Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Sessel für Sessellift” – zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – Nichtberücksichtigung von Merkmalen zur grafischen Gestaltung einer Sitzfläche

Aktenzeichen  1 Ni 2/18 (EP)

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:130220U1Ni2.18EP.0
Normen:
Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk
Art 56 EuPatÜbk
Spruchkörper:
1. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 174 854
(DE 50 2009 000 692)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2020 durch die Präsidentin Schmidt, den Richter Dr.-Ing. Baumgart, die Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier und Dipl.-Ing. Körtge
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 174 854 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 174 854, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2009 000 692 geführt wird und dessen Erteilung am 25. Mai 2011 veröffentlicht worden ist. Das am 10. September 2009 unter Inanspruchnahme der Priorität des österreichischen Patents 15862008 vom 9. Oktober 2008 angemeldete Streitpatent trägt die Bezeichnung „Sessel für Sessellift“.
2
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung 15 Ansprüche mit einem unabhängigen Patentanspruch 1 und auf diesen zumindest mittelbar rückbezogene Ansprüche 2 bis 15. Der Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung – mit hinzugefügter Merkmalsgliederung des Senats – wie folgt:
3
„Sessel eines Sesselliftes mit mehreren Sitzen (14), mit einem Schutzbügel (8), der sich quer über die Sitze (14) erstreckt und von einer offenen Position in eine geschlossene Position verschwenkbar ist, und mit Fußstützen (11), die mittels eines Tragbügels (12) am Schutzbügel (8) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Tragbügel (12) in der geschlossenen Position des Schutzbügels (8) im Mittelbereich vor dem jeweiligen Sitz (14) vom Schutzbügel (8) nach unten zur Fußstütze (11) erstrecken.“
4
M1 Sessel eines Sesselliftes,
5
M2 mit mehreren Sitzen (14),
6
M3 mit einem Schutzbügel (8),
7
M3.1 der Schutzbügel (8) erstreckt sich quer über die Sitze (14),
8
M3.2 der Schutzbügel (8) ist von einer offenen Position in eine geschlossene Position verschwenkbar,
9
M4 mit Fußstützen, die mittels eines Tragbügels (12) am Schutzbügel (8) angeordnet sind,
10
M4.1 die Tragbügel (12) erstrecken sich in der geschlossenen Position des Schutzbügels (8) im Mittelbereich vor dem jeweiligen Sitz (14),
11
M4.2 die Tragbügel (12) erstrecken sich in der geschlossenen Position vom Schutzbügel (8) nach unten zur Fußstütze (11).
12
Wegen des Wortlauts der zumindest mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift – folgend SPS kurzbezeichnet – verwiesen.
13
Die Klägerin greift das erteilte Streitpatent – und folgend alle von der Beklagten eingereichten geänderten Fassungen – in vollem Umfang an und macht hierfür den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in seiner erteilten Fassung sowie in geänderter Fassung mit den Hilfsanträgen 1 bis 6.
14
Der Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 enthält gegenüber dem geltenden Patentanspruch 1 folgende hinzugefügte Merkmale (die hochgestellte Zahl gibt die Ziffer des jeweiligen Hilfsantrags an):
15
M2.1H1,2,3,4 Die Sitzfläche (6) weist im Bereich ihrer Vorderkante (20) einen mittigen Bereich (13) auf, der sich hinsichtlich seiner graphischen Gestaltung von den seitlich daneben angeordneten Bereichen unterscheidet.
16
M2.1.1H3,4 Der mittige Bereich (13) der Sitzfläche (6) im Bereich der Vorderkante (2) ist eine Graphik, insbesondere ein Bild, ein Muster, eine Markierung, oder dergleichen.
17
M2.2H5,6 Zwischen den Sitzflächen (6) sind sich über die Sitzflächen (6) erhebende Trennelemente (20) angeordnet.
18
M4.3H2,4,6 Die Tragbügel (12) verlaufen mittig vor dem jeweiligen Sitz (14) vom Schutzbügel (8) nach unten, so dass ein Fahrgast die Tragbügel (12) bei geschlossenem Schutzbügel (8) zwischen seinen Beinen hat.
19
Wegen des Wortlauts der jeweiligen Hauptansprüche (Anspruch 1) sowie der übrigen Ansprüche wird auf die jeweilige Fassung der Hilfsanträge 1 bis 6 in den Schriftsätzen vom 20. Dezember 2019 Bezug genommen.
20
Die Klägerin, die ihr Vorbringen auf folgende Dokumente stützt,
21
NK5 JP H01-113075
22
NK5a englische Übersetzung von NK5
23
NK6 DE 100 51 170 B4
24
NK7 CH 400 219
25
NK8 Web-Veröffentlichung https://www.remontees-mecaniques.net/bdd/liste-6-2-poma.html
26
NK9 Zwischenbescheid EPA-Einspruchsabteilung v. 29.01.2013
27
NK10 Web-Veröffentlichung https://www.remontees-mecaniques.net/bdd/reportage-tsf1-du-crey-rond-poma-214.html
28
NK11 begl. deutsche Übersetzung der NK5
29
NK12 Protokoll der Besichtigung des Gondellift-Museums Taninges am 19.6.2019
30
NK12a deutsche Übersetzung von NK12
31
NK13 Website www.remontees-mecaniques.net/bdd/reportage-tsf1-du- crey-rond-poma-214.html, hier Bulletin municipal N° 12 Décembre 2000
32
NK14 FR 2 854 853 B1
33
macht geltend, dass dem Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den Druckschriften NK5, NK6 die Neuheit fehle, jedenfalls ermangele es diesem ausgehend von der Druckschrift NK6 i.V.m. dem Inhalt der Web-Veröffentlichung NK8 bzw. i.V.m. Fachwissen oder der Druckschrift NK7 i.V.m. Fachwissen an erfinderischer Tätigkeit. Sie bringt zudem unter Bezugnahme auf die Dokumente NK8, NK10, und NK13 mit dem dort gezeigten Einersessel eines Sesselliftes mit (Schutz-) Bügel und Fußstütze eine offenkundige Vorbenutzung des erfindungsgemäßen Gegenstandes des Streitpatents vor und stützt ihr Vorbringen hierzu zudem auf eine durch einen Gerichtsvollzieher protokollierte Besichtigung von Liftsesseln in einem Museum (NK12/NK12a). Schließlich ergäbe sich aus keinem der Hilfsanträge ein patentfähiger Anspruch, weil diese den weder neuen, noch erfinderischen Hauptanspruch mit ebenfalls nicht patentfähigen Unteransprüchen kombinierten.
34
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 16. Oktober 2019 übermittelt. In der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2020 hat der Senat den Parteien einen weiteren rechtlichen Hinweis erteilt.
35
Die Klägerin beantragt,
36
das europäische Patent 2 174 854 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
37
Die Beklagte beantragt,
38
die Klage abzuweisen,
39
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 6, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019, erhält.
40
Sie tritt der Auffassung der Klägerin in allen Punkten entgegen. Die Beklagte nimmt folgende in der Streitpatentschrift erwähnte Druckschriften in Bezug
41
rop1 WO 2006/077474 A
42
rop2 FR 1 376 569
43
rop3 DE 100 51 170 A1
44
rop4 AT 411 523 B
45
rop5 AT 411 046 B
46
und stützt sich zudem u.a. auf folgende Dokumente:
47
rop7 Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts vom 23. November 2012
48
rop8 Mitteilung über Einstellung eines europ. Einspruchsverfahrens vom 6. Mai 2013
49
rop11 Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25.4.2019,Az.: 4a O 51/18
50
rop12 Urteil Tribunal de grande Instance de Paris v. 8.11.2019
51
rop12a deutsche Übersetzung der rop12
52
rop13 EP 2 174 854 A1
53
Entgegen der Auffassung der Klägerin zeige keine der von ihr vorgelegten Druckschriften den Gegenstand des Streitpatents, insbesondere nicht die NK5, die weder eine konstruktive Gestaltung für eine Person, jedenfalls nicht eine konstruktive Gestaltung eines Einzel-Liftsessels mit mittiger Fußstütze, noch eine Doppelfunktion eines Bügels als Fußstützentragbügel und Sicherungsteil gegen das Durchrutschen offenbare. Wie auch bei anderen Druckschriften, u.a. der rop3 bis rop5, befinde sich bei den dort gezeigten mehrsitzigen Sesseln eines Sessellifts ein Fußstützentragbügel zwischen den Sitzflächen und nicht im Mittelbereich vor dem jeweiligen Sitz. Im Hinblick auf den gattungsgemäßen, die technische Entwicklung bei mehrsitzigen Liftsesseln aufzeigenden Stand der Technik nehme der Fachmann einsitzige Sessel gar nicht in den Blick, so dass der Fachmann auch unter Berücksichtigung der Dokumente nach NK12/12a nicht zur erfindungsgemäßen Ausgestaltung gelange. Außerdem diene der dortige Bügel allein der Aufhängung der Fußstütze und habe nicht die Funktion der Sicherung vor einem Hindurchrutschen. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass ein einsitziger Liftsessel, wie von der Klägerin bildlich gezeigt, in dem von ihr angegebenen Zeitraum 1961 bis 2005 auf einem Sessellift im Skigebiet Crêt Rond montiert bzw. ein solcher Sessellift zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents noch öffentlich zugänglich gewesen sei. Zur Offenbarung der ihrer Meinung nach präzisierenden Beschreibung des erfindungsgemäßen Sicherungsteils in den Hilfsanträgen verweist die Beklagte auf die Anmeldeschrift des Streitpatents (rop13).
54
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung 13. Februar 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

55
Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Artikel Art. 138 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 54, 56 EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG geltend gemacht wird, ist zulässig. Sie ist auch begründet. Denn das Streitpatent erweist sich in der geltenden Fassung wie auch in der Fassung nach den Hilfsanträgen wegen mangelnder Patentfähigkeit als nicht rechtsbeständig und ist daher für nichtig zu erklären.
56
1. Zum Gegenstand des Streitpatents
57
Das Streitpatent betrifft einen Sessel eines Sesselliftes mit mehreren Sitzen, mit einem von einer offenen in eine geschlossene Position verschwenkbaren, sich quer über die Sitze erstreckenden Schutzbügel, an dem Fußstützen mittels Tragbügeln angeordnet sind. Mit dem Anspruch 15 ist das Schutzbegehren auch auf einen Sessellift mit derartigen Sesseln gerichtet.
58
Um ein Herausfallen oder Abrutschen der Fahrgäste von Liftsesseln mit einem oder mehreren nebeneinanderliegenden Sitzen zu verhindern, weisen solche „Sessel“ nach dem Stand der Technik – mit Hinweis auf die Druckschriften rop1, rop2 und rop3 in Abs. [0002] der SPS – über die gesamte Breite des Liftsessels gehende Schutzbügel der Art auf, dass sich in der der geschlossenen Position entsprechenden Schwenkstellung ein Querbügel vor den Fahrgästen über deren Oberschenkel erstreckt. Auch seien bei bekannten Liftsesseln an den Schutzbügeln Fußstützen über Tragbügel befestigt, die sich zwischen den Sitzen nach unten erstrecken; der Fahrgast könne so seine Beine zusammen mit Skiern oder einem Snowboard auf die von der Seite zur Mitte des Sitzes hin ragenden Fußstützen stellen. Hierbei käme es allerdings zu unerwünschten Kontakt zwischen den Sportgeräten benachbart sitzender Fahrgäste (vgl. Abs. [0004]). Bei einer vorschriftsgemäßen Dimensionierung des Abstands zwischen dem Schutzbügel und der Sitzfläche sei dieser in der Regel für kleinere Personen zu groß, weshalb für diese die Gefahr des Durchrutschens bestehe, insbesondere wenn sich diese aufgrund kürzerer Beine nicht an den Fußstützen abstützen können. Zur Verminderung der Gefahr des Durchrutschens sei es bekannt – mit Hinweis auf die Druckschriften rop4 und rop5 in den Abs. [0004] und [0005] –, an den Schutzbügeln Sicherungsteile anzuordnen, die sich in geschlossener Position des Schutzbügels in Richtung zur Mitte des Vorderkante der jeweiligen Sitzflächen hin erstrecken. Mit diesen Schutzelementen sei ein beim Schließen des Schutzbügels notwendiges seitliches Ausweichen und anschließendes Abstellen der Füße unter Vermeidung von Kollisionen schwieriger.
59
Nach der in der Streitpatentschrift benannten Aufgabe sollen die herausgestellten Probleme bei einem gattungsgemäßen Liftsessel „vermieden werden“, was der erfindungsgemäßen Lösung zugeschrieben wird, dass sich die Tragbügel in der geschlossenen Position des Schutzbügels im Mittelbereich vor dem jeweiligen Sitz vom Schutzbügel nach unten zur Fußstütze erstrecken (vgl. Abs. [0007] und [0008]).
60
2. Zum Fachmann
61
Als Durchschnittsfachmann ist für das Verständnis des Streitpatentgegenstands sowie bei der nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik von einem mit der Entwicklung und Konstruktion von Sesseln für Seilbahnen befassten Maschinenbauingenieur auszugehen, der über mehrjährige Berufserfahrung bei einem Hersteller von Seilbahnanlagen zur Personenbeförderung oder auf dem Gebiet der Seilbahntechnik zur Personenbeförderung im Übrigen verfügt.
62
3. Hauptantrag
63
3.1 Zum Verständnis der Lehre nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
64
Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnung heranzuziehen hat (BGH GRUR 2007, 559  – Informationsübermittlungsverfahren). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht.
65
Ausgehend hiervon legt der Senat folgendes Verständnis der Lehre des geltenden Anspruchs 1 zugrunde:
66
Mit dem geltenden Anspruch 1 in der erteilten Fassung ist das Schutzbegehren auf einen mehrere – also mindestens zwei – Sitze (Mehrzahl lt. Merkmal M2) und einen verschwenkbaren Schutzbügel 8 aufweisenden „Sessel eines Sesselliftes“ (M1) gerichtet. In Anbetracht der beschriebenen Ausführungsform, bei der der Schutzbügel an einem die Sitze tragenden Rahmen schwenkbar gelagert ist, steht der Ausdruck „Sessel“ für eine größere konstruktive Einheit – einen Liftsessel –, von dem im Anspruch allerdings selektiv nur die Bestandteile „Sitze“ (M2), „Schutzbügel“ (M3), „Tragbügel mit Fußstützen“ (M4) aufgeführt sind.
67
Der Anspruch 1 schreibt keine besondere Ausbildung der einzelnen Sitze vor, die entsprechend der Ausführungsbeispielbeschreibung durch jeweils eine Sitzfläche 6 und eine zugehörige Rückenlehne 7 charakterisiert sein können, in der Figur 1 ist das zugehörige Positionszeichen mehrfach entsprechend der Anzahl der Sitze eingetragen. Eine Aufteilung in Sitzflächen ist erst Gegenstand der Ausgestaltung nach dem erteilten Anspruch 12. Die geforderte Mehrzahl von Sitzen setzt lediglich einen ausreichend breit – auf die Anatomie erwachsener Menschen für ein Sitzen in vorzugebender Anzahl nebeneinander abgestimmt – dimensionierten Liftsessel voraus.
68
Der Anspruch schreibt insoweit zwar keine bestimmte Sitzposition in Querrichtung (über die Breite des Liftsessels/längs des sich „quer“ erstreckenden Schutzbügels (M3.1)) vor. Die Verschwenkbarkeit des Schutzbügels in eine geschlossene (M3.2), sich dann in Querrichtung „über die Sitze“ (M 3.1) erstreckende Position setzt jedoch eine bestimmungsgemäß sitzende Haltung eines jeden Passagiers auf dem „Sessel“ und eine Anordnung der Bestandteile des „Sessels“ im Übrigen voraus, damit der Schutzbügel seiner bereits durch den Begriff selbst – wie auch durch das Patent insgesamt – zugewiesenen Schutzfunktion gerecht wird. Daher muss eine Querstrebe des Schutzbügels entsprechend der Angaben zum Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung – auf dem die Erfindung aufbauen soll –, die sich dann „vor den Fahrgästen über deren Oberschenkel erstreckt“ (Abs. 0003]), jedenfalls im Bereich einer Ebene oberhalb der senkrecht projizierten Sitzflächenumrisse, mit ausreichendem Abstand gegenüber der Sitzfläche im Hinblick auf die in geschlossener Position dann darunterliegenden Oberschenkel, ausgerichtet sein. Diesem Sinngehalt entsprechend stellt sich auch das Problem, dass ein „Durchrutschen“ kleinerer Personen „unter“ (und somit nicht vor) dem Querbügel möglich sein kann (Abs. [0005]), nämlich aufgrund eines ansonsten zu großen Abstands zwischen der – durch ihre Vorderkante begrenzte – zum Aufsitzen in einer korrekten Sitzposition vorgesehenen Fläche der „Sitze“ und dem Schutzbügel (vgl. Absatz [0030]). Nichts Anderes ist von daher dem Merkmal M3.1 zu unterstellen.
69
Weiterhin schreibt der Anspruch eine der – bei einer Ausführung eines Liftsessels nach der Lehre des Anspruchs 1 vorzugebenden – Sitzplatzzahl entsprechende Anzahl von „Tragbügeln 12“ für die Fußstützen vor, denn diese sollen sich jeweils „im Mittelbereich vor dem jeweiligen Sitz“ (M4.1)“ erstrecken (vgl. auch Abs. [0025]). Aufgrund der Anordnung am Schutzbügel (M4) verschwenken diese gemeinsam mit diesem von der offenen in dessen geschlossene Position, bei der die Fußstützen dann der Sitzhaltung entsprechend ausgerichtet vorliegen. Der verwendete Begriff „Tragbügel“ spiegelt hierbei dessen Funktion wider, demnach dieser Bestandteil des Schutzbügels nach Art eines Bügels die Spanne zwischen dem obenliegenden Schutzbügel und der untenliegenden, von dieser getragenen Fußstütze überbrückt.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
70
Figuren 1 und 2 aus SPS (freigestellt, Begriffe ergänzt)
71
Als mögliche Ausführungsform ist in den Figuren 1 und 2 für das in der SPS beschriebene Ausführungsbeispiel eine Anordnung gezeigt, der insgesamt die Sicherung „vor dem Durchrutschen zwischen der Sitzfläche 6 und dem Schutzbügel 8“ zugeschrieben ist (vgl. Abs. [0025]), bei der einerseits „Fahrgäste mit längeren Beinen unter dem Schutzbügel bequem Platz finden“ (Unterstreichung hinzugefügt) und sich anderseits der jeweilige „Tragbügel 12“ bei geschlossener Position des Schutzbügels im hierfür nutzbaren Freiraum im Bereich zwischen den Knien und somit Oberschenkeln einer bestimmungsgemäß auf einem zugehörigen Sitz platzierten Person („korrekte Sitzposition“) erstreckt (vgl. auch Abs. [0030]).
72
In der gezeigten Anordnung stellt sich von daher der im Streitpatent herausgestellte Erfolg bei einer bestimmungsgemäß positioniert sitzenden Person ein, weil der Tragbügel eine zusätzliche Barriere in senkrechter Ausrichtung zum Schutzbügel bildet, wodurch der Spalt zwischen der Sitzfläche und dem sich quer über die Sitze erstreckenden Schutzbügel geschlossen wird. Insbesondere bei einer Formgebung und Beabstandung gegenüber der Sitzvorderkante, wie in der Figur 2 des Streitpatents gezeigt, entfalten der Schutzbügel und die Tragbügel eine kombinatorische Wirkung im Hinblick auf das im Patent herausgestellte Problem bzw. den herausgestellten Erfolg jedenfalls bei einer bestimmungsgemäß platzierten Person.
73
Den Merkmalen der Gruppen M3x und M4x kommt bei dem Liftsessel gemäß Anspruch 1 in Verbindung mit den übrigen Merkmalen allerdings lediglich die technische Wirkung zu, dass Fußstützen gemeinsam mit dem Schutzbügel in eine auf eine übliche Sitzhaltung mit abgewinkelten Unterschenkeln abgestimmte Position mittels senkrecht vom Schutzbügel abragenden Tragbügeln verschwenkbar sind, in einer den hierfür überhaupt zur Verfügung stehenden Bauraum kollisionsfrei nutzenden Anordnung. So kommt der Vorgabe einer Lage des Tragbügels „vor dem jeweiligen Sitz“ mit dem Merkmal M4.1 sowie „nach unten“ mit dem Merkmal M4.2 der Sinngehalt einer Gestaltung zu, bei der sich ein zwischen dem quer „über die Sitze erstreckenden“ Schutzbügel am vertikal oberen Ende und den Fußstützen am unteren Ende liegender Abschnitt des Tragbügels notwendigerweise im Bereich „mittig“ (Begriff lt. Absatz [0025]) vor der Vorderkante eines jeden Sitzes des Liftsessels und somit senkrecht gegenüber dem Schutzbügel bzw. der Sitzvorderkante erstreckt. Einen bestimmten Abstand, der zur Gewährleistung des der Merkmalsgruppe M4 zugeschriebenen Erfolgs einer Sicherung gegen ein Durchrutschen kleinerer Personen unter dem Schutzbügel vom Fachmann festzulegen bleibt, schreibt der Anspruch nicht vor. Auch die konstruktive Ausführung im Übrigen, d.h. die sonstige Gestalt und Anordnung des schwenkbaren Schutzbügels und die Dimensionierung und Formgebung der daran angeordneten Tragbügel mit den Fußstützen am abgewandten Ende daran bleibt insoweit dem Fachmann überlassen, als deren Lage in der eingeschwenkten Stellung und deren Flugkreisbahn beim Verschwenken jedenfalls auf die menschliche Anatomie abgestimmt sein muss – wie die Fußstützen in einer dem Gebrauchszweck genügenden Dimensionierung vorliegen müssen –, ohne dass der Anspruch hierfür Besonderheiten im Einzelnen über die vorstehend aufgeführten Implikationen hinsichtlich der relativen Lage und Ausrichtung des Schutzbügels und eines jeden Tragbügels sowie der Fußstützen gegenüber der Sitzvorderkante hinaus vorschreibt. Allerdings ist eine Anordnung mit Tragbügeln, mit denen der Erfolg einer zusätzlichen Sicherung gegen Durchrutschen unter einem hierfür bereits vorgesehenen Schutzbügel nicht erzielbar ist, d.h. bei der jeder Tragbügel nicht auch eine Barriere senkrecht zum Schutzbügel für eine bestimmungsgemäß sitzende Person darstellt, mit dem Sinngehalt des Anspruchs 1 in Anbetracht der durch das Streitpatent insgesamt vermittelten Lehre unvereinbar.
74
3.2 Ein Liftsessel entsprechend dem technischen – noch mit seinem Sinngehalt gemäß vorstehender Auslegung in Beziehung zu setzenden – Gehalt des erteilten Patentanspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.
75
Den nächstkommenden Stand der Technik dokumentiert vorliegend die Druckschrift NK5 bzw. die hierfür zu betrachtende Übersetzung NK11, die einen „sesselartigen Träger für Skilifte auf dem Gebiet der Seilbahntechnik betrifft“, mit einem „Sicherheitsbügel“ zum Zwecke, „Passagiere zu umgeben und ein Abstürzen zu verhindern und dadurch die Sicherheit zu gewährleisten“ (vgl. S. 2, erster Absatz i.V.m. Seite 3, erster Absatz in NK11).
76
Denn in dieser Gebrauchsmusterschrift ist ein Liftsessel mit Fußstützen, die mittels eines Tragbügels an einem schwenkbaren Schutzbügel angeordnet sind – wie folgend noch ausgeführt –, als eine mögliche Ausgestaltung eines dort im Einzelnen beschriebenen Aufbaus zur Weiterentwicklung eines in der Figur 8 („Beispiel eines bisherigen Trägers mit einem Sicherheitsbügel“, vgl. Seite 3, Sätze 1, 2 und 4) gezeigten Sessels herausgestellt, der keine Fußstützen aufweist.
77
Für den in den Figuren 1 und 2 gezeigten Liftsessel, der lt. der Beschreibung einen „normalen Aufbau“ haben soll und für den jedenfalls „Sitze 13,13“, eine „Rückenlehne 12“ und ein „Sicherheitsbügel 9“ angesprochen sind (vgl. Seite 5, Satz 2), ist eine Ausführung mit zwei Sitzflächen deutlich veranschaulicht, die aufgrund der zweifachen Eintragung der Positionszeichen 13 die dort angesprochenen „Sitze 13, 13“ darstellen. Am Liftsessel sind weiterhin „Armlehnen 11,11 und 11“ fixiert, dies „an der linken und rechten Position sowie in der Mitte der Sitze 13, 13“ (vgl. Seite 5, letzter Satz).
78
So wie sich die „Rückenlehne 12“ gemäß der eindeutigen zeichnerischen Darstellung ohne Unterbrechung über die gesamte Breite des Liftsessels und somit entlang beider „Sitze 13, 13“ gemeinsam erstreckt, ist auch der „Sicherheitsbügel 9“ bei dieser gezeigten Ausführungsform einteilig, wobei sich dessen in geschlossener Position etwa oberhalb der Vorderkante der Sitze quer erstreckender Stangenteil die sitzenden Passagiere von „der Vorderseite ohne Unterbrechung“ umgibt (vgl. Seite 3, Zeilen 11 bis 15). Denn lt. der Beschreibung hat der „Sicherheitsbügel 9“ eine Gestalt wie in Figur 3 dargestellt (vgl. Seite 6, letzter Satz), die hälftigen Vorderansichten in der Figur 1 sollen dagegen lediglich die beiden möglichen Stellungen des Bügels in einer Darstellung gemeinsam verdeutlichen (vgl. Seite 6, Zeilen 18 bis 20).
79
An diesem „Sicherheitsbügel 9“ sind dem jeweiligen „Sitz 13, 13“ zugeordnete „Fußstützrahmen 10“ fixiert (vgl. Seite 5, Satz 2), mit jeweils einem beidseitig in Querrichtung abragenden „Fußstützelement 10e“ am unteren Ende (vgl. Seite 7, Zeilen 12 und 13). Nach dem Verständnis des Fachmanns ist die in der NK5 angesprochene „federbelastete Aufspringvorrichtung“ im Hinblick auf den Ausgleich des zusätzlichen, durch die mitverschwenkten „Fußstützrahmen 10“ bedingten Gewichts am „Sicherheitsbügel 9“ vorgeschlagen (vgl. hierzu Seite 8 mit Seite 9, erster Absatz in NK11).
80
Bei diesem „Sessel eines Sesselliftes“ entsprechend Merkmal M1, der auch mehrere Sitze entsprechend Merkmal M2 aufweist, bildet der in NK11 so bezeichnete „Sicherheitsbügel 9“ den Schutzbügel entsprechend den Merkmalen M3, M3.1 und M3.2. Die „Fußstützrahmen 10“ entsprechen den Tragbügeln gemäß dem Sinngehalt der Merkmale M4 und M4.2 hinsichtlich Funktion und Anordnung.
81
Anhand der Figur und der Beschreibung ist allein nicht eindeutig feststellbar, ob die Offenbarung der Druckschrift NK5 auch einen Liftsessel mit nur einem Sitz für eine Person oder auch einen Liftsessel mit mehreren Sitzen für jeweils eine Person einschließt, bei der dann der bzw. die Tragbügel entsprechend der Darstellung in der Figur 1 im Mittelbereich vor dem einzelnen oder dem jeweiligen Sitz – entsprechend dem Sinngehalt des Merkmals M4.1 gemäß obiger Auslegung – lägen.
82
So ist die Formulierung „Ferner sind ein oder mehrere Sitze 13,13 für einen oder mehrere Passagiere auf der dem Unterteil näherliegenden Seite des Trägerrahmens 8 und eine Rückenlehne 12 hierfür fixiert“ in der Beschreibung der NK5 lt. der Übersetzung NK11 (vgl. dort Seite 5, vorletzter Satz) betreffend die in der Figur 1 dargestellte Ausführungsform nicht eindeutig. Auch lässt sich die Darstellung in der Figur 1 mit dem Gehalt dieser Textpassage nicht unzweifelhaft in Einklang bringen und weder einem Zweier- noch einem Vierer-Liftsessel eindeutig zuordnen, weil die Tragbügel eindeutig außermittig gegenüber dem jeweiligen „Sitz 13, 13“ eingezeichnet sind, zumal die in der Figur 1 der NK5 dargestellten Sitzflächen wie auch die den Sitzbereichen gemeinsam zuzuordnende Rückenlehne keine besondere Struktur aufweisen, die eine eindeutige Platzierung vorgeben. Die Einnahme einer Sitzposition mit dem Tragbügel zwischen den Beinen ist andererseits bei ausreichendem Platz weder ausgeschlossen noch abwegig.
83
Die in den Figuren 2 und 3 gezeigten, auf den vorderen Enden der von den Tragbügeln abragenden „Anschläge 10a, 10a“ aufgebrachten „Kappen 10b, 10b“ sollen der „Sicherheit der Passagiere“ dienen (vgl. in NK11 Seite 7, vorletzter Satz), nach dem Verständnis des Fachmanns also einer Verletzung beim etwaigen Auftreffen auf den Beinen bei fehlausgerichteter Sitzhaltung vorbeugen, was sowohl bei einer mittigen als auch außermittigen Lage der Tragbügel der Fall sein kann. Eine Präferenz oder Einschränkung des Offenbarungsgehalts der Druckschrift NK5 und somit eine Vorfixierung des Fachmanns auf eine bestimmte Anordnung kann daher aus der Figur 1 der NK5/NK11 nicht folgen.
84
Somit wird der Fachmann die Druckschrift NK5/NK11 als Vorlage für die bedarfsgerechte – der gewünschten Beförderungskapazität anzupassende – und anwendungsgerechte – eine kollisionsfreie Verschwenkbewegung von Hand unterstützende – Konstruktion eines mehrsitzigen Liftsessels mit ergänzten Fußstützen in mitverschwenkter Anordnung hernehmen und sich in Folge mit dem Hinweis in der Beschreibung der NK5 lt. der Übersetzung NK11 zu möglichen Ausführungsformen entsprechend seiner Kenntnis von im Stand der Technik eindeutig definierten Anordnungen der Tragbügel an Seilbahnsesseln je nach projektierter Sitzplatzanzahl auseinandersetzen.
85
So ist dem Fachmann bei der Konstruktion eines Liftsessels – auf Basis des in der NK5 angesprochenen Konzepts – ein vorbenutzter einsitziger Liftsessel mit mittig liegendem Tragbügel präsent. Denn die von der Klägerin behauptete Benutzung des Einer-Liftsessels mit einem Schutzbügel und daran mittig angebrachter Fußstütze, wie ihn die Abbildungen 1 bis 18 in der NK12/12a und identisch in der NK10 (dort Foto Seite 8/32) zeigen, ist nach Überzeugung des Senats vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents offenkundig geworden und gehört daher zum Stand der Technik, der bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen ist.
86
Die Existenz der in dem Gondelliftmuseum von Taninges, Frankreich, ausgestellten Einer-Liftsessel gemäß Abb. 1 bis 18 des Protokolls des französischen Gerichtsvollziehers vom 19. Juni 2019 (NK12a) wird von der Beklagten nicht bestritten, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat. Die Ausstellung eines Gegenstandes in einem öffentlichen Museum ist eine offenkundige Benutzung, weil das Wesen der Erfindung durch eine Zurschaustellung zum Zwecke der Besichtigung kundbar gemacht wird (vgl. BGH GRUR 1956, 208, 209 – Handschuh). Vorliegend ist aber von der Klägerin nicht vorgetragen worden, zu welchem Zeitpunkt der Einer-Liftsessel im Gondelliftmuseum erstmals ausgestellt worden ist. Jedoch handelt es sich bei den Ausstellungsstücken in einem technischen Museum zur Dokumentation der technischen Entwicklung üblicherweise u.a. um alte, dabei in der jeweiligen Fachbranche bekannte, da allgemein zugängliche Exponate. Dass im Gondelliftmuseum mit dem Einer-Liftsessel gemäß den Abb. 1 bis 18 ein solches Modell ausgestellt wird, dokumentiert neben dem verwitterten und korrodierten Zustand vor allem das verwendete Sitz- und Rückenflächenmaterial aus Holz. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurde zum Anmelde- bzw. Prioritätszeitpunkt des Streitpatents nicht mehr Holz, sondern Plastik als wetterbeständigeres Material für die Sitz- und Rückenflächen von Sesseln eines Sesselliftes verwendet. Zudem zeigen die Abbildungen in der NK10, die als einer Mono-Sesselliftanlage („Crey Rond“) mit Baujahr 1961 bis Betriebsende 2000 zugehörig herausgestellt sind (vgl. S. 5/32 und Foto S. 8/32) –, einen mit dem im Museum ausgestellten identischen Einer-Liftsessel an einer Sesselliftanlage.
87
Angesichts dessen steht fest, dass ein einsitziger Liftsessel, wie er in den Abbildungen 1 bis 18 der NK12/12a und identisch in der NK10 dargestellt ist, dem Fachkundigen zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannt war, jedenfalls zuvor objektiv als Vorbild zur Verfügung gestanden hatte. Ein etwaiger späterer Wegfall der Zugänglichkeit, etwa durch Demontage des Liftsessels von der Gondelanlage etwa wegen Betriebseinstellung oder Erneuerung, ist entgegen der Auffassung der Beklagte unerheblich; denn was einmal Stand der Technik war, bleibt es auch (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., § 3, Rn. 34). Zu welchem Zeitpunkt genau, an welchem konkreten Ort und an welcher konkreten Sesselliftanlage der vom französischen Gerichtsvollzieher im Gondelliftmuseum begutachtete Einersessel eingesetzt war, braucht vor diesem Hintergrund nicht festgestellt zu werden.
88
Bei diesem Liftsessel im Stand der Technik ragen Fußstützelemente beidseitig in Querrichtung vom unteren Ende des Tragbügels ab; aufgrund dieser Anordnung erstreckt sich der am schwenkbaren Schutzbügel angeordnete Tragbügel bei aufgesetzten Füßen einer bestimmungsgemäß sitzenden Person zumindest abschnittsweise zwischen deren Unterschenkeln und hat von daher auch die technische Wirkung einer zusätzlichen Barriere.
89
Eine Anordnung mit demgegenüber versetzt zwischen zwei aneinander angrenzenden Sitzen sich erstreckenden Tragbügeln für allerdings eine Ausführung mit insoweit geradzahliger Sitzplatzanzahl ist aus der Druckschrift rop5 bekannt, in der ein sechssitziger Liftsessel beschrieben und gezeigt ist (vgl. Seite 2, Zeile 53f i.V.m. Figur 1). Die Tragbügel für die Fußstützen am unteren Ende erstrecken sich bei geschlossener Stellung des Schutzbügels in dem hierfür kollisionsfrei nutzbaren Freiraum zwischen bestimmungsgemäß sitzenden Passagieren. Die Anzahl der Tragbügel entspricht dabei der Anzahl der Sitzplatzpaare, der beschriebene sechssitzige Liftsessel stellt insoweit eine Vervielfältigung eines zweisitzigen Sessels wie in der Druckschrift NK5 lt. der Übersetzung NK11 angesprochen (vgl. a.a.O.) dar, mit „mehreren Sitze“ für „mehrere Passagiere“.
90
Diese Möglichkeit der Vervielfachung eines Einzelsitzes – in der Übersetzung NK11 sind auch „mehrere Sitze“ für „einen“ Passagier angesprochen – mit mittigem Tragbügel wie vorliegend als Vorbenutzung zum Stand der Technik zählend stellt insoweit aber im Rahmen einer einfachen Dimensionierung in Anpassung an den praktischen Bedarfsfall gleichsam eine dem Fachmann präsente Alternative zur freien Auswahl dar, die der Fachmann bei Bedarf für einen mehrsitzigen Liftsessel aufgrund des Hinweises in der Druckschrift NK5 lt. der Übersetzung NK11 zu möglichen Varianten von Liftsesseln mit „mehreren Sitzen“ für „einen oder mehrere Passagiere“ ebenfalls in Betracht ziehen wird. Denn beide Varianten haben gleichermaßen die technische Wirkung, dass Fußstützen zusammen mit dem Schutzbügel kollisionsfrei – jedenfalls gegenüber einer bestimmungsgemäß sitzenden Person – in die für ein Aufsetzen der Füße notwendige Position bei geschlossenem Schutzbügel verschwenkt werden können.
91
Weil sich die technische Wirkung der Bestandteile gemäß der im geltenden Anspruch 1 aufgeführten Merkmalskombination hierin erschöpft, ist als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit auch nicht ausschließlich auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende Aufgabe abzustellen (vgl. hierzu BGH GRUR 2011, 607-610 – kosmetisches Sonnenschutzmittel III), zumal der subjektive, weil sich nur unter der Voraussetzung bestimmungsgemäß ausgerichtet sitzender Personen einstellende, Erfolg nicht mit der technischen Erfindung gleichzusetzen ist.
92
Von daher ist der durch die Druckschrift rop5 aufgezeigte Stand der Technik auch nicht zwingend Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns, bloß, weil dort für die alternative, seitlich versetzte Anordnung der Tragbügel eine konstruktive Lösung für das sich hierbei erst stellende Problem eines großen, durchrutschgefährdeten Spalts angeboten ist.
93
Somit kommt es auch nicht darauf an, dass die aus der rop5 hervorgehende Anordnung eine Umgestaltung erforderlich machen würde, wie wohl im Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts (rop7, vgl. Seite 13/15, zweiter Absatz) gefolgert.
94
Und unerheblich ist weiterhin, ob die Vorbenutzung gemäß Protokoll NK12/NK12a oder die Druckschrift NK5 laut der Übersetzung NK11 für die mit der mittigen Ausrichtung des Tragbügels zugleich erreichte Verbesserung der Lösung hinsichtlich der weiteren Problemstellung eines möglichen Durchrutschens eine ausdrückliche Anregung vermitteln (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 693-695 – Hochdruckreiniger).
95
Vorliegend beruht nämlich der Liftsessel mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 1 bereits deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil die Lösung als Auswahlalternative bei der Bewältigung des zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden Problems einer bedarfs- und anwendungsgerechten Konstruktion eines mehrsitzigen Liftsessels in Betracht kommt (s.o.). Ohne Bedeutung ist hierbei, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge (vgl. hierzu BGH GRUR 2016, 1023 – Anrufroutingverfahren). Der Erfolg einer Sicherung gegen Durchrutschen bei einer mittigen Anordnung – den zwischen den Beinen zur Verfügung stehenden Bauraum nutzend – stellt hierbei lediglich einen Bonuseffekt gegenüber einer Lösung mit seitlich versetzten Tragbügeln dar, die dagegen im hierfür gleichsam noch nutzbaren freien Bereich zwischen den Passagieren einschwenken – andere Möglichkeiten zeigt der im Verfahren befindliche Stand der Technik für mitverschwenkte Fußstützen nicht auf.
96
Vorliegend ist die Berücksichtigung der Anordnung mit mittigem Tragbügel als Alternative allerdings sogar durch eine Erfolgserwartung veranlasst. So ist in der Druckschrift rop5 die Anordnung von Schutzeinrichtungen am quer über die Sitze verlaufenden Steg des schwenkbaren Bügels vorgeschlagen, um der Gefahr des ansonsten möglichen Durchrutschens unter dem Steg des Bügels von kleinen Personen zu begegnen, die sich nicht an den Fußstützen abstützen können (vgl. Seite 2, Zeilen 8 bis 14 und 28 bis 32 i.V.m. Figur 1), gleichwohl diese Fußstützen der jeweiligen Sitzfläche zugeordnet sind.
97
Genau diesen Erfolg schreibt der Fachmann indes unmittelbar der mittigen Anordnung der Tragbügel wie bei dem durch Ausstellung gemäß Protokoll NK12/12a zum Stand der Technik gehörenden Einersessels zu, ohne dass es eines ausdrücklichen Hinweises hierauf bedarf. Die Variante einer mittigen Anordnung stellt daher auch hinsichtlich des durch die Barrierewirkung sich einstellenden Erfolgs eine gleichwertige Alternative dar.
98
Von daher hatte der Fachmann ausreichend Vorbild und Anlass, auch für einen mehrsitzigen Sessel selbst mit gerader Sitzplatzanzahl (Merkmal M2) mittig gegenüber jedem Sitz am Schutzbügel angeordnete Tragbügeln für die Fußstützen in Betracht zu ziehen und im Rahmen einer „Konzeption“ oder „Konstruktion“ – d.h. der gedanklichen Vorab-Realisierung einer technischen Vorrichtung der Wortbedeutung entsprechend – vorzuschlagen, dies unabhängig von einer tatsächlichen Herstellung. Eine Fehlvorstellung oder ein Vorurteil der Fachwelt, die den Fachmann hätten abhalten können, einen Liftsessel mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vorzuschlagen, besteht nicht, es war auch keine Abkehr von eingefahrenen Wegen erforderlich. Soweit im Urteil rop12a (vgl. dort S. 17) auf Hinderungsgründe wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder eine teurere Herstellung abgestellt ist, betreffen diese technisch-wirtschaftliche Kriterien, die den Fachmann bei Abwägung im Einzelfall von einer stofflichen Realisierung abhalten können, nicht aber vom Ausspruch des – naheliegenden, s.o. – Erfindungsgedankens.
99
Auch stellt sich insoweit nicht die Frage einer Veranlassung zur Umgestaltung eines einsitzigen Liftsessels, wie wohl im Verletzungsverfahren ausweislich des Urteils des Landgerichts Düsseldorf (vgl. Seite 26 unten in rop11) betrachtet. Die Notwendigkeit oder Erheblichkeit von konstruktiven Änderungen hindert den Fachmann nicht, ansonsten naheliegende Konzeptionen aufzugreifen, die ja erst Grundlage für eine Detailkonstruktion bzw. konstruktive Ausgestaltung im Einzelnen sein können, zumal der geltende Anspruch hierzu überhaupt keine Vorgaben enthält. Und im Übrigen sind vorliegend ausgehend von dem Hinweis in der NK5 laut der Übersetzung NK11 zur Ausführung mehrsitziger Liftsessel mit Tragbügeln für Fußstützen am verschwenkbaren Schutzbügel keine konstruktiven Änderungen gegenüber dem dort in der Figur 1 gezeigten Aufbau erforderlich, der Fachmann kann bereits die Darstellung in Figur 1 als Vorlage für einen zweisitzigen Sessel mit zwei – mittig vor jedem Sitz angeordneten – Tragbügeln entsprechend der im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale hernehmen.
100
Nach alledem ist der Liftsessel nach der Definition des erteilten Anspruchs 1 nicht erfinderisch.
101
4. Fassungen nach Hilfsanträgen
102
Dahinstehen kann, ob die Hilfsanträge zulässig sind, weil jedenfalls keiner der Gegenstände des Anspruchs 1 in den jeweiligen Fassungen nach den Hilfsanträgen patentfähig ist.
103
4.1 Zum Hilfsantrag 1
104
Der Anspruch 1H1 in der Fassung des geltenden Antrags ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 (vgl. Abschnitte 3.1 und 3.2) um folgendes Merkmal ergänzt:
105
M2.1H1,2,3,4 Die Sitzfläche (6) weist im Bereich ihrer Vorderkante (20) einen mittigen Bereich (13) auf, der sich hinsichtlich seiner graphischen Gestaltung von den seitlich daneben angeordneten Bereichen unterscheidet.
106
Mit dieser formal auf eine Ausgestaltung der Sitzfläche abzielenden Maßnahme – denn diese ist bereits mit dem Anspruch 13 des Streitpatents bezeichnet – soll, wie vom Patent unterstellt, ein bestimmtes Handeln der Nutzer einhergehen, um nämlich „zu erreichen, dass Fahrgäste, insbesondere Kinder, die Beine etwas auseinander geben und sich korrekt auf die Sitze 14 setzen, damit der Tragbügel 12 problemlos zwischen den Beinen angeordnet werden kann“, dies, um „Kinder zu motivieren, diesen Bereich frei zu lassen“ (vgl. Abs. [0032] in der SPS). Die „graphische Gestalt“ des „mittigen“ Bereichs wie die der „daneben angeordneten“ Bereiche ist hierdurch nicht näher definiert.
107
Von daher bezeichnet diese Merkmalsangabe allerdings kein technisches Mittel der mittelbaren, hinweisenden Sicherheitstechnik zur Visualisierung bestimmter Informationsinhalte durch Steigerung der optischen Wahrnehmbarkeit – im Unterschied zu technischen Mitteln der unmittelbaren Sicherheitstechnik wie vorliegend im Verfahren mit der Druckschrift rop5 aufgezeigt, dort in Gestalt der am Schutzbügel zusätzlich angeordneten, mittig nach unten zur Sitzvorderkante hin ragenden Schutzelemente zur Verringerung des Spalts (vgl. Abschnitt 3.2), oder noch mit der Druckschrift rop4 aufgezeigt, dort in Gestalt von sich über die Sitzvorderkante erhebenden, insoweit auch visuell bereits beim Hinsetzen wahrnehmbaren Nockenabschnitten im mittigen Bereich eines jeden Sitzes (vgl. Anspruch 1 i.V.m. Figur 1).
108
Vorliegend kennzeichnet eine „graphische Gestaltung“ an sich auch kein technisches Merkmal in dem Sinne, dass es die patentgemäße Lösung des beschriebenen bzw. objektiv gelösten technischen Problems – hier ein Spalt zwischen Sitz und Schutzbügel, durch den kleine Personen unter dem Schutzbügel durchrutschen könnten, bzw. die anwendungsgerechte Anordnung der die Fußstützen tragenden Bügel am schwenkbaren Schutzbügel – mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen könnte (vgl. hierzu BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topographischer Information).
109
Vorliegend stellt die angestrebte, nicht zwangsläufig folgende Einnahme der bestimmungsgemäßen Sitzhaltung mit einer dem Aufbau des Liftsessels, d.h. der mittigen Lage des Tragbügels angepassten Ausrichtung der Beine einen nichttechnischen Erfolg dar, der zudem auf einer nicht zwangsläufigen Informationszuweisung und -umsetzung durch einen Passagier im Rahmen der menschlichen Verstandestätigkeit beruht – wobei einer bereichsweise unterscheidbaren graphischen Gestaltung nicht die Lösung des technischen Problems einer Informationsvermittlung mit technischen, der Visualisierung von Informationen dienenden Mitteln unterstellt werden kann.
110
In Kombination mit den übrigen Merkmalen ist das ergänzte Merkmal M2.1H1,2,3,4 daher nicht zu berücksichtigen, denn Anweisungen, die auf nichttechnischem Gebiet liegen, können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen (s. BGH GRUR 2004, 677 – Elektronischer Zahlungsverkehr; s. auch BGH GRUR 2009, 479 – Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten).
111
Weil der Liftsessel im Umfang des geltenden Hilfsantrags 1 nur durch die übrigen berücksichtigungsfähigen Merkmale M1 bis M4.2 definiert ist – insoweit im Einklang mit der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des BGH, Urteil vom 4. Februar 1992 X ZB 43/91 – Tauchcomputer – , wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen im Abschnitt 3.2 zum Anspruch 1 in der erteilten Fassung verwiesen, demnach dessen Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ beruht.
112
Somit kann der Hilfsantrag 1 keinen Erfolg haben.
113
4.2 Zum Hilfsantrag 2
114
Der Anspruch 1 in der Fassung des geltenden Antrags ist gegenüber dem Anspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 darüber hinaus um folgendes Merkmal ergänzt:
115
M4.3H2,4,6 Die Tragbügel (12) verlaufen mittig vor dem jeweiligen Sitz (14) vom Schutzbügel (8) nach unten, so dass ein Fahrgast die Tragbügel (12) bei geschlossenem Schutzbügel (8) zwischen seinen Beinen hat.
116
Eine diesen Verlauf vorgebende Erstreckung weist die Patentschrift lt. dem Absatz [0025] zwar bereits den Merkmalen M4.1 und M4.2 zu, während diese Merkmale gemäß obiger Ausführungen im Abschnitt 3.1 lediglich eine abschnittsweise Erstreckung im Bereich mittig vor der Vorderkante eines jeden Sitzes des Liftsessels und somit senkrecht gegenüber dem Schutzbügel bzw. der Sitzvorderkante vorschreiben, ohne den Abstand im Bereich der Sitzvorderkante näher vorzugeben. Auch aus dem Wortlaut des ergänzten Merkmals M4.3H2,4,6 , das lediglich eine Ausrichtung „nach unten“ vorgibt und dieser kausal die Folge einer Lage zwischen den Beinen zuschreibt, folgt nicht zwingend eine Erstreckung in einem bestimmten Abstand genau im Bereich der Sitzvorderkante. Jedenfalls muss die Gestalt und Erstreckung zwischen dem Schutzbügeln und den – unterstellt anatomisch angepasst ausgerichtet vorliegenden – Fußstützen so getroffen sein, dass sich der Tragbügel in geschlossener Stellung des Schutzbügels zumindest abschnittsweise zwischen den Unterschenkeln – somit ggf. den Füßen – oder den Knien einer bestimmungsgemäß sitzenden Person verläuft.
117
Im Hinblick auf die ansonsten gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale M1 bis M4.2 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zum Anspruch 1 in der erteilten Fassung verwiesen (vgl. Abschnitt 3.2), das Merkmal M2.1H1,2,3,4 ist nicht zu berücksichtigen (vgl. Abschnitt 4.1).
118
Bereits bei dem in der Druckschrift NK5 in Figur 2 gezeigten Liftsessel verlaufen die Tragbügel in der geschlossenen Position des Schutzbügels entsprechend dem Sinngehalt der gemeinsam zu betrachtenden Merkmale M4.1, M4.2 und M4.3H2,4,6 , nämlich vom Schutzbügel nach unten vor dem Sitz im Bereich der Beine einer sitzenden Person. Genau diese Anordnung wird der Fachmann auch bei einem Sessel mit mittig angeordneten Tragbügeln beibehalten.
119
Im Übrigen hat auch der Tragbügel des Einer-Liftsessels in der vorliegend zum Stand der Technik gemäß Protokoll NK12/12a zählenden Ausführungsform eine solche Form, dass er sich – bei bestimmungsgemäß auf den dafür vorgesehenen Stützen aufgesetzten Füßen – jedenfalls in diesem Bereich zwischen den Beinen befindet.
120
Somit beruht auch der Liftsessel im Umfang des geltenden Anspruchs 1H2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.
121
4.3 Zum Hilfsantrag 3
122
Der Anspruch 1 in der Fassung des geltenden Antrags ist gegenüber dem Anspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 um folgendes Merkmal ergänzt:
123
M2.1.1H3,4 Der mittige Bereich (13) der Sitzfläche (6) im Bereich der Vorderkante (2) ist eine Graphik, insbesondere ein Bild, ein Muster, eine Markierung, oder dergleichen.
124
Mit dieser Ausgestaltung mit Bezug auf die für sich nicht berücksichtigungsfähige Merkmalsangabe M2.1H1,2,3,4 soll das mit dem Streitpatent unterstellte Handeln der Nutzer des Liftsessels einhergehen, um nämlich „zu erreichen, dass Fahrgäste, insbesondere Kinder, die Beine etwas auseinander geben und sich korrekt auf die Sitze 14 setzen, damit der Tragbügel 12 problemlos zwischen den Beinen angeordnet werden kann“, dies, um „Kinder zu motivieren, diesen Bereich frei zu lassen“ (vgl. Abs. [0032] in der SPS).
125
Dieses aus dem Anspruch 14 des Streitpatents folgende Merkmal soll zwar eine Konkretisierung der formal auf eine Ausgestaltung abzielenden Maßnahme gemäß Anspruch 12 betreffen. Tatsächlich wird auch durch diese Vorgabe kein technisches Merkmal in dem Sinne definiert, dass es die patentgemäße Lösung des beschriebenen bzw. objektiv gelösten technischen Problems – hier ein Spalt zwischen Sitz und Schutzbügel, durch den kleine Personen unter dem Schutzbügel durchrutschen könnten bzw. die anwendungsgerechte Anordnung der die Fußstützen tragenden Bügel am schwenkbaren Schutzbügel – mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen könnte.
126
So kann ein „Bild“ – selbst in der vorgegebenen Anordnung mangels spezifisch technischer, der Visualisierung von Informationen dienender Mittel – nicht das technische Problem einer Informationsvermittlung lösen, anders als hierfür speziell hergerichtete technische Mitteln der hinweisenden Sicherheitstechnik, die dieses Merkmal jedoch nicht definiert; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auch Abschnitt 4.1 verwiesen.
127
In Kombination mit den übrigen Merkmalen sind daher das Merkmal M2.1.1H3,4 wie auch das Merkmal M2.1H1,2,3,4 nicht zu berücksichtigen, denn Anweisungen, die auf nichttechnischem Gebiet liegen, können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen (s.o.).
128
Weil der Liftsessel im Umfang des geltenden Hilfsantrags 3 ansonsten nur durch die berücksichtigungsfähigen Merkmale M1 bis M4.2 definiert ist, wird hinsichtlich dieser Merkmalskombination zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen im Abschnitt 3.2 zum Anspruch 1 in der erteilten Fassung verwiesen, demnach dessen Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ beruht.
129
Somit kann auch der Hilfsantrag 3 keinen Erfolg haben.
130
4.4 Zum Hilfsantrag 4
131
Der Anspruch 1 in der Fassung des geltenden Antrags umfasst über die im Anspruch 1 in der erteilten Fassung aufgeführten Merkmale M1 bis M4.2 hinaus (vgl. hierzu Abschnitt 3.1) folgende, bereits bei den hilfsweise verteidigten Fassungen der Ansprüche 1H1, 1H2 und 1H3 für sich ergänzte Merkmale (vgl. hierzu Abschnitte 4.2 bzw. 4.3):
132
M2.1H1,2,3,4 Die Sitzfläche (6) weist im Bereich ihrer Vorderkante (20) einen mittigen Bereich (13) auf, der sich hinsichtlich seiner graphischen Gestaltung von den seitlich daneben angeordneten Bereichen unterscheidet.
133
M2.1.1H3,4 Der mittige Bereich (13) der Sitzfläche (6) im Bereich der Vorderkante (2) ist eine Graphik, insbesondere ein Bild, ein Muster, eine Markierung, oder dergleichen.
134
M4.3H2,4,6 Die Tragbügel (12) verlaufen mittig vor dem jeweiligen Sitz (14) vom Schutzbügel (8) nach unten, so dass ein Fahrgast die Tragbügel (12) bei geschlossenem Schutzbügel (8) zwischen seinen Beinen hat.
135
Die Merkmale M2.1H1,2,3,4 und M2.1.1H3,4 sind nicht berücksichtigungsfähig, zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Abschnitte 4.1 und 4.3 verwiesen.
136
Hinsichtlich des in Verbindung mit den Merkmalen M4.1 und M4.2 zu betrachtenden Merkmals M4.3H2,4,6 wird auf vorstehenden Ausführungen im Abschnitt 4.2 verwiesen, demnach ein Liftsessel mit den Merkmalen M1 bis M4.2 mit M4.3H2,4,6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ beruht.
137
Somit kann auch der Hilfsantrag 4 keinen Erfolg haben.
138
4.5 Zum Hilfsantrag 5
139
Der Anspruch 1 in der Fassung des geltenden Antrags ist gegenüber dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung (vgl. hierzu Abschnitt 3.1) um folgendes Merkmal ergänzt:
140
M2.2H5,6 Zwischen den Sitzflächen (6) sind sich über die Sitzflächen (6) erhebende Trennelemente (20) angeordnet.
141
Diese Maßnahme lt. dem erteilten Unteranspruch 12 dient der Ausgestaltung des mehrsitzigen Sessels (Merkmal M1 i.V.m. Merkmal M2) im Bereich zwischen den Sitzflächen der einzelnen Sitze, d.h. neben den einzelnen Sitzflächen. Deren Form bzw. Gestalt und Erstreckung in der Tiefe und Höhe bleibt dem Fachmann überlassen, soweit diesen nur die Wirkung einer Abtrennung in dem Sinne zukommt, dass ein Fahrgast spürt, wenn er sich nicht korrekt mittig – zwischen zwei Trennelemente – setzt (vgl. Abs. [0031] in der SPS).
142
Hinsichtlich der Merkmale M1 bis M4.2 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur fehlenden Patentfähigkeit des anspruchsgemäßen Liftsessels bereits nach diesen Vorgaben im Abschnitt 3.1 verwiesen.
143
Dem aggregierten, weil die Sitzfläche betreffenden Merkmal M2.2H5,6 ist insoweit ein Synergieeffekt zuzuschreiben, als diese Maßnahme die Einnahme einer bestimmungsgemäßen, mittigen Sitzposition gegenüber dem Tragbügel bzw. den Fußstützen vor dem Schließen des Schutzbügels fördert.
144
Ein Vorbild für die gemeinsame Anwendung in Verbindung mit einem mittig zwischen den Oberschenkeln wirkenden – und somit eine korrekte Sitzposition voraussetzenden – Sicherungsteil gegen Durchrutschen ist dem Fachmann aus der Druckschrift NK14 präsent. Diese Druckschrift zeigt und beschreibt einen Liftsessel, dessen Sitze jeweils durch seitlich der jeweiligen Sitzfläche angeordnete, sich über die Sitzflächenebene erhebende Vorsprünge („plots additionels“, vgl. Seite 3, Zeilen 27 bis 33 in NK14) i.S. des Merkmals M2.2H5,6 begrenzt sind. In dieser Anordnung wirken diese die Sitze vereinzelnden Trennelemente mit mittig im Bereich der Vorderkante beim Schließen des Schutzbügels einschwenkbaren Nocken (vgl. Seite 4, Zeilen 11 bis 18, ähnlich der aus der Druckschrift rop4 bekannten Ausführung, vgl. dort Anspruch 1 i.V.m. Figur 2) zusammen.
145
In Anbetracht des offensichtlichen Erfolgs der Vorgabe einer eindeutigen Sitzposition durch eine entsprechende Sitzgestaltung, die bereits bei diesem bekannten Sessel im Hinblick auf übrige, im Bereich der Beine nach dem Schließen des Schutzbügels liegende Bestandteile hin konzipiert ist, wird der Fachmann auch bei einem Sessel mit einem am Schutzbügel mitverschwenkt angeordneten, mittigen Tragbügel zusätzlich Trennelemente zwischen den Sitzflächen nach dem Vorbild der Druckschrift NK14 anordnen.
146
Somit beruht auch der Liftsessel im Umfang des geltenden Anspruchs 1H5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.
147
4.6 Zum Hilfsantrag 6
148
Der Anspruch 1 in der Fassung des geltenden Antrags ist gegenüber dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung um das Merkmal
149
M4.3H2,4,6 die Tragbügel (129 verlaufen mittig vor dem jeweiligen Sitz (14) vom Schutzbügel (8) nach unten, so dass ein Fahrgast die Tragbügel (12) bei geschlossenem Schutzbügel (8) zwischen seinen Beinen hat.
150
sowie
151
M2.2H5,6 Zwischen den Sitzflächen (6) sind sich über die Sitzflächen (6) erhebende Trennelemente (20) angeordnet.
152
ergänzt.
153
Bei einem sich für den Fachmann bereits in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebenden Liftsessel mit den Merkmalen M1 bis M4.2, wofür auf vorstehende Ausführungen im Abschnitt 3.2 verwiesen wird, wird der Fachmann nach dem Vorbild der Druckschrift NK14 Trennelemente zwischen den Sitzflächen wie vom Merkmal M2.2H5,6 vorgeschrieben anordnen, die ja die Einnahme einer Sitzposition begünstigen, die sich bei einer mittigen Anordnung des Tragbügels entsprechend Merkmal M4.3H2,4,6 anbietet, so wie bei der aus der Druckschrift NK14 hervorgehenden Anordnung mit einem mittig angeordneten Sicherungselement im Bereich der Sitzvorderkante. Insoweit wird auf vorstehende Ausführungen im Abschnitt 4.2 verwiesen.
154
Somit beruht auch der Liftsessel im Umfang des geltenden Anspruchs 1H6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.
155
5. Einer Beurteilung der weiteren Ansprüche der jeweiligen für die Anträge zugrunde zu legenden Anspruchssätze bedurfte es nicht, zumal die Beklagte mit der Stellung der Hilfsanträge zu erkennen gegeben hat, diese nicht selbstständig zu verteidigen. Auch im Übrigen hat die Beklagte nicht geltend gemacht – noch ist ersichtlich –, dass die Ausgestaltungen nach den Unteransprüchen oder weitere umfasste Elemente eines Sessellifts (erteilter Anspruch 15) zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten (BGH, Urteil vom 29. September 2011 – X ZR 109/08 –, BPatGE 52, 301-302 – Sensoranordnung; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05 –, BGHZ 173, 47-57, BPatGE 2008, 294 – Informationsübermittlungsverfahren II; BGH, Urteil vom 13. September 2016 – X ZR 64/14 –, juris – Datengenerator).
156
Nach alldem ist die Klage begründet.
III.
157
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO.
158
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben