Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 64/16 (EP)

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:290119U3Ni64.16EP.0
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 451 303
(DE 60 2010 019 985)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Schramm, den Richter Dr.-Ing. Fritze, den Richter Hermann, den Richter Dr.-Ing. Schwenke und Richter Dipl.-Ing. Gruber
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 451 303 wird im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 2 451 303 B1. Die Veröffentlichung der Patenterteilung des am 5. Juli 2010 in englischer Sprache angemeldeten Patents, das die Priorität IT BO20090432 vom 3. Juli 2009 in Anspruch nimmt, erfolgte am 5. November 2014 unter der Bezeichnung „Visor Retention System“ („Visierhaltesystem“).
2
Das Patent umfasst den unabhängigen Anspruch 1 sowie die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8.
3
Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 hat die Klägerin Nichtigkeitsklage erhoben. Diese stützt sich auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. 138 (1) a) EPÜ i. V. m. Art II, § 6, Abs. 1, Nr. 1 IntPatÜG). Zudem gehe der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen europäischen Patentanmeldung hinaus (Art. 138 (1) c) EPÜ i. V. m. Art II, § 6, Abs. 1, Nr. 3 IntPatÜG). Der Angriff richtet sich gegen die Patentansprüche 1 bis 5.
4
Die Klägerin verweist auf die Dokumente
5
NK1 US 2006/0010572 A1,
6
NK2 US 2008/0290081 A1,
7
NK3 3M, Repositionable Tapes 665, 666, 9415PC, 9416, 9425, 9425HT, 9449S, Technical Data, August, 2006,
8
NK4 Internetartikel Fog City vs. ProGrip Helmet Visor Inserts, web.archive.org, 11. Mai 2008,
9
NK5 JP S63-219609 A,
10
NK5a englische Übersetzung der Beschreibung der NK5,
11
NK5b englische Übersetzung der Ansprüche der NK5,
12
NK6 WO 2010/088596 A1,
13
NK7 Informationsbroschüre zu Isopropylalkohol,
14
NK8 Archivierte Internetseite zu Klebebändern,
15
NK8a Screenshot zur NK8,
16
NK9 Archivierte Internetseite zu Dichtungen,
17
NK9a Variante zur NK9 ohne Einblendung,
18
NK9b Screenshot zur NK9,
19
NK10 Archivierte Internetseite zu Scheiben aus laminiertem Material,
20
NK10a Screenshot zur NK10,
21
NK11 WO 94/12969 zu BGH, Urteil vom 14.10.2003, X ZR 4/00 –
22
Elektronische Funktionseinheit,
23
NK12 US 07/983,370 zu BGH, Urteil vom 14.10.2003, X ZR 4/00 –
24
Elektronische Funktionseinheit,
25
NK13 WO 2009/056608 A1,
26
NK14 PCT Request zur Anmeldung des Streitpatents,
27
NK15 US 4,097,930,
28
NK16 US 7,102,602 B2,
29
CD Videos und Screenshots AV1 bis AV5,
30
ST1 Streitpatent EP 2 451 303 B1 (Anmeldung PCT/IB2010/001650),
31
ST2 WO 2011/001278 A1, Offenlegungsschrift der Anmeldung PCT/IB2010/001650,
32
ST3 Registerauszug DE 60 2010 019 985.1,
33
ST4 Merkmalsgliederung Hauptantrag,
34
ST5 EPA-Registerauszug zur NK6 und
35
ST6 Prioritätsbeleg zur Anmeldung PCT/IB2010/001650.
36
Die Klägerin macht zum Hauptantrag geltend, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber den Druckschriften NK1, NK4, NK5/NK5a/NK5b, NK6 und NK13 sowie den Videos AV2 und AV3. Zudem mangele es ihm an erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Kombination von NK2 und NK3 sowie gegenüber NK5/NK5a/NK5b selbst bzw. in deren Verbindung mit NK8. Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 5 seien nicht neu gegenüber der NK6. Der Gegenstand des Unteranspruchs 2 sei nicht neu gegenüber NK1 und nicht erfinderisch gegenüber der Kombination von NK2 mit NK3. Der Gegenstand des Unteranspruchs 3 sei nicht neu gegenüber der NK13 und nicht erfinderisch gegenüber NK1 und der Kombination von NK2 mit NK3, der übereinstimmende Unteranspruch 4 sei deshalb ebenfalls nicht bestandsfähig. Der Gegenstand des Unteranspruchs 5 schließlich beruhe gegenüber der NK1 i. V. m. dem Fachwissen oder der NK3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, auch die Kombination von NK2 mit NK3 lege ihn nahe. Die Unteransprüche 3 und 5 seien durch die Veröffentlichung des Videos AV2 neuheitsschädlich getroffen, wobei die jeweiligen Gegenstände der Unteransprüche 2 und 4 dann auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Durch die offenkundige Vorbenutzung gemäß Video AV3 seien die Gegenstände der Unteransprüche 2, 3 und 5 neuheitschädlich vorweggenommen, der Gegenstand des Unteranspruchs 4 sei nahegelegt.
37
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglichen europäischen Patentanmeldung ST2 hinaus. Nicht ursprünglich offenbart sei, dass die Dichtung (2) durch adhäsive Eigenschaften gekennzeichnet sei, so dass die Scheibe (1) vom Visier (7) lösbar, neu positionierbar und auswechselbar ist.
38
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I sei nicht neu gegenüber NK13, NK6, AV2 und AV3 und nahegelegt durch NK1, ggf. in Kombination mit NK13, sowie NK5, ggf. in Kombination mit NK8 oder NK13. Die Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß der weiteren Hilfsanträge seien sämtlich nicht ursprungsoffenbart. Die der Hilfsanträge II, III, IV und V seien auch nicht neu gegenüber NK13 und nicht erfinderisch gegenüber NK1. Die Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen IV und VIII seien durch NK5, ggf. in Kombination mit NK8, NK13/NK11, NK15 und/oder NK16 nahegelegt. Dies gelte ebenso gegenüber AV2 und AV3, ggf. in Kombination mit NK15 oder NK16. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag VI sei nicht neu gegenüber NK6 und nahegelegt durch NK5, ggf. in Kombination mit NK8 oder NK11. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag VII sei nahegelegt durch NK5, ggf. in Kombination mit NK8 oder NK13. Die im Abs. [0009] des Streitpatents genannten Dichtungen seien aus NK9/NK9a/NK9b bekannt. Antibeschlagscheiben aus laminiertem Material zuzuschneiden, sei gegenüber der NK10/NK10a rein fachmännisch.
39
Unter Hinweis auf die ST6, ST2 und ST1 sowie das von der Beklagten eingereichte Anmeldeformular „PCT Request“ zur Anmeldung PCT/IB2010/001650 (HRM6) macht die Klägerin fehlende Anmelderidentität geltend, so dass die vom Streitpatent in Anspruch genommene Priorität unwirksam sei.
40
Die Klägerin beantragt,
41
das europäische Patent EP 2 451 303 im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
42
Die Beklagte beantragt,
43
die Klage abzuweisen,
44
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung eines der Hilfsanträge I bis IX gemäß Schriftsatz vom 12. Dezember 2018 (jeweils in der Verfahrenssprache) erhält und die Patentansprüche 6 bis 8 in ihren Rückbeziehungen auf die Patentansprüche 1 und 6 der erteilten Fassung bestehen bleiben.
45
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eine Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags IX nicht mehr weiterverfolgt werde.
46
Der erteilte Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache Englisch lautet:
47
„A retention system usable to install in the internal surface of face-shields (7), for example in motorcycle helmet’s visors, several type of devices. The system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2) characterized by adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable.“
48
In deutscher Übersetzung lautet der Patentanspruch 1:
49
„Das Rückhaltesystem ist nützlich für den Einbau verschiedener Arten von Vorrichtungen auf der Innenfläche der Helmvisiere, zum Beispiel für Motorradfahrer Helme. Das System enthält mindestens eine Linse (1), die zumindest teilweise von der Innenfläche des Visiers (7) durch mindestens eine Abdichtung (2) mit Klebeeigenschaften unterstützt ist. Dieses System ist dadurch charakterisiert, dass es entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist.“
50
Die angegriffenen Patentansprüche 2 bis 5 lauten:
51
2. A Retention re-positionable system according to claim 1 that utilizes at least a gasket (2) capable of hermetically insulate the cavity (8) between the visor (10) and the screen (1).
52
3. A Retention re-positionable system according to claim 2 that comprises at least one screen (1) composed, at least in part, of transparent plastic material. Such screen has flat shape/profile and is of a flexible type: so it can be bended to follow the radius of curvature of the visor (10) and its resistance to bending feature can promote a depressive phenomenon inside the cavity (8).
53
4. A Retention re-positionable system according to claim 2 that comprises at least one screen (1) composed, at least in part, of transparent plastic material. Such screen has a bended shape/profile and is of a flexible type: so it can be bended to follow the radius of curvature of the visor (10) and its resistance to bending feature can promote a depressive phenomenon inside the cavity (8).
54
5. A Retention re-positionable system according to claim 1 that utilizes at least one gasket (2) having adhesive feature that could be enhanced treating the surfaces with isopropyl alcohol or different compounds/preparations.
55
In deutscher Übersetzung lauten die Patentansprüche 2 bis 5:
56
2. Neu positionierbares Rückhaltesystem nach Anspruch 1, das zumindest eine Abdichtung (2) verwendet, die in der Lage ist den Hohlraum (8) zwischen dem Visier (10) und der Scheibe (1) hermetisch zu isolieren.
57
3. Neu positionierbares Rückhaltesystem nach Anspruch 2, das mindestens eine Linse (1) enthält die zumindest teilweise aus durchsichtigem Kunststoff zusammengesetzt ist. Diese Linse (1) hat eine ebene/s Form/Profil und ist flexibel: daher kann sie sich verbiegen, indem sie dem Krümmungsradius des Visiers (10) folgt und seine Eigenschaften der Biegefestigkeit sind derart, dass ein Tiefdruck im Hohlraum (8) gefördert werden kann.
58
4. Neu positionierbares Rückhaltesystem nach Anspruch 2, das mindestens eine Linse (1) enthält die zumindest teilweise aus durchsichtigem Kunststoff zusammengesetzt ist. Diese Linse (1) hat eine ebene/s Form/Profil und ist flexibel: daher kann sie sich verbiegen, indem sie dem Krümmungsradius des Visiers (10) folgt und seine Eigenschaften der Biegefestigkeit sind derart, dass ein Tiefdruck im Hohlraum (8) gefördert werden kann.
59
5. Neu positionierbares Rückhaltesystem nach Anspruch 1, das zumindest eine mit Klebeeigenschaften versehene Abdichtung verwendet (2), die durch das Behandeln der Oberfläche mit Isopropylalkohol oder anderen Verbindungen/Zubereitungen verstärkt werden können.
60
Wegen des Wortlauts der nicht angegriffenen abhängigen Ansprüche 6 bis 8 wird auf das Streitpatent Bezug genommen.
61
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I ist am Ende ergänzt mit „; and wherein the screen (1) generally has a flat shape and is a flexible type to give a bending differential between the screen (1) and visor (7)” („; und wobei die Linse (1) eine ebene/s Form/Profil hat und flexibel ist, sodass sich ein Biegeunterschied zwischen Linse (1) und dem Visier (7) ergibt“).
62
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist am Ende ergänzt mit „; and wherein the screen (1) has no electronically controlled device“ („; und wobei die Linse (1) kein elektronisch gesteuertes Bauelement aufweist“).
63
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III ist am Ende ergänzt mit „; wherein the screen (1) generally has a flat shape and is a flexible type to give a bending differential between the screen (1) and visor (7); and wherein the screen (1) is not electronically controlled” („; wobei die Linse (1) eine ebene/s Form/Profil hat und flexibel ist, sodass sich ein Biegeunterschied zwischen Linse (1) und dem Visier (7) ergibt; und wobei die Linse (1) kein elektronisch gesteuertes Bauelement aufweist“).
64
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV beansprucht “An assembly comprising a visor (7) and a retention system usable to install in the internal surface of face-shield (7), for example a motorcycle helmet’s visor, several type of devices. The retention system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2) characterized by adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable; and wherein the visor (7) is an injection molded visor (7) or a laminated material thermoformed visor (7).” („Anordnung umfassend ein Visier (7) und ein Rückhaltesystem nützlich für den Einbau verschiedener Arten von Vorrichtungen auf der Innenfläche der Helmvisiere, zum Beispiel für Motorradfahrer Helme. Das Rückhaltesystem enthält mindestens eine Linse (1), die zumindest teilweise von der Innenfläche des Visiers (7) durch mindestens eine Abdichtung (2) mit Klebeeigenschaften unterstützt ist. Dieses System ist dadurch charakterisiert, dass es entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist; und wobei das Visier (7) durch Spritzguss geformt ist oder ein Visier (7) aus einem laminierten thermogeformten Material ist.“).
65
Anspruch 1 nach Hilfsantrag V ergänzt denjenigen aus Hilfsantrag IV um den Zusatz aus Hilfsantrag I, hier als Einschub nach „and replaceable“ („und austauschbar ist“).
66
Anspruch 1 nach Hilfsantrag VI beansprucht „An assembly comprising a visor (7) and a retention system usable to install in the internal surface of face-shield (7), for example a motorcycle helmet’s visor, several type of devices. The retention system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2) characterized by adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable; and wherein the visor (7) is a non-recessed visor (7).” („Anordnung umfassend ein Visier (7) und ein Rückhaltesystem nützlich für den Einbau verschiedener Arten von Vorrichtungen auf der Innenfläche der Helmvisiere, zum Beispiel für Motorradfahrer Helme. Das Rückhaltesystem enthält mindestens eine Linse (1), die zumindest teilweise von der Innenfläche des Visiers (7) durch mindestens eine Abdichtung (2) mit Klebeeigenschaften unterstützt ist. Dieses System ist dadurch charakterisiert, dass es entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist; und wobei das Visier (7) ein aussparungsfreies Visier (7) ist.“).
67
Anspruch 1 nach Hilfsantrag VII ergänzt dies durch den Einschub „; wherein the screen (1) is not electronically controlled” („; wobei die Linse (1) kein elektronisch gesteuertes Bauelement aufweist“) nach „and replaceable“ („und austauschbar ist“).
68
Anspruch 1 nach Hilfsantrag VIII ergänzt den aus Hilfsantrag VI um den Zusatz „; and wherein the visor (7) is an injection molded visor (7) or a laminated material thermoformed visor (7)“ („; und wobei das Visier (7) durch Spritzguss geformt ist oder ein Visier (7) aus einem laminierten thermogeformten Material ist“).
69
In den Hilfsanträgen I, III und V sind Anspruch 3 an den geänderten Anspruch 1 angepasst, Anspruch 4 gestrichen und die Nummerierung des Anspruchs 5 angepasst worden.
70
In den Hilfsanträgen IV bis VIII sind die angegriffenen abhängigen Ansprüche in Anlehnung an den jeweiligen Anspruch 1 nun auf „An assembly“ („Anordnung“) gerichtet.

Entscheidungsgründe

I.
71
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.
72
1. Das Streitpatent betrifft ein repositionierbares Rückhaltesystem, das dazu verwendet werden könnte, in der Innenfläche von Gesichtsschutzschirmen, beispielsweise in Visieren von Motorradhelmen, verschiedene Arten von Vorrichtungen zu installieren (vgl. Abs. [0001]).
73
Gemäß Beschreibungseinleitung gebe es Vorrichtungen, die in der Lage seien, die Sichtbarkeit beim Fahren mit Visierhelmen zu erleichtern und zu verbessern. Solche Vorrichtungen wiesen Form und Eigenschaften für eine hohe Kompatibilität (sogenannte „Universal”-Modelle) auf; sie würden innerhalb des Visiers angebracht unter Verwendung von sehr zähen Haftmaterialien, die keine Repositionierung erlaubten, oder würden mechanische Systeme verwenden, die irreversible Operationen wie das Bohren in das Visiers selbst erforderten. Bei Schirmen oder Vorrichtungen, die zähe oder „permanente” Klebstoffe verwendeten, sei während der Installationsphase besondere Vorsicht geboten. Nach Entfernung dieser Schirme seien sie nicht mehr verwendbar. Bei Schirmen oder Vorrichtungen, die mechanische Rückhaltesysteme verwendeten, und dabei das Visier dauerhaft modifiziert werde, beispielsweise durch Bohren, führe die Funktionalität des Visiers selbst häufig zu einer Beeinträchtigung, wenn es in seiner ursprünglichen Konfiguration verwendet werde.
74
In diesem Umfeld sei nicht bekannt, ein Rückhaltesystem zu verwenden, das das Abnehmen und Ersetzen von Schirmen und Vorrichtungen ermöglichen würde, ohne eigene Eigenschaften oder die des Schirms, auf dem sie angebracht sind, zu verändern oder zu modifizieren (vgl. Abs. [0002] bis [0006]).
75
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, ein System zu schaffen, das das Abnehmen und Ersetzen von Schirmen und Vorrichtungszubehör an Visieren ermöglicht, ohne deren eigene Eigenschaften oder die des Visiers, auf dem sie angebracht sind, zu verändern oder zu modifizieren (vgl. Abs. [0007]).
76
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 durch ein Rückhaltesystem mit folgenden Merkmalen:
77
1.1 A retention system usable to install in the internal surface of face-shields (7), for example in motorcycle helmet’s visors, several type of devices.
78
1.2 The system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2)
79
1.3 characterized by adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable.
80
In der deutschen Übersetzung lautet die Merkmalsgliederung:
81
1.1 Das Rückhaltesystem ist nützlich für den Einbau verschiedener Arten von Vorrichtungen auf der Innenfläche der Helmvisiere, zum Beispiel für Motorradfahrer Helme.
82
1.2 Das System enthält mindestens eine Linse (1), die zumindest teilweise von der Innenfläche des Visiers (7) durch mindestens eine Abdichtung (2) mit Klebeeigenschaften unterstützt ist.
83
1.3 Dieses System ist dadurch charakterisiert, dass es entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist.
84
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Helmvisieren und deren Zubehör.
II.
85
1. Der Sinngehalt des erteilten Patentanspruchs 1 ist auslegungsbedürftig.
86
a) Die Beschreibung und die Figuren stützen die Sichtweise, dass sowohl die Scheibe (screen) (1) als auch die Dichtung (gasket) (2) vom Visier (visor) (7) entfernbar, neu positionierbar und austauschbar sind.
87
Das anspruchsgemäße System umfasst wenigstens eine Scheibe (1) (vgl. Anspr. 1) und eine Dichtung an der Scheibe (vgl. Sp. 2, Z. 7, 8). Die Dichtung kann unter Verwendung mehrerer Materialien aufgebaut sein, wie beispielsweise geschlossenzelligen Acrylschaumschichten (wie Very High Bond, VHB von 3M), oder mit einem geschlossenzelligen vernetzten Polyethylen (wie PEX oder XLPE von Sekisui Alveo), oder geschlossenzelligem Polyurethanschaum, oder anderen ähnlichen Materialien, mit der Möglichkeit, Klebeschichten unterschiedlicher Zusammensetzung hinzuzufügen (vgl. Sp. 2, Z. 7 bis 15).
88
Im Offenbarungsumfang liegen drei mögliche Ausführungsformen:
89
aa) Besteht die Dichtung (2) aus geschlossenzelligem Acrylschaum, z. B. unter Verwendung von VHB (Very High Bond) von 3M, weist das Material bereits Hafteigenschaften auf. Die dem Visier (7) zugewandte Kontaktfläche (4) wird mit Lösungsmitteln behandelt, die die Klebkraft für das Entfernen dämpfen können (z. B. „Leva Etichette“ von Talken Color), während die andere unbehandelte Seite auf die Scheibe (1) geklebt wird (vgl. Sp. 2, Z. 42 bis 46 i. V. m. Fig. 2).
90
bb) Besteht die Dichtung (2) aus geschlossenen Zellen aus Polyethylen oder Polyurethan, weist das Material keine besonderen Hafteigenschaften auf. Die Dichtung (2) wird auf der der Scheibe (1) zugewandten Kontaktfläche (5) mit einer stark haftenden Klebeschicht (z. B. FT126 Avery Dennison Acrylkleber) behandelt. Auf der anderen Kontaktfläche (4) wird sie mit einem wiederpositionierbaren Klebeschaum mit geringer Zähigkeit (z. B. entfernbarer Acrylkleber FT130 Avery Dennison) behandelt. Darauf wird eine zweite doppelseitig klebbare, austauschbare Dichtung (3) aufgebracht (vgl. Sp. 3, Z. 22 bis 34 i. V. m. Fig. 3).
91
cc) Weist die zweite Dichtung (3) auf der dem Visier (10) zugewandten Seite eine Schicht aus hochfestem Haftmittel auf, verbleibt die Dichtung (3) am Visier (10), und die Scheibe (1) ist zwischen der Dichtung (2) und der zweiten Dichtung (3) entfernbar. In dieser Ausführungsform kann die Dichtung (2) unter Verwendung von geschlossenzelligem Schaum aus Polyethylen, Polyurethan oder Acryl aufgebaut sein (vgl. Sp. 3, Z. 47 bis 55 i. V. m. Fig. 3).
92
In allen drei Ausführungsformen weist die Dichtung (2) eine der Scheibe (1) abgewandte Seite auf, deren Hafteigenschaften es erlauben, dass das aus Scheibe (1) und Dichtung (2) bestehende System vom Visier (7) entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist.
93
b) Aus sich heraus könnte der Wortlaut des Patentanspruchs 1 in seiner maßgeblichen englischen Fassung – im Gegensatz zu seiner deutschen Fassung – aber auch ein Verständnis zulassen, dass alleinig die Scheibe (1) ohne die Dichtung (2) entfernbar, neu positionierbar und austauschbar wäre. Eine solche Lesart findet aber in der Beschreibung und den Figuren keine Stütze.
94
c) Der Begriff „retention system“ („Rückhaltesystem“) beinhaltet die Funktion „Halten“, die vom System selbst bewerkstelligt werden muss. Fig. 1 zeigt ein solches Rückhaltesystem zur Anwendung am Visier eines Schutzhelmes (vgl. Abs. [0010]). Das System umfasst die Scheibe (1) und die Dichtung (2) mit Hafteigenschaften. Zusätzlicher Hilfsmittel zum Halten bedarf es hier nicht.
95
d) Der Begriff „re-positionable“ („neu positionierbar“) soll das beschädigungsfreie Abnehmen bzw. Ablösen der Scheibe von einem Visier zum Ausdruck bringen, um sie bedarfsweise an verschiedenen Helmvisieren einzusetzen (vgl. Abs. [0007] bis [0009]). Dabei wird die Scheibe neu bzw. anders positioniert.
96
e) Der Begriff „screen” wird im Streitpatent mit „Linse” übersetzt. In Übereinstimmung mit den Parteien sieht der Senat den Begriff „Scheibe“ als zutreffend an.
97
2. Der auf die erteilte Fassung des Streitpatents gerichtete Hauptantrag und die Hilfsanträge I bis V sind zulässig. Die Hilfsanträge VI bis VIII sind unzulässig.
98
a) Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 ist durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt.
99
Die Klägerin macht geltend, der ursprüngliche Anspruch 1 fordere, dass das System entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist. Merkmal 1.3 des erteilten Anspruchs 1 fordere nun, dass die Dichtung (2) durch ihre adhäsiven Eigenschaften gekennzeichnet werde, dass die Scheibe (lösbar) neu positionierbar und auswechselbar ist.
100
Die Merkmale 1.2 und 1.3 des ursprünglichen Anspruchs 1 lauten (vgl. ST2):
101
1.2 The system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) trough at least one gasket (2) with adhesive characteristics.
102
1.3 Such system is characterized by the fact to be removable, re-positionable and replaceable.
103
Die Merkmale 1.2 und 1.3 des erteilten Anspruchs 1 lauten:
104
1.2 The system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2)
105
1.3 characterized by adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable.
106
Gemäß oben getroffener Auslegung des Patentanspruchs 1 besteht das streitpatentgemäße System aus der Scheibe (1) und der Dichtung (2). Die Dichtung (2) weist Hafteigenschaften auf, durch die das System entfernbar, neu positionierbar und austauschbar ist. Merkmal 1.3 im erteilten Anspruch 1 bezieht sich, wie im ursprünglichen Anspruch 1 wörtlich angegeben, auf das System.
107
b) Das in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I nach Merkmal 1.3 aufgenommene Merkmal 1.4 „and wherein the screen (1) generally has a flat shape and is a flexible type to give a bending differential between the screen (1) and visor (7)” ist ursprünglich offenbart (vgl. ST2, S. 6, Z. 9 bis 15, Anspr. 3; ST1, Sp. 4, Z. 4 bis 11, Anspr. 3).
108
c) Das in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II nach Merkmal 1.3 aufgenommene Merkmal 1.5 „and wherein the screen (1) has no electronically controlled device“ ist zulässig. Mit diesem nicht ursprünglich offenbarten Disclaimer wird die Neuheit gegenüber der älteren Anmeldung NK6 hergestellt (vgl. Schulte, PatG, 10 Aufl., Rdn. 150, 151).
109
d) Die in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III nach Merkmal 1.3 aufgenommenen Merkmale entsprechen Merkmal 1.4 gemäß Hilfsantrag I und sinngemäß Merkmal 1.5 gemäß Hilfsantrag II. Die zu die zu den Hilfsanträgen I und II getroffenen Aussagen gelten hier ebenso.
110
e) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV lautet gegliedert:
111
1.1’ An assembly comprising a visor (7) and a retention system usable to install in the internal surface of face-shield (7), for example a motorcycle helmet’s visor, several type of devices.
112
1.2’ The retention system includes at least one screen (1), held as a support, at least in part, from the internal surface of the visor (7) through at least one gasket (2) characterized by
113
1.3 adhesive properties, making the screen (1) removable, re-positionable and replaceable;
114
1.6 and wherein the visor (7) is an injection molded visor (7) or a laminated material thermoformed visor (7).
115
Die PCT-Anmeldung (vgl. NK14, S. 6, Z. 6 bis 15), die Offenlegungsschrift (vgl. ST2, S. 6, Z. 6 bis 15) und das Streitpatent (vgl. ST1, Abs. [0012]) weisen auf eine Ausgestaltung eines Visiers für Motorrad- und Fahrhelme (motorcycle and driving helmet’s visor) nach Merkmal 1.6 (produced by injection molding or laminated material thermoforming) hin, um den adhäsiven Effekt an der Dichtung zu unterstützen.
116
Auf Grund der ausdrücklichen Erwähnung vorteilhafter Eigenschaften des Visiers ist das Visier selbst dem Offenbarungsumfang des Streitpatents zuzurechnen, auch wenn die ursprünglich per Fax mit der PCT-Anmeldung (vgl. NK14) eingereichten Figuren 1 und 2 das Visier nur schemenhaft zeigen.
117
f) Das in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V gegenüber dem Hilfsantrag IV zwischen dessen Merkmale 1.3 und 1.6 aufgenommene Merkmal entspricht Merkmal 1.4 gemäß Hilfsantrag I. Die zu Hilfsantrag I getroffen Aussagen gelten hier ebenso.
118
g) Der Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen VI bis VIII umfasst jeweils das Merkmal 1.7 „and wherein the visor (7) is a non-recessed visor (7)“.
119
Dabei handelt es sich wie bei Merkmal 1.5 gemäß Hilfsantrag II um einen nicht ursprünglich offenbarten Disclaimer. Im Gegensatz zum Merkmal 1.5 lässt sich hier mit Merkmal 1.7 die Neuheit gegenüber der älteren Anmeldung NK6 nicht herstellen (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., Rdn. 150, 151), da die Druckschrift NK6 in Fig. 4 bereits ein solches „non-recessed visor“ mit dem Bezugszeichen 20 im Gegensatz zum in Fig. 16 dargestellten „visor with a recess“ (vgl. NK6, Abs. [0032]) zeigt. Die das Merkmal 1.7 jeweils in Patentanspruch 1 enthaltenden Hilfsanträge VI bis VIII sind demnach unzulässig.
120
3. Die von der Klägerin geltend gemachte unwirksame Prioritätsnahme des Streitpatents wegen fehlender Anmelderidentität kann dahinstehen, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis V gegenüber der Zusammenschau der unstreitig vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichen Druckschriften NK13 und NK3 nahe gelegt sind.
121
a) Die Druckschrift NK13 offenbart eine Visieranordnung für Motorradhelme, aufweisend ein Visier (outer visor) 10 und eine an dessen Innenfläche (rear surface) 12 gehaltene Scheibe (inner visor) 20 mit Antibeschlageigenschaften (vgl. S. 1, Z. 4 bis 7, S. 4, Z. 3 bis 17, 31, 32, Fig. 2 bis 6; Merkmale 1.1, 1.1‘).
122
Eine Ausnehmung (recess) 15 mit Haltebereichen (constraining portions) 16A, 16B an der Innenfläche 12 des Visiers 10 hält jeweils eine Außenkante (lateral edge) 25 der Scheibe 20. Durch eine Abdichtung (insulating elements, silicone) 7 wird zwischen dem Visier 10 und der Scheibe 20 eine Luftkammer (air chamber) 4 gebildet (vgl. S. 4, Z. 10 bis 17, S. 6, Z. 17 bis 26, Fig. 5, 6).
123
In einer Ausgestaltung ist die Scheibe 20 zu deren Austausch, Inspektion oder Wartung am Visier 10 entfernbar („removable“) angeordnet (vgl. S. 3, Z. 17 bis 19, S. 6, Z. 27 bis S. 7, Z. 4). Die Wartung der Scheibe 20 ist nur sinnvoll, wenn die Scheibe 20 im Anschluss wieder am Visier 10 angebracht wird. Eine Neupositionierung der Scheibe 20 liest der Fachmann bei dieser Befestigungsform daher mit.
124
In einer alternativen Ausgestaltung ist die Scheibe 20 am Visier 10 nicht entfernbar („non removable“) angeordnet. Die Befestigung erfolgt beispielsweise mittels Ultraschallschweißen (vgl. S. 7, Z. 5 bis 15). Als weitere alternative Ausgestaltung ist eine Befestigung mit adhäsiven und/oder doppelseitig adhäsiven Elementen in der Nähe der Außenkanten 25 der Scheibe 20 vorgesehen (vgl. S. 7, Z. 16 bis 20). Eine Abdichtung ist hier nicht erwähnt.
125
Die Beklagte ist der Auffassung, dass diese letztgenannte Befestigungsform lediglich eine Alternative zu der zuvor erwähnten nicht entfernbaren Anbringung der Scheibe 20 am Visier 10 mittels Ultraschallschweißen sein soll.
126
Dieser Auffassung schließt sich der Senat aus folgenden Gründen nicht an:
127
Gemäß Druckschrift NK13 ist es bei der Anbringung eines inneren Visiers – also einer streitpatentgemäßen Scheibe – mittels Stiftelementen am äußeren Visier nachteilig, dass das innere Visier nicht wiederholt positionierbar ist, während Schmutz zwischen beide Visiere eintritt (vgl. S. 1, Z. 22 bis S. 2, Z. 2). Dieser Nachteil soll mit der Lehre der Druckschrift NK13 behoben werden (vgl. S. 2, Z. 13 bis 16).
128
Dazu ist in NK13 ausgeführt, das innere Visier entfernbar an dem äußeren Visier zu befestigen, um einfache Wartungsvorgänge und/oder den Austausch von Visieren zu ermöglichen. Alternativ kann das innere Visier an dem äußeren Visier durch einen mechanischen Verbindungsvorgang, wie Ultraschallschweißen, starr befestigt werden, um eine dauerhafte Verbindung herzustellen (vgl. S. 3, Z. 17 bis 21).
129
Bei der in der NK13 vorgeschlagenen Ausführungsform, die Scheibe 20 am Visier 10 mit klebenden und/oder doppelseitig klebenden Elementen zu befestigen, hat der Fachmann sowohl die nicht entfernbare als auch die entfernbare Anordnung im Blick, da solche klebenden Elemente je nach Ausgestaltung eine dauerhafte oder eine lösbare Befestigung erlauben.
130
Bei der entfernbaren Anordnung unter Verwendung doppelseitig klebender Elemente stellt sich dem Fachmann die Frage der wiederholten Anbringung der Scheibe 20 nach dem Entfernen vom Visier 10 und der durchgeführten Wartung. Er erhält aus der NK13 den Hinweis, funktional äquivalente Systeme zur Befestigung einzusetzen (vgl. S. 7, Z. 19, 20). Einmalig wirkende klebende Elemente wird er dafür nicht Betracht ziehen, da diese nur unter zusätzlichem Aufwand von der Scheibe 20 oder dem Visier 10 zu entfernen und neue anzubringen sind.
131
Vielmehr wird der Fachmann auf aus der Druckschrift NK3 bekannte repositionierbare Klebebänder zurückgreifen, denn die dort offenbarten Klebebänder P9415PC und 9416 weisen an einer Seite eine geringe Klebrigkeit und an der anderen Seite eine hohe Klebrigkeit auf. Die Seite geringerer Klebrigkeit erlaubt die Entfernung ohne Kleberückstände und ist in vielen Fällen mehrfach wiederverwendbar (vgl. S. 3, Features).
132
Ausgehend davon wird der Fachmann ein solches Klebeband mit der Seite hoher Klebrigkeit auf der Scheibe 20 gemäß NK13 anbringen und die Seite geringerer Klebrigkeit zur entfernbaren, neu positionierbaren und austauschbaren Anbringung am Visier 10 vorsehen. Beim Entfernen vom Visier 10 verbleibt das Klebeband an der Scheibe 20, so dass gemäß zu lösender Aufgabe sowohl das aus Scheibe 20 und Klebeband bestehende System als auch das Visier 10 in ihren Eigenschaften nicht verändert werden. Mit der umlaufenden Anbringung an den Kanten der Scheibe 20 analog zur und anstelle der Abdichtung 7 bildet das doppelseitige Klebeband auch eine Dichtung (Merkmale 1.2, 1.2‘, 1.3).
133
Die Scheibe 20 ist als defomierbare flache Platte ausgebildet und weist ersichtlich keine elektronische gesteuerte Vorrichtung auf (vgl. NK13, S. 3, Z. 15, 16, S. 5, Z. 29 bis S. 6, Z. 1, Fig. 4, 7; Merkmale 1.4, 1.5).
134
Das Visier 10 besteht aus Kunststoff und ist durch „moulding“ hergestellt (vgl. NK13, S. 2, Z. 29, 30, S. 3, Z. 11 bis 15, Anspr. 2). Unter „moulding“ i. V. m. Kunststoff versteht der Fachmann „injection molding“ gemäß der ersten Alternative von Merkmal 1.6.
135
b) Bei wie hier in sich geschlossener Antragstellung ist die Bestandsfähigkeit der Unteransprüche nur beim letzten Hilfsantrag zu prüfen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Hilfsantrag VIII, dessen Patentanspruch 1 unzulässig ist. Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen, ebenso angegriffenen Unteransprüche 2 bis 5 teilen sein rechtliches Schicksal.
III.
136
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
137
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
138
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
139
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
140
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.


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