Sozialrecht

Anspruch auf Versorgung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen

Aktenzeichen  L 15 VU 2/13

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZOV – 2016, 76
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BVG BVG § 1
VwRehG § 1

 

Leitsatz

1. Freiheitsentziehung in § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG ist nur die zu Unrecht erlittene, deren Dauer in dem Rehabilitierungsbeschluss des Landgerichts anzugeben ist. (amtlicher Leitsatz)
2. Es kommt nicht darauf an, ob sonstige Inhaftierungen in der DDR bzw. deren einzelne Bedingungen unter rechtsstaatlichen und humanitären Aspekten bedenklich gewesen sind. Eine Gesundheitsstörung, die Folge einer solchen Freiheitsentziehung ist, kann keinen Versorgungsanspruch nach § 21 StrRehaG begründen. Eine Erweiterung des Rehabilitierungsgrundes kommt nicht in Betracht; abzustellen ist vielmehr ausschließlich auf die konkreten von der Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen betroffenen Freiheitsentziehungen gemäß §§ 1 ff. StrRehaG. (amtlicher Leitsatz)
3. Die Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG setzt eine dreigliederige Kausalkette voraus: Eine Freiheitsentziehung (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt (unter Bezug auf BSG BeckRS 2004, 40837). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG. Hieran war er auch nicht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention gehindert (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 153, Rdnr. 13a), weil das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Denn für den Kläger bestand im Berufungsverfahren die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung; er hat hierauf jedoch verzichtet. Der Kläger hat sich im o.g. Termin ausführlich geäußert.
Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom 19.02.2016 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2012 ist rechtmäßig. Wie das SG zu Recht entschieden hat, steht dem Kläger eine Beschädigtenversorgung gemäß § 21 StrRehaG nicht zu. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule, des rechten Zeigefingers und der Haut (am rechten Oberschenkel und an der linken Bauchseite) sind nicht als Schädigungsfolgen infolge der Freiheitsentziehung durch DDR-Behörden anzuerkennen.
Ein Entschädigungsanspruch nach dem StrRehaG setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale von § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG gegeben sind.
Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge und damit die Berücksichtigung im Rahmen eines Versorgungsanspruchs nach § 1 Abs. 1 BVG ist gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG ein wahrscheinlicher Zusammenhang der Freiheitsentziehung als schädigender Vorgang und der geltend gemachten Gesundheitsstörung erforderlich.
Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R): Eine Freiheitsentziehung (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.
Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteile vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R, und vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 1/12 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R – in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z. B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat -; vgl. auch jüngst BSG, Urteile vom 17.04.2013, z. B. Az.: B 9 V 1/12 R) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort „hinreichend“ nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, a. a. O., § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße – abstrakte oder konkrete – Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges – verglichen mit den mehreren übrigen Umständen – annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen. Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. a. a. O.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall weder für die Gesundheitsschäden an der Haut (rechter Oberschenkel und linke Bauchseite) noch des rechten Zeigefingers oder der Wirbelsäule des Klägers gegeben.
1. Hinsichtlich der durch die Detätowierung bedingten Narben des Klägers fehlt es bereits an den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen von § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist davon auszugehen, dass die Detätowierung am 13.11.1985 erfolgt ist, also während einer Inhaftierung des Klägers, für die keine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt. Dies ergibt sich aus der o.g. Unterlage vom 13.01.1986; der Senat kann hier keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Bestätigung falsche Tatsachen wiedergeben würde. Jedenfalls – wenn insoweit auf Klägerseite dennoch Bedenken bestehen sollten – wäre die Durchführung der Detätowierung zum „richtigen“ Zeitpunkt, also während einer Haft, für die eine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, nicht nachgewiesen.
Freiheitsentziehung in § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG ist nur die zu Unrecht erlittene, deren Dauer in dem Beschluss des Landgerichts anzugeben ist; eine Gesundheitsstörung, die Folge einer unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstandenden Freiheitsentziehung ist, kann keinen Versorgungsanspruch nach § 21 StrRehaG begründen (vgl. z. B. auch Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 21 StrRehaG, Rdnr. 4, m. w. N.). Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die weiteren Inhaftierungen des Klägers in der DDR bzw. deren einzelne Bedingungen – wie z. B. die Haft zwischen dem 14.06.1984 und 13.02.1986 – unter rechtsstaatlichen und humanitären Aspekten fragwürdig etc. gewesen sind. Hiervon geht der Senat sogar aus, denn es ist eine offenkundige Tatsache, dass die Haftbedingungen in Strafvollzugseinrichtungen des Unrechtsstaates DDR grundsätzlich inakzeptabel gewesen sind. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn maßgeblich ist für Ansprüche nach § 21 StrRehaG ausschließlich, ob für die betreffenden Haftzeiten eine Rehabilitierungsentscheidung ergangen ist. Wie der Senat für das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) bereits ausdrücklich entschieden hat, kommt eine Erweiterung des Rehabilitierungsgrundes nicht in Betracht. Abzustellen ist vielmehr ausschließlich auf die konkreten Maßnahmen, die wegen ihrer Rechtsstaatswidrigkeit gemäß § 1 VwRehaG aufgehoben werden, bzw. auf die konkreten von der Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen betroffenen Freiheitsentziehungen gemäß §§ 1 ff. StrRehaG (vgl. das Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.: L 15 VU 1/10). Dies ergibt sich ohne Weiteres aus Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck der Rehabilitierungsgesetze, die ausdrücklich die einzelne Aufhebung konkreter hoheitlicher Maßnahmen des DDR-Regimes und gerade keinen allgemeinen Unrechtsausgleich ohne konkrete Prüfung von Einzelereignissen vorsehen; nicht zuletzt folgt dies auch aus dem Bestimmtheitsgebot des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. das Urteil des Senats, a. a. O., m. w. N.; hierin ist auch dargelegt, dass dem Betroffenen durch diese Rechtsprechung keine Nachteile entstehen).
2. Auch die Funktionsstörung am rechten Zeigefinger des Klägers kann nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. Denn es steht aus Sicht des Senats in keiner Weise fest, dass sie aufgrund einer Schädigung im Zusammenhang mit einer Freiheitsentziehung, für die eine Rehabilitationsentscheidung vorliegen würde, entstanden wäre. Nach dem Verfahren kann der Senat nur feststellen, dass die Ursache der Funktionsstörung weitgehend im Dunkeln liegt. Aufgrund der vorliegenden Angaben des Klägers könnte der rechte Zeigefinger durch Wachpersonal in DDR-Strafvollzugseinrichtungen, 1980 bei einer Schlägerei oder 1970 – ggf. auch zu einem anderen Zeitpunkt – bei einem Unfall an der Drehbank (während der Haft) verletzt worden sein. Im Hinblick auf die detaillierten Angaben des Klägers spricht viel dafür, dass vorliegend ein Unfall während einer Haft etwa 1970 maßgeblich gewesen ist. In diesem Fall würde es sich jedoch nicht um eine Haft handeln, für die eine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt. Insoweit würden die Darlegungen unter Ziffer 1 gelten.
3. Schließlich lässt sich auch ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den Inhaftierungen, für die eine Rehabilitationsentscheidung vorliegt – also lediglich für die Zeiträume vom 06.05. bis 25.08.1980 und vom 14.01.1983 bis 13.01.1984 -, und den geltend gemachten Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule nicht nachweisen und auch nicht wahrscheinlich machen.
a. Wie der Kläger nachvollziehbar darauf hingewiesen hat, waren seine Haftbedingungen – vereinfacht ausgedrückt – problematisch (vgl. oben); der Senat geht auch davon aus, dass der Kläger zu solchen körperlichen Arbeiten gezwungen war. Es steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger während der rehabilitierten Haftzeiträume zu körperlichen Tätigkeiten gezwungen war und diese ausgeübt hat, die grundsätzlich geeignet gewesen wären, Wirbelsäulenschäden hervorzurufen. Trotz intensiver Nachfrage des Gerichts konnte nicht geklärt werden, welche Tätigkeiten der Kläger in den beiden genannten Zeiträumen genau ausgeübt hat. Die näheren Arbeitsbedingungen des Klägers können heute nicht mehr nachvollzogen werden. Auch aus den beigezogenen Unterlagen ergibt sich kein Nachweis für die vom Kläger zwischen dem 06.05. und 25.08.1980 sowie 14.01.1983 und 13.01.1984 konkret ausgeübten Arbeiten.
b. Auch der Beweismaßstab von § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) verhilft dem Kläger nicht zum Erfolg. Nach dieser Vorschrift sind die Angaben des Klägers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, „wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind“. Die Beweiserleichterung kann prinzipiell auch im Hinblick auf solche Tatsachen anwendbar sein, die im Zusammenhang mit einer Schädigung stehen, welche vom StrRehaG erfasst wird. Somit könnten hiervon auch Angaben des Klägers bezüglich der Arbeitsbedingungen in den DDR-Gefängnissen erfasst sein.
Die Anwendung von § 15 KOVVfG hilft dem Kläger jedoch vorliegend nicht weiter. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er zu den konkreten Arbeitsbedingungen während der Haftzeiträume, für die Rehabilitationsentscheidungen vorliegen, gerade keine näheren Angaben machen konnte. Zudem könnten solche Aussagen des Klägers, die bezüglich der betreffenden Zeiträume besonders belastende Tätigkeiten mit grundsätzlicher Eignung, schwere und noch heute anhaltende Wirbelsäulenschäden hervorzurufen, behaupten würden, auch nicht als glaubhaft angesehen werden. Denn nach Auffassung des Senats kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für die Möglichkeit sprechen würde, dass der Kläger (gerade) in den beiden Inhaftierungszeiten besonders schwere Tätigkeiten verrichtet hätte, die einen wesentlichen Mitverursachungsbeitrag dargestellt hätten (siehe hierzu auch Ziff. 3.c). Aus Sicht des Senats besteht hierfür allenfalls eine sehr geringe Möglichkeit.
c. Zu dem fehlenden Nachweis geeigneter, (zwangsweise) ausgeübter körperlicher Tätigkeiten kommt, dass – gerade auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Mitursächlichkeit (vgl. d. Urteil vom 16.12.2014, a. a. O.) – ein kausaler Zusammenhang zwischen in den genannten Zeiträumen ausgeübten Arbeiten und den heutigen Wirbelsäulenbeschwerden sehr unwahrscheinlich ist. Im Hinblick auf den Gesamtzeitraum von Haftzeiten des über lange Lebensjahre hinweg inhaftierten Klägers erscheint es kaum möglich, dass die in den kurzen Zeiträumen der rehabilitierten Haftzeiten ausgeübten Tätigkeiten für den Eintritt der Wirbelsäulenbeschwerden im Sinne eines relevanten Mitverursachungsbeitrags annähernd gleichwertig sein könnten. Etwas anderes wäre also nur dann denkbar, wenn die in den beiden Haftzeiträumen ausgeübten Tätigkeiten in ihrer Bedeutung und Tragweite, d. h. wegen ihrer schweren körperlichen Belastung, für den Eintritt der Wirbelsäulenschäden allein mindestens so viel Gewicht hätten wie die übrigen (langjährigen) Tätigkeiten zusammen. Dies erscheint aus Sicht des Senats bei realistischer Betrachtung nahezu ausgeschlossen. Letztlich lässt sich jedoch auch dies nicht mehr im Einzelnen nachvollziehen, da – wie oben dargelegt – die näheren Arbeitsbedingungen in den beiden genannten Haftzeiträumen nicht mehr aufgeklärt werden können. Weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, waren somit nicht veranlasst.
Wie das SG zutreffend angemerkt hat, ist aufgrund medizinischer Erfahrungssätze zudem unwahrscheinlich, dass kurzzeitige schwere körperliche Tätigkeiten generell geeignet sein könnten, zu Schäden an der Wirbelsäule zu führen (siehe oben).
Weitere Ermittlungen sind nicht veranlasst. Erst recht besteht hierzu keine verfahrensrechtliche Pflicht. Es ist nicht ersichtlich, wohin Anfragen, die zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts führen könnten, gerichtet werden könnten. Insbesondere haben auch die Beteiligten im Erörterungstermin vom 23.02.2016 solche zielführenden Ermittlungsansätze nicht aufzeigen können.
Der Senat verkennt nicht, dass dem Kläger – ungeachtet der rechtsstaatlichen Unbedenklichkeit der weiteren Verurteilungen – aufgrund der DDR-Haftbedingungen Unrecht geschehen ist, worauf der Kläger im Verfahren wiederholt hingewiesen hat. Aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung des sozialen Entschädigungsrechts stehen dem Kläger diesbezüglich Ansprüche jedoch nicht zu, solange nicht die Rechtsstaatswidrigkeit weiterer strafrechtlicher Verurteilungen o.ä. festgestellt ist.
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Prüfung sonstiger Ansprüche wie nach dem Häftlingshilfegesetz oder dem Opferentschädigungsrecht nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist.
Die Berufung kann damit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


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