Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  1 Ni 36/12 (EP)

Datum:
30.10.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 23. August 2016, Az: X ZR 3/14, Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache


betreffend das europäische Patent 0 976 174 (DE 598 02 904)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2013 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dr.-Ing. Scholz, Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. (Univ.) Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent EP 0 976 174 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland mit der Maßgabe für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
1. Zugfederklemme mit einer Stromschiene (1) und einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder (2), mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene (1) unter Kontaktierung verspannbar ist und die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle (3) bis zu einer Kraftableitungsstelle (6), an der an der Klemmfeder (2) ein den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene (1) verspannendes Klemmstück (7) angeordnet ist, mit stetigen Krümmungen verläuft, wobei das Klemmstück (7) ein Fenster (8) mit einer Klemmkante (9) aufweist und wobei die Kraftableitungsstelle (6) zwischen der Stütz- und Befestigungsstelle (3) und dem Fenster (8) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) in ihren zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle (3) und der Kraftableitungsstelle (6) angeordneten Bereichen mit höherer Federspannung verstärkt und/oder in ihren zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle (3) und der Kraftableitungsstelle (6) angeordneten Bereichen mit niedrigerer Federspannung geschwächt ist.
2. Zugfederklemme nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) in ihren Bereichen mit höherer Federspannung gegenüber ihren Bereichen mit niedrigerer Federspannung dicker ausgeführt ist.
3. Zugfederklemme nach einem der Ansprüche 1 – 2, dadurch gekennzeichnet,
daß die Breite der Klemmfeder (2) in ihren Bereichen mit höherer Federspannung gegenüber denjenigen Bereichen mit niedrigerer Federspannung vergrößert ist.
4. Zugfederklemme nach einem der Ansprüche 2 – 3, dadurch gekennzeichnet,
daß zusätzlich zur Verstärkung der Klemmfeder (2) der E-Modul des Federblattmaterials erhöht ist.
5. Zugfederklemme nach einem der Ansprüche 1 -4, dadurch gekennzeichnet,
daß in dem Bereich der Klemmfeder (2) mit niedrigerer Federspannung der E-Modul des Federblattmaterials partiell erniedrigt ist.
 6. Zugfederklemme nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet,
daß der E-Modul des Federblattmaterials der Klemmfeder (2) in deren geschwächtem Bereich durch Wärme- oder Strahlenbehandlung erniedrigt ist.
7. Zugfederklemme nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet,
daß als Federblattmaterial für die Klemmfeder (2) Bänder verwendet sind, die aus aneinander angereihten, miteinander verschweißten Abschnitten von unterschiedlicher Federsteifigkeit bestehen.
8. Zugfederklemme nach einem der Ansprüche 1 – 7, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) in ihren Bereichen mit niedrigerer Federspannung im Querschnitt relativ zu ihren übrigen Bereichen geschwächt ist.
9. Zugfederklemme nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet,
daß im Bereich der Querschnittschwächung der Klemmfeder (2) aus dem Federblattmaterial fensterartige Aussparungen (18) ausgestanzt sind.
        
10. Zugfederklemme nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet,
daß die Querschnittsschwächung des Federblattmaterials der Klemmfeder (2) zu den Bereichen mit höherer Federspannung hin kontinuierlich abnimmt.
11. Zugfederklemme nach einem der Ansprüche 8-10, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) lediglich in ihrem zur Kraftableitungsstelle (6) hin liegenden Biegebereich (5) im Querschnitt relativ zu ihrem übrigen Bereich geschwächt ist.
12. Federkraftklemme nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet,
daß die Querschnittsschwächung der Klemmfeder (2) zur Kraftableitungsstelle (6) hin zunimmt.
13. Federkraftklemme nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) im Biegebereich (5) mit der Querschnittsschwächung eine gegenüber ihrer Ausgangsbreite (B) im übrigen Biegebereich (4) durch eine ein- oder beidseitige Einbuchtung (11) verringerte Breite (b) hat.
14. Federkraftklemme nach einem der Ansprüche 10 -13, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klemmfeder (2) über ihren gesamten Biegebereich (4, 5) hinweg etwa die Form eines Viertelkreises hat.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %.
III. Das Urteil ist für beide Parteien im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 976 174 B1 (Streitpatent), das am 16. April 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 197 15 971 vom 17. April 1997 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 598 02 904 geführt. Es betrifft eine Zugfederklemme mit einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder und umfasst in der erteilten Fassung 16 Ansprüche, die in vollem Umfang angegriffen sind. Anspruch 1 der erteilten Fassung lautet wie folgt:
2
1. Zugfederklemme mit einer Stromschiene (1) und einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder (2), mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene (1) unter Kontaktierung verspannbar ist und die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle (3) bis zu einer Kraftableitungsstelle (6), an der an der Klemmfeder (2) ein den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene (1) verspannendes Klemmstück (7) angeordnet ist, mit stetigen Krümmungen verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß die Klemmfeder (2) in ihren Bereichen mit höherer Federspannung verstärkt und/oder in ihren Bereichen mit niedrigerer Federspannung geschwächt ist.
3
Wegen der weiteren, mittelbar oder unmittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 976 174 B1 Bezug genommen.
4
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents in der erteilten Fassung sei unzureichend offenbart und im Übrigen sei das Patent weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung der behaupteten fehlenden Patentfähigkeit beruft sie sich auf folgende Druckschriften und Dokumente:
5
NK4: DE 196 46 103 C1
6
NK5: DE 295 14 509 U1
7
NK6: Meissner et al: „Handbuch Federn”, VEB Verlag Technik, Berlin, 1988, Seiten 1-19, Seiten 76-77, 94-97 und Seiten 108-229.
8
NK7: Alwin Geisel „Berechnung, Gestaltung und Herstellung von Formfedern aus Draht und Band”, in Draht 22 (1971) 6, Seiten 376-381.
9
Die Klägerin beantragt,
10
das europäische Patent EP 0 976 174 B1 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 15 gemäß Schriftsatz vom 8. Juli 2013 erhält (Hauptantrag),
13
hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 15 gemäß Hilfsantrag 1 zum Schriftsatz vom 8. Juli 2013 erhält (Hilfsantrag 1),
14
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, erhält (Hilfsantrag 2),
15
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, erhält (Hilfsantrag 3).
16
Die Beklagte, die die erteilte Fassung des Streitpatents nicht mehr verteidigt, hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, Patentanspruch 15 des Hilfsantrags 1 auch nicht mehr zu verteidigen. Im Übrigen hält sie den Gegenstand des Streitpatents wenigstens in einer der verteidigten Fassung für patentfähig.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
18
In Bezug auf den Hauptantrag ist der Gegenstand des Streitpatents durch die Entgegenhaltung DE 295 14 509 U1 (NK5) neuheitsschädlich vorweggenommen, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Art. 52 EPÜ, da alle Merkmale des Streitpatentgegenstands bereits aus dieser Entgegenhaltung bekannt sind.
19
Ohne Erfolg bleibt die Klage aber hinsichtlich der verteidigten Fassung des Hilfsantrags 1, denn hier ist der Gegenstand des Streitpatents gegenüber den in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ.
20
Auf die weiteren Hilfsanträge braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
I.
21
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Zugfederklemme mit einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder.
22
Bei solchen an sich bekannten Zugfederklemmen ist die aus einem Federblatt aus Stahl gebogene Klemmfeder über den gesamten Biegebereich hinweg gleich breit und gleich dick. Dadurch wird der nahe der Befestigungsstelle liegenden Bereich der Klemmfeder, an der ein Ende der Klemmfeder fest eingespannt ist, stärker beansprucht als die zum beweglichen Ende der Klemmfeder hin liegenden Bereiche. Daher wurden bei den bekannten Zugfederklemmen die Federblätter auf ihre Belastung an der Befestigungsstelle hin dimensioniert. Dies hat zur Folge, dass die Federblätter in ihren übrigen Bereich überdimensioniert und damit die Klemmen in ihrem Volumen insgesamt größer sind, als es zur Aufbringung der Klemmkraft eigentlich erforderlich wäre.
23
Als objektive Aufgabe der Erfindung ist es daher anzusehen, die Federcharakteristiken des zur Verfügung stehenden Materials besser auszunutzen, um dadurch die klemmkraftbedingte Baugröße der Klemme zu verringern.
24
Demzufolge ist mit Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) Folgendes beansprucht (Merkmalsgliederung hinzugefügt): eine
25
a Zugfederklemme mit
26
b einer Stromschiene (1) und
27
c1 einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder (2),
28
d11 mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene (1) unter Kontaktierung verspannbar ist und
29
c2 die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle (3) bis zu einer Kraftableitungsstelle (6),
30
d21 an der
31
d22 an der Klemmfeder (2) ein
32
d12  den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene (1) verspannendes
33
d23 Klemmstück (7) angeordnet ist,
34
c3 mit stetigen Krümmungen verläuft.
35
dadurch gekennzeichnet, daß
36
c4 die Klemmfeder (2)
37
c41 in ihren Bereichen mit höherer Federspannung verstärkt
38
und/oder
39
c42 in ihren Bereichen mit niedrigerer Federspannung geschwächt ist.
40
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
41
a Zugfederklemme mit
42
b einer Stromschiene (1) und
43
c1 einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder (2),
44
d11 mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene (1) unter Kontaktierung verspannbar ist und
45
c2 die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle (3) bis zu einer Kraftableitungsstelle (6),
46
d21 an der
47
d22  an der Klemmfeder (2) ein
48
d12   den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene (1) verspannendes
49
d23  Klemmstück (7) angeordnet ist,
50
c3 mit stetigen Krümmungen verläuft,
51
e wobei das Klemmstück (7) ein Fenster (8) mit einer Klemmkante (9) aufweist und
52
f1 wobei die Kraftableitungsstelle (6) zwischen der Stütz- und Befestigungsstelle (3) und dem Fenster (8) angeordnet ist,
53
dadurch gekennzeichnet, daß
54
c4 die Klemmfeder (2)
55
f2 in ihren zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle (3) und der Kraftableitungsstelle (6) angeordneten
56
c41 Bereichen mit höherer Federspannung verstärkt
57
und/oder
58
f2 in ihren zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle (3) und der Kraftableitungsstelle (6) angeordneten
59
c42 Bereichen mit niedrigerer Federspannung geschwächt ist.
II.
60
1. Der einschlägige Fachmann ist ein Dipl.-Ing. (FH) oder Techniker der Fachrichtung Feinwerktechnik, der mehrjährige Erfahrung im Bereich der Entwicklung und Konstruktion von elektrischen Kontaktteilen hat.
61
2. Der Senat legt seiner Entscheidung folgendes Verständnis des Wortlauts der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 zugrunde:
62
2.1 Unter dem Begriff „Federspannung“ ist die Biegespannung zu verstehen, wie sie in der von der Klägerin eingereichten Anlage NK6: (Handbuch Federn von Meissner et al.) beschrieben ist.
63
2.2 Da zu den Angabenpaaren „verstärkt“ und „geschwächt“, sowie „höhere Federspannung“ und „niedrigere Federspannung“ keine Bezugsgrößen angegeben sind, ist diesen nicht mehr Inhalt beizumessen, als dass die Klemmfeder einen ersten Bereich hat, in dem sie zu irgendeinem Zeitpunkt unter einer höhere Biegespannung steht als in einem zweiten Bereich, der relativ zum ersten unter einer niedrigeren Biegespannung steht. Die Klemmfeder soll in dem ersten Bereich relativ zum zweiten Bereich stärker sein, d. h. ein größeres Widerstandsmoment haben. Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass die Klemmfeder im zweiten Bereich relativ zum ersten schwächer sein soll. Anders als die Klägerin meint, führt diese Unbestimmtheit nicht dazu, dass die Erfindung für den Fachmann nicht so deutlich und vollständig offenbart wäre, dass er sie ausführen kann (Artikel 100c EPÜ). Vielmehr zeigt auch der diesbezügliche, in der mündlichen Verhandlung durch Diagramme veranschaulichte Vortrag der Klägerin, dass der Fachmann in der Lage ist, sinnvolle Bezugsgrößen zu wählen. Allerdings ist der Patentanspruch 1 in einer Allgemeinheit formuliert, der sich offenbar auch die Patentinhaberin nicht bewusst war.
64
2.3 Der Begriff „Kraftableitungsstelle“ gibt lediglich an, dass die in der Klemmfeder wirksame Biegespannung an dieser Stelle in ein anderes Bauteil abgeleitet wird. Da aber dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht zu entnehmen ist, wo die Klemmfeder endet und das Klemmstück beginnt, und die Kraft auch ausschließlich in das Klemmstück abgeleitet werden kann, ist die Nennung dieser beiden Einzelheiten nicht geeignet, eine bestimmte Stelle im Verlauf des gebogenen Federblattmaterials als Kraftableitungsstelle zu definieren, zumal Klemmfeder und Klemmstück einstückig ineinander übergehen können.
65
Somit sind bei der Betrachtung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, alle Stellen als Kraftableitungsstelle in Betracht zu ziehen, an denen aus einem Teil der Zugfederklemme Kräfte in einen anderen abgeleitet werden könnten.
66
Die Argumentation der Beklagten, man müsse die Patentschrift als ihr eigenes Lexikon betrachten und daher den Patentanspruch vorrangig anhand der Zeichnung und der dazugehörenden Beschreibung auslegen, geht hier fehl. Maßgebend ist vielmehr der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und lediglich ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH Spannschraube, GRUR 1999, 909).
67
2.4 Eine im mathematischen Sinn stetige Funktion hat keine Sprünge. Die Angabe „stetige Krümmung“ bedeutet daher, dass die Klemmfeder keinen Knick hat.
68
3. Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1  (Hauptantrag)  nicht  neu  und  damit  nicht  patentfähig (Art. 54 EPÜ, Art 52 Abs. 1 EPÜ).
69
Aus der DE 295 14 509 U1 (NK5) ist nämlich Folgendes bekannt: eine
70
a Zugfederklemme mit
71
b einer Stromschiene 3 und
72
c1 einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder 1 (Seite 3, Zeile 6: „Zugfeder“),
73
d1 mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene 3 unter Kontaktierung verspannbar ist (Seite 3, Zeilen 13 bis 16), und
74
c2 die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle 4 bis zu einer Kraftableitungsstelle (Fensterkante 7; an dieser Stelle wird die aufgrund der Biegespannung der Klemmfeder 1 wirkende Kraft in die Stromschiene 3 bzw. in einen bestimmungsgemäß dort eingeklemmten Leiter abgeleitet),
75
d21 an der
76
d22 an der Klemmfeder 1 ein
77
d12 den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene 3 verspannendes
78
d23 Klemmstück (freies Ende des Schenkels 2 unterhalb des Fensters 5) angeordnet ist,
79
c3 mit stetigen Krümmungen verläuft (Seite 3, Zeile 6: „schlaufenförmig gebogen“).
80
wobei
81
c4 die Klemmfeder 1
82
c41 in ihren Bereichen 6 mit (aufgrund der Hebelwirkung) höherer Federspannung (relativ zum Fenster 5) verstärkt
83
und
84
c42 in ihren Bereichen 2 mit (aufgrund der zur Stromschiene 3 nahezu senkrechten Ausrichtung) niedrigerer Federspannung (durch das Fenster 5) geschwächt ist.
85
Somit ist eine Zugfederklemme, die alle im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Merkmale aufweist, vollständig durch die DE 295 14 509 U1 (NK5) vorweggenommen. Somit war der Hauptantrag der Beklagten abzuweisen.
86
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist neu (Art. 54 EPÜ): Gegenüber dem Hauptantrag ist der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dahingehend konkretisiert, dass
87
das Klemmstück (7) das Fenster (8) einschließlich der Klemmkante (9) umfasst (Merkmal e); und
88
die Kraftableitungsstelle (6) zwischen der Stütz- und Befestigungsstelle (3) und dem Fenster (8) angeordnet ist (Merkmal f1).
89
Weiter sind die in den Merkmalen c41 sowie c42 genannten Bereiche durch das Merkmal f2 auf solche beschränkt, die zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle (3) und der Kraftableitungsstelle (6) gemäß Merkmal f1 angeordnet sind.
90
Weder gemäß DE 295 14 509 U1 (NK 5) noch gemäß DE 196 46 103 C1 (NK 4) ist vorgesehen, die Biegesteifigkeit der dortigen Klemmfedern zwischen den Stützstellen und den Fenstern gezielt in Abhängigkeit von der auftretenden Federspannung zu verändern.
91
Weiteren Stand der Technik hat die Klägerin nicht genannt, der aus ihrer Sicht den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 neuheitsschädlich vorwegnimmt.
92
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ):
93
Aus den beiden genannten Druckschriften DE 295 14 509 U1 (NK 5) sowie DE 196 46 103 C1 (NK 4) ist zwar jeweils eine Zugfederklemme bekannt, die alle im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Merkmale aufweisen, wobei die grundsätzliche Bauart der darin gezeigten Käfigzugfeder nach Kenntnis des Senats ohnehin seit dem Jahr 1978 (DE 27 06 482 A1) bekannt ist und bereits zum Grundwissen des Fachmanns zu zählen ist.
94
Wie auch die Beklagte anhand der DE 68 02 185 U (E4) belegt hat, waren schon vorher schraubenlose Zugfederklemmen bekannt, bei denen ein zu kontaktierender elektrischer Leiter durch eine aus einem Federblatt gebogene Klemmfeder gegen eine Stromschiene gezogen wird. Außerdem hatte der Fachmann zu diesem Zeitpunkt bereits das Problem erkannt, dass derartige Verbindungsklemmen eine verhältnismäßig große Bauweise und dennoch einen unzureichenden spezifischen Kontaktdruck aufweisen (vgl. E4, Seite 2, Absatz 3).
95
96
Trotzdem konnte die Klägerin keinen Beleg dafür erbringen, dass der Fachmann die theoretische Überlegung bei der Konstruktion von Klemmfedern für Zugfederklemmern berücksichtigt hat, die in der (NK 6) „Handbuch Federn“ (dort insbesondere Seite 121, Bild 5.15) sowie in der (NK 7) „Berechnung, Gestaltung und Herstellung von Formfedern aus Draht und Band“ (dort in Absatz 2.2) dokumentiert ist, wonach bei einer einseitig eingespannten Biegefeder durch einen veränderlichen Querschnitt eine konstante Biegespannung über die Längserstreckung der Biegefeder erzielt werden kann. Dies geht zu ihren Lasten.
97
Die beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vorliegende Übertragung an sich bekannten Fachwissens auf einen Gegenstand, der über den beträchtlichen Zeitraum von der Bekanntmachung der (E4) DE 68 02 185 U am 27. März 1969 bis zum Prioritätsdatum des Streitpatents 17. April 1997 in seiner grundsätzlichen Konstruktion nicht verändert wurde, obwohl dem Fachmann die damit verbundenen Probleme bewusst waren, ist daher nach Erkenntnis des Senats als erfinderische Tätigkeit zu werten. Da auch die auf den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 direkt oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 den an sie zu stellenden Anforderungen genügen, war dem Hilfsantrag 1 der Beklagten statt zu geben.
98
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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