Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 17/14 (EP)

Datum:
21.7.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 027 084
(DE 698 04 988)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richter Kätker und Dipl.-Chem. Dr. Jäger sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 027 084 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. Oktober 1998 unter Inanspruchnahme der amerikanischen Priorität US 961801 vom 31. Oktober 1997 als internationale Patentanmeldung PCT/US98/23066 angemeldeten und vor dem europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents EP 1 027 084 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 17. April 2002 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 698 04 988 geführt wird. Das Streitpatent, das beschränkt mit Hauptantrag und drei Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Cohesive Products“ (“Kohäsive Gegenstände”) und umfasst 24 Patentansprüche, von denen die erteilten Patentansprüche 1 bis 4, 9, 11 bis 14 und 23 in der Verfahrenssprache Englisch folgendermaßen lauten:
2
1. A cohesive product comprising a substrate and a synthetic water-based cohesive defining at least one outer surface of the product, wherein the synthetic water-based cohesive comprises an inherently crystalline elastomer and at least one tackifying agent in an amount effective to disrupt the crystalline structure of the elastomer and maintain the elastomer in a partial polycrystalline state such that the elastomer possesses a cohesive property.
3
2. A product as claimed in claim 1 wherein the elastomer defines top and bottom surfaces of said substrate.
4
3. A product as claimed in claim 1 wherein the elastomer impregnates through the thickness of said substrate.
5
4. A product as claimed in any one of the preceding claims wherein the substrate comprises one or more layers each of which is a woven or knitted fabric, a warp-knitted (weft-insertion) fabric, a non-woven material, paper or a polymeric material.
6
9. A product as claimed in any one of the preceding claims which comprises a tape/bandage.
7
11. A product as claimed in claim 1, wherein the substrate comprises a first and a second layer of non-woven material and a third layer which is elastic in a direction extending longitudinally of the product, the third layer being in between the first and second layers of non-woven material.
8
12. A product as claimed in claim 1, wherein the substrate comprises:
9
1) a first layer of warp-knitted (weft insertion) fabric oriented with knitted threads or yarns extending longitudinally of the product;
10
2) a second layer of a non-woven material; and
11
3) a third layer which is elastic in a direction extending longitudinally of the product, the third layer being between the first and second layers.
12
13. A product as claimed in claim 1, wherein threads or yarns are knitted through the substrate to form a knitted substrate, and a synthetic cohesive water-based elastomer is deposited on opposite sides of the knitted substrate.
13
14. A product as claimed in claim 1, wherein the synthetic water-based cohesive comprises an inherently crystallizing elastomer to which two tackifying resins with melting points higher and lower relative to one another, or with average molecular weights higher and lower relative to one another, are added in an amount effective to disrupt the crystalline structure of the elastomer, and to maintain the elastomer in a partial polycrystalline state such that the elastomer possesses a cohesive property.
14
23. A method of making a synthetic cohesive product comprising the steps of:
15
1) combining a synthetic crystalline elastomer with at least one tackifying agent to produce an emulsion/dispersion of the elastomer and tackifying agent(s);
16
2) providing a substrate of a desired structure;
17
3) treating the substrate with the dispersion/emulsion such that the dispersion/emulsion defines at least one outer surface of the product; and
18
4) evaporating water from the dispersion/emulsion to produce a cohesive elastomeric solid.
19
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift lauten sie:
20
1. Kohäsives Produkt, umfassend ein Substrat und ein synthetisches Kohäsionsmittel auf Wasserbasis, das mindestens die äußere Oberfläche des Produkts begrenzt, worin das synthetische Kohäsionsmittel auf Wasserbasis ein inhärent kristallines Elastomer und mindestens ein klebrigmachendes Mittel in einer Menge umfasst, die effektiv ist, um die Kristallstruktur des Elastomers zu stören und das Elastomer in einem teilkristallinen Zustand zu halten, sodass das Elastomer eine Kohäsionseigenschaft besitzt.
21
2. Produkt nach Anspruch 1, worin das Elastomer obere und untere Oberflächen des Substrats begrenzt.
22
3. Produkt nach Anspruch 1, worin das Elastomer durch die Dicke des Substrats imprägniert ist.
23
4. Produkt nach einem der vorhergehenden Ansprüche, worin das Substrat eine oder mehrere Schichten umfasst, wobei jede von diesen ein gewobener oder gestrickter Stoff ist, eine Kettwirkware (Einschlagfadeninsertion), ein Vliesmaterial, Papier oder ein polymeres Material ist.
24
9. Produkt nach einem der vorhergehenden Ansprüche, umfassend ein Pflaster/einen Verband.
25
11. Produkt nach Anspruch 1, worin das Substrat eine erste und eine zweite Schicht aus Vliesmaterial und eine dritte Schicht umfasst, die elastisch in einer Richtung ist, die sich in Längsrichtung des Produkts erstreckt, wobei die dritte Schicht zwischen der ersten und zweiten Schicht des Vliesmaterials ist.
26
12. Produkt nach Anspruch 1, worin das Substrat umfasst:
27
1) eine erste Schicht aus einer Kettwirkware (Einschlagfadeninsertion), die mit gestrickten Fäden oder Garnen ausgerichtet ist, die sich in Längsrichtung des Produkts erstrecken,
28
2) eine zweite Schicht eines Vliesmaterials; und
29
3) eine dritte Schicht, die elastisch ist in einer Richtung, die sich in Längsrichtung des Produkts erstreckt, wobei die dritte Schicht zwischen der ersten und zweiten Schicht ist.
30
13. Produkt nach Anspruch 1, worin die Fäden oder Garne durch das Substrat gestrickt sind, um ein gestricktes Substrat zu bilden, und ein synthetisches, kohäsives Elastomer auf Wasserbasis auf gegenüberliegenden Seiten des gestrickten Substrats aufgebracht ist.
31
14. Produkt nach Anspruch 1, worin das synthetische Kohäsionsmittel auf Wasserbasis ein inhärent kristallines Elastomer umfasst, zu welchem zwei klebrigmachende Harze mit Schmelzpunkten, die höher und geringer relativ zueinander sind oder mit mittleren Molekulargewichten, die höher und geringer relativ zueinander sind, gegeben werden, in einer Menge, die effektiv ist, um die Kristallstruktur des Elastomers zu stören und um das Elastomer in einem teilweise polykristallinen Zustand zu halten, sodass das Elastomer eine kohäsive Eigenschaft besitzt.
32
23. Verfahren zum Herstellen eines synthetischen kohäsiven Produkts, umfassend die Schritte:
33
1) Vereinigen eines synthetischen kristallinen Elastomers mit mindestens einem klebrigmachenden Mittel, um eine Emulsion/Dispersion des Elastomers und des (der) klebrigmachenden Mittels (Mittel) zu erzeugen;
34
2) Bereitstellen eines Substrats mit einer gewünschten Struktur;
35
3) Behandeln des Substrats mit der Dispersion/Emulsion, sodass die Dispersion/Emulsion mindestens eine äußere Oberfläche des Produkts begrenzt; und
36
4) Verdampfen von Wasser aus der Dispersion/Emulsion, um einen kohäsiven elastomeren Feststoff zu erzeugen.
37
Wegen des Wortlauts der weiteren nebengeordneten Patentansprüche 15 und 18 sowie der weiteren unmittelbar oder mittelbar auf die nebengeordneten Patentansprüche rückbezogene Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 027 084 verwiesen.
38
In der Fassung des Hauptantrags, mit dem die Beklagte ihr Patent beschränkt verteidigt, lauten die (nur in deutscher Sprache eingereichten) Patentansprüche 1 und 5 bis 9:
39
1. Kohäsive Bandage, umfassend ein Substrat und ein synthetisches Kohäsionsmittel auf Wasserbasis, worin das synthetische Kohäsionsmittel auf Wasserbasis ein inhärent kristallines Elastomer und mindestens ein klebrigmachendes Mittel in einer Menge umfasst, die effektiv ist, um die Kristallstruktur des Elastomers zu stören und das Elastomer in einem teilkristallinen Zustand zu halten, sodass das Elastomer eine Kohäsionseigenschaft besitzt,
40
worin das Elastomer obere und untere Oberflächen des Substrats begrenzt oder worin das Elastomer durch die Dicke des Substrats imprägniert ist, und
41
worin das Substrat eine oder mehrere Schichten umfasst, wobei jede von diesen ein gewobener oder gestrickter Stoff ist, eine Kettwirkware (Einschlagfadeninsertion), oder ein Vliesmaterial ist.
42
5. Bandage nach Anspruch 1, worin das Substrat eine erste und eine zweite Schicht aus Vliesmaterial und eine dritte Schicht umfasst, die elastisch in einer Richtung ist, die sich in Längsrichtung der Bandage erstreckt, wobei die dritte Schicht zwischen der ersten und zweiten Schicht des Vliesmaterials ist.
43
6. Bandage nach Anspruch 1, worin das Substrat umfasst:
44
1) eine erste Schicht aus einer Kettwirkware (Einschlagfadeninsertion), die mit gestrickten Fäden oder Garnen ausgerichtet ist, die sich in Längsrichtung der Bandage erstrecken,
45
2) eine zweite Schicht eines Vliesmaterials; und
46
3) eine dritte Schicht, die elastisch ist in einer Richtung, die sich in Längsrichtung der Bandage erstreckt, wobei die dritte Schicht zwischen der ersten und zweiten Schicht ist.
47
7. Bandage nach Anspruch 1, worin die Fäden oder Garne durch das Substrat gestrickt sind, um ein gestricktes Substrat zu bilden, und ein synthetisches, kohäsives Elastomer auf Wasserbasis auf gegenüberliegenden Seiten des gestrickten Substrats aufgebracht ist.
48
8. Bandage nach Anspruch 1, worin das synthetische Kohäsionsmittel auf Wasserbasis ein inhärent kristallines Elastomer umfasst, zu welchem zwei klebrigmachende Harze mit Schmelzpunkten, die höher und geringer relativ zueinander sind oder mit mittleren Molekulargewichten, die höher und geringer relativ zueinander sind, gegeben werden, in einer Menge, die effektiv ist, um die Kristallstruktur des Elastomers zu stören und um das Elastomer in einem teilweise polykristallinen Zustand zu halten, sodass das Elastomer eine kohäsive Eigenschaft besitzt.
49
9. Verfahren zum Herstellen einer synthetischen kohäsiven Bandage, umfassend die Schritte:
50
1) Vereinigen eines synthetischen kristallinen Elastomers mit mindestens einem klebrigmachenden Mittel, um eine Emulsion/Dispersion des Elastomers und des (der) klebrigmachenden Mittels (Mittel) zu erzeugen;
51
2) Bereitstellen eines Substrats mit einer gewünschten Struktur, worin das Substrat eine oder mehrere Schichten umfasst, wobei jede von diesen ein gewobener oder gestrickter Stoff ist, eine Kettwirkware (Einschlagfadeninsertion), oder ein Vliesmaterial ist;
52
3) Behandeln des Substrats mit der Dispersion/Emulsion, sodass die Dispersion/Emulsion obere und untere Oberflächen des Substrats begrenzt, oder durch die Dicke des Substrats imprägniert ist; und
53
4) Verdampfen von Wasser aus der Dispersion/Emulsion, um einen kohäsiven elastomeren Feststoff zu erzeugen.
54
Nach Hilfsantrag A1 wird die kohäsive Bandage und das Verfahren zum Herstellen einer synthetischen kohäsiven Bandage jeweils um das Merkmal ergänzt, dass das (inheränt) kristalline Elastomer Polychloropren ist und dass das klebrigmachende Mittel natürlich vorkommende Harze und/oder Harzester einschließt.
55
Nach dem auf dem Hauptantrag basierenden Hilfsantrag A2 werden die auf Patentanspruch 1 rückbezogene Patentansprüche 5 bis 8 gemäß Hauptantrag (entsprechen den erteilten Patentansprüchen 11 bis 14) gestrichen.
56
Diese Unteransprüche werden ebenso in dem auf Hilfsantrag A1 basierenden Hilfsantrag A3 gestrichen.
57
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 4 und 10 gemäß Hauptantrag und der Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag A1 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 12. Juni 2015 verwiesen. Wegen des Wortlauts der jeweiligen Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsanträge A2 und A3 wird weiterhin auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16. Juli 2015 verwiesen.
58
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen u.a. auf folgende Dokumente:
59
K1 EP 1 027 084 B1 (= Streitpatent)
60
K1a DE 698 04 988 T2, Übersetzung der K1
61
K7 Wake, W. C. (Ed.): “Critical Reports on Applied Chemistry: Synthetic Adhesives and Sealants”, Volume 16, John Wiley & Sons, Chichester 1987, Chapter 1: “Contact Adhesives” von Whitehouse, R. S., S. 1 bis 30
62
K8 Coe, D. G., “Neoprene Synthetic Rubber; Latex based adhesives”, Du Pont-Firmenschrift, März 1995,
63
K8a Coe, D. G., “NEOPRENE Synthesekautschuk – Neoprene Latexklebstoffe”, Du Pont-Firmenschrift, November 1991
64
K9 Landrock, A. H. (Ed.): “Adhesives Technology Handbook”, Noyes Publications, Park Ridge 1985, Chapter 2: “Definitions of Terms”, S. 12 bis 30
65
K13 US 4,984,584
66
K15 Skeist, I. (Ed.): “Handbook of Adhesives”, 3. Aufl., Chapman & Hall, New York 1990: Guggenberger, S. K., Chapter 15, “Neoprene (Polychloroprene)-Based Solvent and Latex Adhesives”, S. 284 bis 306
67
K23 US 4,699,133
68
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die beschränkte Verteidigung nach Haupt- und Hilfsanträgen der Beklagten unzulässig sei, da die Patentansprüche unzulässige Erweiterungen enthielten.
69
Zunächst ergäben sich Bedenken, soweit mit dem nebengeordneten Patentanspruch 1 nur noch eine Bandage beansprucht werde, da damit ein anderer Gegenstand als mit dem erteilten Erzeugnisanspruch 1 geschützt werde und der Fachbegriff “bandage” oder “Bandage” an sich weder in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen noch in der Patentschrift offenbart sei. Außerdem erhielten die den erteilten Patentansprüchen 11 bis 14 entsprechenden Patentansprüche 5 bis 8 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag A1 durch den Rückbezug auf den nunmehr die Merkmale der erteilten Patentansprüche 2 bis 4 und 9 aufweisenden Patentanspruch 1 eine völlig neue Kombination mit speziellen materialbezogenen Merkmalen, die so nicht den ursprünglichen Anmeldeunterlagen zu entnehmen sei. Des Weiteren sieht die Klägerin im Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträgen die Alternative zwischen den aus den erteilten Patentansprüchen 2 und 3 übernommenen Merkmalen (” … worin das Elastomer obere und untere Oberflächen des Substrats begrenzt oder worin das Elastomer durch die Dicke des Substrats imprägniert ist … “) als nicht offenbart an. Schließlich besitze der Fachbegriff “natürlich vorkommende Harze” im Patentanspruch 1 der Hilfsanträge A1 und A3 gegenüber dem englischen Fachbegriff “rosin” in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen und im Streitpatent einen größeren Bedeutungsbereich.Weiter ist die Klägerin der Ansicht, dass die Gegenstände des Streitpatents in ihrer beanspruchten Breite nicht ausführbar seien, da der Fachmann nicht in der Lage sei, auf der Basis der Streitpatentschrift und ohne selbst erfinderisch tätig zu werden, die Lehre der Streitpatentschrift erfolgreich nachzuarbeiten.
70
Darüber hinaus meint die Klägerin, dass die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 nach Haupt- und Hilfsantrag A1 bzw. 1 und 5 gemäß den Hilfsanträgen A2 und A3 nicht neu gegenüber der Druckschrift K23 seien. Diese Druckschrift offenbare eine Bandage mit allen Merkmalen der nebengeordneten Patentansprüche in den verteidigten Fassungen, einschließlich des synthetischen Elastomers cis-1,4-Polyisopren mit im wesentlichen gleichen Eigenschaften wie das damit ersetzte Naturgummilatex.
71
Ferner macht die Klägerin mangelnde erfinderische Tätigkeit unter Verweis auf die Druckschriften K13 bzw. K23, jeweils in Kombination mit dem Fachwissen geltend, wie es insbesondere durch die Druckschriften K7, K8 oder K15 dokumentiert sei. So offenbare die auf dem gleichen technischen Gebiet wie das Streitpatent liegende Druckschrift K13 kohäsive Bandagen, in denen natürliches Gummilatex als polymeres Bindemittel verwendet werde. Die Druckschrift enthalte jedoch auch Hinweise auf Alternativen in Form anderer Elastomere mit ähnlichen Eigenschaften für kohäsive Bandagen. Ausgehend von der Aufgabe, einen naturgummifreien kohäsiven Verband durch Erzeugung von synthetischen Elastomeren unter Verwendung von deren Kristallisationseigenschaften herzustellen, werde der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens, dokumentiert z. B. durch K7, auch Polychloroprenelastomere in Betracht ziehen und dabei die selbstklebenden Eigenschaften durch Zugabe von Klebrigmachern nach der Lehre dieser Druckschrift einstellen. Ebenso könne auch von der Druckschrift K23 ausgegangen werden. Auch hier gelange der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens zum Gegenstand des Streitpatents in den verteidigten Fassungen.
72
Entsprechendes gelte für die Gegenstände der nachgeordneten Patentansprüche und der neben- und nachgeordneten Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen.
73
Die Klägerin beantragt,
74
das europäische Patent 1 027 084 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
75
Die Beklagte beantragt,
76
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags, hilfsweise des Hilfsantrags A1, beide gemäß Schriftsatz vom 12. Juni 2015,
77
weiter hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge A2 oder A3 gemäß Schriftsatz vom 16. Juli 2015 erhält.
78
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
79
B1 Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts zur Anmelde-Nr.: EP 98 956 370.5, “Facts and Submissions”
80
B2 Merkmalsgliederung Anspruch 1
81
B3 Merkmalsgliederung Anspruch 15
82
B4 3M Health Care, Produktbroschüre “3MTM CobanTM LF”, März 2011
83
B5 Entscheidung des US-Patentamts vom 20. Oktober 2014 (IPR2014-00630) betreffend das Patent US 6,156,424
84
B6 Entscheidung (request for rehearing) des US-Patentamts vom 20. Februar 2015 (IPR2014-00630) betreffend das Patent US 6,156,424
85
B7 Hauptantrag vom 12. Juni 2015
86
B8 Hauptantrag vom 12. Juni 2015 mit Änderungen
87
B9 WO 99/22778 A2 (= Veröffentlichung der Internationalen Anmeldung des Streitpatents)
88
B10 “Technical Report in regards to K11 and K24” vom 6. Oktober 2014
89
B11 3M United States, “3MTM VetRapTM Bandaging Tape with Hand Tear Technology – 2”, Internetausdruck aus www.3m.com/3M/… vom 27. Mai 2015
90
B12 US 3,575,782
91
B13 US 3,330,275
92
B14 Robbins, J. , “Polychloroprene Contact Adhesives”, Adhesives & Sealants Industry, März 2003, S. 30 bis 37
93
B15 Korrespondenz zwischen den Unternehmen 3M Health Care und Andover Coated Products Inc. vom 6. April 1998, 17. Juni 1998 und 1. Juli 1998
94
B16 Hilfsantrag A1 vom 12. Juni 2015
95
B17 Hilfsantrag A1 vom 12. Juni 2015 mit Änderungen
96
B18 Hilfsantrag A2 vom 16. Juli 2015
97
B19 Hilfsantrag A2 vom 16. Juli 2015 mit Änderungen
98
B20 Hilfsantrag A3 vom 16. Juli 2015
99
B21 Hilfsantrag A3 vom 16. Juli 2015 mit Änderungen
100
Die Beklagte ist der Meinung, dass die Lehre des Streitpatents nach den Grundsätzen der Rechtsprechung ausführbar offenbart sei. Hiernach genüge es für die Ausführbarkeit, wenn zumindest ein gangbarer Weg offenbart sei. Da das Patent eine Reihe erfindungsgemäßer Beispiele offenbare, sei diese Anforderung erfüllt. Zudem seien im Streitpatent sowohl eine Vielzahl von geeigneten Elastomeren und Klebrigmachern als auch Methoden zur empirischen Bestimmung der erforderlichen Menge an Klebrigmachern aufgezeigt. Dies habe auch die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts so gesehen.
101
Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche des Streitpatents in den Fassungen gemäß Haupt- und Hilfsanträgen seien auch neu. Keines der von der Klägerin genannten Dokumente offenbare eine kohäsive Bandage umfassend ein Substrat und ein synthetisches Kohäsionsmittel mit sämtlichen Merkmalen der Patentansprüche in der mit Haupt- und Hilfsanträgen verteidigten Fassungen. Zudem könnten die in dem von der Klägerin angeführten Stand der Technik genannten Kontaktklebstoffe nicht mit den streitpatentgemäßen Kohäsionsmittelzusammensetzungen gleichgesetzt werden. Bei Kontaktklebstoffen handele es sich um Materialien, die permanente, starke Verbindungen erzeugten und deshalb auch „Kontaktzemente“ bzw. „contact cements“ genannt würden, wobei diese Verbindungen auch nur beim Zusammenfügen der bestrichenen Substratflächen innerhalb eines begrenzten Zeitraums („open time“) möglich seien. Solche Materialen entsprächen nicht den Anforderungen an Bandagen, die (wiederverwendbar und ohne Anwendung eines hohen Pressdrucks) ihre Kohäsivität über die gesamte Lebensdauer des Produkts behalten müssten, ohne dabei adhäsiv an anderen Gegenständen zu haften.
102
Außerdem beruhten die Gegenstände des Streitpatents nach Haupt- und Hilfsanträgen auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von den Druckschriften K13 oder K23 hätte der Fachmann angesichts der Unterschiede zwischen Kontaktklebstoffen und den Haftmaterialien von Bandagen die insbesondere in der Druckschrift K7 genannten Kontaktklebstoffe auf Polychloroprenbasis nicht als Ersatz für Naturgummilatex herangezogen. Im Übrigen habe der Fachmann keinen Hinweis auf das spezielle Fenster gehabt, in dem die Menge des klebrigmachenden Mittels ausreiche, die kohäsiven Eigenschaften des Elastomers zu erzeugen, ohne dass zugleich eine unerwünschte Adhäsion entstehe.

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