Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung; Markenbeschwerdeverfahren – “Münchner Weißwurstsenf” – Antrag auf Eintragung einer geographischen Angabe – zur VO (EG) 510/2006 (juris-Abkürzung: EGV 510/2006): ‚Vereinigung’ erfordert Zusammenschluss mehrerer Erzeuger/Verarbeiter des gleichen Lebensmittels – zum Antrag eines einzigen Erzeugers und der Gleichstellung mit einer Vereinigung – zum Tatbestandsmerkmal ‚Ansehen’ – bei fehlender Antragsbefugnis bedarf der Antrag keiner Veröffentlichung;

Aktenzeichen  30 W (pat) 34/07

Datum:
24.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Art 2 EGV 510/2006
Art 5 EGV 510/2006
Art 2 EGV 1898/2006
§ 130 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Leitsatz

“Münchner Weißwurstsenf”
1. Eine Vereintragung i. S. d. VO (EG) 510/2006 erfordert den Zusammenschluss mehrerer Erzeuger/Verarbeiter des gleichen Lebensmittels.
2.  Ein einziger Erzeuger kann nur unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 VO (EG) 510/2006 i. V. m. Art. 2a) b) VO (EG) 1898/2006 einen Antrag stellen.
3. “Ansehen” i. S. v. Art. 2 Abs. 1b) 2. Spiegelstrich VO (EG) 510/2006 ist keine Eigenschaft i. S. v. Art. 2b VO (EG) 1898/2006.
4. Fehlt bereits die Antragsbefugnis, bedarf der Antrag keiner Veröffentlichung gemäß § 130 Abs. 4 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 5 S. 1 VO (EG) 510/2006.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend den Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe
305 99 014.4
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) in der Sitzung vom 24. Juni 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Schutzgemeinschaft Münchner Weißwurstsenf hat am 13. Mai 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt für ds Erzeugnis
2
“Senfpaste”
3
für die Bezeichnung
4
“Münchner Weißwurstsenf”
5
Antrag auf Eintragung als geographische Angabe in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingereicht, das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß der jetzt geltenden Verordnung (EG) 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EU Nr. L 93 vom 31. März 2006 S. 12; im Folgenden als “VO 510/2006” zitiert) geführt wird. Nach Hinweis der Markenabteilung hat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Art. 5 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2081/82 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 2037/93 die D… GmbH als einzige Erzeugerin angegeben. Die Antragstellerin beansprucht nunmehr Geltung als Vereinigung im Sinne von Art. 5 “VO 510/2006” i. V. m. Art. 2 a) und b) VO (EU) 1898/2006 vom 14. Dezember 2006 (ABl. EU Nr. L 369 vom 23. Dezember 2006 S. 1; im Folgenden als “VO 1898/2006” zitiert).
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1. In der dem Antrag beigefügten Spezifikation – in der Fassung vom 30. September 2005 – heißt es auszugsweise:
7
“…Beschreibung:
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“Münchner Weißwurstsenf” ist eine aus Senfkörnern gewonnene, verzehrfertige Paste.
9
Der “Münchner Weißwurstsenf” besteht vornehmlich aus gemahlenen Senfkörnern bzw. Senfmehl und Zucker. Seine Konsistenz ist körnig und zähflüssig. Optisch weist der “Münchner Weißwurstsenf” eine mittelbraune Farbe auf. Teilweise sind kleine dunkelbraune Schalenteile sichtbar, die dem “Münchner Weißwurstsenf” das typische Aussehen verleihen.
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Der “Münchner Weißwurstsenf” unterscheidet sich von anderen, gemahlenen Senfzubereitungen durch seine grob gemahlenen Senfkörner und durch seinen deutlich wahrnehmbaren, süßen Karamellgeschmack. Das typisch süße Karamellaroma verdankt der “Münchner Weißwurstsenf” dem historischen Rezept, das auf einem ausgewogenen Anteil an gelber und brauner Senfsaat, einer Gewürzmischung, dem speziellen, traditionellen Herstellungsverfahren mit der Karamellisierung des Zuckers und auf dem Zuckeranteil beruht.
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Die Besonderheit des “Münchner Weißwurstsenfs” ist die fortwährend traditionelle Herstellung durch die Karamellisierung des verwendeten Zuckers. Die Karamellisierung entsteht durch die Erhitzung des Zuckers. Sie ist der Grund für die besondere Konsistenz, die einzigartige Optik und den süßen Geschmack des Münchner Weißwurstsenfs.
12
…Herstellungsverfahren:
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…Die gemahlene Senfsaat ist dann mit den restlichen Komponenten der Rezeptur zu vermengen. Nach einer Ruhe-/Reifezeit ist die Senfmaische zu erhitzen. Danach kühlt der erhitzte, sehr flüssige Senf aus und die Zutaten des Münchner Weißwurstsenfs können sich miteinander zu einer homogenen Substanz verbinden, quellen und reifen. Der “Münchner Weißwurstsenf” entwickelt dadurch sein charakteristisches, süßes Karamellaroma. Schließlich ist der Senf zu entlüften und für einen bestimmten Zeitraum in geschlosse-nen Behältern zu lagern. …Bei der Herstellung des “Münchner Weißwurstsenfs” ist ausschließlich Wasser aus dem geographischen Gebiet des Regie-rungsbezirks Oberbayern zu verwenden.
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…Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet: Heute genießt der “Münchner Weißwurstsenf” großes Ansehen und einen hohen Bekanntheitsgrad als regionale Spezialität bei den Verbrauchern in der Region, in Bayern, in ganz Deutschland sowie im europäischen Ausland, vornehmlich in Österreich, Schweiz und Italien. Dieses Ansehen beruht insbesondere auf dem traditionellen Herstellungsverfahren des “Münchner Weißwurstsenfs” durch die Karamellisierung des Zuckers und auf dem regionaltypisch süßen Karamellgeschmack des “Münchner Weißwurstsenfs”…
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…Menschlicher Zusammenhang:
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 … Die traditionelle Herstellungsart des “Münchner Weißwurstsenfs”, nämlich das richtige Verfahren und das Geschick des regionalen Herstellers des “Münchner Weißwurstsenfs” ist neben der Qualität der Rohstoffe und der Rezepturzusammensetzung entscheidend für die regionaltypisch körnige und zähflüssige Konsistenz, für den regionaltypisch süßen Karamellgeschmack sowie für die regionaltypisch mittelbraune Farbe des “Münchner Weißwurstsenfs”.
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2. Die Markenabteilung 3.2. hat nach § 130 Abs. 3 MarkenG verschiedene Stellungnahmen sachkundiger und interessierter Stellen eingeholt (Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten vom 14. November 2005; Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 18. November 2005; Bayerischer Hotel- und Gaststättenverband e. V. vom 20. Dezember 2005; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft – Institut für Ernährungswirtschaft und Markt vom 21. Dezember 2005). Sie hat hierbei konkrete Fragen u. a. zu Eigenschaften des geographischen Gebiets und des Erzeugnisses sowie zu dessen Bekanntheit und Ansehen gestellt. Die K… KG (GmbH & Co.) hat mit Schreiben vom 23. November 2005 als Senfhersteller und Mitglied des Verbands der Essig und Senfindustrie von sich aus eine Stellungnahme abgegeben.
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Das Bayerische Landesamt hat u. a. ausgeführt:
19
“…(2) “Münchner Weißwurstsenf” weist keine Eigenschaften oder Qualitätsmerkmale auf, die auf der geographischen Herkunft beruhen…Die speziellen Eigenschaften sind abhängig von der Rezeptur (Karamellisierung des Zuckers). (3) Die Bezeichnung “Münchner Weißwurstsenf” wurde nach hiesiger Kenntnis nur von Münchner Firmen verwendet. Für den Verbraucher besteht u. E. kein Unterschied zwischen “Bayerischem Süßen Senf” und “Weißwurstsenf”. “Münchner Senf” ist im Gegensatz dazu ein Senf aus München, der z. B. auch mittelscharf sein kann. (4) Es ist von einem gewissen Bekanntheitsgrad und auch von einem besonderen Ansehen des Produktes auszugehen….(6) Nach unserer Kenntnis weist weder das abgegrenzte Gebiet noch das Produkt “Münchner Weißwurstsenf” Merkmale auf, die sich gravierend von den angrenzenden Gebieten bzw. vergleichbaren Produkten un-terscheiden.”
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Die K… KG (GmbH & Co.) hat in ihrer Stellungnahme darum gebe ten, ihre Ausführungen im Eintragungsverfahren “Münchner Senf” “…analog auf die hier gegenständliche Anmeldung zu beziehen, da diese voll inhaltlich ebenfalls Gültigkeit habe für die Anmeldung “Münchner Weißwurstsenf”. Sie hatte darin u. a. ausgeführt:
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 “…Diesseitig war bisher nicht bekannt, dass es eine Senfspezialität “Münchner Senf” geben soll. Wohl ist bekannt, dass der Begriff “Münchner Senf” hin und wieder als Synonym für süßen Senf etc. verwendet wird…Eine besondere regionale Spezialität ist mit dem Begriff “Münchner Senf” nach diesseitiger Erkenntnis allerdings nicht verbunden…Unter der Rubrik “Verzehr” wird ferner ausgeführt, der süße Senf werde sehr gerne zur Weißwurst gegessen, weshalb er oftmals auch als “Weißwurstsenf” bezeichnet werde. Hier wird also festgestellt, dass die Begriffe “bayerischer süßer Senf” und “Weißwurstsenf” synonym sind…Von hier aus kann nicht bestätigt werden, dass es sich bei der dargestellten Herstellung des so genannten “Münchner Senfs” (S. 2 der Spezifikation im 3. Absatz) um eine Besonderheit handelt. Das Aufsetzen mit heißem Wasser und Essig, der Quellvorgang und die anschließende Verarbeitung beschreiben die allgemein übliche Herstellung des sü-ßen Senfs. …Der Verbraucher versteht “Münchner Senf” allenfalls als Synonym für “Süßen Senf”. …kann gesagt werden, dass die Bezeichnung “Münchner Senf” keine besondere Bedeutung erlangt hat, denn damit wird lediglich ein herkömmlicher süßer Senf in Verbindung gebracht. …Besondere Merkmale liegen offenkundig nicht vor…”
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Die Bayerische Landesanstalt hat u. a. ausgeführt:
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“…kann davon ausgegangen werden, dass …(“Münchner Weißwurstsenf”) durch die Vermarktung der Qualitätsprodukte der Fa. D… GmbH bei den Verbrauchern eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. In-wieweit …(“Münchner Weißwurstsenf”) wegen seiner Herkunft ein beson-deres Ansehen genießt, kann nicht beurteilt werden. Geschmacklich unterscheidet sich der “Münchner Weißwurstsenf” vom “Bayerischen Süßen Senf”…”.
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Der Bayerische Hotel – und Gaststättenverband sieht die Voraussetzungen unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Spezifikation als erfüllt an und hat u. a. ausgeführt:
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“…Deshalb ist nach meiner Einschätzung davon auszugehen, dass zwischen den Eigenschaften des “Münchner Weißwurstsenfs” und seiner geographischen Herkunft München ein Zusammenhang besteht, da sich die Herstellung in München in einer besonderen Qualität auswirkt. Aufgrund eigener Wahrnehmung und den im Antrag formulierten Ausführungen zum “Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet” ist nach meinem Dafürhalten dem “Münchner Weißwurstsenf” außerdem ein großes Ansehen und ein hoher Bekanntheitsgrad als regionale Spezialität bei den Verbrauchern zuzuschrei-ben…”.
26
In weiteren Stellungnahmen wurden teils ohne Angaben von Gründen keine Bedenken hinsichtlich einer Eintragung geäußert oder das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen unter Hinweis auf mangelnde Erkenntnisse und Erfahrungen nicht bejaht.
27
3. Mit Bescheid vom 7. März 2006 hat die Markenabteilung die Antragstellerin auf bestehende Zweifel an der Antragsbefugnis hingewiesen sowie auf fehlende Belege zum Nachweis der Bekanntheit des Münchner Weißwurstsenfs als eigenständige regionale Spezialität und zum Nachweis des besonderen Ansehens infolge seiner geografischen Herkunft.
28
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006 eine überarbeitete Spezifikation vorgelegt. Zu den spezifischen Merkmalen des Münchner Weißwurstsenfs in Abgrenzung zu anderen Erzeugnissen insbesondere dem Bayerischen Süßen Senf hat die Antragstellerin ausgeführt, dass die Spezifikation des Münchner Weißwurstsenfs im Gegensatz zum Bayerischen Süßen Senf höhere Anforderungen an die Herstellung stelle, was für einen besonderen Geschmack sorge. So würden die Senfsaaten nicht entölt, die Reifung erfolge in geschlossenen Behältnissen, die Entlüftung sorge für eine kompaktere Konsistenz, das verwendete Münchner Wasser stamme vornehmlich aus dem Landkreis Miesbach und sei besonders kalkhaltig, was sich wiederum auf den Geschmack des Münchner Weißwurstsenfs auswirke.
29
Zum behaupteten besonderen Ansehen hat die Antragstellerin ausgeführt, der Münchner Weißwurstsenf sei dem Verbraucher als eigenständige regionale Spezialität bekannt und genieße daher wegen seiner geografischen Herkunft ein besonderes Ansehen. Münchner Weißwurstsenf werde seit langer Zeit im geografischen Gebiet hergestellt und verkauft, die lange Tradition der Herstellung des Münchner Senfs sei belegt durch eine Fotoaufnahme von der Abfüllung des Münchner Weißwurstsenfs von ca. 1950, sowie Preislisten des Erzeugers aus dem Jahr 1969. Das hohe Ansehen bei regionalen Verbrauchern ergebe sich daraus, dass im Rahmen der Direktbelieferung von ca. … Metzgereien und ca. … Traditionsgaststätten in München und im Landkreis München rund … Liter Münchner Weißwurstsenf in 2005 ver kauft worden seien. Auch das Angebot des Münchner Weißwurstsenfs in der Münchner Traditionsgastronomie im regionaltypischen “Senfhaferl” habe zur Bekanntheit als regionaltypische Spezialität beigetragen. Aufgrund der langen Tradition hat der Münchner Weißwurstsenf und damit auch sein Erzeuger bei den Verbrauchern ein großes Ansehen wegen seiner regionalen Herkunft erlangt, das untrennbar miteinander verbunden sei.
30
Mit Fax vom 13. September 2006 hat die Antragstellerin eine weitere überarbeitete Spezifikation ohne wesentliche inhaltliche Änderungen vorgelegt.
31
4. Die Markenabteilung hat den Antrag ohne vorherige Veröffentlichung mit Beschluss vom 1. Februar 2007 als unzulässig verworfen, da der Antragstellerin die Antragsbefugnis gem. Art. 5 Abs. 1 VO 510/2006 fehle. Die Schutzgemeinschaft habe nur ein Mitglied, so dass es sich nicht um eine Vereinigung handle. Für eine Gleichstellung mit einer Vereinigung gem. Art. 2 der am 30. Dezember 2006 in Kraft getretenen VO 1898/2006 fehlten die Voraussetzungen. Es fehle u. a. der Nachweis, dass sich das Gebiet der Stadt und des Landkreises München durch besondere Merkmale von den angrenzenden Gebieten abhebe. Das betreffende Erzeugnis weise auch nicht spezifische Merkmale auf, die es hinreichend von gleichartigen Produkten aus den angrenzenden Gebieten unterscheide; insbesondere im Verhältnis zum Bayerischen Süßen Senf, für den ebenfalls ein Antrag auf Schutz als geografische Angabe gestellt worden sei und dessen Herkunftsgebiet München einschließe, bestehe eine sehr enge Produktverwandtschaft. Nach den jeweiligen Spezifikationen stimmten die betreffenden Senferzeugnisse in den charakteristischen Eigenschaften – körnige und zähflüssige Konsistenz, deutlich wahrnehmbarer süßer Karamellgeschmack, teilweise sichtbare kleine dunkelbraune Schalenteile – überein. Auch die Farbe (mittelbraun bzw. gelbbraun bis dunkelbraun) lasse keine eindeutige Abgrenzung zu. Aus den genannten Zutaten und den Analysewerten ließe sich nicht auf konkret wahrnehmbare Unterschiede in der Beschaffenheit der Produkte schließen. Daraus, dass beim Münchner Weißwurstsenf höhere Anforderungen an die Herstellung bestünden, ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein eigenständiges Produktprofil gegenüber dem Erzeugnis Bayerischer Süßer Senf. Eine (Teil-)Entölung der Senfkörner sei auch für den Bayerischen Süßen Senf nicht verbindlich vorgeschrieben, sondern sei nur möglich und auch insoweit sei das Reifen in geschlossenen Trögen, das Entlüften des Senfs sowie die Verwendung von Wasser aus Oberbayern nicht ausgeschlossen. Es sei nicht dargelegt, dass aus den genannten unterschiedlichen Verfahrensweisen auch für den Verbraucher deutlich erkennbare Unterschiede in den Produkteigenschaften – z. B. Geschmack oder Konsistenz – resultierten. Andererseits sprächen weitere Umstände für eine enge Verwandtschaft der beiden Senferzeugnisse. So werde in Abschnitt h) der Spezifikation für den Bayerischen Süßen Senf auch die Kennzeichnung “Bayerischer Weißwurstsenf” als zulässig erachtet. Zudem sollen beide Erzeugnisse auf die historische Rezeptur von D1… aus dem Jahr 1854 zurückgehen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Münchner Weißwurstsenf eine derart eigenständige Profilierung erfahren hätte, dass er nicht mehr von dem Begriff Bayerischer Süßer Senf umfasst werde. Dagegen sprächen auch die Stellungnahmen sachkundiger und interessierter Stellen. Lediglich in einer Stellungnahme werde auf den “geschmacklichen Unterschied” der betreffenden Erzeugnisse hingewiesen, allerdings ohne dies näher zu erläutern.
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5. Gegen den ihr am 8. Februar 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 6. März 2007 Beschwerde eingelegt.
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a) Mit Schriftsatz vom 3. August 2007 hat sie eine aktualisierte Fassung des Einzigen Dokuments und der Produktspezifikation vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 16. August 2007 hat sie beantragt, neben der Aufhebung des Beschlusses die Veröffentlichung des Antrags durch das Deutsche Patent- und Markenamt gem. Art. 5 V UA1 VO 510/2006 zu veranlassen. Eine Ablehnung des Eintragungsantrags ohne vorherige Veröffentlichung als “unzulässig” und/oder als “unbegründet” sei gemeinschaftsrechtswidrig.
34
Die Spezifikation vom 3. August 2007 beschreibt das Erzeugnis unter dem Gliederungspunkt 4.2 wie folgt:
35
“…Der Münchner Weißwurstsenf besteht vornehmlich aus Münchner Wasser, grob gemahlenen Senfkörnern bzw.Senfmehl und Zucker. Seine Konsistenz ist körnig und durch die Entlüftung kompakter als der Bayerische Süße Senf, seine Farbe mittelbraun. Kleine Schalenteile sind sichtbar. Der Münchner Weißwurstsenf schmeckt karamellisiert, aber wegen der Reifung in geschlossenen Behältern weniger mild als der Bayerische Süße Senf…”.
36
Zum geographischen Gebiet ist unter dem Gliederungspunkt 4.3 ausgeführt:
37
“… Das geographische Gebiet ist geprägt von der langen Herstellungstradition der Münchner Senfmanufaktur. Durch die Bezeichnung, den Erfindungsursprung und die lange Herstellungstradition unterscheidet sich das geographische Gebiet deutlich von benachbarten Gebieten”.
38
Zum Ursprungsnachweis ist unter dem Gliederungspunkt 4.4 angegeben: “….das Münchner Wasser, das traditionelle, im geographischen Gebiet erfundene Erhitzungsverfahren zur Karamellisierung des Münchner Weißwurstsenfs und der Zucker sind entscheidend für die körnige und durch die Entlüftung im Gegensatz zum Bayerischen Süßen Senf kompaktere Konsistenz, für die mittelbraune Farbe sowie für den typischen, jedoch im Gegensatz zum Bayerischen Süßen Senf wegen der Reifung in geschlossenen Behältern weniger milden Karamellge-schmack des Münchner Weißwurstsenfs…”.
39
Zum Herstellungsverfahren ist u. a. hinsichtlich der Unterschiede zum Bayerischen Süßen Senf unter dem Gliederungspunkt 4.5 ausgeführt:
40
“…Die Senfsaat ist weder vollständig noch teilweise zu entölen. …Für das Vermahlen ist kein Granitstein zu verwenden….Schließlich ist der Senf zu entlüften und für einen bestimmten Zeitraum in geschlossenen Behältern und nicht in offenen Wannen zu lagern. Die geschlossenen Behälter und die im Gegensatz zum Bayerischen süßen Senf kürzere Lagerung bewahrt die Schärfe des Münchner Weißwurstsenfs und lässt ihn im Gegensatz zum Bayerischen Süßen Senf weniger mild schmecken. Durch das Entlüften erhält der Münchner Weißwurstsenf im Gegensatz zum Bayerischen Süßen Senf eine kompaktere Konsistenz…”
41
Der Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet natürlicher Zusammenhang – wird unter dem Gliederungspunkt 4.6 wie folgt begründet:
42
“Der Münchner Weißwurstsenf weist, wie das Münchner Bier, auch einen natürlichen Zusammenhang zwischen seinem geographischen Gebiet und seinen organoleptischen Eigenschaften auf. Das verwendete Münchner Wasser, der größte Bestandteil des Münchner Weißwurstsenfs, stammt aus der vorgebirglichen Landschaft Münchens und ist durch den Gesteinsaufbau besonders kalkhaltig. Der hohe Kalkgehalt des Münchner Wassers verstärkt wiederum den besonderen Karamellgeschmack des Münchner Weißwurstsenfs…”.
43
b) Auf einen Hinweis des Senats zu bestehenden Zweifeln an der Antragsbefugnis und fehlenden Nachweisen zu Eigenschaften des Gebiets hat die Antragstellerin durch ihren neuen anwaltlichen Vertreter wie folgt ergänzend vorgetragen:
44
Die formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses liege in der fehlenden Veröffentlichung des Antrages; die Verpflichtung zur Veröffentlichung auch unzulässiger Anträge ergebe sich aus Art. 5 Abs. 5 VO 510/2006, da die VO 510/2006 nicht danach differenziere, ob der Antrag mangels Zulässigkeit oder mangels Begründetheit abgelehnt werde. Zu den Anforderungen der VO gehöre auch die Frage, ob es sich um einen tauglichen Antragsteller handle, so dass die Entscheidung hierüber ein Beschluss i. S. v. Art. 5 Abs. 5 VO 510/2006 sei. Jeder Antrag sei von allgemeinem Interesse und solle der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. So könnte sich durch die Veröffentlichung auch ein weiterer Hersteller finden lassen. Auch § 130 Abs. 4 MarkenG sehe eine Veröffentlichungspflicht eines jeden Antrags vor. § 130 Abs. 5 unterscheide nicht zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen.
45
In materieller Hinsicht habe das Amt verkannt, dass auch das “Ansehen” eines Erzeugnisses eine “Eigenschaft” i. S. v. Art. 2 VO 1898/2006 sei, nicht nur objektiv messbare Eigenschaften des Gebiets oder des Erzeugnisses, da die Begriffe der VO 1898/2006 vor dem Hintergrund der VO 510/2006 auszulegen seien. Art. 2 Abs. 1 b) VO 510/2006 definiere die geographische Angabe für ein Lebensmittel, bei dem sich “eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geographischen Ursprung” ergebe, so dass “Eigenschaft” i. S. v. Art. 2 Abs. 1 b) VO 510/2006 der Oberbegriff für “Qualität” und “Ansehen” sei. Das “Ansehen eines Erzeugnisses” sei demzufolge eine “Eigenschaft des Erzeugnisses” i. S. v. Art. 2 Abs. 1 b) VO 510/2006. Dies müsse auch für Art. 2b) der Ausführungs-VO 1898/2006 gelten, so dass gebietstypische Eigenschaft des Erzeugnisses auch das gebietstypische Ansehen des Erzeugnisses sein könne.
46
Münchner Weißwurstsenf verfüge über ein hohes Ansehen. Er sei Bestandteil der Münchner Geschichte und der regionalen Esskultur. Seine Produktion sei seit 1952 belegbar. Er werde in Zusammenhang mit der Weißwurst aber auch z. B. als Beilage zu Leberkäse ausgelobt, was sein Ansehen als selbständig marktgängiges Produkt belege. Münchner Weißwurstsenf genieße auch überregionales Ansehen, er werde auch außerhalb Bayerns umfangreich verwendet, um das Image von Speiseangeboten aufzuwerten.
47
Das Produkt habe auch besondere objektive Eigenschaften, die auf der geografischen Herkunft beruhten. Münchner Weißwurstsenf werde zum einen durch seine Zutaten zum anderen durch das traditionelle Herstellungsverfahren geschmacklich geprägt. Die Besonderheit liege in einem Nassvermahlverfahren mit Hilfe von Granitsteinen, durch das der Senf seinen süß-pikanten Geschmack erhalte. Die Verwendung des Münchner Wassers stelle eine besondere Eigenschaft dar. Auch wenn es nicht im geologischen Sinn “Münchner Wasser” sei, stamme es aus einer klar definierten Gegend. Dass ein Teil der Rohstoffe aus einem definierten Gebiet außerhalb des Erzeugungsgebietes stamme und dass diese Rohstoffe objektive Eigenschaften des Produkts begründeten, hindere nicht, die Eintragung darauf zu stützen.
48
Die Beschwerdeführerin beantragt,
49
den Beschluss der Markenabteilung vom 1. Februar 2007 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen
50
und regt darüber hinaus an,
51
die Rechtsbeschwerde zuzulassen oder eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) herbeizuführen zu der Frage: “Ist hinsichtlich des Veröffentlichungserfordernisses eine Differenzierung zwischen der Ablehnung eines Antrages als unzulässig (keine vorherige Antragsveröffentlichung erforderlich) und der Ablehnung als unbegründet (vorherige Antragsveröffentlichung erforderlich) vom Regelungssystem der VO 510/2006 gedeckt” sowie zu der weiteren Frage: “Ist die Auslegung des Begriffes “Eigenschaft” in Art. 2b) VO 1898/2006 als “objektiv messbare Eigenschaft” (und nicht auch: “Ansehen”) zutreffend.”
52
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
53
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
54
1. Die Antragsbefugnis der Schutzgemeinschaft Münchner Weisswurstsenf gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 3 VO 510/2006 i. V. m. Art. 2 VO 1898/2006 ist nicht gegeben. Die Grundvoraussetzung für die Antragstellung ist nicht erfüllt. Die Beschwerde ist schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
55
a) Auch nach der – mit Schriftsatz vom 3. August 2007 eingereichten – aktualisierten Fassung des einzigen Dokuments und der Produktspezifikation hat die Schutzgemeinschaft Münchner Weisswurstsenf nur ein Mitglied, so dass es sich nicht um eine Vereinigung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 und 2 der VO 510/2006 handelt; diese Vorschrift setzt den Zusammenschluss von Erzeugern oder Verarbeitern des gleichen Lebensmittels voraus, was hier nicht geltend gemacht ist.
56
b) Nach Art. 5 Abs. 1 S. 3 VO 510/2006 i. V. m. Art. 2 VO 1898/2006 kann allerdings eine natürliche oder juristische Person einen Antrag auf Eintragung stellen (vgl. 3. Erwägungsgrund und Art. 2 a) der VO 1898/2006) – was hier nicht der Fall ist – und einer Vereinigung gleichgestellt werden, wenn die betreffende Person in dem fraglichen Gebiet einziger Erzeuger ist und das Gebiet Eigenschaft besitzt, die sich deutlich von denen der benachbarten Gebiete unterscheiden oder die Eigenschaften des Erzeugnisses sich von denen der Erzeugnisse aus benachbarten Gebieten unterscheiden. Ungeachtet der Frage, dass der genannte einzige Erzeuger keinen Antrag auf Eintragung gestellt hat, liegen die Voraussetzungen für eine solche Gleichstellung indessen nicht vor, auch wenn zugunsten der D… GmbH im Weiteren davon ausgegangen wird, das sie als Antragstellerin die einzige Erzeugerin im geografischen Gebiet von München ist.
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c) Die weitere Bedingung gem. Art. 2 b) VO 1898/2006 ist nicht erfüllt, da weder gebietstypische noch produkttypische Eigenschaften im Sinne der VO festzustellen sind.
58
Worauf vom Senat bereits hingewiesen und von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt, ist hinsichtlich des in der Spezifikation genannten “Münchner Wassers” – das von der Antragstellerin einmal als gebietstypische Besonderheit zum anderen als Grund für eine besondere Produkteigenschaft angeführt wird – festzustellen, dass München sein Wasser vorrangig aus dem Mangfall- und Loisachtal bezieht (vgl. Stadtwerke München Trinkwassergewinnung unter www. swm.de; Mangfalltal unter wikipedia.org). Diese Gebiete gehören aber nicht mehr zum geografischen Gebiet des Landkreises München, sondern zu den Nachbarlandkreisen Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen, so dass sich hieraus eine gebietstypische Eigenschaft für das geografische Gebiet nicht begründen lässt.
59
Hinsichtlich des angegebenen traditionellen Herstellungsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen wurden, die über die in den bereits vorgelegten Fassungen der Spezifikation gemachten Angaben hinausgehen. Die mit Schriftsatz vom 31. März 2010 vorgetragenen Angaben zum Herstellungsverfahren, das sich durch Nassvermahlung mittels Granitsteinen auszeichne und für einen süß-pikanten Geschmack des Münchner Weißwurstsenfs sorge, lassen sich der Spezifikation für Münchner Weißwurstsenf in keiner ihrer Fassungen entnehmen. Der Geschmack wird vielmehr mit süßer Karamellgeschmack beschrieben, eine Vermahlung mit Granitstein soll nach der Spezifikation (in Punkt 4.5) nicht erfolgen.
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Soweit in der Spezifikation zur Begründung eines besonderen, traditionellen Herstellungsverfahrens auf die Karamellisierung des Zuckers im Zusammenhang mit der Erhitzung der Senfmaische und die anschließenden Abkühl-, Quell- und Reifungsprozesse abgestellt wird, ergeben sich nach wie vor keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine erkennbare Abgrenzung zum süßen Senf bzw. Bayerischen Süßen Senf. Bei den nach der Erhitzung der Senfmaische und der erfolgten Karamellisierung beschriebenen weiteren Verarbeitungsschritten handelt es sich zum einen um übliche Verfahren zur Senfherstellung (vgl. hierzu beispielhaft “Senf – Die Produktion” unter www. Muenchner-kindl-senf.de; “Die Senfproduktion” unter www. Senfundmehr.de; “Die Senfherstellung” unter www. Senfmuehle.de; “So entsteht Speisesenf” unter www. Pepperworld.com), zum anderen überschneiden sich diese mit dem Herstellungsverfahren des Bayerischen Süßen Senfs. Wie die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat, sind das Reifen in geschlossenen Behältern und das Entlüften auch bei der Herstellung des Bayerischen Süßen Senfs möglich. Auch die Dauer der Lagerung, die sich auf den Schärfegehalt des Senfs auswirken soll, ist nicht vorgegeben und kann beim Münchner Weißwurstsenf und beim Bayerischen Süßen Senf den-selben Zeitraum umfassen. Für ein besonderes Know-how bei der Herstellung des Münchner Weißwurstsenfs ergeben sich somit – wie die Markenabteilung bereits festgestellt hat – keine ausreichenden Anhaltspunkte.
61
Das Gebiet München besitzt insoweit keine Eigenschaften, die sich deutlich von denen der benachbarten Gebiete unterscheiden würden.
62
Zur Abgrenzung der Produkteigenschaften des “Münchner Weißwurstsenfs” hat die Antragstellerin in der Spezifikation unter Punkt 4.2 ausgeführt, die Konsistenz des Münchner Weißwurstsenfs sei durch die Entlüftung kompakter als der Bayerische Süße Senf, er schmecke karamellisiert, aber wegen der Reifung in geschlossenen Behältern weniger mild als der Bayerische Süße Senf.
63
Wie die Markenabteilung bereits festgestellt hat und wie sich aus den eingegangenen Stellungnahmen ergibt, ist nicht erkennbar, inwieweit sich der Münchner Weißwurstsenf vom süßen Senf bzw. anderen Sorten süßen Senfs unterscheidet. Die Charakterisierung mit einer kompakteren Konsistenz und einem weniger milden Geschmack kann keine ausreichende Abgrenzung gewährleisten, da dies bei einem Senf mit süßen Karamellgeschmack nur bedeuten kann, dass es trotzdem eine gewisse Schärfe enthält und da auch der süße Senf an sich eine pikante Geschmacksnote aufweisen kann. Die angegebenen Unterschiede im Herstellungsverfahren für Münchner Weißwurstsenf sind daher auch für die Herstellung von süßem Senf üblich und sind auch für den von der Antragstellerin beantragten Bayerischen Süßen Senf nicht ausgeschlossen.
64
Soweit die Antragstellerin darüber hinaus herausstellt, das verwendete “Münchner Wasser” sorge für eine Verstärkung des typischen Karamellgeschmacks des Münchner Weißwurstsenfs, kann dies auch keine produkttypische Eigenschaft begründen, da das Wasser aus an München angrenzenden Gebieten stammt und dortige Senfhersteller dieses Wasser zur Herstellung ihrer Produkte ebenfalls verwenden können.
65
Wenn die Antragstellerin weiter vorträgt, dass die Eintragung auf verwendete Rohstoffe gestützt werden könne, die zwar nicht aus dem geografischen Gebiet, aber aus einem klar definierten Gebiet außerhalb des Erzeugungsgebietes stammten und objektive Eigenschaften des Produkts bewirkten, kann dies die Schutzfähigkeit nicht begründen. Denn hinsichtlich des verwendeten Wassers unterscheidet sich das Erzeugnis eben nicht gegenüber anderen aus benachbarten Gebieten.
66
Für einen besonderen – von anderen Senfsorten – abgrenzbaren Geschmack ergeben sich daher keine ausreichenden Anhaltspunkte.
67
Wie die Markenabteilung zur Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt zutreffend festgestellt hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte, worauf deren Annahme eines unterschiedlichen Geschmacks von Münchner Weißwurstsenf und Bayerischem Süßen Senf gestützt wird.
68
d) Soweit die Antragstellerin der Meinung ist, dass auch das “Ansehen” eines Erzeugnisses eine “Eigenschaft” i. S. v. Art. 2 VO 1898/5006 sei, nicht nur objektiv messbare Eigenschaften des Gebiets oder des Erzeugnisses, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Für eine Auslegung des Art. 2 b) VO 1898/5006 ist wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts der VO kein Raum. Nach dem 3. Erwägungsgrund zur VO 1898/2006 sollte besondere Aufmerksamkeit der Abgrenzung des geographischen Gebiets und den Eigenschaften des Erzeugnisses gewidmet werden. Weiter sollte sichergestellt werden, dass jeder Erzeuger in dem abgegrenzten Gebiet, der die Bedingungen der Produktspezifikation erfüllt, den eingetragenen Namen verwenden darf. Die Regelung in Art. 2 b) VO 1898/2006, die hinsichtlich der Antragsbefugnis für den einzigen Erzeuger eine Gleichstellung mit einer Vereinigung ermöglicht, knüpft an objektive Kriterien bezogen auf Gebiet und Erzeugnis an. Die Frage, ob sich – bei Vorliegen der Antragsbefugnis – beim Erzeugnis eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geografischen Ursprung ergibt, ist im Rahmen der Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 b) VO 510/2006 zu untersuchen. Dafür spricht auch, dass ein besonderes Ansehen eines Erzeugnisses erst dann entstehen kann, wenn entweder das Gebiet typische Eigenschaften aufweist oder wenn das Erzeugnis über abgrenzbare Eigenschaften und damit Qualitätsmerkmale i. S. d. 3. Erwägungsgrundes der VO 510/2006 verfügt.
69
e) Abgesehen hiervon bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass “Münchner Weisswurstsenf” über Ansehen i. S. v. Art. 2 Abs. 1 b) zweiter Spiegelstrich VO 510/2006 verfügt.
70
Wann Ansehen vorliegt, ist in der Verordnung nicht geregelt. Unzureichend ist es nach Auffassung des Senats, dass die bloße Kennzeichnung eines Erzeugnisses mit einer geografischen Angabe erfolgt (vgl. Ch. Mikorey, Der Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in der Europäischen Gemeinschaft nach der Verordnung 2081/92, S. 51). Vielmehr ist darüber hinaus eine konkrete Qualitätserwartung zu verlangen, die sich auf zusätzliche Merkmale stützen muss. Denn Sinn und Zweck der Verordnung ist nach den Erwägungsgründen die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten besonderen Merkmalen (2. und 3. Erwägungs-grund der VO (EG) 510/2006). Insoweit können traditionelle Herstellungsverfahren oder die Bekanntheit der Gegend für das Produkt in Betracht kommen (vgl. Mikorey a. a. O. S. 52).
71
Dabei stehen nach Ansicht des Senats eine erkennbare Wertschätzung und die daraus folgende konkrete Qualitätserwartung im Mittelpunkt. Die Angaben der Antragstellerin in der Spezifikation können indessen ein derartiges Ansehen nicht begründen. Die Ausführungen der Antragstellerin, das Ansehen des Münchner Weißwurstsenfs beruhe insbesondere auf dem traditionellen Herstellungsverfahren durch die Karamellisierung des Zuckers und auf dem regionaltypisch süßen Karamellgeschmack und der Münchner Weißwurstsenf sei dem Verbraucher als eigenständige regionale Spezialität bekannt und genieße daher wegen seiner geografischen Herkunft ein besonderes Ansehen, bieten hierfür keine ausreichende Grundlage, ebenso wenig wie der Hinweis auf seine Herstellung seit dem Jahr 1950 sowie erzielte Verkaufszahlen oder Angebotsmodalitäten. Soweit die Antragstellerin hierzu auf Internetbelege verweist, handelt es sich hierbei lediglich um einzelne und nicht repräsentative Belege, die als aussagekräftiger Nachweis nicht auszureichen vermögen.
72
Angesichts des Umstandes, dass sich die Erzeugnisse Münchner Weißwurstsenf und Bayerischer Süßer Senf anhand ihrer charakteristischen Eigenschaften nicht hinreichend klar abgrenzen lassen, bestehen erhebliche Zweifel, ob Münchner Weißwurstsenf dem Verbraucher als eigenständiges Erzeugnis bekannt ist und folglich auch daran, dass Münchner Weißwurstsenf gegenüber dem süßen Senf oder dem Bayerischen Süßen Senf über ein eigenes Ansehen als regionaltypische Spezialität verfügt.
73
Auch aus den Stellungnahmen der angehörten Kreise ergibt sich nichts anderes. Das B… hat zwar ausgeführt, dass von ei nem gewissen Bekanntheitsgrad und auch von einem besonderen An-sehen des Produktes auszugehen sei, dies allerdings nicht erläutert. Andererseits hat dieses Amt ausgeführt, dass weder das abgegrenzte Gebiet noch das Produkt “Münchner Weißwurstsenf” Merkmale aufweise, die sich gravierend von den angrenzenden Gebieten bzw. vergleichbaren Produkten unterscheiden und dass für den Verbraucher kein Unterschied zwischen “Bayerischem Süßen Senf” und “Weißwurst-senf” besteht. Nach Auffassung der K… KG (GmbH & Co.) ver steht der Verbraucher “Münchner Weißwurstsenf” allenfalls als Synonym für “Süßen Senf”. Die B1… hat mitgeteilt, dass zwar von einer gewissen Bekanntheit auszugehen sei, es könne aber nicht beurteilt werden, inwieweit Münchner Weißwurstsenf wegen seiner Herkunft ein besonderes Ansehen genieße. Auch der B2… e. V. stellt fest, dass dem “Münchner Weißwurstsenf” ein großes Ansehen und ein hoher Bekanntheitsgrad als regionale Spezialität bei den Verbrauchern zuzuschreiben sei ohne dies jedoch näher auszuführen. Die übrigen Stellungnahmen haben zu diesem Punkt keine Aussagen getroffen.
74
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Sch… keine Vereinigung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 und 2 der VO 510/2006 ist, die einen Antrag auf Eintragung stellen kann. Die Voraussetzungen dafür, dass eine juristische Person – hier die D… GmbH – als Vereinigung i. S. d. VO 510/2006 angesehen werden kann, sind – abgesehen vom Fehlen ihres Antrags – nicht nachgewiesen. Es fehlt damit an einer wesentlichen Grundvoraussetzung für die Antragstellung zur Durchführung des Eintragungsverfahrens.
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2. Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt leidet nicht an einem wesentlichen Mangel, der zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen könnte, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Nach § 130 Abs. 4 S. 1 MarkenG veröffentlicht das Patentamt den Antrag im Markenblatt. Insoweit weist die Antragstellerin zwar zutreffend auf die unterbliebene Veröffentlichung des Eintragungsantrags hin; dies begründet indessen keinen Verfahrensmangel.
76
Art. 5 Abs. 5 S. 1 VO 510/2006 konkretisiert das Prüfungsverfahren gem. Art. 5 Abs. 4 S. 2 der VO dahingehend, dass er die Verpflichtung des Mitgliedstaates regelt, im Laufe der Prüfung (der Anforderungen dieser VO) die Möglichkeit eines nationalen Einspruchsverfahrens zu eröffnen, indem er für die Veröffentlichung des Antrags sorgt. Dies bedeutet nach Ansicht des Senats allerdings nicht, dass ohne Prüfung der Grundvoraussetzungen des Antragsverfahrens bereits eine Veröffentlichung eines insoweit ungeprüften Antrags vorzunehmen wäre. Eine Veröffentlichung “im Laufe der Prüfung” – kann daher erst erfolgen, wenn nach Prüfung der von Seiten des Antragstellers nachzuweisenden Voraussetzungen eine Antragsbefugnis für das Eintragungsverfahren bejaht werden kann. Erst dann ist eine Grundvoraussetzung zur Antragstellung und damit zur Durchführung des Eintragungsverfahrens erfüllt und erst dann ist im weiteren Verlauf des Verfahrens eine Entscheidung über den Antrag in der Sache denkbar, die möglicherweise zu berücksichtigende Interessen Dritter berühren kann, die schließlich Gegenstand ei-nes – sich an die Veröffentlichung anschließenden – Einspruchsverfahrens sein können. Wenn es aber schon an der Antragsbefugnis fehlt, werden die im Einspruchsverfahren zu berücksichtigenden Interessen Dritter gar nicht erst berührt.
77
Wenn die Antragstellerin hierzu vorträgt, jeder Antrag sei von allgemeinem Interesse und zu veröffentlichen, entspricht dies nicht der Zielsetzung des Einspruchsverfahrens. Dieses soll vielmehr sicherstellen, dass bei der Entscheidung über den Antrag alle maßgeblichen Erwägungen in die Abwägung einfließen. Falls es aber schon an der Antragsbefugnis als Grundvorausset-zung des Verfahrens fehlt und eine sachliche Entscheidung, die Rechte Dritter tangieren könnte, unter keinen Umständen mehr zu erwarten ist, würde eine Veröffentlichung eines derartigen Antrags keinen Sinn ergeben.
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Die Beschwerde ist deshalb ohne Erfolg.
79
3. Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugelassen, weil die vorliegend entscheidungserhebliche Frage einer Verpflichtung zur Veröffentlichung des Antrags auf Eintragung als geografische Angabe von grundsätzlicher Bedeutung ist.
80
Der Senat sieht keinen Anlass für eine von der Beschwerdeführerin angeregte Vorlage der Sache gemäß Art. 234 EG an den EuGH zum Zwecke der Vorabentscheidung.


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