Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  7 Ni 21/14 (EP)

Datum:
24.7.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
7. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache


betreffend das europäische Patent 1 749 939 (DE 50 2006 008 314)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Kortge sowie des Richters Dr.-Ing. Großmann
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 749 939 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die beiden Klagen richten sich gegen das europäische Patent 1 749 939 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 3. August 2006 zurückgeht und die Priorität der deutschen Voranmeldung 10 2005 037 105 vom 3. August 2005 in Anspruch nimmt. Das Patent wurde in deutscher Verfahrenssprache u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt und ist bezeichnet mit „Adapter für ein Arbeitsgerät als Teil einer Schnellwechselvorrichtung und Schnellwechselvorrichtung“. Es wird vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nummer DE 50 2006 008 314 geführt und umfasst 15 Patentansprüche, die alle mit den vorliegenden Klagen angegriffen werden. Patentanspruch 1 mit darauf unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 5 stellt einen mit einem Arbeitsgerät verbindbaren Adapter und Anspruch 6 mit darauf rückbezogenen Unteransprüchen 7 bis 15 eine Schnellwechselvorrichtung unter Schutz.
2
Die beiden nebengeordneten Ansprüche 1 und 6 haben in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
3
(1) Adapter (18), der mit einem Arbeitsgerät (14) verbindbar ist, als Teil einer Schnellwechselvorrichtung (12) für Erdbewegungsmaschinen zum Auswechseln von Arbeitsgeräten (14), der mit einem an einem hydraulisch betätigten Ausleger (10) der Erdbewegungsmaschine um eine horizontale Achse schwenkbaren Schnellwechsler (16) zum lösbaren Verbinden mit dem Adapter (18) zusammenwirkt, wobei der Schnellwechsler (16) feste, in eine erste Richtung ausgerichtete Klauen (20), zumindest einen in die erste Richtung zum Lösen und in eine der ersten Richtung entgegengesetzte zweite Richtung zum Verriegeln verschiebbaren Riegelbolzen (30) und eine den Klauen (20) entfernt angeordnete Widerlagerfläche (26) aufweist, und wobei der Adapter (18) auf der ersten Seite zumindest eine den Klauen des Schnellwechslers (16) zugeordnete Kupplungsmantelfläche (22) und auf der zweiten Seite eine der Widerlagerfläche (26) zugeordnete erste Spannfläche (42) und eine dem Riegelbolzen (30) zugeordnete zweite Spannfläche (44) aufweist, und wobei sowohl auf der ersten als auch auf der zweiten Seite zumindest eine den Klauen (20) zugeordnete Kupplungsmantelfläche (22), eine der Widerlagerfläche (26) zugeordnet erste Spannfläche (42) und eine dem Riegelbolzen (30) zugeordnete zweite Spannfläche (44) vorgesehen sind, so dass der Schnellwechsler (16) wahlweise mit seinen Klauen (20) in Bezug auf die erste Seite des Adapters (18) oder in Bezug auf die zweite Seite des Adapters (18) ausgerichtet mit dem Adapter (18) verbindbar ist, und wobei die ersten Spannflächen (42) der einander gegenüberliegenden Riegelachsen (38, 40) zueinander einen spitzen Winkel (W1) aufweisen, die Kupplungsmantelfläche (22), die erste Spannfläche (42) und die zweite Spannfläche (44) derart angeordnet sind, dass sich im verriegelten Zustand ein mehrachsiges Verspannen von Adapter (18) und Schnellwechsler (16) ergibt, und wobei zumindest zwei Riegelachsen (38, 40) auf jeder Seite des Adapters (18) vorgesehen sind, die jeweils die Kupplungsmantelflächen (22) und die erste und zweite Spannfläche (42, 44) umfassen,
4
dadurch gekennzeichnet, dass
5
die zweite Spannfläche (44) durch eine Vertiefung (46) in oder Erhöhung auf der Riegelachse (38, 40) gebildet ist.
6
(6) Schnellwechslervorrichtung (12) mit einem Adapter (18) nach einem der vorangehenden Ansprüche, und einem Schnellwechsler (16) für ein Arbeitsgerät (14) für Erdbewegungsmaschinen zum Auswechseln von Arbeitsgeräten (14) für einen hydraulisch betätigten Ausleger (10) der Erdbewegungsmaschine, der um eine horizontale Achse schwenkbar ist und zum lösbaren Verbinden mit dem Adapter (18) zusammenwirkt, wobei der Schnellwechsler (16) feste, in eine erste Richtung ausgerichtete Klauen (20), zumindest einen in die erste Richtung zum Lösen und in eine der ersten Richtung entgegengesetzte zweite Richtung zum Verriegeln verschiebbaren Riegelbolzen (30) und eine den Klauen (20) entfernt angeordnete Widerlagerfläche (26) aufweist,
7
dadurch gekennzeichnet, dass
8
die Breite der Vertiefung (46) der zweiten Spannfläche (44) des Adapters (18) kleiner ist als die Breite der Klauen (20) und dass die Klauen (20) so angeordnet sind, dass jede Klaue (20) eine Vertiefung (46) bedeckt und im montiertem Zustand der Schnellwechselvorrichtung beiderseits der zugeordneten Vertiefung (46) auf der Riegelachse (38, 40) aufliegt.
9
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 1 749 939 B1 verwiesen.
10
Die Klägerinnen machen den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) EPÜ) geltend.
11
Sie beziehen sich u. a. auf folgende Unterlagen:
12
K1 Patentanmeldung IT-BO2001A000183 (= Patent IT 000 132 88 44) mit Auszug aus der amtlichen Datenbank „DEPATIS“ des DPMA K1a und Übersetzung K1b;
13
K2 „Betriebsanleitung Lehmatic MS 01-03“, Ausgabe 03/98;
14
K3 „Betriebsanleitung Lehmatic MS 08“, Ausgabe 01/00;
15
K6 Klageschrift der Firma Canginibenne s.r.l. aus dem Patentnichtigkeitsverfahren 10 Ni 32/13 nebst Anlagen, darunter:
16
A5 Nachweise zu einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung auf der Messe „Bauma 2001“ vom 2. bis 8. April 2001 in München;
17
A8 Broschüre der Firma Lehnhoff Hartstahl GmbH, angeblich verteilt auf der Messe „Bauma 2001“;
18
A9 Katalog-Auszug „Lehmatic® Schnellwechselsysteme“, angeblich verteilt auf der Messe „Bauma 2001“;
19
A10 WO 98/46835
20
A11 AT 413 117 B mit Anmeldungsunterlagen A12
21
und vertreten die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber K1 sei.
22
Die Gegenstände des nebengeordneten Anspruchs 6 sowie der Unteransprüche seien – teilweise auch aufgrund der Entgegenhaltungen K2 und K3 – ebenfalls nicht neu bzw. beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
23
Im Übrigen machen sich die Klägerinnen ergänzend das Vorbringen in der weiteren, gegen die Ansprüche 1, 3 und 5 des Streitpatents gerichteten, mittlerweile wieder zurückgenommenen Nichtigkeitsklage der Firma C… s.r.l. im Verfahren 10 Ni 32/13 zu Eigen. Insbesondere behaupten sie, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Firma C… s.r.l. auf der Münchener Messe „Bauma 2001“ vom 2. bis 8. April 2001 vorbenutzt worden sei.
24
Die Klägerinnen beantragen,
25
das europäische Patent 1 749 939 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
26
Die Beklagte beantragt,
27
die Klage insgesamt abzuweisen,
28
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die mit Schriftsatz vom 3. Juni 2014 (Bl. 147 ff. d. A.) eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 3 richtet.
29
In der Fassung des Hilfsantrags 1 lautet Patentanspruch 1 wie folgt (Änderungen gegenüber der Fassung gemäß Streitpatentschrift sind durch Streichung bzw. Unterstreichung kenntlich gemacht):
30
(1) Adapter (18), der mit einem Arbeitsgerät (14) verbindbar ist, als Teil einer Schnellwechselvorrichtung (12) für Erdbewegungsmaschinen zum Auswechseln von Arbeitsgeräten (14), der mit einem an einem hydraulisch betätigten Ausleger (10) der Erdbewegungsmaschine um eine horizontale Achse schwenkbaren Schnellwechsler (16) zum lösbaren Verbinden mit dem Adapter (18) zusammenwirkt, wobei der Schnellwechsler (16) feste, in eine erste Richtung ausgerichtete Klauen (20), zumindest einen in die erste Richtung zum Lösen und in eine der ersten Richtung entgegengesetzte zweite Richtung zum Verriegeln verschiebbaren Riegelbolzen (30) und eine den Klauen (20) entfernt angeordnete Widerlagerfläche (26) aufweist, und wobei der Adapter (18) auf der ersten Seite zumindest eine den Klauen des Schnellwechslers (16) zugeordnete Kupplungsmantelfläche (22) und auf der zweiten Seite eine der Widerlagerfläche (26) zugeordnete erste Spannfläche (42) und eine dem Riegelbolzen (30) zugeordnete zweite Spannfläche (44) aufweist, und wobei sowohl auf der ersten als auch auf der zweiten Seite zumindest eine den Klauen (20) zugeordnete Kupplungsmantelfläche (22), eine der Widerlagerfläche (26) zugeordnete erste Spannfläche (42) und eine dem Riegelbolzen (30) zugeordnete zweite Spannfläche (44) vorgesehen sind, so dass der Schnellwechsler (16) wahlweise mit seinen Klauen (20) in Bezug auf die erste Seite des Adapters (18) oder in Bezug auf die zweite Seite des Adapters (18) ausgerichtet mit dem Adapter (18) verbindbar ist, und wobei die ersten Spannflächen (42) der einander gegenüberliegenden Riegelachsen (38, 40) zueinander einen spitzen Winkel (W1) aufweisen, die Kupplungsmantelfläche (22), die erste Spannfläche (42) und die zweite Spannfläche (44) derart angeordnet sind, dass sich im verriegelten Zustand ein mehrachsiges Verspannen von Adapter (18) und Schnellwechsler (16) ergibt, und wobei zumindest
zwei Riegelachsen (38, 40) auf jeder Seite des Adapters (18) vorgesehen sind, die jeweils die Kupplungsmantelflächen (22) und die erste und zweite Spannfläche (42, 44) umfassen,
31
dadurch gekennzeichnet, dass
32
zwei Riegelachsen (38, 40), auf jeder Seite des Adapters (18) eine, vorgesehen sind, die jeweils die Kupplungsmantelflächen (22) und die erste und zweite Spannfläche (42, 44) umfassen, dass die zweite Spannfläche (44) durch eine Vertiefung (46) in oder Erhöhung auf der Riegelachse (38, 40) gebildet ist, und dass die Riegelachse (38, 40) als Querträger wirkt, jeweils in seitlichen Längslaschen (34, 36) befestigt ist, die Längslaschen (34, 36) und die Riegelachsen (38, 40) einen verwindungssteifen Rahmen bilden, der nur über die Längslaschen (34, 36) unmittelbar mit dem Arbeitsgerät (14) oder mittelbar über eine Grundplatte mit dem Arbeitsgerät (14) verbunden ist.
33
In der Fassung des Hilfsantrags 2 wird der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 gegenüber der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 wie folgt geändert:
34
(1) …,
35
dadurch gekennzeichnet, dass
36
zwei Riegelachsen (38, 40), auf jeder Seite des Adapters (18) eine, vorgesehen sind, die jeweils die Kupplungsmantelflächen (22) und die erste und zweite Spannfläche (42, 44) umfassen, dass die zweite Spannfläche (44) durch eine Vertiefung (46) in oder Erhöhung auf der Riegelachse (38, 40) gebildet ist, und dass die Riegelachse (38, 40) als Querträger wirkt, jeweils in seitlichen Längslaschen (34, 36) befestigt ist, die Längslaschen (34, 36) und die Riegelachsen (38, 40) einen verwindungssteifen Rahmen bilden, der nur über die Längslaschen (34, 36) unmittelbar mit dem Arbeitsgerät (14) oder mittelbar über eine Grundplatte mit dem Arbeitsgerät (14) verbunden ist
jeweils mit einer insbesondere mittig angeordneten Ausnehmung (50) für ein Betätigungsmittel für den Schnellwechsler (16) versehen ist.
37
In der Fassung des Hilfsantrags 3 wird der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 gegenüber der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 wie folgt geändert:
38
(1) …,
39
dadurch gekennzeichnet, dass
40
zwei Riegelachsen (38, 40), auf jeder Seite des Adapters (18) eine, vorgesehen sind, die jeweils die Kupplungsmantelflächen (22) und die erste und zweite Spannfläche (42, 44) umfassen, dass die zweite Spannfläche (44) durch eine Vertiefung (46) in oder Erhöhung auf der Riegelachse (38, 40) gebildet ist, und dass die Riegelachse (38, 40) als Querträger wirkt, jeweils in seitlichen Längslaschen (34, 36) befestigt ist, die Längslaschen (34, 36) und die Riegelachsen (38, 40) einen verwindungssteifen Rahmen bilden, der nur über die Längslaschen (34, 36) unmittelbar mit dem Arbeitsgerät (14) oder mittelbar über eine Grundplatte mit dem Arbeitsgerät (14) verbunden ist, und dass die Riegelachse (38, 40) mit einer insbesondere mittig angeordneten Ausnehmung (50) für ein Betätigungsmittel für den Schnellwechsler (16) versehen ist.
41
Wegen des Wortlauts der übrigen, mit den Hilfsanträgen verteidigten Patentansprüche wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 3. Juni 2014 (Bl. 156 ff. d. A.) verwiesen.
42
Die Beklagte bestreitet eine Vorbenutzung und hält die Gegenstände des Anspruchs 1 sowie des nebengeordneten Anspruchs 6 einschließlich der Unteransprüche in der erteilten Fassung, zumindest aber in der Fassung eines ihrer Hilfsanträge, gegenüber sämtlichen Angriffen für bestandsfähig.
43
Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 22. April 2014 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
44
Beide Klägerinnen sind von der Beklagten wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents vor dem Landgericht Mannheim verklagt worden (Az.: 7 O 198/13 u. 2 O 78/13). Das Landgericht hat beide Rechtsstreite bis zu einer Entscheidung des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens ausgesetzt.
45
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.


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