Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Ubichinon Qn zur Behandlung von Migräneschmerzen” – zur Frage der Bestimmung der objektiven Aufgabe eines Patents betreffend die Verwendung eines Wirkstoffes zur Herstellung eines Arzneimittels

Aktenzeichen  3 Ni 34/17 (EP)

Datum:
12.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:120520U3Ni34.17EP.0
Normen:
§ 4 PatG
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das europäische Patent 1 150 682
(DE 500 10 972)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Schramm, den Richter Schwarz, die Richterin Dipl.-Chem. Univ. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Univ. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Univ. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 150 682 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Februar 2000 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität DE 19905879 vom 11. Februar 1999 beim europäischen Patentamt angemeldeten und in deutscher Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents EP 1 150 682 (Streitpatent), dessen Schutzdauer am 9. Februar 2020 abgelaufen ist. Aufgrund des Streitpatents ist zwischen der Klägerin und der Lizenznehmerin der Beklagten, der W… GmbH & Co. KG, ein Rechtsstreit anhängig, dessen Berufungsverfahren vor dem OLG Karlsruhe (Az. 6 U 89/18) mit Beschluss vom 17. März 2020 wegen der vorliegenden Nichtigkeitsklage ausgesetzt ist.
2
Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 500 10 972.9 geführte Streitpatent trägt die Bezeichnung “Ubichinon Qn zur Behandlung von Migräneschmerzen” und umfasst in der erteilten Fassung sieben Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage vom 31. August 2017 in vollem Umfang angegriffen werden.
3
Die erteilten Patentansprüche lauten:
4
Ausführbarkeit sowie mangelnder Patentfähigkeit des Streitgegenstands für nichtig zu erklären sei. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie u.a. folgende Druckschriften eingereicht:
5
BL4 EP 1 150 682 B1 (Streitpatent)
6
D1 WO 98/09653 A1
7
D2 WO 98/08490 A1
8
D3 US 5,691,325 A
9
D4 DE 36 25 877 A1
10
D5 JP 52-130922 A
11
D6 Naviaux, R. K., “The Spectrum of Mitochondrial Disease”, A Primary Care Physician’s Guide, 1997, S. 3 bis 10
12
D7 Chinnery, P. F. und Turnbull, D. M., Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 1997, 63, S. 559 bis 563
13
D8 Chinnery, P. F. und Turnbull, D. M., Q. J. Med. 1997, 90, S. 657 bis 667
14
D9 Munnich, A. et al., Eur. J. Pediatr., 1996, 155, S. 262 bis 274.
15
Die Klägerin trägt vor:
16
Die beanspruchte Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen (im Folgenden beides durch die Formulierung “Ubichinon Qn” abgekürzt) sei nicht ausführbar, weil die Eignung von Ubichinon Qn für die im Streitpatent beanspruchte Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, weder durch Beispiele im Streitpatent noch durch sonstige Belege oder Dokumente gezeigt sei. Auch das im patentamtlichen Prüfungsverfahren zum Nachweis der Wirkung vorgelegte Dokument betreffe nur die Prophylaxe von Migräne, welche aber von der Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht seien, zu unterscheiden sei. Unter Hinweis auf die Entscheidung “Cetirizin” des Senats (BPatGE 51, 178) meint sie, für die Ausführbarkeit von Ansprüchen, die wie vorliegend auf eine zweite medizinische Indikation gerichtet sind, sei die Eignung für die beanspruchte Behandlung plausibel zu offenbaren, da die beanspruchte Verwendung ansonsten nicht über eine reine Spekulation hinausgehen würde. Im Übrigen müsse die Ausführbarkeit zum Anmelde- bzw. Prioritätstag gegeben sein und bei der Beurteilung der Ausführbarkeit seien dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei dem für die Prüfung der Patentfähigkeit herangezogenen Stand der Technik.
17
Der Gegenstand des Streitpatents sei zudem nicht neu gegenüber den Druckschriften D1 und D2. Die D1 offenbare eine pharmazeutische Zusammensetzung, die zur Behandlung diverser Krankheitsbilder, u.a. von Migräne sowie von Schmerzen dienen solle. Dabei umfasse die pharmazeutische Zusammensetzung beispielsweise Ubichinon und/oder Coenzym Q10 als reaktive Substanz und damit als Substanz zur Behandlung von Migräne und Schmerzen, wobei die Behandlung von Migräne mit einer Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, einhergehe. Die Druckschrift D2 zeige die orale Verabreichung lipophiler Substanzen in Form eines festen Kopräzipitats an ein Säugetier auf, dass beispielsweise an Migräne leide. Das Kopräzipitat könne dabei Coenzym Q10 enthalten. D2 offenbare zwar nicht, dass insbesondere das als eine der lipophilen Substanzen genannte Coenzym Q10 zur Behandlung der als eine von mehreren Krankheiten genannten Migräne vorgesehen sei, diese Kombination sei aber von der Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten der Ansprüche umfasst und somit nicht neu.
18
Selbst wenn die Neuheit bejaht würde, beruhe der Gegenstand des Streitpatents auf jeden Fall nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
19
Die D1 lehre die Verabreichung von Coenzym Q10 zur Behandlung von Migräne und Schmerzen. Für einen Fachmann wäre es daher naheliegend, einen Stoff, der zur Behandlung von Migräne und Schmerzen geeignet ist, auch zur Behandlung insbesondere solcher Schmerzen zu verwenden, die durch Migräne verursacht werden.
20
Die D3 betreffe ein Verfahren zum Lindern altersspezifische Erkrankungen und beziehe sich auf Verfahren zum Behandeln neurologischer und mentaler Störungen, welche in Bezug zu einer defizienten Serotonin-Neurotransmission stehen, wozu u.a. Migräne gehöre. In diesem Zusammenhang zeige die D3 u.a. die Verwendung von Coenzym Q10 zur Behandlung einer Erkrankung auf, welche Migräne bewirken oder sein könne. Damit habe die streitpatentgemäße Verwendung nahegelegen.
21
Die D4 offenbare beispielsweise Coenzym Q10 haltige Zusammensetzungen zur Behandlung pathologischer Zustände in Bezug auf Vaskularisationsstörungen im Gehirn- und Peripherbereich. Auch die D5 zeige die Verwendung von Coenzym Q10 zur Behandlung von “cerebral circulatory disorders” auf. Da Migräne seinerzeit als eine Form cerebraler Durchblutungsstörungen angesehen worden sei, sei es somit ausgehend von D4 oder D5 nahe liegend gewesen, Coenzym Q10 zur Behandlung von Migräne bzw. Migräne bedingter Schmerzen einzusetzen.
22
Die Druckschriften D6 bis D9 offenbarten zum einen, dass bestimmte Störungen des mitochondrialen Stoffwechsels zu Symptomen wie Migräne führen könnten, und zum anderen, dass solche Defizite durch die Verabreichung von Coenzym Q10 behandelt werden könnten. Dies lege einem Fachmann die Behandlung von Migräne bzw. Migräne bedingter Schmerzen durch Verabreichung von Coenzym Q10 auf die Hand.
23
Die Klägerin beantragt,
24
das europäische Patent 1 150 682 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
25
Die Beklagte beantragt,
26
die Klage abzuweisen,
27
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags gemäß Schriftsatz vom 14. November 2019 erhält.
28
Die Beklagte verteidigt ihr Patent in vollem Umfang und tritt dem Vortrag der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie trägt hierzu vor:
29
Der Erfindungsgegenstand sei ausführbar. Die Klägerin hätte die mangelnde Ausführbarkeit lediglich pauschal behauptet, jedoch trotz der ihr obliegenden Beweislast keinerlei Beweis dafür vorgelegt. Zudem enthielten die Absätze [0007] und [0008] der Streitpatentschrift Angaben, die eine Wirksamkeit von Coenzym Q10 für Dosierungen von etwa 20 mg in Form eines Mund- oder Nasensprays erwähnten.
30
Weder die D1 noch die D2 seien neuheitsschädlich. Die D1 sei eine sehr breit angelegte Veröffentlichung, die als aktive Prinzipien eine Kombination von wenigstens eines NO-Synthase-Inhibitors und wenigstens einer Substanz, die als Fänger für reaktive Sauerstoffformen gelte, enthalte. Sie offenbare eine Vielzahl von behandelbaren Erkrankungen und zähle dabei nur wenige Krankheiten nicht auf. Auch die Aufzählung der NO-Synthase-Inhibitoren und von geeigneten Fängern von reaktiven Sauerstoffspezies erstrecke sich über mehrere Seiten. Ein therapeutischer Effekt werde nur für eine zerebrale Ischämie an Ratten gezeigt, wobei nur mit der Kombination der beiden konkret im Beispiel verwendeten Wirksubstanzen ein Effekt erzielt werde. Aus der Lehre der D1 werde der Fachmann daher weder davon ausgehen, dass beliebige andere NO-Synthasehemmer oder Fänger von reaktiven Sauerstoffspezies diesen Effekt haben müssten, noch die Offenbarung derart verstehen, dass beliebige andere Krankheiten durch eine Kombination der konkret eingesetzten Substanzen oder gar beliebiger weiterer Substanzen behandelbar seien. Die D1 offenbare somit keine Verwendung von Coenzym Q10 zur Behandlung von Migräne, geschweige denn zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.
31
Die D2 betreffe die Formulierung lipophiler Substanzen und umfasse auch die Verabreichung der formulierten Substanz an einem Säugetier, das unter einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter auch unter einer Migräne, leiden könne. Zugleich offenbare die D2 für die lipophilen Substanzen eine Vielzahl von Wirkstoffen, zum Beispiel auch Coenzym Q10. Die spezifischen Kombinationen, nämlich die Verwendung von Ubichinon Qn zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, sei gerade nicht offenbart.
32
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die D1 könne den Erfindungsgegenstand nicht nahelegen, da der Fachmann dieser Druckschrift gerade nicht die Möglichkeit einer Behandlung von Migräne mit Coenzym Q10 oder dessen Vorstufen entnehme. Die D3 betreffe ein Verfahren zur Behandlung altersabhängiger Erkrankungen durch Verabreichung von Stimulantien des Serotoninrezeptors, wofür als Beispiel in einer längeren Liste auch Coenzym Q10 benannt sei. Zwar werde in dem Dokument das Wort Migräne erwähnt, aber nicht im Zusammenhang mit dem Verfahren der D3. Darüber hinaus stelle offensichtlich die Behandlung mit einem Wechselstromfeld den Kern der Lehre der D3 dar, so dass es vor diesem Hintergrund auch keine Veranlassung gebe, zum Streitgegenstand zu gelangen. Der D4 und der D5 fehlten bereits ein Hinweis auf Migräne. Dasselbe gelte für die Dokumente D6 bis D9, zu denen die Klägerin nicht ausreichend substantiiert vorgetragen habe und zudem keine Behandlung der von Migräne verursachten Schmerzen offenbarten.
33
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte noch vorgetragen, die Pharmaentwicklung gehe üblicherweise von bestimmten Krankheitsbildern aus, gegen die auf der Grundlage von Tiermodellen oder der Kenntnis bestimmter Patientengruppen pharmazeutische Mittel gesucht würden. Daher kämen die von der Klägerin genannten Druckschriften, insbesondere die D1 sowie die D6 und D8, die nur eine allgemeine Darstellung von Krankheitsbildern enthielten, als Ausgangspunkt für die Überlegungen des mit der entsprechenden Pharmaentwicklung betrauten Fachmanns nicht in Betracht. Dem ist die Klägerin entgegengetreten.
34
Zum Wortlaut des Hilfsantrags der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 14. November 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
35
Die Klage ist zulässig. Zwar bedarf es, nachdem das Streitpatent durch Zeitablauf am 9. Februar 2020 erloschen ist, eines Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin (vgl. BGH GRUR 1995, 342 – Tafelförmige Elemente; st. Rspr.). Dieses ist vorliegend aber schon deshalb gegeben, weil die Klägerin wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents weiterhin in Anspruch genommen wird; dass die Verletzungsklägerin vorliegend nicht die Beklagte als Patentinhaberin, sondern deren Lizenznehmerin ist, spielt für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses keine Rolle, da es hierfür nur auf den Umstand der Inanspruchnahme aus dem Streitpatent, nicht aber auf die Person des Verletzungsklägers ankommt.
36
Die Klage ist auch begründet, da der Gegenstand des Streitpatents sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung des Hilfsantrags wegen Bestehens des Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ nicht schutzfähig und daher für nichtig zu erklären ist.
I.
37
1. Das Streitpatent betrifft ausweislich des Patentanspruchs 1 die Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.
38
Wie das Streitpatent in seiner Beschreibung einleitend ausführt, sind Ubichinone prenylierte Chinone, die in der Tier- und Pflanzenwelt weit verbreitet sind. Es handelt sich um Derivate von 2,3-Dimethoxy-5-methyl-1,4-benzochinon, die in Sechsstellung linear verknüpfte Isopreneinheiten aufweisen. Je nach Anzahl der Isopreneinheiten werden die Ubichinone als Q1, Q2, Q3 usw. bezeichnet. Bei den meisten Säugetieren einschließlich des Menschen überwiegt Ubichinon Q10, das in der Literatur auch oft als Coenzym Q10 bezeichnet wird. Ubichinone dienen als Elektronenüberträger in der Atmungskette. Sie sind an der zyklischen Oxidation und Reduktion von Substraten im Zitronensäurezyklus beteiligt und sind Voraussetzung für die Energieversorgung aller Zellen. Der oxidative Stress, der unter anderem durch hohen Sauerstoffverbrauch entsteht, löst Schäden an den Membranen von Mitchondrien und Zellen aus, die zu akuten oder degenerativen Störungen des Nervensystems führen, welches einen sehr hohen Energiebedarf hat. Ubichinon Q10 wird bisher in der Therapie von Herzerkrankungen verwendet (vgl. BL4 Abs. [0001] und [0002]).
39
2. Das Streitpatent definiert keine Aufgabe. Diese ist objektiv, d.h. frei von den subjektiven Vorstellungen des Erfinders zu bestimmen; maßgeblich ist hierfür, was das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (vgl. BGH GRUR 2003, 693, 695 – Hochdruckreiniger).
40
Vor dem oben beschriebenen Hintergrund besteht die objektive Aufgabe darin, für ein Arzneimittel mit dem bekannten Wirkstoff Ubichinon Qn oder dessen Vorstufen ein neues Anwendungsgebiet bzw. eine neue Indikation aufzufinden.
41
Soweit die Beklagte demgegenüber in der mündlichen Verhandlung auf die übliche Pharmaentwicklung hingewiesen hat und meint, ausgehend von bestimmten Krankheitsbildern, hier also der Migräne, bestehe die Aufgabe darin, pharmazeutische Mittel gegen diese Krankheit zu suchen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Bestimmung des technischen Problems dient nach ständiger BGH-Rechtsprechung dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (vgl. BGH GRUR 2015, 356 – Repaglinid; BGH GRUR 2015, 352 – Quetiapin m.w.N.). Gegen die Aufgabendefinition der Beklagten wäre dann nichts einzuwenden, wenn das Streitpatent erkennen lassen würde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag auf das Auffinden eines neuen Wirkstoffs für die Schmerzbehandlung fokussiert hätte. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge konzentriert sich die Lehre des Streitpatents allein auf Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen und deren Verwendung zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden. Einen anderen Wirkstoff für die Behandlung Migräne-bedingter Schmerzen hat die Streitpatentschrift weder offenbart, noch in Betracht gezogen. Da die Lehre des Streitpatents somit auf die Verwendung eines einzigen Wirkstoffs bzw. dessen Vorstufen angelegt ist, beschäftigt sich das Streitpatent nicht mit dem Auffinden eines neuen oder alternativen Wirkstoffs für die Schmerztherapie bei Migränepatienten, sondern gezielt mit dem Wirkstoff Ubichinon Qn und dessen Anwendungsmöglichkeit und somit mit dem Auffinden einer neuen Indikation für diesen bekannten Wirkstoff.
42
3. Die vorbezeichnete Aufgabe soll durch die Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen nach Anspruch 1 gelöst werden, der folgende Merkmale aufweist:
43
1 Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen
44
2 zur Herstellung eines Arzneimittels
45
3 zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.
46
4. Zuständiger Fachmann ist ein klinischer Pharmakologe mit mehrjähriger praktischer Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln, insbesondere zur Schmerzbehandlung, der im Bedarfsfall mit einem Mediziner mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Schmerztherapie insbesondere bei Migränepatienten zusammenarbeitet.
47
5. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 laut Hauptantrag wird der Fachmann wie folgt verstehen:
48
Bei der Auslegung des erteilten Patentanspruchs 1 stellt sich für ihn die Frage, ob die Behandlung der Migräne-bedingten Schmerzen gemäß Merkmal 3 lediglich eine symptomatische Behandlung von Migräne oder auch eine kausale Therapie umfasst.
49
Wie auch zwischen den Parteien nicht streitig ist, unterscheidet man bei der Therapie, also den Maßnahmen zur Heilung einer Krankheit, im Allgemeinen zwischen einer kausalen Therapie, die auf die Beseitigung der Ursachen und Auslösemomente abzielt, und einer symptomatischen Therapie, bei der lediglich die Krankheitserscheinungen (= Symptome) behandelt werden. Das vorliegende Merkmal 3 wird – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – der Fachmann dahin verstehen, dass es auf eine symptomatische Behandlung, also auf die Behandlung von Schmerzen als Symptome einer Migräne, und nicht auf eine Behandlung der Ursache der Migräne gerichtet ist (vgl. BL4 Abs. [0007] Satz 1).
50
Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob eine kausale Therapie der Migräne indirekt auch eine symptomatische Therapie der Migräne bedingten Schmerzen umfasst, wird der Fachmann dahin beantworten, dass die zur Heilung führende Bekämpfung der Ursachen der Migräne zwangsläufig auch deren Folgeerscheinungen und Symptome beseitigt, also auch zu einer Behandlung Migräne-bedingter Schmerzen führt. Werden nämlich die Ursachen für Migräne, die in neurogenen Störungen (d.h. in Störungen des Nervensystems) liegen, erfolgreich therapiert, bringt dies mit sich, dass die Reizleitungen der Nerven nicht länger gestört sind bzw. sich die Nerven nicht länger in oxidativen Stresszuständen befinden; dies führt dazu, dass die durch die Migräne bedingten Schmerzen zurückgehen oder überhaupt nicht mehr auftreten, wie dies auch die Streitpatentschrift ausführt (vgl. BL4 Abs. [0006], [0008]).
II.
51
Das Streitpatent ist für nichtig zu erklären, weil die Bereitstellung der streitpatentgemäßen Verwendung in allen Fassungen, mit denen die Beklagte ihr Patent verteidigt, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, inwiefern die von der Klägerin geltend gemachte mangelnde Ausführbarkeit gegeben ist; auch die aufgeworfene Frage zur Neuheit bedarf keiner abschließenden Klärung.
52
1. Zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe, eine neue Verwendung für Ubichinon Qn zu finden, wird sich der Fachmann vor dem Hintergrund seines einleitend im Streitpatent angeführten Fachwissens, gemäß dem Ubichinone als Elektronenüberträger in der Atmungskette im Zusammenhang mit Schäden an den Membranen von Mitochondrien und Zellen stehen, die zu akuten oder degenerativen Störungen des Nervensystems führen (vgl. BL4 Sp. 1 Z. 11 bis 20), der D8 zuwenden. Diese Druckschrift befasst sich mit mitochondrialen Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten (vgl. D8 S. 657 li. Sp. Abs. 1, S. 567/568 seitenübergr. Abs. und S. 663f. “Current management options”). Beim Studium dieses Reviews erfährt der Fachmann, dass mitochondriale Erkrankungen eine ganze Reihe von klinischen Erscheinungsformen bzw. Krankheitsbildern umfassen (vgl. D8 u.a. S. 662 Fig. 1 iVm S. 658 li. Sp. Abs. 2 bis S. 661 re. Sp. Abs. 2), darunter auch neurologische und den Kopf betreffende Erkrankungen wie beispielsweise die Migräne (vgl. D8 S. 658 Kap. “Neurological” und S. 662 Fig. 1 Eintrag mit Darstellung des Gehirns). Zudem offenbart die D8, dass mit Ubichinon Q10 Patienten, die an mitochondrialen Erkrankungen leiden, behandelt werden können (vgl. D8 S. 663 re. Sp. Abs. 2). Zusammenfassend entnimmt der Fachmann somit der D8, dass mit Ubichinon Q10 die Behandlung mitochondrialer Erkrankungen möglich ist, die sich in einer Vielzahl von Krankheitsbildern wie beispielsweise cerebralen und cerebrovaskulären Erkrankungen manifestieren können.
53
Die notwendige Veranlassung, aus dieser Vielzahl von Krankheitsbildern explizit die Migräne und die Migräne-bedingten Schmerzen in Betracht zu ziehen, erhält der Fachmann durch die D1. Aus dieser Druckschrift erfährt er, dass Ubichinon Q10-haltige Arzneimittel nicht nur bei cardiovaskulären, sondern auch bei cerebrovaskulären und cerebralen Erkrankungen verwendet werden (vgl. D1 Patentansprüche 9, 10 und S. 1 Abs. 3, 4). Cerebrovaskuläre und cerebrale Erkrankungen kennt der Fachmann aber bereits aus der D8 als Erscheinungsform mitochondrialer Erkrankungen (vgl. D8 S. 658 Kap. “Neurological” und S. 662 Fig. 1 Eintrag mit Darstellung des Gehirns), aufgrund dessen sein Augenmerk auf diese Erkrankungen gelenkt wird. Des Weiteren lehrt die D1, dass u.a. die Migräne und Schmerzen im Allgemeinen als Symptome einer Störung des zentralen Nervensystems bei cerebrovaskulären und cerebralen Erkrankungen auftreten (vgl. D1 Patentansprüche 9, 10, S. 1 Abs. 3 und 4). Vor dem Hintergrund dieser Informationen aus der D1 und unter Einbeziehung seiner Fachkenntnisse über die nervale Versorgung der Kopfgefäße sowie die Auswirkungen akuter oder degenerativer Störungen der dafür relevanten Nervensysteme insbesondere bei neurovaskulären Entzündungen mit den damit verbundenen Reizungen der Blutgefäße im Gehirn, wird der Blick des Fachmanns von den Schmerzen im Allgemeinen auf Schmerzen im Kopfbereich und dabei insbesondere auf Migräne-bedingte Schmerzen gerichtet, zumal ihm aus der D8 bekannt ist, dass die Migräne und damit auch die durch Migräne verursachten Schmerzen eine typische Erscheinungsform neurologischer Erkrankungen bei mitochondrialen Schäden im Gehirn sind (vgl. D8 S. 658 spaltenübergr. Abs. und S. 662 Fig. 1 Sp. 2 von links Z. 6).
54
Der Fachmann wird durch das Studium der D1 daher motiviert, aus der in D8 angegebenen Reihe von mitochondrialen Erkrankungen die Migräne als mögliche neue Indikation für die pharmazeutische Verwendung von Ubichinon Qn und dessen Vorstufen in Betracht zu ziehen. Im Rahmen der routinemäßigen Untersuchungen und Studien konnte er daraufhin ohne erfinderisches Zutun die Eignung von Ubichinon Qn und dessen Vorstufen zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, feststellen, so dass die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D8 in Kombination mit der D1 und dem Fachwissen naheliegt.
55
Das Argument, die D8 eigne sich nicht als Ausgangspunkt, da diese Druckschrift nur eine allgemeine Darstellung von Krankheitsbildern offenbare und die Pharmaentwicklung normalerweise von einem Krankheitsbild ausgehe, für das ein Tiermodell oder eine Patientengruppe vorhanden sei, überzeugt nicht. Denn zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, eine neue Indikation für den bekannten Wirkstoff Ubichinon Qn und dessen Vorstufen aufzufinden, geht der Fachmann nicht von einem Krankheitsbild aus. Startpunkt seiner Überlegungen ist vielmehr der bekannte Wirkstoff und dessen bisher offenbarten Anwendungsmöglichkeiten. Deswegen schaut sich der Fachmann im Stand der Technik nach Offenbarungen zu Ubichinon Qn und dessen klinischen Anwendungsmöglichkeiten um und trifft dabei auf die D8.
56
Auch der Einwand, der Fachmann habe die D1 nicht herangezogen, da diese Druckschrift zum einen eine große Anzahl von Erkrankungen und zum anderen nur die Verwendung einer Kombination aus zwei Wirksubstanzen offenbare, so dass die Lehre der D1 nicht auf der alleinigen Anwendungsmöglichkeit von Ubichinon Qn zur Behandlung von Migräne liege, kann nicht durchgreifen. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, als die D1 eine Vielzahl von Erkrankungen anführt (vgl. D1 S. 1 Z. 11 bis S. 2 Z. 8). Allerdings ist dem Fachmann bekannt, dass Ubichinon Q10 den cerebralen Metabolismus in Patienten mit einer mitochondrialen Erkrankung verbessern kann (vgl. D8 S. 663 Abs. 2 Satz 3). Mit diesem Wissen interessiert sich der Fachmann bei den in D1 angeführten Krankheitsbildern insbesondere für diejenigen Erkrankungen, bei denen der cerebrale Metabolismus eine zentrale Rolle spielt. Die Migräne nimmt dabei eine Sonderstellung ein, da sie in D8 als Beispiel für eine mitochondriale Erkrankung des Gehirns aufgeführt ist und Migräne-artige Kopfschmerzen bei über 50% der Patienten mit mitochondrialer Erkrankung beobachtet werden (vgl. D8 S. 658 seitenübergr. Abs., S. 662 Fig. 1 Sp. 1 Z. 1 und Sp. 2 Z. 6) und in D1 als Beispiel für cerebrovaskuläre Erkrankungen und damit für Erkrankungen genannt wird, bei denen der cerebrale Metabolismus eine zentrale Rolle spielt und aufgrund dessen, wie oben dargelegt, im Blickfeld des Fachmanns liegt.
57
Zudem ist der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag derart formuliert, dass die Anwesenheit eines weiteren Wirkstoffs nicht ausgeschlossen ist. Die Tatsache, dass in D1 stets eine Kombination von zwei Wirkstoffen beschrieben wird, steht daher einer Berücksichtigung dieser Druckschrift hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten Ubichinon-haltiger Zusammensetzungen ebenso wenig entgegen, wie die Offenbarung von Migräne in einer Liste von Erkrankungen.
58
Gegen ein Heranziehen der D1 spricht im Übrigen auch nicht die Argumentation, dass die D1 nur für die cerebrale Ischämie einen Wirkungsnachweis erbringt, nicht aber für die Migräne, mit der Konsequenz, dass die D1 – wenn überhaupt – lediglich eine kausale Behandlung der Migräne anspricht. Ein Heranziehen der D1 scheidet auch nicht deshalb aus, weil die D1 keinen ausreichenden Nachweis für die tatsächliche Wirksamkeit der Ubichinon Q10-haltigen Zusammensetzung zur symptomatischen Behandlung der durch Migräne verursachten Schmerzen aufzeigt. Diesen Einwänden kann nicht gefolgt werden, weil zum einen der Fachmann – wie in II.1. dargelegt – unter der kausalen Behandlung der Migräne zwangsläufig auch die Behandlung von deren Folgeerscheinungen und Symptomen subsumiert. Zum anderen werden in D1 auch die Schmerzen im Zusammenhang mit cerebralen Erkrankungen als Anwendungsbereich für die in dieser Druckschrift offenbarten pharmazeutischen Zusammensetzungen aufgezeigt. Da Schmerzen im Zusammenhang mit cerebralen Erkrankungen unzweifelhaft Symptome darstellen, ist die Lehre der D1 keinesfalls allein auf die kausale Behandlung von Erkrankungen beschränkt.
59
Anders als von der Patentinhaberin angenommen, vermittelt die D1 auch ohne Wirksamkeitsnachweis eine Erfolgserwartung. Denn für eine hinreichende Erfolgserwartung sind keine klinischen Studien für den Wirkstoff im Stand der Technik erforderlich (vgl. BGH BlPMZ 2019, 385 – Fulvestrant). Vorliegend ist die Erfolgserwartung schon deshalb gegeben, weil dem Fachmann die Eignung von Ubichinon Q10 zur Behandlung mitochondrialer Erkrankungen des Gehirns, wie z.B. Enzephalomyopathie (vgl. D8 S. 663 re. Sp. Abs. 2 Satz 3 iVm Referenz 81), bereits bekannt ist und in D1 die erfolgreiche Behandlung einer cerebralen Erkrankung – hier die cerebrale Ischämie – mit den pharmazeutischen Zusammensetzungen der D1 im Tiermodell belegt ist (vgl. D1 S. 12 Z. 3 bis S. 14 Z. 16). Es besteht für den Fachmann somit kein Grund, die in D1 explizit angeführte Migräne als Beispiel für eine cerebrovaskuläre Erkrankung bei seinen Überlegungen wegen mangelnder Erfolgsaussicht unberücksichtigt zu lassen.
60
2. Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags bedürfen keiner eigenständigen Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und die Hilfsanträge als in sich geschlossene Anspruchssätze versteht (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – Informationsvermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).
61
3. Die Beklagte kann ihr Streitpatent auch mit der eingeschränkten Fassung ihres Hilfsantrags vom 19. November 2019 nicht erfolgreich verteidigen, da dieser Fassung ebenfalls der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit entgegensteht.
62
3.1. Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags lediglich in der Beschränkung des verwendeten Wirkstoffs auf Ubichinon Q10.
63
Diese Beschränkung ist nicht geeignet, die fehlende erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Verwendung zu begründen. Denn sowohl die D8 als auch die D1 offenbaren insbesondere die Verwendung von Ubichinon Q10 (vgl. D8 S. 663 re. Sp. Abs. 2 Satz 3; vgl. D1 Patentansprüche 6, 7, 14 und 15), so dass die Ausführungen zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag für die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags gleichermaßen gelten.
64
3.2. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der auf Patentanspruch 1 des Hilfsantrags rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 ist weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Das Auffinden der geeigneten Formulierung gehört zu den Routinetätigkeiten des Fachmanns bei der Entwicklung eines Arzneimittels, das eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. Zudem handelt es sich bei der oralen Verabreichung von Ubichinon Q10 um eine fachübliche und aus dem Stand der Technik bekannte Formulierung (vgl. D2 Patentansprüche 20 und 23). Auch die topische Anwendung Ubichinon Q10-haltiger Zusammensetzungen ist bereits aus D1 bekannt (vgl. D1 S. 4 Abs. 3 le. Satz). Diese Patentansprüche sind daher ebenfalls nicht patentfähig (vgl. BGH GRUR 2007, 309, Rn. 42 – Schussfädentransport).
65
Dasselbe gilt für die Verwendung gemäß der Patentansprüche 5 und 6 des Hilfsantrags. In diesen Unteransprüchen wird als zusätzliches Merkmal das Vorliegen des Ubichinon Q10 in einer wässrigen bzw. wässrigen kolloidalen Dispersion beansprucht. Die Aufarbeitung eines Wirkstoffs in eine für die Formulierung geeignete Zustandsform erfolgt jedoch ebenfalls im Rahmen des routinemäßigen Vorgehens bei der pharmakologischen Entwicklung eines Wirkstoffs zum fertigen Arzneimittel, so dass auch diese zusätzlichen Merkmale nicht zum Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit führen können.
66
Dagegen spricht auch nicht, dass die D2 für den lipophilen Wirkstoff Ubichinon Q10 ein Kopräzipitat und damit eine andere Zubereitungsform als gut geeignet für die orale Verabreichung von Ubichinon Q10 aufzeigt (vgl. D2 u.a. Patentansprüche 1,15, 20). Denn zum einen liegt das Arbeiten mit wässrigen bzw. wässrigen kolloidalen Dispersionen bei lipophilen und damit schwer wasserlöslichen Substanzen für den Fachmann auf der Hand. Die D2 führt dies sogar als übliche Vorgehensweise für Ubichinon Q10 an, da sie im einleitenden Teil bei der Beschreibung von Ubichinon Q10 für bekannte Formulierungen dieses Wirkstoffs angibt, dass in diesen die Ubichinon Q10-Partikel als Mikro- und Nanopartikel in einer wässrigen Suspension (= eine mögliche Ausführungsform der Dispersion) und somit kolloidal vorliegen (vgl. D2 S. 3/4 seitenübergr. Abs.). Zum anderen enthalten die Kopräzipitate der D2 Dispergierhilfsmittel, die dafür sorgen, dass die Kopräzipitate der D2 in Wasser gut dispergierbar sind (vgl. D2 Patentanspruch 1 und S. 5 Z. 24 bis 31). Im Beispielteil beschreibt die D2 die gute Dispergierbarkeit sogar explizit für Ubichinon Q10-Kopräzipitate (vgl. D2 S. 19 Z. 22 bis 24, S. 20 Z. 20 bis 21, S. 21 Z. 23 bis 28). Damit zeigt die D2 bereits einen Weg auf, wie Arzneimittel, die u.a. Ubichinon Q10 enthalten, in Form wässriger kolloidaler Dispersionen noch besser formuliert werden können, so dass wässrige kolloidale Dispersionen von Ubichinon Q10 auf der Hand liegen. Außerdem zeigt das Streitpatent keinen neuen technischen Effekt auf, der mit den beanspruchten Dispersionen erreicht wird. Es verweist lediglich auf die aus D2 bereits bekannte Lipophilität des Ubichinons Q10 und dessen ebenfalls aus D2 bekannte Bereitstellung als wässrige Dispersion.
B.
67
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
C.
68
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
69
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
70
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

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