Sozialrecht

Beitragserstattung von Rentenversicherungsbeiträgen nur in der vom Versicherten getragenen Höhe

Aktenzeichen  L 19 R 82/17

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110939
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
SGB VI § 210 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 16 R 838/15 2016-12-29 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.12.2016 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.12.2016 hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die (teilweise) Rücknahme oder Abänderung des Beitragserstattungsbescheides vom 06.11.2013 abgelehnt hat. Anspruchsgrundlage für die begehrte teilweise Rücknahme ist § 44 Abs. 2 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Da sich § 44 Abs. 1 SGB X nur auf solche Verwaltungsakte bezieht, die Ansprüche auf Sozialleistungen oder die Erhebung von Beiträgen betreffen, die Beitragserstattung aber keine Sozialleistung ist (v. Wulffen/Schütze/Schütze SGB X § 44 Rn. 21), kann sich der Rücknahmeanspruch der Klägerin nur aus § 44 Abs. 2 SGB X ergeben. Danach ist der anfänglich rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, also über die Fälle des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X hinaus, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Allerdings ist der Bescheid vom 06.11.2013 nicht rechtswidrig, so dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB X nicht erfüllt sind. Die Beklagte hat auf Antrag der Klägerin vom 17.07.2013 zutreffend die von der der Klägerin getragenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet. Gemäß § 210 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie tatsächlich getragen haben. Für die Behauptung, die Beklagte habe für Zeiten der Beschäftigung der Klägerin im HL-Markt zwischen 1995 und 1999 sowie der Beschäftigung in der Bäckerei R. zwischen 1999 und 2008 keine Beiträge erstattet, finden sich keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte. Denn es ist nicht so, dass für diesen benannten Zeitraum von 1995 bis 2008 keine Beiträge erstattet wurden.
Vielmehr wurden mit Bescheid vom 06.11.2013 für die Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigungen vom 02.01.1998 bis 31.07.2002 und vom 10.12.2003 bis 15.02.2009 die von der Klägerin getragenen Beiträge erstattet. Bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, werden die Beiträge von den Versicherten und von den Arbeitgebern je zur Hälfte getragen (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Diese Beiträge hat die Beklagte auch erstattet. Die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 10.12.2003 bis 15.02.2009 ergibt sich auch aus der Mitgliedsbescheinigung und Auflistung der … Rhein-Neckar-O. vom 20.10.2016 (10.12.2003 bis 15.02.2009 Mitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 10.12.2003 bis 15.02.2009 versicherungspflichtige Beschäftigung). Die versicherungspflichtige Beschäftigung in der Zeit vom 02.01.1998 bis 31.07.2002 ergibt sich ebenfalls aus der Auflistung der … Rhein-Neckar-O.
Richtig ist, dass die Beklagte mit Bescheid vom 06.11.2013 die Beiträge aufgrund der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung der Klägerin vom 01.09.2004 bis 31.12.2005 nicht erstattet hat. Dies gilt auch hinsichtlich der im Bescheid vom 06.11.2013 hieran anschließend genannten Zeiten der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung vom 01.01.2006 bis 30.09.2008. In diesen Zeiten sind Beiträge nur durch den Arbeitgeber gezahlt worden. Für eine geringfügige entlohnte versicherungsfreie Beschäftigung haben Arbeitgeber unabhängig vom Alter der Arbeitnehmer einen Beitragsanteil von 15 v.H. des Arbeitsentgelts zu zahlen (§ 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI idF ab 01.07.2006, zuvor ab 01.04.1999: 12 v.H.).
Für den Zeitraum zwischen den beiden versicherungspflichtigen Beschäftigungen, also für die Zeit vom 01.08.2002 bis 09.12.2003, ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf vom 08.06.2006 zunächst eine „Überbrückungszeit vorgemerkt“ vom 01.08.2002 bis 23.10.2002 und nachfolgend für die Zeit vom 24.10.2002 bis 09.12.2003 von der Arbeitsverwaltung gemeldete Zeiten. Die Auflistung der … Rhein-Neckar-O. vom 20.10.2016 bestätigt für die Zeit 03.09.2002 bis 23.10.2002 Leistungen des Arbeitsamtes, Sperrzeit (nach den Kontenspiegeln des Beklagten – zuletzt vom 22.02.2016 – ist für die Zeit vom 01.08.2002 bis 23.10.2002 eine Sperrzeit vermerkt), vom 24.10.2002 bis 31.03.2003 und vom 12.04.2003 bis 20.07.2003 den Bezug von Arbeitslosengeld sowie für die Zeit vom 21.07.2003 bis 09.12.2003 den Bezug von Arbeitslosenhilfe. Entsprechend weist der Bescheid vom 06.11.2013 aus, dass für die Zeit vom 24.10.2002 bis 09.12.2003 Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder eine vergleichbare Geldleistung eines Sozialleistungsträgers gewährt wurde und Beiträge nicht zu erstatten waren. Gem. § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB VI werden bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, die Beiträge von dem Leistungsträger getragen. § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI idF bis 31.12.2004 bestimmte, dass bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe die Beiträge vom Bund getragen werden.
Vor Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung am 02.01.1998 weist der Versicherungsverlauf vom 08.06.2006 für die Zeiten vom 11.07.1992 bis 02.10.1992 eine „Überbrückungszeit vorgemerkt“ und für die Zeiten vom 03.10.1992 bis 24.09.1997 Leistungen der Arbeitsverwaltung aus. Unterbrochen wird die Zeit durch den Zeitraum 10.01.1993 bis 26.04.1993, belegt mit Schwangerschaft/ Mutterschutz. Zutreffend hat die Beklagte mit Bescheid vom 06.11.2013 die Beiträge für die Zeit vom 03.10.1992 bis 09.01.1993 und vom 07.03.1995 bis 24.09.1997 nicht erstattet, da diese von der Arbeitsverwaltung getragen wurden (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder eine vergleichbare Geldleistung eines Sozialleistungsträgers).
Für die vorhergehenden Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigungen vom 09.09.1985 bis 17.03.1989 und vom 01.01.1990 bis 10.07.1992 hat die Beklagte die von der Klägerin getragenen Beiträge mit Bescheid vom 06.11.2013 erstattet. Zwar ergibt sich aus der Auflistung der … Rhein-Neckar-O. vom 20.10.2016 eine versicherungspflichtige Beschäftigung vom 09.09.1985 bis 26.11.1990, also auch für die Zeit vom 18.03.1989 bis 31.12.1989. In diesem Zeitraum sind die Zeiten 18.03.1989 bis 30.04.1989 (777,92 DM), 03.07.1989 bis 31.07.1989 (521,36 DM) und 01.08.1989 bis 31.12.1989 (2.696,72 DM) mit Beiträgen belegt. Allerdings hat die Klägerin in diesen Monaten ein geringfügiges Entgelt erzielt. Nach § 1385 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) RVO war der Arbeitgeber allein zur Tragung der Beiträge verpflichtet, solange diese aus einem Entgelt zu entrichten waren, das – wie hier das monatliche Bruttoarbeitsentgelt der Versicherten – 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV – (610,00) DM nicht überstieg. Eine Beteiligung an der Beitragszahlung hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht oder nachgewiesen. Auch die Ermittlungen der Beklagten, eine Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers über eine Beitragszahlung der Klägerin zu erreichen, waren erfolglos. Im Ergebnis waren daher für diese Zeiträume keine Beiträge zu erstatten.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerseite, auch für Kindererziehungszeiten seien Beiträge zu erstatten. Die Pflichtbeiträge für Zeiten der Kindererziehung vom 01.06.1989 bis 31.05.1990 hat die Klägerin nicht getragen. Vielmehr wurden die durch die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten entstandenen Aufwendungen der Rentenversicherung vom Bund erstattet (§ 1395c RVO idF bis 31.12.1991) und ab dem Jahr 1992 durch eine Erhöhung des Bundeszuschusses abgegolten (vgl. § 287 Abs. 4 SGB VI idF vom 01.01.1992, § 213 Abs. 1 SGB VI). Ab dem 01.06.1999 sieht § 177 SGB VI in den jeweiligen Fassungen ausdrücklich vor, dass die Beiträge für Kindererziehungszeiten vom Bund getragen werden. Unabhängig davon, dass nach dem Versicherungsverlauf vom 08.06.2006 für die Klägerin eine weitere Zeit der Schwangerschaft/ Mutterschutz vom 10.01.1993 bis 26.04.1993 angerechnet wurde, aber hieran anschließend keine Kindererziehungszeiten vorgemerkt sind, verbleibt es dabei, dass auch für diese Kindererziehungszeiten Beiträge nicht zu erstatten wären.
Im Übrigen ist hinsichtlich des von der Klägerin beanstandeten Zeitraums 20.02.2001 bis 24.02.2001 noch anzuführen, dass sich aus dem Bescheid der Beklagten vom 06.11.2013 die Erstattung des entsprechenden Beitragsanteils der Klägerin ergibt (16,75 DM / 8,56 EUR).
Nach alldem ist der Erstattungsbescheid vom 06.11.2013 nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2015 ist demnach rechtmäßig, so dass die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 29.12.2016 zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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