Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Verbundelement” – zum Stand der Technik – sucht sich ein Patent durch einzelne Merkmale seiner Ansprüche von dem in ihm beschriebenen Stand der Technik abzugrenzen, so ist diesen Merkmalen im Zweifel kein Verständnis beizumessen, demzufolge diese sich in demjenigen Stand der Technik wiederfinden, von dem sie sich gerade unterscheiden sollen – dies gilt nicht, wenn sich ein im Patent verwendeter technischer Begriff nach dem objektiven Verständnis des Fachmanns inhaltlich vom Stand der Technik nicht unterscheidet

Aktenzeichen  3 Ni 3/19 (EP)

Datum:
28.1.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:280120U3Ni3.19EP.0
Normen:
Art 69 EuPatÜbk
§ 14 PatG
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

Verbundelement
Sucht sich ein Patent durch einzelne Merkmale seiner Ansprüche von dem in ihm beschriebenen Stand der Technik abzugrenzen, so ist diesen Merkmalen im Zweifel kein Verständnis beizumessen, demzufolge diese sich in demjenigen Stand der Technik wiederfinden, von dem sie sich gerade unterscheiden sollen (im Anschluss an BGH – Scheinwerferbelüftungssystem). Dies gilt aber nicht, wenn sich ein im Streitpatent verwendeter technischer Begriff nach dem objektiven Verständnis des zuständigen Fachmanns inhaltlich vom Stand der Technik nicht unterscheidet (hier „reaktiv“ und „noch reaktionsfähig“ für einen Haftvermittler).

Tenor



In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 516 720
(DE 50 2004 001 140)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Schramm, den Richter Schwarz, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg und die Richter Dipl.-Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 516 720 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in deutscher Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents 1 516 720 (Streitpatent), das am 7. August 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Anmeldung 103 43 902 vom 19. September 2003 angemeldet worden ist.
2
Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2004 001 140 geführte Streitpatent trägt die Bezeichnung
3
„Verbundelement, enthaltend einen Polyurethanhaftvermittler“
4
und umfasst in der erteilten Fassung 9 Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage in vollem Umfang angegriffen werden.
5
Die angegriffenen nebengeordneten Patentansprüche 1, 4 und 9 in der erteilten Fassung lauten:
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6
In Patentanspruch 9 ist unstreitig das Wort Polyurethan infolge eines Schreibfehlers fälschlich als „Polyurettian“ wiedergegeben.
7
Die übrigen Patentansprüche sind jeweils auf einen der vorgenannten Patentansprüche unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen.
8
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der mit ihrer Klage angegriffene Gegenstand der erteilten Fassung des Streitpatents mangels Patentfähigkeit und wegen einer unzulässigen Erweiterung des Patentanspruchs 9 für nichtig zu erklären sei. Bei der beschränkten Verteidigung des Streitpatents durch die Beklagten mit insgesamt acht Hilfsanträgen bemängelt sie zudem eine mangelnde Ausführbarkeit.
9
Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin zahlreiche Druckschriften eingeführt, die neben dem entgegengehaltenen Stand der Technik auch das Fachwissen, die angemessene Übersetzung der fremdsprachigen Dokumente sowie durchgeführte Versuchsreihen gutachterlich belegen sollen. Hierunter befinden sich u. a. folgende Druckschriften:
10
NK2 EP 1 516 720 B1 (Streitpatent)
11
NK5 WO 99/00559 A1
12
NK5-DE Deutschsprachige Übersetzung der NK5. 41 Seiten, 1 Seite Beglaubigung
13
NK5A HUNTSMAN Corporation: Technical Bulletin. JEFFAMINE® T-3000 Polyetheramine. Ohne Ort, 2011. 2 Seiten – Firmenschrift
14
NK6 EP 0 940 249 A2
15
NK6-DE Deutschsprachige Übersetzung der NK6. 22 Seiten, 1 Seite Beglaubigung
16
NK7 DE 26 33 764 B1
17
NK8 EP 0 728 574 A2
18
NK9 JP 53-16783 A
19
NK9A Deutschsprachige Übersetzung der NK9. 8 Seiten
20
NK10 EP 1 279 885 A1
21
NK11 US 3 756 845 A
22
NK12A SAECHTLING, Hansjürgen: Kunststoff-Taschenbuch. 20. Ausgabe. München: Carl Hanser, 1977. S. 298
23
NK12B HELLERICH, Walter; HARSCH, Günter; HAENLE, Siegfried: Werkstoff-Führer Kunststoffe. 4., überarb. Aufl. München: Carl Hanser. 1986, S. 103. – ISBN 3-446-14705-5
24
NK12C VIEWEG, Richard; HÖCHTLEN, August (Hrsg.): Kunststoff-Handbuch. Band VII: Polyurethane. München: Carl Hanser, 1966. S. 108-109, 292-294, 453-455, 476-503, 507-510, 527-529, 546-558
25
NK12D OERTEL, Günter (Hrsg.): Kunststoff Handbuch. Band 7: Polyurethane. 3., neu bearbeitete Auflage. München: Carl Hanser, 1993. S. 294, 303. – ISBN 3-446-16263-1
26
NK13 FOND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE: Informationsserie des Fonds der Chemischen Industrie. Band 27: Kleben/Klebstoffe, Textheft. Postfach 11 19 43, 60054 Frankfurt am Main, September 2001. 86 Seiten
27
NK14 SZYCHER, Michael: Szycher’s Handbook of Polyurethanes. Boca Raton: CRC, 1999. S. 13-1, 13-10. – ISBN 0-8493-0602-7
28
NK16 TECHNICAL DEFINITION OF PIR. Ohne Ort, ohne Jahr. 3 Seiten. Anhang zu einer E-Mail vom 30. Oktober 2002 von Phil Callaghan, Commission Européenne, DG-Environnement – Climate Change, Bruxelles, an info@aippeg.it
29
NK17 WO 00/17248 A1
30
NK18 WENSKE, Gerhard: Dictionary of Chemistry, English/German; Wörterbuch Chemie, Englisch/Deutsch. Weinheim: VCH, 1992. S. 1119, Eintrag „reactive“, S. 423, Eintrag „reaktiv“. – ISBN 3-527-26428-0
31
NK47 FALBE, Jürgen; REGITZ, Manfred (Hrsg.): Römpp Chemie Lexikon. Paperback-Ausg. Band 5: Pl-S. 9., erweiterte und neubearbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme, 1995. S. 3575-3576, Eintrag „Polyurethane“
32
Die Klägerin trägt vor:
33
Die Auffassung der Patentinhaberin, im Verfahrensschritt C) nach Patentanspruch 1, also im Zeitpunkt des Auftragens der Schaumstoff-Reaktionsmischung, sei der Polyurethanhaftvermittler „noch flüssig“, treffe nicht zu, denn dies ergebe sich weder aus dem Patentanspruch 1 noch aus der Beschreibung des Streitpatents und ergebe im Übrigen auch technisch keinen Sinn. Auch bestehe kein Unterschied zwischen den Begriffen „reaktiv“ und „(noch) reaktionsfähig“, denn der Fachmann verstehe diese als synonym (vgl. NK18) und auch im Streitpatent seien sie nicht anders definiert. Es treffe auch aus technischer Sicht nicht zu, dass die Polyurethan-Haftvermittlerschicht nur dann noch reaktionsfähig sei, wenn die Polyurethan-Reaktion noch nicht vollständig abgelaufen sei. Dem Streitpatent könne auch nicht die Aufgabe zugrunde liegen, eine Verbesserung der Flammschutz- und Haftungseigenschaften zu erreichen, da insoweit lediglich auf die im Stand der Technik bekannte – und auch im Streitpatent wiedergegebene – Maßnahme zurückgegriffen werde, Polyurethan-Haftvermittler im Zusammenhang mit Polyisocyanurat-Schaumstoff-Verbundelementen zu verwenden.
34
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei gegenüber der NK5 nicht neu. Denn diese offenbare sämtliche Merkmale nach Patentanspruch 1. Insbesondere sei auch die dort beanspruchte Eigenschaft der Reaktionsfähigkeit der Haftvermittlerschicht durch die Lehre der NK5 offenbart.
35
Des Weiteren werde der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch durch die NK6, NK7, NK8 und NK9 jeweils neuheitsschädlich vorweggenommen.
36
Selbst wenn wider Erwarten die Neuheit bejaht werde, beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf jeden Fall nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn dieser sei ausgehend von der NK5 oder der NK6 jeweils in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen auf dem Gebiet der Klebstofftechnik, wie sie in NK13 und NK14 gezeigt werde, und ggf. unter Berücksichtigung der Druckschriften NK8, NK9, NK10 und/oder NK 11 nahegelegt. Das Gleiche gelte auch, wenn man jeweils die Lehre der NK7 mit den Druckschriften NK5 oder NK6, die Lehre der NK8 mit den Druckschriften NK16 und/oder NK17 oder die Lehre der NK9 mit allgemeinem Fachwissen verbinde.
37
Auch die weiteren unabhängigen Patentansprüche 4 und 9, deren jeweiliger Gegenstand ebenfalls durch jedes der Dokumente NK5, NK6, NK7, NK8 und NK9 neuheitsschädlich vorweggenommen werde, zumindest aber durch den bereits zu Patentanspruch 1 genannten Stand der Technik nahegelegt sei, sowie die abhängigen Patentansprüche 2 und 3 sowie 5 bis 8 des Streitpatents enthielten nichts Patentfähiges.
38
Darüber hinaus sei Patentanspruch 9 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert. Denn in dem Gesamtoffenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen fände sich keine Grundlage dafür, dass der Haftvermittler noch reaktionsfähig sei, wenn allgemein irgendeine Polyisocyanat-Reaktionsmischung auf die Haftvermittlerschicht aufgetragen werde, wie im erteilten Patentanspruch 9 beansprucht. Da im angemeldeten Patentanspruch 10 eine noch bestehende Reaktionsfähigkeit nur für den Fall, dass eine Polyisocyanurat-Reaktionsmischung aufgebracht werde, offenbart sei, stelle die Verallgemeinerung von Polyisocyanurat auf den allgemeineren Begriff Polyisocyanat eine unzulässige Erweiterung dar.
39
Die Beklagte könne ihr Patent auch nicht mit den geänderten Fassungen nach den Hilfsanträgen erfolgreich verteidigen.
40
Die Änderung des erteilten Begriffs „Polyisocyanat-Reaktionsmischung“ in „Polyisocyanurat-Reaktionsmischung“ bei Patentanspruch 9 in Hilfsantrag 1 gehe über die Korrektur eines Schreibfehlers hinaus und stelle eine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs dar. Zudem sei die Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 1 unklar und der darin beanspruchte Gegenstand sei auch nicht neu, zumindest aber aus dem Stand der Technik nahegelegt.
41
Infolge der zusätzlichen Merkmale in Hilfsantrag 2 werde der Schutzbereich unzulässig erweitert und die Erfindung nicht ausführbar. Zudem sei der Gegenstand aufgrund der Änderungen in Hilfsantrag 2 auch unklar. Schließlich stehe dieser Fassung auch eine mangelnde Patentfähigkeit insbesondere vor dem Hintergrund des Standes der Technik nach der NK5 entgegen.
42
Die gleichen Bedenken stünden auch der jeweiligen Fassung der Patentansprüche des Streitpatents nach den Hilfsanträgen 3 bis 8 entgegen.
43
Die Klägerin beantragt,
44
das europäische Patent 1 516 720 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
45
Die Beklagte beantragt,
46
die Klage abzuweisen,
47
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags 1 gemäß Schriftsatz vom 20. Dezember 2017, weiter hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 2 oder 3 gemäß Schriftsatz vom 26. Juli 2018 und weiter hilfsweise die Fassung einer der Hilfsanträge 4 bis 8 gemäß Schriftsatz vom 21. September 2019 erhält.
48
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents wenigstens in einer der verteidigten Fassungen für patentfähig.
49
Patentanspruch 1 sei im Gesamtzusammenhang dahin zu verstehen, dass das Verbundelement im Zuge des beanspruchten Verfahrens aufgebaut werde. Das erfindungsgemäße Verfahren zeichne sich durch eine Zusammenschau der Verfahrensschritte B) und C) aus. Hierbei seien die beiden Begriffe „Reaktivität“ bzw. „reaktiv“ einerseits und „noch reaktionsfähig“ andererseits voneinander zu unterscheiden: Mit Reaktivität sei eine – von Anfang an eingestellte – Eigenschaft des Polyurethanhaftvermittlers gemeint. Mit den beiden Verfahrensschritten B) und C) werde erreicht, dass die erhöhten Anforderungen an die Haftung des Polyisocyanuratschaumstoffs an der Deckschicht erreicht würden.
50
Die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik neu. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unterscheide sich vom Stand der Technik gemäß NK5 wenigstens in den Verfahrensschritten B) und C), da in der NK5 nicht offenbart sei, dass der Haftvermittler bzw. Primer noch reaktionsfähig sei, wenn ein Polyisocyanurat aufgetragen werde, vielmehr sei der Haftvermittler in diesem Zeitpunkt bereits ausgehärtet. Zudem handle es sich bei den Haftvermittlern der NK5 um Dispersionen.
51
Auch die weiteren Druckschriften NK6, NK7, NK8 und NK9 zeigten insbesondere nicht die Verfahrensmerkmale B) und C) des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Die Gegenstände des nebengeordneten product-by-process-Anspruchs 4 sowie des Verwendungsanspruchs 9 gingen ebenso aus dem Stand der Technik nicht hervor und seien daher neu. Entsprechendes gelte für die jeweils rückbezogenen Unteransprüche.
52
Weiter beruhe der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Nach der Lehre der NK5 werde der Haftvermittler vor dem Aufbringen der Polyisocyanurat-Schaummischung ausgehärtet, was sich grundlegend von dem erfindungsgemäßen Verfahren unterscheide. In der NK5 finde sich nicht der geringste Hinweis auf die Verfahrensschritte B) und C). Dies gelte auch für die von der Klägerin in diesem Zusammenhang genannten, mit der NK5 zu kombinierenden Dokumente NK8, NK9, NK10 oder NK11. Der Fachmann habe auch keine Veranlassung, die verschiedenen Druckschriften miteinander zu kombinieren. Weder bei der NK8 noch bei der NK10 oder NK11 gehe es um das erfindungsgemäße Problem der besseren Haftung eines Polyisocyanurats auf einer Oberfläche mittels eines Haftvermittlers.
53
Selbst wenn hinsichtlich der erteilten Fassung Bedenken gegen die Schutzfähigkeit bestünden, sei eine Patentfähigkeit der streitpatentgemäßen Erfindung jedenfalls in einer der Fassungen nach den eingereichten Hilfsanträgen zu bejahen. In Hilfsantrag 1 würden zur Klarstellung die offensichtlichen Schreibfehler in Patentanspruch 9 bei den Begriffen „Polyurettian“ (statt richtig „Polyurethan“) und „Pvlyisocyanat-Reaktionsmischung“ (statt richtig „Polyisocyanurat-Reaktionsmischung“) korrigiert. Die Hilfsanträge 2 und 3 sähen jeweils zusätzliche, aus den Absätzen [0011] und [0014] sowie Absatz [0017] der Streitpatentschrift entnommene Merkmale bei den Verfahrensschritten B) und C) in Patentanspruch 1 vor. In Hilfsantrag 4 werde aufbauend auf Hilfsantrag 3 auch der Gegenstand des Patentanspruchs 9 entsprechend weiter konkretisiert. In Hilfsantrag 5 werde der Verfahrensschritt B) entsprechend den Ausführungen in Absatz [0011] der Streitpatentschrift näher spezifiziert. Hierauf aufbauend werde mit Hilfsantrag 6 der Gegenstand des abhängigen Unteranspruchs 6 in Patentanspruch 4 aufgenommen. Mit Hilfsantrag 7 würden die Stoffansprüche 4 bis 7 gestrichen und der frühere Verwendungsanspruch 8 als Patentanspruch 4 fortgeführt, während die Verfahrensansprüche entsprechend der Fassung nach Hilfsantrag 6 unverändert blieben. Hilfsantrag 8 unterscheide sich von Hilfsantrag 7 nur durch die Streichung des Verwendungsanspruchs 4 (in der Nummerierung nach Hilfsantrag 7). Alle Hilfsanträge seien zulässig und deren Gegenstände gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu bzw. beruhten sie diesem gegenüber auf einer erfinderischen Tätigkeit.
54
Zum Wortlaut der Hilfsanträge der Beklagten sowie zu weiteren Unterlagen, insbesondere zu weiteren Entgegenhaltungen, sowie der Auseinandersetzung der Beteiligten über deren Relevanz wird auf die Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
55
Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Das Streitpatent ist gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52 bis 56 EPÜ für nichtig zu erklären, weil sein Gegenstand sowohl in der erteilten Fassung als auch in den jeweiligen Fassungen nach den Hilfsanträgen nicht patentfähig ist.
I.
56
1. Das Streitpatent (NK2) betrifft die Verwendung eines Polyurethan-Haftvermittlers zur Verbesserung der Haftung zwischen den Schichten eines Verbundelements, enthaltend einen Polyisocyanuratschaumstoff und Deckschichten, sowie die Verbundelemente als solche und ein Verfahren zur Herstellung der Verbundelemente (NK2: [0001]). Für die Herstellung von Verbundelementen würden zur Wärmedämmung Polyurethan-Systeme (PUR) verwendet und als Treibmittel für die Polyurethan-Systeme, bedingt durch das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, brennbare Treibmittel, z. B. Pentane, eingesetzt. Dadurch könnten Brandschutzanforderungen – auch wenn die Polyurethan-Systeme einen hohen Anteil an Flammschutzmittel enthielten – nur bedingt erfüllt werden (NK2: [0002]). Soweit technisch bedingt ein geringer Flammschutzgehalt wünschenswert sei, würden als Dämmelemente Polyisocyanuratschaumstoffe (PIR) verwendet, da diese auch mit reduziertem Flammschutzmittelgehalt gute Flammschutzeigenschaften besäßen. PIR-Sys-teme hätten jedoch im Vergleich zu PUR-Systemen eine geringere Haftung zu den meisten bekannten Oberflächen (NK2: [0003]). Gerade bei Polyurethan-Verbundelementen als Konstruktionselemente in der Bauindustrie, beispielsweise als Wand- oder Dachelemente, spiele die Haftung zu beispielsweise metallischen Deckschichten eine wichtige Rolle, damit diese Konstruktionselemente für die Bauindustrie zugelassen würden. Insoweit offenbare die WO 99/00559 A1 (NK5) Metallsandwichpanele mit einem Kern aus hartem Polyisocyanuratschaumstoff und einer Deckschicht aus Metall. Hierbei werde zur Haftungsverbesserung ein Haftvermittler verwendet, der allerdings kurz vor dem Aufbringen der Polyisocyanuratschaummischung ausgehärtet werde (NK2: [0004]).
57
2. Ausgehend davon formuliert das Streitpatent die zu lösende Aufgabe dahin, dass ein Verbundelement, insbesondere zur Wärmedämmung, bereitgestellt werden soll, welches im Wesentlichen mit reduziertem Flammschutzmittelgehalt sowohl den Anforderungen an die Haftung als auch an den Flammschutz genüge (NK2: [0005]).
58
3. Gelöst werden soll diese Aufgabe mit dem Einsatz eines Haftvermittlers auf Polyurethanbasis entsprechend den Patentansprüchen 1, 4 und 9 nach Streitpatent.
59
Die erteilten Patentansprüche 1, 4 und 9 lassen sich wie folgt gliedern (mit Korrekturen bzw. redaktionellen Ergänzungen in eckigen Klammern):
60
Patentanspruch 1:
61
1 Verfahren zur Herstellung eines Verbundelements.
62
2 Das Verbundelement [ist/wird] aufgebaut aus den Schichten:
63
2.1 i) eine erste Deckschicht;
64
2.2 ii) eine Haftvermittlerschicht,
65
2.2.1 die Haftvermittlerschicht ist reaktiv
66
2.2.2 und enthält Polyurethan
67
2.2.3 mit einer Dichte von 400 bis 1200 g/l;
68
2.3 iii) eine Schaumstoffschicht,
69
2.3.1 die Schaumstoffschicht enthält Polyisocyanurat
70
2.3.2 mit einer Dichte von 30 bis 100 g/l;
71
2.4 iv) gegebenenfalls eine zweite Haftvermittlerschicht,
72
2.4.1 die zweite Haftvermittlerschicht ist reaktiv
73
2.4.2 und enthält Polyurethan
74
2.4.3 mit einer Dichte von 400 bis 1200 g/l;
75
2.5 v) eine zweite Deckschicht.
76
3 Das Verfahren umfasst die Schritte:
77
3.1 A) Bereitstellen einer ersten Deckschicht;
78
3.2 B) Aufbringen von reaktive[m] Polyurethanhaftvermittler, als flüssige Reaktionsmischung, auf die erste Deckschicht;
79
3.3 C) Aufbringen von Polyisocyanurat-Re[a]ktionsmischung auf die noch reaktion[s]fähige Haftvermittlerschicht
80
3.4 und Aufschäumen lassen der Polyisocyanurat-Reaktionsmischung;
81
3.5 D) gegebenenfalls Aufbringen einer zweiten Haftvermittlerschicht auf die zweite Deckschicht; und
82
3.6 E) Aufbringen der zweiten [gegebenenfalls] mit ausreagierendem Polyurethanhaftvermittler versehenen Deckschicht auf die Polyisocyanuratschicht.
83
Patentanspruch 4:
84
S Verbundelement
85
S.1 erhältlich nach einem Verfahren gemäß der Merkmalsgruppe 1 bis 3.6.
86
Patentanspruch 9:
87
V Verwendung eines reaktiven Polyuret[h]an-Haftvermittlers (vgl. Merkmal 3.2),
88
V.1 der beim Aufbringen [einer] P[o]lyisocyan[ur]at-Reaktionsmischung auf die Haftvermittlerschicht noch reaktionsfähig ist (vgl. Merkmal 3.3),
89
V.2 zur Verbesserung der Haftung zwischen den Schichten eines Verbundelements,
90
V.3 enthaltend einen Polyisocyanuratschaumstoff (vgl. Merkmal 2.3.1) und Deckschichten (vgl. Merkmale 2.1, 2.5).
91
4. Zwischen den Parteien ist die Auslegung der Patentansprüche und der in ihnen verwendeten Begriffe streitig. Der zuständige Fachmann, ein (in der Regel promovierter) Polymerchemiker mit mehrjähriger Erfahrung in der Herstellung und praxisbezogenen Verwendung von Schaumstoff-Verbundelementen und Kenntnissen zu den damit in Zusammenhang stehenden erforderlichen Eigenschaften, wird die Patentansprüche wie folgt verstehen:
92
4.1 Die für den Fachmann erkennbare Leistung des Streitpatents liegt darin, zur Verbesserung der Haftung eines Polyisocyanuratschaums auf einer Oberfläche einen Haftvermittler auf Polyurethanbasis zu verwenden (NK2: [0006]). Die chemische Zusammensetzung des Polyurethanhaftvermittlers ist dabei nach dem Streitpatent abweichend von dem fachüblichen (engeren) Verständnis eines Polyurethans als einer polymeren Verbindung mit Urethan-Gruppen (-O-CO-NH-) breiter zu verstehen.
93
So wird für das Polyurethan der Haftvermittlerschicht lediglich gefordert, dass dieses aus der Umsetzung von a) Polyisocyanaten mit b) Verbindungen mit zwei gegenüber Isocyanaten reaktiven Wasserstoffatomen erhältlich ist (NK2: [0011]). Als insoweit reaktive Verbindungen kommen neben solchen mit zwei oder mehr OH-Gruppen (Polyolen), die zu Polyurethanen im engeren Sinn führen, auch jene mit zwei oder mehr SH-, NH-, NH2-Gruppen oder CH-aciden-Gruppen in Betracht (NK2: [0013]), also auch solche, die beispielsweise aus der Reaktion mit NH2-Gruppen zu Polyharnstoffen mit entsprechenden Harnstoff-Gruppen (-NH-CO-NH-) führen.
94
Gleiches gilt im Übrigen für das Polyisocyanurat (NK2: [0017] i. V. m. [0018], Satz 1). Bei beiden Bildungsreaktionen werden als Ausgangsstoffe Polyisocyanate – und damit Verbindungen mit mehreren N=C=O-Gruppen – mit Verbindungen, die gegenüber Isocyanaten reaktive Wasserstoffatome aufweisen, eingesetzt. Je nach den Reaktionsbedingungen und der Art des Reaktionspartners entstehen aus den Polyisocyanaten dann Polyurethane oder Polyisocyanurate. So verwendet das Streitpatent insoweit zur Herstellung eines Polyisocyanurats zusätzlich einen „Isocyanuratkatalysator“ (NK2: S. 3, Z. 32).
95
Vor diesem Hintergrund beurteilt der Fachmann auch die zwischen den Parteien streitige „Pvlyisocyanat“-Reaktionsmischung gemäß Merkmal V.1.
96
Gemäß Merkmal 3.3 wird eine Polyisocyanurat-Reaktionsmischung, aus der eine PIR-Schaumstoffschicht entsteht, auf die noch reaktionsfähige (PUR-) Haftvermittlerschicht aufgebracht. Dies entspricht auch dem Kern der erfinderischen Idee des Streitpatents (NK2: [0001]-[0007], [0028]-[0029]). Der Fachmann erkennt im Gesamtzusammenhang des Streitpatents daher (NK2: insbesondere Patentanspruch 1; [0001]-[0007]; [0028]-0029]), dass es sich bei der in Merkmal V.1 als „Pvlyisocyanat-Reaktionsmischung“ bezeichneten Reaktionsmischung um eine „Polyisocyan
ur
at-Reaktionsmischung“ handelt, also eine Reaktionsmischung, aus der ein Polyisocyanurat hergestellt wird.
97
Anders als die Klägerin meint, liegt daher in Merkmal V.1 auch keine unzulässige Erweiterung vor, weil der streitige Begriff als „Polyisocyanat“-Reaktionsmischung zu lesen sei. Das Streitpatent bezeichnet konsistent die zur Herstellung des Polyisocyanuratschaumstoffs verwendete Reaktionsmischung als Polyisocyan
ur
at-Reaktionsmischung (NK2: S. 4, Z. 12-13; S. 4, Z. 19-20; S. 4, Z. 48), so dass der Fachmann die „Pvlyisocyanat“-Reaktionsmischung als offensichtlichen Fehler erkennt und entsprechend korrigiert.
98
4.2 Soweit die Beklagte zu Merkmal 2 meint, dass das Partizip „aufgebaut aus“ im Gesamtzusammenhang dahingehend zu verstehen sei, dass das Verbundelement aus den Schichten aufgebaut „wird“, sieht der Senat hierin keinen Widerspruch zur Formulierung der Klägerin, die in ihrer Merkmalsgliederung „Das Verbundelement ist aufgebaut“ schreibt. Denn in beiden Fällen ist Merkmal 2 dahingehend zu verstehen, dass die genannten Komponenten zum Aufbau des Verbundelements verwendet werden sollen bzw. die Verfahrensführung so ausgelegt sein muss, dass ein Verbundelement mit den genannten Eigenschaften erhalten wird.
99
4.3 Gemäß Merkmal 2.2.1 soll die Haftvermittlerschicht des Verbundelements „reaktiv“ sein. Das heißt bei der Herstellung des Verbundelements, nämlich beim Aufbringen der Polyisocyanurat (PIR)-Reaktionsmischung für den Polyisocyanuratschaumstoff (Merkmal 3.3), soll die PUR-Haftvermittlerschicht noch so reaktiv sein (Merkmal 3.2), dass die mit der PIR-Reaktionsmischung reagieren kann (vgl. auch NK2: [0023]). Infolgedessen ist der Begriff „reaktiv“ in Merkmal 2.2.1 ein Attribut der PUR-Haftvermittlerschicht, das in Verbindung mit den Merkmalen 3.2 und 3.3 zu verstehen ist.
100
Hinsichtlich Merkmal 3.2 versteht der Fachmann daher das Attribut „reaktiv“ in Bezug auf den Polyurethanhaftvermittler in gleicher Weise, nämlich dass dieser insoweit „reaktiv“ sein muss, als er – wie in Absatz [0029] des Streitpatents ausgeführt und mit Merkmal 3.3 erläutert – noch reaktionsfähig ist, d. h. die Polyurethanreaktion des Haftvermittlers noch nicht abgeschlossen ist.
101
Nach Absatz [0022] des Streitpatents zeigt der Haftvermittler gemäß Schritt B eine Reaktivität mit dem aufzubringenden PIR-Schaumstoff. Nachfolgend in den Absätzen [0023], [0028] und [0029] erfolgt die Erläuterung einer besonders bevorzugten Ausführungsform hinsichtlich der Reaktivität des Haftvermittlers. So soll gemäß Absatz [0029] ein „reaktiver Polyurethan-Haftvermittler“ derart verwendet werden, dass die Polyurethanreaktion des Haftvermittlers nicht abgeschlossen ist, was gemäß Absatz [0023] dahingehend zu verstehen ist, dass die Haftvermittlerschicht noch nicht vollständig ausgehärtet ist, d. h. die Reaktion zwischen Isocyanat- und Polyolkomponenten zwar schon eingesetzt hat, aber noch nicht abgeschlossen ist.
102
Der Fachmann versteht daher in Patentanspruch 1 nach Streitpatent die Begriffe „reaktiv“, „reaktionsfähig“ bzw. „noch reaktionsfähig“ als Synonyme. Insoweit sieht der Senat auch keine Unterscheidung dahingehend, dass reaktiv eine Eigenschaft des Stoffes bezeichne, wohingegen reaktionsfähig im Kontext der Verfahrensführung zu lesen sei.
103
In welchem zeitlichen Rahmen und auch zu welchem Grad die Reaktion abläuft und wann sie als abgeschlossen gilt, bleibt streitpatentgemäß offen. Jedenfalls dann, wenn die Auftragung eines Schaumstoffs unmittelbar nach Auftragung eines Haftvermittlers erfolgt, was auch streitpatentgemäß umfasst ist, ist die Aushärtung noch nicht vollständig, d. h. die Polyurethanreaktion zwischen Isocyanatverbindung und mit gegenüber Isocyanaten reaktiver Verbindung noch nicht abgeschlossen. Denn bei einer Härtungsreaktion, die sigmoidal verläuft (vgl. z. B. NK13: S. 40, Abbildung 39), folgt aus einer beispielsweise unmittelbar nach Auftragung des Haftvermittlers erfolgenden Auftragung des Schaumstoffs zwangsläufig eine nicht vollständige vorherige Aushärtung des Haftvermittlers und damit eine streitpatentgemäße „Noch-Reaktivität“.
104
4.4 Der Begriff „flüssig“ in Merkmal 3.2, dessen Auslegung zwischen den Parteien streitig ist, besagt aus Sicht des Fachmanns lediglich, dass die Reaktionsmischung zu Beginn des Auftragens ausreichend fließfähig ist, um aufgesprüht, aufgegossen oder aufgestrichen werden zu können. Etwas Anderes ist auch nicht den beiden einzigen Stellen des Streitpatents zu entnehmen, in denen der Begriff „flüssig“ vorkommt (NK2: S. 4, Z. 11; S. 4, Z. 45). Insoweit bleibt streitpatentgemäß offen, welche Viskosität die Haftvermittlerschicht zum Zeitpunkt des Aufbringens der Polyisocyanurat-Reaktionsmischung (Schaumstoffschicht) gemäß Merkmal 3.3 aufweist. Streitpatentgemäß bekannt ist lediglich, dass die Polyurethanreaktion der Haftvermittlerschicht bereits eingesetzt hat und noch nicht abgeschlossen ist (NK2: S. 4, Z. 21-22). Diese breite Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass die Auftragung der Haftvermittlerschicht vor oder nach der Erwärmung der (unteren) Deckschicht 10 in einem Vorwärmofen 4 erfolgt (NK2: [0026] i. V. m. Fig. 2).
105
4.5 Der Patentanspruch 1 verlangt mit den fakultativen Merkmalen 2.4 und 3.5 nicht zwingend eine zweite Haftvermittlerschicht auf der zweiten Deckschicht. Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch Merkmal 3.6 jedenfalls hinsichtlich des Aufbringens des Polyurethanhaftvermittlers als fakultativ zu verstehen.
II.
106
In der erteilten Fassung ist das Streitpatent für nichtig zu erklären, weil der beanspruchte Gegenstand nach Patentanspruch 1 gegenüber der NK5 nicht neu ist.
107
1. Die im Streitpatent als Stand der Technik genannte Druckschrift WO 99/00559 A1 (NK5) beschreibt Metall-Sandwichpaneele zur Verwendung als Gebäudeverkleidungssysteme (NK5: S. 1, Z. 4-7). Nach den Angaben in der NK5 – die im Folgenden nach dem englischsprachigen Original NK5 unter Verwendung der teilweise von der Übersetzung nach der NK5-D abweichenden, nachfolgend in kursiver Schrift gekennzeichneten deutschen Begriffe zitiert wird – würden Metall-Sandwichpaneele insbesondere im Kühlhallenbau („cold storage construction“) verwendet, insbesondere, wenn Metallaußenschichten mit geschlossenzelligen Polyurethan- und Polyisocyanuratschäumen kombiniert würden (NK5: S. 1, Z. 18-25). Jedoch seien diese Produkte mit herkömmlichen glasfaserisolierten Metall-Paneel-Systemen in Bezug auf ihre Kosten bisher nicht konkurrenzfähig (NK5: S. 1, Z. 26-31).
108
Deshalb ist es das Ziel der NK5, wettbewerbsfähige Metall-Sandwichpaneele zur Verfügung zu stellen, indem die innere Metalllage („interior metal liner“) durch eine beständige („durable“) flexible oder metallische Deckfläche ersetzt wird, die wesentlich dünner ist als die gegenwärtig verwendeten. Hierzu ist es erforderlich – und dies stellt die Besonderheit der NK5 dar –, den Kern aus Polyisocyanuratschaumstoff mechanisch mittels Glasfasern zu verstärken (NK5: S. 3, Z. 8-13, Patentanspruch 1).
109
Insoweit beschreibt die NK5 dann mit der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
110
in einer bevorzugten Ausgestaltung ein poured-in-place Sandwichpaneel 10, das einen planaren, steifen, zellulären Polyisocyanuratschaum-Kern 12 aufweist (NK5: S. 4, Z. 3-6 // Merkmale 2.3, 2.3.1). Unter poured-in-place versteht die NK5 dabei, dass der Polyisocyanuratschaum-Kern aus einer schaumbildenden (Reaktions-) Mischung während des Herstellungsverfahrens (vor Ort) erzeugt wird (NK5: S. 15, Z. 4-9 // Teilmerkmal 3.3 [ohne „reaktionsfähige“], Merkmal 3.4).
111
Der Polyisocyanuratschaum-Kern 12 wird aus der Umsetzung eines organischen Di- oder Polyisocyanats mit einem oder mehreren Polyolen und einem geeigneten Trimerisationskatalysator hergestellt, wobei zusätzlich Polyamine verwendet werden können, die dann zusätzliche Harnstoffgruppen in dem Polymer bilden (NK5: S. 5, Z. 1-9). Der entstehende Schaum kann dann eine Dichte von etwa 1,6 bis 2,4 lbs/ft3 (Pfund pro Kubikfuß = 25,6 bis 38,4 g/l) und bevorzugt 1,9 bis 2,1 lbs/ft3 (= 30,4 bis 33,6 g/l) haben (NK5: S. 5, Z. 17-20 // Merkmal 2.3.2).
112
Auf den Außenseiten des Polyisocyanuratschaum-Kerns liegen auf der „ersten“ Seite (14), d. h. der Vorderseite, eine innere Deckschicht (18) (Merkmal 2.5) und auf der „zweiten“ Seite (16), also der Rückseite, eine Metallhaut (20) („metal skin“ // Merkmal 2.1), wobei zwischen dem Polyisocyanuratschaum-Kern und der Metallhaut eine Haftvermittlerschicht (22) (primer layer) angeordnet ist (NK5: S. 4, Z. 10-14 // Merkmale 2, 2.2).
113
Bei der Herstellung des zuvor beschriebenen Sandwichpaneels, insbesondere ab S. 14, Z. 34 der NK5 (Merkmale 1, 3), wird die Haftvermittlerschicht vor der Aufbringung der schaumbildenden (Reaktions-) Mischung auf die innere Oberfläche (26) der Metallhaut aufgetragen (NK5: S. 14, Z. 36 bis S. 15, Z. 3; vgl. auch S. 11, Z. 25-26 // Merkmal 3.1), nämlich mittels jeder bekannten Technik, einschließlich Walzenbeschichtung, Tauchbeschichtung („dip coating“), Elektro(tauch)beschichtung („electrodeposition“) (NK5: S. 12, Z. 24-26) und Sprühbeschichtung (NK5: S. 16, Z. 30-34), was insoweit grundsätzlich das Auftragen eines flüssigen Haftvermittlers impliziert (Teilmerkmal 3.2 [ohne „reaktivem“ und „Reaktionsmischung“]). Die Auswahl des Haftvermittlers ist nicht besonders eingeschränkt und kann aus Polyepoxid-, Polyurethan-, Polyacryl- und Polyharnstoff-Systemen (Merkmal 2.2.2) erfolgen (NK5: S. 11, Z. 25-29). Entsprechend dem Ausführungsbeispiel auf Seite 16, Zeilen 29-34 wird eine Polyharnstoffschicht aus gleichen Teilen Methylenbiphenyldiisocyanat (MDI) und einem Polyetheramin (JEFFAMINE T-3000), also aus einer Reaktionsmischung hergestellt (Teilmerkmal 3.2).
114
Gemäß der auf S. 15, Z. 6-14 der NK5 beschriebenen Ausführungsformen werden die Metallhaut (20) mit Haftvermittlerschicht (22) und die innere Deckschicht (18) gleichzeitig mit der schaumbildenden (Reaktions-) Mischung in Kontakt gebracht („contacted essentially simultaneously“), oder die Reaktionsmischung wird zuerst auf die Metallhaut mit Haftvermittlerschicht oder die innere Deckschicht aufgebracht und danach mit der jeweils anderen Außenschicht verbunden (Merkmale 3.1, 3.4, 3.6; Teilmerkmale 3.2 [ohne „reaktivem“ und „Reaktionsmischung“], 3.3 [ohne „reaktionsfähige“]).
115
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sind somit aus der NK5 die Merkmale 1, 2, 2.1, 2.2, 2.2.2, 2.3, 2.3.1, 2.3.2, 2.5, 3, 3.1, 3.4 und 3.6 bekannt.
116
Ungeschäumtes Polyurethan weist materialinhärent eine Dichte im Bereich von etwa 1200 g/l auf (vgl. z. B. NK12A: S. 298, vorletzter Abs.; 1,25 – 1,13 g/cm3 // NK12B: S. 103, unten; 1,14 – 1,26 g/cm3 // NK12C: S. 293, Tab. 47, „Spez. Gewicht“; 1,20 – 1,25 g/cm3). Durch im Polyol vorhandenes Restwasser, welches als Treibmittel wirkt (vgl. auch NK2: [0016]) kann sich die Dichte auf 300 bis 400 kg/m3 bzw. g/l reduzieren (NK12C: S. 528, vorletzter Abs. // NK12D: S. 294, vorletzter Abs., Z. 1-3, „Kohlendioxid als zusätzliches Blähmittel“). Die Dichte einer fachüblichen Haftvermittlerschicht aus einem streitpatentgemäßen Polyurethanmaterial liegt mithin im Bereich von etwa 300 bis 1250 g/l und damit zwangsläufig im Bereich von Merkmal 2.2.3.
117
Die NK5 nimmt in Bezug auf die Haftungsverbesserung zwischen Polyisocyanuratschaum-Kern und Metallhaut (NK5: S. 11, Z. 26-27) an, dass die Haftvermittlerschicht physikalisch und chemisch in den Schaumkern eindringt („penetrates“) und so eine feste Bindung/Verbindung („tight bond“) erzeugt (NK5: S. 11, Z. 33-35). Als bevorzugt für die Haftvermittlerschicht wird Polyharnstoff genannt, der durch die Reaktion eines organischen Di- oder Polyisocyanats mit Verbindungen, die endständige Amine aufweisen, gebildet wird. Die Haftungsverbesserung erfolgt entsprechend der Annahme der NK5, indem endständige Wasserstoffatome der Polyharnstoffschicht eine chemische Reaktion mit reaktiven Gruppen von Komponenten der Polyisocyanuratschaum bildenden (Reaktions-) Mischung gestatten (NK5: S. 11, Z. 36 bis S. 12, Z. 7). Auch wenn sich diese Erklärung auf die Polyharnstoffschicht bezieht, ist sie unmittelbar für eine Polyurethanschicht gültig und wird durch den Fachmann auch so gelesen und verstanden, nämlich dass es (auch) zu kovalenten Bindungen zwischen der Haftvermittlerschicht und den reaktiven Gruppen von Komponenten während des Aufschäumens des Polyisocyanuratschaum-Kerns kommt.
118
Aus diesen Ausführungen ergibt sich allerdings noch nicht, ob die Haftvermittlerschicht selbst, wie vom Streitpatent gefordert, „noch reaktionsfähig“ ist. Dies kann aber aus den weiteren Angaben in der NK5 gefolgert werden. Denn hinsichtlich der Polyharnstoffschicht als Haftvermittler – und damit für den Fachmann erkennbar für Isocyanatbasierte-Haftvermittlerschichten allgemein – merkt die NK5 an, dass in einer Ausführungsform die Haftvermittlerschicht (22) auf die innere Oberfläche (26) der Metallhaut (20) aufgebracht wird, kurz nachdem („shortly after“) die Metallhaut (20) von ihrer Rolle abgerollt, geglättet und profiliert worden ist und unmittelbar bevor („just before“) die Metallhaut (20) in unmittelbare Nähe der inneren Deckschicht (18) gebracht und die Polyisocyanuratschaum-Mischung dazwischen appliziert wird (NK5: S. 12, Z. 16-20). Hieraus ergibt sich jedenfalls eine unmittelbar auf die Auftragung des Haftvermittlers folgende Auftragung des Schaumstoffs.
119
Somit kann die zwischen den Parteien streitige semantische Auslegung der sich an den oben zitierten Satz auf Seite 12, Zeilen 16-20, der NK5 unmittelbar anschließenden Textstelle dahinstehen, in der es heißt: „If necessary, the continuous production line may be designed or adjusted to permit the polyurea primer layer 22 on the surface of metal skin 20 to cure slightly before application of the polyisocyanurate foam mixture“ (NK5: S. 12, Z. 20-23; Hervorhebungen hinzugefügt). Denn bereits den vorhergehenden Zeilen 16-20 entnimmt der Fachmann jedenfalls eine unmittelbar auf die Auftragung des Haftvermittlers folgende Auftragung des Schaumstoffs. Unabhängig davon, ob die nachfolgende Passage der Zeilen 20-23 hinsichtlich des Passus „to cure slightly before application“ im Sinne einer nur leichten Aushärtung des Polyurethan-Haftvermittlers, wie die Klägerin meint, oder mit der Beklagten als eine Aushärtung kurz vor der Auftragung des Schaumstoffs zu verstehen ist, weiß der Fachmann, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat, dass die Polyurethanreaktion auch nach längerer Zeit noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Zutreffend hat die Beklagte hieraus geschlossen, dass es nur darum gehen kann, den geeigneten Zeitpunkt zu finden, an welchem der Haftvermittler „noch reaktionsfähig“ im Sinne des Streitpatents ist. Zwar ist ihr darin zuzustimmen, dass eine Lehre hinsichtlich eines bestimmten geeigneten Zeitpunkts der NK5 nicht zu entnehmen ist. Allerdings enthält auch das Streitpatent in gleicher Weise keine Lehre hierzu. Vielmehr beschränkt es sich wie die NK5 auf die bloße Angabe, dass die Polyisocyanurat-Reaktionsmischung unmittelbar nach dem Aufbringen des Polyurethanhaftvermittlers aufgebracht wird. Mithin kommt es im Streitpatent nur darauf an, dass die Haftvermittlerschicht noch nicht vollständig ausgehärtet ist, also die Polyurethanraktion noch nicht abgeschlossen ist, wie dies das Streitpatent in den Absätzen [0023] und [0028] bis [0029] veranschaulicht. Nichts Anderes lehrt aber auch die NK5, wenn bei dem darin beschriebenen Verfahren die Haftvermittlerschicht zu einem Zeitpunkt aufgebracht wird, kurz nachdem („shortly after“) die Metallhaut von ihrer Rolle abgerollt, geglättet und profiliert worden ist und unmittelbar bevor („just before“) die Polyisocyanuratschaum-Mischung appliziert wird (NK5: S. 12, Z. 16-20). Damit unterscheidet sich aber das Streitpatent hinsichtlich der Merkmale 2.2.1, 2.4.1, 3.2 und 3.3 zu „reaktiv“ bzw. „noch reaktionsfähig“ nicht von der Lehre der NK5, die hier ebenfalls auf noch nicht vollständig ausgehärtete Haftvermittlerschichten abstellt.
120
Da die NK5 somit die Auftragung einer Reaktionsmischung für die Haftvermittlerschicht lehrt, die noch nicht vollständig gehärtet ist, bevor die Reaktionsmischung für den Polyisocyanuratschaum aufgetragen wird, sind die Merkmale 2.2.1, 2.4.1, 3.2 und 3.3 auch in Bezug auf die noch reaktionsfähige Haftvermittlerschicht aus der NK5 bekannt.
121
Im Ergebnis sind damit alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents (bis auf die fakultativen Merkmale 2.4 und 3.5) aus der NK5 bekannt, wonach der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der NK5 ist. Gleiches gilt dann auch für das nach dem Verfahren hergestellte Verbundelement gemäß Patentanspruch 4 und die Verwendung eines reaktiven Polyurethan-Haftvermittlers gemäß Patentanspruch 9.
122
2. Dem vorgenannten Ergebnis stehen die vorgebrachten Argumente der Beklagten nicht entgegen.
123
2.1 Die Beklagte meint, die Haftvermittlerschicht werde in der NK5 bereits als vollständig ausgehärtetes Polymer eingesetzt, die NK5 stelle auf Dispersionen ab, in denen diese Polymere vorlägen, und mit „cure“ werde ein Verdampfen des Lösungsmittels beschrieben. Hierfür gibt es indes keine Anhaltspunkte.
124
Zwar kann der Begriff „cure“ im Deutschen auch mit „trocknen“ übersetzt werden. Die NK5 stellt jedoch – wie dargelegt – im fachmännischen Verständnis ihrer Lehre auf eine Härtung der Schichten ab. Zudem wird gemäß Beispiel 1 der NK5 die Haftvermittlerschicht aus gleichen Teilen eines Polyetheramins (JEFFAMINE T-3000; NK5a) und Methylenbiphenyldiisocyanat (MDI) – also eine Reaktionsmischung aus zwei Komponenten – auf eine Stahloberfläche aufgesprüht und 10 Sekunden härten gelassen, bevor die Polyisocyanurat-(Reaktions-) Mischung aufgesprüht wird (NK5: S. 16, Z. 30-34; „A polyurea primer layer (equivalent parts MDI and JEFFAMINE T-3000 amine) would be continuously sprayed on the inner (non-painted) surface of the steel and permitted to cure 10 seconds before the steel is passed under a continuously spraying polyisocyanurate mixing head (described below). Alternatively, the primer layer would be already applied to the steel.”).
125
Hinzu kommt, dass die NK5 auf Seite 15, Zeilen 29-30 von einer teilweisen oder vollständigen Härtung der Haftvermittlerschicht 22 in einem Ofen oder einer Heizkammer spricht (NK5: S. 15, Z. 27-30) und an dieser Stelle eine Reaktionsrate oder Härtungsgeschwindigkeit („cure rate“) des Polymers der Haftvermittlerschicht benennt. Auch diese Aussage versteht der Fachmann im Sinne einer chemischen Härtungsreaktion, nicht aber als Trocknung einer Dispersion. Diese Stelle zeigt zudem, dass sich die NK5 auch in der Verwendung eines Ofens nicht vom Streitpatent unterscheidet, wonach in einer bevorzugten Ausführungsform ebenfalls ein Vorwärmofen eingesetzt werden soll (NK2: [0026])
126
Der Begriff „Dispersion“ kommt im Übrigen in der gesamten NK5 lediglich in Bezug auf zu dispergierende Fasern vor (NK5: S. 17, Z. 37), so dass der Fachmann der NK5 zum Vorliegen einer Haftvermittler-Dispersion keinen Hinweis entnimmt. Auch die auf Seite 12, Zeilen 24-26 genannten Auftragsverfahren sind kein Hinweis darauf, dass gemäß der NK5 im fachmännischen Verständnis keine Reaktionsmischungen aufgebracht werden. Denn soweit die Lehre der NK5 auf Reaktionsmischungen abstellt, wird der Fachmann die Auftragsverfahren geeignet auswählen oder ausgestalten. Jedenfalls die im Beispiel 1 der NK5 genannte Sprühauftragung (NK5: S. 16, Z. 32, „sprayed“) ist unstreitig für Zweikomponentensysteme grundsätzlich möglich.
127
2.2 Soweit die Beklagte meint, die Reaktionsfähigkeit der Haftvermittlerschicht sei auch mit ihrem noch flüssigen Aggregatszustand verknüpft (Merkmal 3.2), trifft dies nicht zu. Denn Merkmal 3.2 fordert lediglich, dass der Haftvermittler beim Aufbringen auf die Deckschicht noch flüssig, also irgendwie fließfähig ist. Hingegen bleibt der Aggregatszustand des Polyurethanhaftvermittlers während des Aufbringens des Polyisocyanurat-Schaums offen. Denn nach Merkmal 3.3 ist es nicht erforderlich, dass die Haftvermittlerschicht noch flüssig ist. Sie muss lediglich noch reaktionsfähig sein, was der bei Klebeprozessen häufig angewandten Strategie des Antrocknen-Lassens entspricht. Insoweit darf aber der Zeitpunkt der Klebefreiheit nicht mit dem Zeitpunkt gleichgesetzt werden, zu dem die Polymerisationsreaktion und damit die Aushärtung abgeschlossen ist. Dies belegt im Übrigen das Streitpatent selbst, indem es die Verwendung eines Vorwärmofens vor oder nach der Auftragung der Haftvermittlerschicht empfiehlt (NK2: [0026]).
128
2.3 Soweit in der NK5 weitere Ausführungsformen hinsichtlich des Auftragens des Haftvermittlers genannt sind, nämlich, dass der Primer bereits werkseitig auf der Metallschicht vorappliziert sein kann (NK5, S. 12, Z. 27-30; S. 15, Z. 1) oder dass dieser vollständig ausgehärtet ist (NK5: S. 15, Z. 27-30, „complete curing“), ändert dies nichts an der – zumindest als gleichwertige Alternative – offenbarten teilweisen Aushärtung der Haftvermittlerschicht.
129
2.4 Die Beklagte ist zudem der Ansicht, es käme für die streitpatentgemäße Lehre auf die Auswahl des Zusammenwirkens einer Polyisocyanurat-Schaumstoffschicht mit einer (noch reaktiven) Polyurethan-Haftvermittlerschicht an und möchte insoweit eine Auswahlerfindung geltend machen. Auch dieses Argument greift nicht durch, denn das Streitpatent stellt stofflich nicht auf besondere Polyurethan-Haftvermittler ab oder darauf, dass diese gegenüber anderen Haftvermittlern nochmals verbesserte Eigenschaften aufweisen würden. Vielmehr ist der Begriff Polyurethan sehr breit zu verstehen (NK2: [0011]) und die verwendeten Haftvermittler sind bereits aus dem Stand der Technik bekannt. Soweit Systeme aus Polyurethan-Haftvermittler und Polyisocyanurat-Schaum aus dem Stand der Technik bereits bekannt sind, bleibt vorliegend kein Raum für eine Auswahlerfindung.
130
2.5 Soweit die Beklagte der Auffassung ist, den Merkmalen 2.2.1 und 3.3 sei hinsichtlich des Begriffs „reaktiv“ eine Bedeutung beizumessen, die den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gerade von der NK5 abgrenze, verkennt sie, dass die NK5 erst während des Prüfungsverfahrens als Stand der Technik ermittelt wurde. Schon aus diesem Grund ist auszuschließen, dass sich die ursprünglich offenbarte Erfindung von einem Stand der Technik wie der NK5 abgrenzen konnte. Inwieweit sich ein Patent vom ermittelten Stand der Technik abgrenzt, ist nicht nach dem Willen des Patentinhabers, sondern nach dem objektiven Verständnis des zuständigen Fachmanns zu beurteilen. Danach bestimmt sich auch, wie die Lehren des Streitpatents und des Standes der Technik auszulegen sind. Aus dem bloßen Willen eines Patentinhabers zur Abgrenzung vom Stand der Technik kann daher nicht auf eine hiervon abweichende, für den Patentinhaber günstige Auslegung des Standes der Technik geschlossen werden.
131
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten genannten BGH-Entscheidung „Scheinwerferbelüftungssystem“ (BGH, Urteil vom 27. Novem-ber 2018, X ZR 16/17, GRUR 2019, 491). Gegenstand dieser Entscheidung war ein Patent, das vom Stand der Technik, den es im Oberbegriff des Patentanspruchs beschreibt, ausgeht und diesen durch zusätzliche Merkmale weiterentwickeln und damit verbessern möchte. Dann können nach der vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidung im Zweifel die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs genannten zusätzlichen Merkmale nicht einengend auf den Stand der Technik verstanden werden, den das Patent mit den zusätzlichen Merkmalen gerade erweitern und ergänzen möchte. Im konkret entschiedenen Fall ging es dabei um die Frage, ob der vorhandene Stand der Technik in der Weise (um-) interpretiert werden kann, dass dessen bekannte Merkmale bereits das weitere Merkmal (im konkret entschiedenen Fall handelte es sich um die zweifache Richtungsänderung des Luftstroms) verwirklichen, den das neue Patent erst durch eine besondere Ausgestaltung erreichen möchte, mit der es sich vom Stand der Technik unterscheiden soll. Eine solche (Um-) Interpretation des Standes der Technik in der Weise, dass dieser auch das Unterscheidungsmerkmal des späteren Patents mit umfasst, schließt die genannte Entscheidung aus. Abzugrenzen ist die dieser Entscheidung zugrundeliegende Fallkonstellation aber von den Fällen, in denen es nicht darum geht, ob der Stand der Technik ein patentgemäßes Merkmal über seine vorhandene Ausgestaltung hinaus mit umfasst, sondern darum, ob das fragliche Merkmal bereits unmittelbar zum Stand der Technik gehört. Dies ist aber vorliegend Gegenstand der Beurteilung. Denn diese betrifft nicht die Frage, ob das in der NK5 beschriebene Verfahren auch einen im Sinne des Streitpatents „reaktiven“ Haftvermittler mit umfasst, sondern ob der in der NK5 stofflich konkret beschriebene Haftvermittler „reaktiv“ im Sinne des Streitpatents ist. Diese Frage war aber, wie oben bereits ausgeführt, auch auf der Grundlage der eigenen Ausführungen der Beklagten zu bejahen.
III.
132
Die Beklagte kann ihr Patent auch nicht in beschränkter Fassung nach einem der Hilfsanträge erfolgreich verteidigen.
133
1. Für die Fassung nach Hilfsantrag 1 gilt dies schon deshalb, weil eine solche Verteidigung unzulässig ist. Denn hiermit möchte die Beklagte lediglich die Begriffe „Polyurettian“ und „Pvlyisocyanat“ in Patentanspruch 9 der erteilten Fassung klarstellend korrigieren. Eine bloße Klarstellung, die lediglich der Auslegung und Festlegung des Schutzumfangs der Patentansprüche dient, diesen aber nicht zugleich ändert und beschränkt, ist aber im Nichtigkeitsverfahren grundsätzlich nicht möglich (BGH GRUR 1988, 757 – Düngerstreuer).
134
2. Aber auch mit einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen 2 bis 8 kann die Beklagte ihr Patent nicht erfolgreich verteidigen, da sich die danach beanspruchten Gegenstände jeweils als nicht patentfähig erweisen.
135
Durch die Hilfsanträge ergeben sich gegenüber den unabhängigen Patentansprüchen nach Hauptantrag weitere Änderungen bzw. Ergänzungen, welche im Folgenden kursiv gesetzt sind. Mit den hochgestellten Ziffern wird angegeben, ab welchem Hilfsantrag das Merkmal in die Fassung eines Patentanspruchs aufgenommen ist.
136
2.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 entspricht dem Hauptantrag, der um die folgenden Merkmale 3.2.1
2
und 3.3.1
2
ergänzt wird:
137
3.2.1
2
wobei der Haftvermittler erhältlich ist durch Umsetzung von a) Polyisocyanaten und b) Polyetherolen und/oder Polyesterolen;
138
3.3.1
2
zu einem Zeitpunkt, in dem die Haftvermittlerschicht noch nicht vollständig ausgehärtet ist, d. h. die Polyurethanreaktion zwischen Isocyanat- und Polyolkomponenten schon eingesetzt hat, aber noch nicht abgeschlossen ist,
139
Der Sachanspruch 4 entspricht dem nebengeordneten Patentanspruch 4 nach Streitpatent.
140
Der Verwendungsanspruch 9 ist wortidentisch zum nebengeordneten Patentanspruch 9 nach Hilfsantrag 1, d. h. die Begriffe „Polyurettian“ und „Pvlyisocyanat“ in den Merkmalen V und V.1 werden geändert, so dass die Merkmale nun wie folgt lauten:
141
V
1
Verwendung eines reaktiven Polyurethan-Haftvermittlers (vgl. Merkmal 3.2),
142
V.1
1
der beim Aufbringen [einer] Polyisocyanurat-Reaktionsmischung auf die Haftvermittlerschicht noch reaktionsfähig ist (vgl. Merkmal 3.3),
143
2.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 entspricht dem Hauptantrag, mit der Maßgabe, dass die Merkmale 3.2.1
2
und 3.3.1
2
von Hilfsantrag 2 hinzukommen. Zudem kommen die folgenden Merkmale 3.4.1
3
und 3.4.2
3
hinzu:
144
3.4.1
3
wobei der sich bildende Polyisocyanuratschaumstoff erhältlich ist durch Umsetzung von a) Polyisocyanaten mit b) gegenüber Isocyanaten reaktiven Verbindungen in Gegenwart von c) Isocyanuratkatalysatoren,
145
3.4.2
3
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an Isocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 1,8 bis 8 : 1 beträgt;
146
Der Sachanspruch 4 entspricht dem nebengeordneten Patentanspruch 4 nach Streitpatent. Der Verwendungsanspruch 9 ist wortidentisch zum nebengeordneten Patentanspruch 9 nach Hilfsantrag 1.
147
2.3 Die Patentansprüche 1 (Verfahren) und 4 (Verbundelement) nach Hilfsantrag 4 sind wortidentisch mit dem Hilfsantrag 3.
148
Der Patentanspruch 9 (Verwendung) nach Hilfsantrag 4 entspricht dem nebengeordneten Patentanspruch 9 nach Hilfsantrag 1 (wegen Schreibfehlern gegenüber dem Hauptantrag abgeänderte Merkmale V
1
und V.1
1
). Die folgenden Merkmale V.0
4
, V.0.1
4
, V.3.1
4
und V.3.2
4
kommen hinzu:
149
V.0
4
wobei der Haftvermittler als flüssige Reaktionsmischung auf eine erste Deckschicht aufgebracht wird (vgl. Merkmal
3.2
)
150
V.0.1
4
und
erhältlich ist durch Umsetzung von a) Polyisocyanaten und b) Polyetherolen und/oder Polyesterolen (vgl. Merkmal
3.2.1
2
),
151
V.3.1
4
wobei der sich bildende Polyisocyanuratschaumstoff erhältlich ist durch Umsetzung von a) Polyisocyanaten mit b) gegenüber Isocyanaten reaktiven Verbindungen in Gegenwart von c) lsocyanuratkatalysatoren (vgl. Merkmal
3.4.1
3
),
152
V.3.2
4
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an Isocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 1,8 bis 8 : 1 beträgt (vgl. Merkmal
3.4.2
3
).
153
Mithin wird der Patentanspruch 9 lediglich hinsichtlich seiner Merkmale an den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 angepasst.
154
2.4 Der Patentanspruch 1 (Verfahren) nach Hilfsantrag 5 entspricht dem Hauptantrag mit der Maßgabe, dass die Merkmale 3.2.1
2
, 3.3.1
2
, 3.4.1
3
und 3.4.2
3
der Hilfsanträge 2 und 3 hinzukommen (= Hilfsantrag 3 bzw. 4). Zudem wird das folgende Merkmal 3.2.2
5
hinzugefügt und das Merkmal 3.4.2
3
wie folgt abgeändert:
155
3.2.2
5
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an lsocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 0,8 bis 1,8 : 1 beträgt;
156
3.4.2
5
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an Isocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 1,9 bis 4 : 1 beträgt;
157
Der Patentanspruch 4 (Verbundelement) nach Hilfsantrag 5 ist wortidentisch mit dem Hauptantrag.
158
Der Patentanspruch 9 (Verwendung) nach Hilfsantrag 5 entspricht dem nebengeordneten Patentanspruch 9 nach Hauptantrag mit der Maßgabe, dass die Merkmale V
1
und V.1
1
entsprechend Hilfsantrag 1 abgeändert sind und die Merkmale V.0
4
, V.0.1
4
, V.3.1
4
und V.3.2
4
von Hilfsantrag 4 hinzukommen. Zudem wird das Merkmal V.0.2
5
hinzugefügt und das Merkmal V.3.2
4
wie folgt abgeändert:
159
V.0.2
5
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an lsocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 0,8 bis 1,8 : 1 beträgt (vgl. Merkmal
3.2.2
5
),
160
V.3.2
5
wobei das Umsetzungsverhältnis so gewählt wird, dass im Reaktionsgemisch das Verhältnis von Anzahl an Isocyanatgruppen zu Anzahl an gegenüber Isocyanaten reaktiven Gruppen 1,9 bis 4 : 1 beträgt (vgl. Merkmal 3.4.2
5
).
161
2.5 Die Patentansprüche 1 (Verfahren) und 9 (Verwendung) nach Hilfsantrag 6 sind wortidentisch mit dem Hilfsantrag 5.
162
Der Patentanspruch 4 (Verbundelement) nach Hilfsantrag 6 entspricht dem Hauptantrag. Das folgende Merkmal S.2
6
kommt hinzu:
163
S.2
6
wobei die Haftung zwischen der Deckschicht (i) und der Schaumstoffschicht (iii) mehr als 0,12 N/mm
2
, gemessen nach DIN 53292, beträgt.
164
2.6 Die einzigen unabhängigen Patentansprüche 1 (Verfahren) und 4 (Verwendung) nach Hilfsantrag 7 sind wortidentisch mit den Patentansprüchen 1 (Verfahren) und 9 (Verwendung) von Hilfsantrag 5.
165
2.7 Der einzige unabhängige Patentanspruch 1 (Verfahren) nach Hilfsantrag 8 ist wortidentisch mit dem Patentanspruch 1 (Verfahren) von Hilfsantrag 5.
166
3. Das in den Hilfsanträgen 2 bis 8 hinzugekommene Merkmal 3.3.1
2
ist dahin auszulegen, dass der damit genannte „Zeitpunkt“ einen Zeitpunkt innerhalb eines weiten Zeitbereichs unmittelbar nach dem Aufbringen des flüssigen Haftvermittlers bis hin zu seiner weitgehenden Aushärtung umfasst, wie bereits zu Merkmal 3.3 dargelegt (vgl. oben Abschnitt A.II.4.3).
167
4. Inwieweit die Änderungen in den Patentansprüchen nach den Hilfsanträgen 2 bis 8 den Patentgegenstand jeweils einschränken und daher zulässig sind, kann ebenso wie die Fragen, ob ihnen die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Änderung und, wie die Klägerin geltend macht, der mangelnden Ausführbarkeit entgegenstehen, dahinstehen. Denn jedenfalls können die nach den Hilfsanträgen 2 bis 8 hinzukommenden Merkmale eine erfinderische Tätigkeit gegenüber der NK5 nicht begründen.
168
4.1 Die Aufgabe des Streitpatents liegt darin, ein Verbundelement, insbesondere zur Wärmedämmung, bereit zu stellen, welches im Wesentlichen mit reduziertem Flammschutzmittelgehalt sowohl den Anforderungen an die Haftung als auch an den Flammschutz genügt (NK2: [0005]).
169
Mit der Verwendung von Polyisocyanuratschaumstoffen in der NK5, die bekanntermaßen gegenüber herkömmlichen Schaumstoffsystemen verbesserte Flammschutzeigenschaften aufweisen (NK2: [0003]), hatte der Fachmann ausgehend von der NK5 Veranlassung, zur Haftungsverbesserung Maßnahmen entsprechend den Merkmalen 3.2.1
2
und 3.3.1
2
gemäß Hilfsantrag 2 zu ergreifen.
170
Gemäß Merkmal 3.2.1
2
soll der Haftvermittler durch die Umsetzung von Polyisocyanaten mit Polyetherolen und/oder Polyesterolen erhältlich sein. Damit wird der verwendete Haftvermittler auf chemische Verbindungen eingeschränkt, die Polyurethane im engeren Sinne darstellen, nämlich Polyether- bzw. Polyesterurethane.
171
Davon abgesehen, dass die NK5 zu den Haftvermittlern neben Polyharnstoffsystemen auch Polyurethansysteme bereits vorschlägt (NK5: S. 11, Z. 25-29), stellt Polyurethan gegenüber Polyharnstoff ein fachnotorisches Austauschmittel dar, wie es auch das Streitpatent zu erkennen gibt, indem Polyharnstoffe (mittels NH2-Gruppen gebildet) neben Polyurethanen (mittels OH-Gruppen gebildet) als gleichwertig für den Erfolg der Haftungsverbesserung beschrieben werden (NK2: [0013]).
172
Der Fachmann wird ausgehend von der NK5 Polyurethane daher ebenso durch Zweikomponenten-Reaktion bilden, wie bereits die Polyharnstoffe, zumal das Reaktionssystem zur Bildung eines Polyurethans mit demjenigen zur Bildung eines Polyisocyanuratschaums (PIR) bis auf den für den PIR-Schaum verwendeten Katalysator vergleichbar ist (vgl. auch Abschnitt A.I.4.1). So beschreibt die NK5 die Bildung des PIR-Schaums aus geeigneten Di- oder Polyisocyanaten (NK5: S. 7, Z. 12 bis S. 8, Z. 14) mit Polyetherpolyolen (NK5: S. 8, Z. 15 bis S. 9, Z. 8) oder aromatischen Polyesterpolyolen (NK5: S. 9, Z. 9-16).
173
Mithin hat auch die Verwendung einer Reaktionsmischung aus Polyisocyanaten, die mit Polyetherolen und/oder Polyesterolen zu einer Haftvermittlerschicht entsprechend Merkmal 3.2.1
2
reagieren, nahegelegen.
174
Da das weitere zusätzliche Merkmal 3.3.1
2
von Hilfsantrag 2 lediglich erläutert, was das Streitpatent ohnehin unter dem Begriff „noch reaktionsfähig“ versteht und diese Eigenschaft – wie gezeigt – in der NK5 vorbeschrieben ist, beruht im Ergebnis der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
175
4.2 Auch die zusätzlichen Merkmale 3.4.1
3
und 3.4.2
3
von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hinsichtlich der verwendeten Ausgangsstoffe zur Bildung des Polyisocyanuratschaumstoffs und des dabei gewählten Umsetzungsverhältnisses vermögen eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen.
176
Beide Eigenschaften sind bereits durch die NK5 vorbeschrieben. Das streitpatentgemäß beanspruchte Umsetzungsverhältnis von 1,8 bis 8 : 1 (Merkmal 3.4.2
3
) entspricht nichts anderem als dem in der NK5 offenbarten Isocyanatindex, welcher dort zwischen 2 und 3, bevorzugt zwischen 2,4 und 2,7 liegen soll (NK5: S. 5, Z. 16-17; S. 17, Z. 2, Z. 26). Auch der für die Bildung von Polyisocyanurat obligatorische Katalysator (Merkmal 3.4.1
3
) wird genannt (NK5: S. 5, Z. 5-7; S. 9, Z. 36 bis S. 10, Z. 4; S. 17, Z. 19-24 i. V. m. S. 17, Z. 2-4 bzw. Z. 28). Somit beruht auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
177
4.3 Mit Hilfsantrag 4 wird lediglich der Verwendungsanspruch 9 in seiner Merkmalsgestaltung an den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 angepasst, indem die Merkmale V.0
4
, V.0.1
4
und V.3.1
4
hinzukommen (entsprechend den Merkmalen 3.2, 3.2.1
2
und 3.4.1
3
). Für die Verwendung gilt damit sinngemäß das zum Verfahrensanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 Ausgeführte.
178
4.4 Der Hilfsantrag 5 ergänzt die Bildung des Polyurethan-Haftvermittlers aus Polyisocyanaten mit Polyetherolen und/oder Polyesterolen durch dessen Umsetzungsverhältnis gemäß Merkmal 3.2.2
5
. Dieses Verhältnis ist fachüblich, zumal es auch äquimolare Mischungen umfasst (NK47). Auch für Merkmal 3.4.2
5
, das das Umsetzungsverhältnis hinsichtlich des Polyisocyanuratschaums auf 1,8 bis 4 : 1 einschränkt, gilt nichts anderes als für Merkmal 3.4.2
3
, zumal die Polyisocyanurate fachüblicherweise unter einem Überschuss an Di- bzw.- Polyisocyanaten hergestellt werden, der zur Isocyanursäure trimerisiert und so zu den hochvernetzten Polyisocyanuraten führt (vgl. z. B. NK5: S. 5, Z. 5-7 i. V. m. Z. 16-17).
179
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Verwendungsanspruch 9 nach Hilfsantrag 5 entspricht in seinen hinzukommenden Merkmalen V.0.2
5
und V.3.2
5
(entsprechend den Merkmalen 3.2.2
5
und 3.4.2
5
) dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 9 nach Hilfsantrag 5 beruht deshalb aus den genannten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
180
4.5 Abgesehen davon, dass die Gegenstände des Verfahrensanspruchs 1 und des Verwendungsanspruchs 9 nach Hilfsantrag 6 wortidentisch mit denjenigen des Hilfsantrags 5 sind, zu deren Patentfähigkeit das bereits Ausgeführte gilt, kann auch das in Patentanspruch 4 hinzugenommene Merkmal S.2
6
zu den gemessenen Haftungswerten des beanspruchten Verbundelements eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
181
Auch wenn die angegebenen Haftungswerte zwischen Deckschicht (i) und Schaumstoffschicht (iii) nach DIN 53292 in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften expressis verbis genannt sind, tragen sie zur erfinderischen Tätigkeit nicht bei. Denn das Streitpatent selbst nennt keine Maßnahmen zur Erreichung dieser Haftwerte, die über Maßnahmen des Standes der Technik hinausgehen. Insoweit werden diese Werte zwangläufig erreicht oder sind als möglichst gute Haftungswerte in naheliegender Weise im Blickfeld des Fachmanns.
182
4.6 Die einzigen unabhängigen Patentansprüche 1 (Verfahren) und 4 (Verwendung) nach Hilfsantrag 7 sind wortidentisch mit den Patentansprüchen 1 (Verfahren) und 9 (Verwendung) von Hilfsantrag 5. Der einzige unabhängige Patentanspruch 1 (Verfahren) nach Hilfsantrag 8 ist wortidentisch mit dem Patentanspruch 1 (Verfahren) von Hilfsantrag 5. Insoweit gilt das jeweils zum Hilfsantrag 5 bereits Ausgeführte sinngemäß.
183
4.7 Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die jeweiligen Anspruchsfassungen nach Hauptantrag und Hilfsanträgen als in sich geschlossen anzusehen. Insoweit auch die auf den einzigen Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 des Hilfsantrags 8 (entsprechend den erteilten Unteransprüchen 2 und 3) nicht isoliert verteidigt worden sind, bedürfen auch diese Unteransprüche keiner gesonderten Prüfung (BGH GRUR 2016, 1143 – Photokatalytische Titandioxidschicht; GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung; GRUR 2017, 57 – Datengenerator).
184
Ungeachtet dessen ist auch in den Ausgestaltungen der nicht abgehandelten Unteransprüche ein eigener erfinderischer Gehalt weder ersichtlich noch geltend gemacht worden (BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung).
B.
185
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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