Sozialrecht

B 8 SO 2/20 R

Aktenzeichen  B 8 SO 2/20 R

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:230321UB8SO220R0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Berlin, 28. Oktober 2019, Az: S 70 SO 21/18, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1
Im Streit ist Hilfe zum Lebensunterhalt für Dezember 2017 bis Juni 2018.
2
Für die von ihm bewohnte Wohnung zahlte der 1952 geborene, alleinlebende Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bruttowarmmiete von 440,18 Euro. Er bezog eine Altersrente von 798,93 Euro. Die monatliche Prämie für die Sterbegeldversicherung des Klägers betrug 8,76 Euro, die monatliche Prämie für die Haftpflichtversicherung 8,78 Euro, die monatliche Prämie für die Hausratsversicherung 5,81 Euro im Dezember 2017 und 5,84 Euro ab Januar 2018. Der Kläger verfügte nicht über Vermögen in entscheidungserheblichem Umfang.
3
Ab März 2016 bezog der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Im Juli 2016 kam er einer Aufforderung des Beklagten, Wohngeld zu beantragen, mit der Folge nach, dass die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem Zeitpunkt, zu dem Wohngeld gewährt wurde, mangels Bedürftigkeit aufgehoben wurde. Das Wohngeld bezog der Kläger bis November 2017. Einen Weiterbewilligungsantrag stellte er nicht. Stattdessen stellte er wegen der mit dem Bezug von Sozialhilfe verbundenen Vergünstigungen (“Berlin-Pass”, der ua den Erwerb eines Sozialtickets für den öffentlichen Personennahverkehr ermöglicht) wieder einen Antrag auf Sozialhilfe, den der Beklagte unter Hinweis auf den sog Nachranggrundsatz (§ 2 Abs 1 SGB XII) ablehnte (Bescheid vom 29.9.2017 mit Berechnungsbögen für August und September 2017; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 13.12.2017). Ein vom Beklagten für den Kläger gestellter Wohngeldantrag führte zur Versagung wegen fehlender Mitwirkung des Klägers. Aufgrund einstweiliger Anordnung erbrachte der Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt für Dezember 2017 iHv 73,60 Euro und für Januar bis Juni 2018 iHv monatlich 80,60 Euro.
4
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Beklagten unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids und Klageabweisung im Übrigen verpflichtet, dem Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen, für Dezember 2017 iHv 64,84 Euro und für Januar bis Juni 2018 iHv monatlich 71,87 Euro (Urteil vom 28.10.2019). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das bloße Bestehen eines Anspruchs auf Wohngeld nicht zu einem auf den Nachranggrundsatz gestützten Leistungsausschluss führe. Die monatliche Prämie der Sterbegeldversicherung sei bei der Leistungsbewilligung nicht von der Altersrente in Abzug zu bringen.
5
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 SGB XII. Selbst wenn § 2 Abs 1 SGB XII einen Leistungsausschluss nur in extremen Ausnahmefällen rechtfertige, liege ein solcher hier vor, weil sich der Kläger trotz Aufforderung zur Beantragung von Wohngeld und Realisierbarkeit des Wohngeldanspruchs einer Antragstellung vollständig verschlossen habe.
6
Der Beklagte beantragt,das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2019 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
8
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.


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