der einleitenden Beschreibung der NK9 erwähnt wird. Denn es fehlt in NK9 an einer Bezugnahme, die indiziert, dass sich die Lehre der NK9 die Motivdichten von bis zu 31 Vorsprünge/cm2 gemäß NK7 zueigen macht (vgl. NK7 Patentanspruch 1).
70
3.2 Ausgehend von NK9 benötigt der Fachmann somit weitere Anregungen, um in naheliegender Weise zu einem Papiererzeugnis mit den patentgemäßen Merkmalen 1.4 und 1.6 zu gelangen, wie es im erteilten Patentanspruch 1 beschrieben ist.
71
Bei seiner Suche beachtet der Fachmann insbesondere die weiteren Dokumente NK4, NK7, NK8, NK10 und NK11.
72
Die NK4 hat zum Ziel, ein im Vergleich zu verschachtelten Papierprodukten besser komprimierbares, mehrlagiges Papiererzeugnis zur Verfügung zu stellen, das sich weich und griffig anfühlt (vgl. NK4 Sp. 1 Z. 11 bis 19, Z. 38 bis 43, Z. 56 bis Sp. 2 Z. 2). Als Lösung wird in NK4 ein mehrlagiges Erzeugnis vorgeschlagen, dessen geprägte Papierlagen eine Motivdichte von 31 bis 62 Vorsprüngen/cm2 aufweisen. Die distalen zur Mittellage orientierten Oberflächen der Vorsprünge der äußeren Lagen werden im „Stich-Stich“-Modus verbunden (vgl. NK4 Patentanspruch 1 Sp. 4 Z. 53 bis 60, Sp. 5 Z. 62 bis 73, Fig. 7). Damit weist die Lehre der NK4 von einer Anwendung der Verschachtelungstechnik weg. Entgegen der Ansicht der Klägerin hätte der Fachmann auch nicht das isolierte Merkmal der Motivdichte aus NK4 in Betracht gezogen, da dies nach der dortigen Lehre unmittelbar mit der Verbindungstechnik verknüpft ist (vgl. NK4 Patentanspruch 1).
73
Hinweise dafür, die Verschachtelung der drei Lagen im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage zu positionieren, kann die Druckschrift NK7 dem Fachmann schon deshalb nicht vermitteln, da die Lagenkonstruktion der NK7 keine unterschiedlich hohen Vorsprünge innerhalb einer Lage vorsieht (vgl. NK7 Sp. 3/4, übergreif. Satz, Fig.4). Zudem beschreibt die NK9 die NK7 als nachteilig, weshalb der Fachmann die Lehre der NK7 nicht in Kombination mit NK9 zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe herangezogen hat (vgl. NK9 Sp. 1 Z. 20 bis 46).
74
Der NK8 kann ein mehrlagiges Papiererzeugnis entnommen werden, dessen Lagen durch eine Verschachtelung miteinander verbunden sind, allerdings werden hierfür nicht die höheren Vorsprünge der unteren Lage verwendet. Die Verschachtelung erfolgt vielmehr, wie auch bei NK9, über die Vorsprünge der oberen Lage, die zwischen zwei niedrige Vorsprünge der unteren Lage eingeschoben werden bzw. über die niedrigeren Vorsprünge der unteren Lage (vgl. NK8 Patentanspruch 1, Sp. 2 Z. 45 bis 61; Sp. 4 Z. 63 bis Sp. 5 Z. 8, Fig. 4). Demzufolge liefert auch dieses Dokument dem Fachmann keine über die Lehre der NK9 hinausgehende Anstöße in Richtung der patentgemäßen Verbindung der Lagen gemäß Merkmal 1.6.
75
Eine Anregung für die patentgemäße Verschachtelung im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage lässt sich auch der NK10 nicht entnehmen, da diese mit Stich-Stich-verbundenen Papiererzeugnissen befasst ist (vgl. NK10, Patentanspruch 1, S. 3, 1., 2. und vorletzt. Abs.). Die äußeren Lagen des mehrlagigen Papierprodukts der NK10 verfügen über Wölbungen („domes“), die bei der Herstellung der Papierbahn mit Hilfe eines Durchströmtrocknungsverfahren erzeugt werden (vgl. NK10, S. 9 erster voll. Abs. bis S. 10 vorletzt. Abs., S. 24 bis 26 Beispiel 3, Fig. 2A und 5). Das dreilagige Papierprodukt gemäß der Figur 2A verfügt über eine ungeprägte Mittellage und zwei äußere Lagen mit Wölbungen. Die zur Mittellage hingerichteten Wölbungen sind „Stich-Stich“ verbunden. In NK10 wird zwar auch ein zweilagiges Produkt genannt, dessen Lagen einzelne Verschachtelungsverbindungen der oberen Lage zur unteren Lage aufweisen (vgl. NK10 S. 5 vorletzt. Abs., Fig. 1A), allerdings führt diese Information nicht dazu, dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu einer Verbindung der Lagen gemäß dem patentgemäßen Merkmal 1.6 gelangt. Denn dies hätte eine Abkehr sowohl von der Struktur der NK10 als auch von der der NK9 bedeutet, da er hierfür die Verschachtelung der oberen Lage gemäß NK10 hätte aufgeben und stattdessen diese im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage der NK9 positionieren müssen.
76
Dies gilt auch für die Lehre der Druckschrift NK11, die zwar mehrlagige Papierprodukte aus geprägten Lagen mit Vorsprüngen unterschiedlicher Höhe im streitpatentgemäßen Sinn betrifft. Im Gegensatz zum streitpatentgemäßen Papiererzeugnis sind die äußeren Lagen jedoch im Bereich der höheren Vorsprünge „Stich-Stich“ verbunden (vgl. NK11 Sp. 1 Z. 7 bis 10, 53 bis 57, 60 bis 68, Sp. 3 Z. 23 bis 28, Sp. 4 Z. 39 bis 50, Fig. 8). Demzufolge kann die NK11 dem Fachmann keinen Anreiz bieten, eine Verschachtelung der Lagen im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren Lage in Betracht zu ziehen.
77
3.3 Alternativ zur Druckschrift NK9 bildet für den auf dem Gebiet der Papiererzeugnisse tätigen Fachmann die NK11 einen weiteren geeigneten Ausgangspunkt, da sie gleichfalls ein mehrlagiges, saugfähiges Papierprodukt betrifft. Das dreilagige Produkt gemäß Figur 8 der NK11 besteht aus zwei äußeren, geprägten Lagen und einer dazwischen liegenden Mittellage. Die äußeren Lagen weisen Vorsprünge in zwei unterschiedlichen Höhen auf, die jeweils zur Mittellage hingerichtet sind. Im Bereich der jeweils höheren Vorsprünge sind die Lagen „Stich-Stich“-verbunden. Das Papiererzeugnis weist eine hohe Weichheit aufgrund der flexiblen Bereiche der äußeren Lagen mit den niedrigen Vorsprüngen auf (vgl. NK11 Sp. 4 Z. 57 bis 62, Fig. 8). Solche Papiererzeugnisse wecken zweifelsohne das Interesse des Fachmanns, der auf der Suche nach einem dreilagigem Papierprodukt ist, das sowohl fest und zart ist und eine gute Griffigkeit aufweist, sowie widerstandsfähig gegen Zerdrücken ist. Die Kombination von NK11 mit NK8 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens gemäß NK4 führt aber dennoch nicht in naheliegender Weise zu dem Papiererzeugnis gemäß Patentanspruch 1. Dem Fachmann mag zwar aus NK4 bzw. NK8 bekannt gewesen sein, dass „Stich-Stich“-verbundene Papiererzeugnisse gegenüber verschachtelten Produkten weniger resistent gegen Zusammendrücken sind (vgl. NK4 Sp. 1 Z. 39 bis 49; vgl. NK8 Sp. 1 Z. 45 bis 58). Um diesem Problem zu begegnen schlägt die NK8 ein mehrlagiges Papier mit zwei geprägten, äußeren Lagen vor, das verschachtelt ist. Die Verschachtelung ist im Bereich der Vorsprünge der oberen Lage lokalisiert, die sich zwischen zwei niedrige Vorsprünge der unteren Lage eingeschoben sind. Die untere Lage weist darüber hinaus noch höhere Vorsprünge auf, die aber nicht für eine Verschachtelungsverbindung vorgesehen sind (vgl. NK8 Sp. 4 Z. 63 bis Sp. 5 Z. 8, Fig. 4). In Kenntnis dessen wird der Fachmann aber nicht dazu angeregt, bei dem Papierprodukt der NK11 die Lagenkonfiguration so zu verändern, dass die höheren Vorsprünge der unteren Lage für eine Verschachtelung genutzt werden können. Damit führt die Zusammenschau der Dokumente NK11 und NK8 nicht ohne erfinderische Überlegungen zu der patentgemäßen Verschachtelung gemäß Merkmal 1.6.
78
3.4 Auch die weiteren Dokumente NK5, NK6, NK12 bis NK14 und NK19 bis NK21 veranlassen den Fachmann, nicht sich einem Papiererzeugnis zu zuwenden, das äußere, geprägte Lagen mit einer Motivdichte von mehr als 30 Vorsprünge/cm2 aufweist, die im Bereich der höheren Vorsprünge der unteren äußeren Lage im „Verschachtelungs-“Modus verbunden sind.
79
So lehren die NK5, NK12 und NK13 jeweils die Papiererzeugnisse aus geprägten, äußeren Blättern, die verschachtelt sind (vgl. NK5 Patentanspruch 1, Fig. 2; vgl. NK12 S. 3, 3. Abs.; vgl. NK13 S. 11/12 übergr. Abs., Fig. 5). Diese Schriften liefern dem Fachmann weder Anregungen, die untere Lage mit Vorsprüngen unterschiedlicher Höhe zu prägen, noch die Motivdichte zu erhöhen. Die Druckschriften NK6 und NK14 befassen sich hingegen mit Papiererzeugnissen, die sowohl im „Stich-Stich“- als auch im „Verschachtelungs“-Modus bzw. nur im „Stich-Stich“-Modus verbunden sind (vgl. NK6 Patentanspruch 1, Sp. 2 Z. 8 bis 21, Sp. 4 Z. 31 bis 40, 44 und 45, Sp. 4 Z. 49 bis Sp. 5 Z. 13, Sp. 7 Z. 5 bis 13, Sp. 7, Z. 5 bis 13, Fig. 1 bis 3 und 5; vgl. NK14 Patentansprüche 1, 10 und 13, S. 9 Z. 3 bis 12, Fig. 4). Nachdem der Fokus in beiden Schriften auf einer „Stich-Stich“-Verbindung liegt, veranlassen diese den Fachmann nicht dazu, sich einer ausschließlichen Verbindung der Lagen im „Verschachtelungs-“Modus im Bereich der höheren Motive der unteren Lage zu zuwenden.
80
Die Entgegenhaltungen NK19 bis NK21 sind von der Klägerin nur zur Darlegung des zum Prioritätszeitpunkt bekannten Fachwissens bzgl. der Herstellung von haushaltsüblichen, mehrlagigen Papiererzeugnissen genannt worden, welche grundsätzlich „Stich-Stich“ oder „verschachtelt“ miteinander verbunden sind (vgl. NK19 S. 1 Z. 18 bis Seite 2 Zeile 2; vgl. NK20 Patentanspruch 1, Fig. 3). Der NK21 kann darüber hinaus entnommen werden, dass eine nicht exakte Verschachtelung der Papierlagen selbst bei exakt synchronisierten Prägewalzen auftritt (vgl. NK21 S. 6, re Sp.). Demzufolge liefern diese Dokumente gleichfalls keine weiteren Anregungen, die dazu führen, dass der Fachmann in naheliegender Weise zu dem patentgemäßen Papiererzeugnis hätte gelangen können.
81
Der erteilte Patentanspruch 1 hat daher Bestand. Mit ihm haben auch die weiteren angegriffenen Ansprüche 2 bis 4, 6, 7 und 9 Bestand, die auf vorteilhaften Ausführungsformen des Papiererzeugnisses nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.
82
4. Der Senat hat davon abgesehen, entsprechend den Anträgen der Parteien, ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Fragen zu verschiedenen Aspekten der Stich-Stich- und der Verschachtelungs-Verbindung von geprägten Papierlagen, insbesondere zum diesbezüglichen Verständnis des Fachmanns einzuholen. Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist ein solcher Beweis in der Regel nicht erforderlich, da die Nichtigkeitssenate und die technischen Beschwerdesenate mit sachverständigen Richtern besetzt sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1235 LS 1 u. Rn 8 – Kommunikationsrouter; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 157; Busse, PatG, 8. Aufl., § 87 Rn. 23, § 88 Rn. 11). Insbesondere bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht, wenn sich das Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., Vorbem § 402 Rn. 3). Nach diesen Grundsätzen war vorliegend kein Beweis durch Sachverständige zu erheben, da der Senat aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage ist, anhand der Fachliteratur, insbesondere der von den Parteien zur Verfügung gestellten Literatur, das darin wiedergegebene Fachwissen zur Tatsachenbeurteilung zur Kenntnis zu nehmen und damit den gegebenen Sachverhalt umfassend zu erkennen und zu würdigen.
IV.
83
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
84
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
V.
85
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
(Der Berichtigungsbeschluß vom 5. September 2019 wurde von juris bereits in den oben stehenden Text eingearbeitet)


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