Sozialrecht

B 8 SO 16/19 R

Aktenzeichen  B 8 SO 16/19 R

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:230321UB8SO1619R0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 8. Juni 2016, Az: S 22 SO 5373/15, Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 24. Januar 2019, Az: L 7 SO 2279/16, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung höherer Leistungen im Rahmen von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) im Streit.
2
Die 1971 geborene Klägerin leidet unter Multipler Sklerose und ist vollstationär in einem als Eigenbetrieb des Beklagten geführten Pflegeheim untergebracht. Sie bezieht mehrere Renten. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 14.9.2015 Hilfe zur Pflege ab dem 13.8.2015. Die Hilfe umfasse die genehmigten Pflegesätze der Einrichtung und erstrecke sich dabei auch auf den in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalt. Mit ihrem Einkommen habe sich die Klägerin an den Pflegekosten und dem Lebensunterhalt in der Einrichtung zu beteiligen. Ihr monatlicher selbst an die Einrichtung zu zahlende Anteil betrage derzeit 1075,23 Euro. Der monatliche “Eigenanteil” werde durch eine gesonderte Entscheidung formell “festgesetzt”. Bei der “Festsetzung” dieses “Eigenanteils” werde berücksichtigt, dass der Klägerin ein Barbetrag iHv 107,73 Euro zustehe, der der Einfachheit halber beim einzusetzenden Einkommen abgesetzt und nicht über die Einrichtung ausbezahlt werde.Die Höhe des “Eigenanteils” wiederholte der Beklagte inhaltsgleich in einem weiterem Bescheid vom 15.9.2015. Diesen “Eigenanteil” habe die Klägerin bis zu einer “Neufestsetzung” jeden Monat direkt an die Einrichtung zu leisten. Der Betrag ergebe sich aus dem anrechenbaren Einkommen iHv 1182,96 Euro abzüglich eines Barbetrags von 107,73 Euro. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015). Durch weitere Bescheide passte der Beklagte den “Eigenanteil” mehrfach unter Berücksichtigung eines veränderten Einkommens und erhöhten Barbetrags für spätere Zeiträume an (ua Bescheide vom 28.12.2015, 21.1.2016, 25.2.2016 und vom 22.6.2016) und lehnte zudem während des Gerichtsverfahrens Anträge der Klägerin auf Erstattung von Zuzahlungen, für zahnmedizinisches Füllmaterial, die Übernahme von Kosten für eine Brille (drei Bescheide vom 2.11.2016) sowie die Übernahme von Kontoführungsgebühren (Bescheid vom 24.11.2016) ab.
3
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8.6.2016; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.1.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits sei nur die Höhe des der Klägerin gewährten und mit dem Bescheid vom 15.9.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2015 zutreffend festgesetzten Barbetrags. Die Bescheide, die den Eigenanteil für nachfolgende Zeiträume regelten, und der Bescheid über die Kontoführungsgebühren seien nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Die drei Bescheide hinsichtlich Zuzahlungen, Zahnfüllmaterial und Brille seien im Unterschied zu diesen Bescheiden nicht nach § 96 SGG einzubeziehen, weil sie Hilfen zur Gesundheit und nicht den Barbetrag beträfen. Die Gewährung eines höheren Barbetrags komme auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten besonderen Kosten nicht in Betracht. Diese seien entweder unangemessen, nicht dem Barbetrag zuzuordnen, keine zu einer Erhöhung des Barbetrags führenden atypischen Kosten oder von abschließenden Sonderregelungen erfasst. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei dadurch nicht verletzt. Es liege auch kein Gleichheitsverstoß gegenüber beihilfeberechtigten Personen bzw Beziehern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vor.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Gegenstand des Verfahrens seien höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege. Das LSG sei verfahrensfehlerhaft von der Begrenzung des Streitgegenstands auf den Barbetrag ausgegangen, der als Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet werde und auf den die Klägerin aufgrund verfügbaren Einkommens ohnehin keinen Anspruch habe. Die Höhe des Barbetrags habe allerdings mittelbar Auswirkungen auf die Höhe der Hilfe zur Pflege. Dabei gehe das LSG zu Unrecht davon aus, dass es sich hierbei um einen Regelbetrag handele. Der Barbetrag sei vielmehr unabhängig von der Höhe des Mindestbetrags auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für das Merkzeichen “G” zu bestimmen. Darüber hinaus seien zusätzliche Bedarfe zu berücksichtigen, die vom Barbetrag nicht umfasst seien (Personalausweiskosten, Brille, Zahnbehandlung, Notarkosten).
5
Die Klägerin beantragt nach Abschluss eines die Zeit ab 1.1.2017 betreffenden Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2019 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheids vom 14./15. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2015 und der Bescheide vom 28. Dezember 2015, 21. Januar 2016, 25. Februar 2016, 22. Juni 2016, 2. November 2016 (drei Bescheide) und 24. November 2016 höhere Hilfe zur Pflege zu gewähren.
6
Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
7
Der Beklagte hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.


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