Sozialrecht

Auszahlungsanspruch gegenüber Jobcenter, Brennmaterial, Heizmittellieferant

Aktenzeichen  L 7 AS 396/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49403
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 22
SGB II § 42

 

Leitsatz

Ein Heizmittellieferant, der an einen Leistungsempfänger nach dem SGB II liefert, hat gegenüber dem Jobcenter keinen Auszahlungsanspruch auf für das Brennmaterial bewilligte Leistungen, sofern sich aus dem Bewilligungsbescheid kein direkter Auszahlungsanspruch für den Lieferanten ergibt.

Verfahrensgang

S 14 AS 469/18 2019-04-16 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. April 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für beide Instanzen wird auf 1.345,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist unbegründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Insbesondere besteht eine Klagebefugnis. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG gilt entsprechend. Eine Klagebefugnis ist gegeben, wenn die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte besteht. Ausreichend ist, dass dem Kläger das geltend gemachte Recht zustehen kann. Ob ihm das geltend gemachte Recht tatsächlich zusteht, ist dagegen eine Frage der Begründetheit der Klage (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 54 Rn 9). Die Klägerin macht geltend, dass sie aufgrund des Bescheides vom 9.11.2017 einen Zahlungsanspruch erworben hat, dem der Beklagte nicht nachkommt. Dies ist ausreichend. Es besteht auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage. Die Klägerin hat sich vor Klageerhebung erfolglos an den Beklagten gewandt. Der Beklagte gab mit seiner Auskunftsweigerung nach außen erkennbar zu erkennen, dass er keine Zahlungen an die Klägerin zu leisten beabsichtigt.
Die Leistungsklage ist jedoch unbegründet. Die im Bescheid vom 9.11.2017 getroffene Regelung räumt der Klägerin keinen Auszahlungsanspruch ein. Der Bescheid hat auch sonst keine drittschützende Wirkung.
Grundsätzlich bestimmt § 42 Abs. 3 SGB II, dass Geldleistungen auf das Konto des Leistungsberechtigten überwiesen werden. § 22 Abs. 7 SGB II enthält hierzu eine Ausnahmebestimmung. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten enthält die Entscheidung des BSG vom 9.8.2018, B 14 AS 38/17 R, Rn 30, grundsätzliche Erwägungen, die vorliegend zu berücksichtigen sind, selbst wenn es sich hier nicht um einen Fall des Schuldbeitritts oder einer Abtretung handelt. Danach räumt § 22 Abs. 7 SGB II keinen eigenen Anspruch zugunsten des Dritten ein. Die Vorschrift begründet nur eine abweichende Empfangsberechtigung und keinen eigenen Rechtsanspruch des Zahlungsempfängers gegen das Jobcenter. Diese Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wonach durch eine Zahlungsbestimmung keine Rechte oder Pflichten des Vermieters oder anderer Empfangsberechtigter gegenüber dem Leistungsträger begründet werden sollen. § 22 Abs. 7 SGB II hat keine drittschützende Wirkung. Sie dient nicht den Interessen von Vermietern oder sonstigen Energielieferanten, sondern allein dem Erhalt der Wohnung des Leistungsberechtigten und damit dem Ziel der Verwirklichung des grundrechtlich geschützten Grundbedürfnisses auf Wohnen (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 98; LSG Schleswig-Holstein vom 21.9.2012, L 3 AS 42/10; juris-PK, § 22 SGB II, Rn 223, 227; Hauck/Noftz, § 22 SGB II, Rn 318; a.A. ohne weitere Begründung Eicher, SGB II, § 22 Rn 247 „Auszahlungsanspruch“).
Die Verfügung in Ziffer 2 des Bescheides vom 9.11.2017 enthält zwar eine Regelung mit Verwaltungsaktcharakter i.S.v. § 31 SGB X und vollzieht insoweit § 22 Abs. 7 SGB II. Als Vollzugsregelung geht sie aber inhaltlich nicht darüber hinaus. Weder subjektiv, noch objektiv kann der Verfügung ein Inhalt dergestalt beigemessen werden, dass die Klägerin unmittelbar Anspruchsinhaberin sein soll. Adressat des Bescheides vom 9.11.2017 war allein die Beigeladene. Nachdem aber nicht feststellbar ist, dass die Beigeladene einen Antrag auf Auszahlung an die Klägerin gestellt hatte, noch dass die weiteren Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II für eine Auszahlung an einen Dritten erfüllt wären, hat der Beklagte dies im Bescheid vom 20.2.2018 zugunsten der Klägerin korrigiert.
Aus dem vom Bevollmächtigten zitierten Urteil des BVerwG vom 26.8.1999, 3 C 17/98, ergibt sich nichts anderes. Dieses Urteil betrifft die Frage, wer Adressat eines Rücknahmebescheides nach § 48 VwVfG ist. Dies hing wiederum davon ab, wer Begünstigter des Ausgangsbescheides war. Im Einzelfall kann dies auch ein Dritter sein, wenn der unmittelbare Zuwendungsempfänger durch den Bescheid verpflichtet wird, die Zuwendung an einen Dritten weiterzugeben und wenn die Gewährung von vorneherein davon abhängig gemacht wird, dass der Dritte sich den Bedingungen des Bescheides unterwirft (Rn 22). Dies ist hier nicht der Fall. Adressat und Begünstigter des Bescheides ist allein die Beigeladene.
Nachdem ein Anspruch auf die Hauptforderung nicht besteht, ist folglich auch kein Zinsanspruch gegeben, noch ein Anspruch auf die vorgerichtliche anwaltliche Vergütung als Verzugsschaden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die Berufung erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a SGG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG. Dabei waren die Hauptforderung und die als Verzugsschaden geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltsgebühren als weiterer Streitgegenstand zu berücksichtigen. Der Zinsanspruch war hingegen als Nebenforderung nicht zum Streitwert hinzuzurechnen. Der Streitwert konnte für das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG korrigiert werden.


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