Sozialrecht

Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung nach Beendigung einer Ausbildung

Aktenzeichen  S 12 AL 182/17

Datum:
20.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4794
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III § 38 Abs. 1, § 137 Abs. 1, § 144 Abs. 1, § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7
SGG § 192 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1 Die auf drei Tage verkürzte Frist zur Arbeitssuchendmeldung beginnt im Falle einer Ausbildung, welche mit einer mündlichen Prüfung endet (hier: zweites juristisches Staatsexamen), mit dem Tag der mündlichen Prüfung (Anschluss an LSG Bayern BeckRS 2015, 66857). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Leistungen der Unterhaltsbeihilfe können nicht als Anspruch auf Arbeitsentgelt angesehen werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 19.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2017 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 09.05.2017 bis 15.05.2017 zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Beklagten werden Verschuldenskosten in Höhe von 500,- € auferlegt.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Zum einen war der Kläger durch die angefochtenen Bescheide in seinen Rechten verletzt, zumal eine Sperrzeit nicht eingetreten ist. Darüber hinaus war auf die Verpflichtungsklage des Klägers hin die Beklagte auch zu verurteilen für den streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat (§ 137 Abs. 1 SGB III). Die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld liegen beim Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 09.05.2017 bis 15.05.2017 unstreitig vor. Der Kläger war im gegenständlichen Zeitraum arbeitslos, hatte sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und hatte im Übrigen auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Nachdem die Voraussetzungen diesbezüglich zwischen den Beteiligten unstreitig waren und nach Auffassung des Gerichts auch vorliegen erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld im Folgenden.
In dem Zeitraum vom 09.05.2017 bis 15.05.2017 ist auch keine Sperrzeit als Ruhenstatbestand eingetreten. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist (§ 149 Abs. 1 S. 1, S. 2. Nr. 7 SGB III). Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden (§ 38 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB III). Zur Überzeugung des Gerichts ist der Kläger seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 S. 2 SGB III ordnungsgemäß nachgekommen, sodass die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nicht vorliegen. Der Kläger hat sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes fristwahrend bei der Beklagten gemeldet. Für den Fristbeginn ist dabei nach Auffassung des Gerichts auf den Tag der mündlichen Prüfung im zweiten juristischen Staatsexamen abzustellen. Diese mündliche Prüfung hat am 05.05.2017 stattgefunden, sodass die tatsächlich erfolgte persönliche Arbeitssuchendmeldung vom 08.05.2017 als fristgerecht angesehen werden muss. Die Auffassung der Beklagten, dass die Meldefrist bereits mit Zustellung des Einladungsschreibens vom 11.04.2017 begonnen hätte, wird von Seiten des Gerichts nicht geteilt. In dem Einladungsschreiben wird zwar der Termin für die mündliche Prüfung dem jeweiligen Prüfungsteilnehmer mitgeteilt, allerdings könnte sich dieser Prüfungstermin durchaus noch verschieben. So ist zum Beispiel bei einer Erkrankung des Prüflings ohne weiteres denkbar, dass der Zeitpunkt der mündlichen Prüfung verschoben werden müsste, sodass jedenfalls mit dem Einladungsschreiben alleine noch keine sichere Kenntnis eines konkreten Endzeitpunkts angenommen werden kann. So lange der Kläger allerdings keine sichere Kenntnis von einem konkreten Beendigungszeitpunkt seines Referendariats hatte konnte die Meldefrist nach § 38 Abs. 1 S. 2 SGB III nicht beginnen. Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass für den Beginn der Frist nach § 38 Abs. 1 S. 2 SGB III die sichere Kenntnis eines konkreten Beendigungszeitpunktes erforderlich ist. Im vorliegenden Falle ist zudem noch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem schriftlichen Teil der zweiten juristischen Staatsprüfung einen Notendurchschnitt erzielt hatte, der durchaus dazu führen hätte können, dass der Kläger bei einem denkbar schlechten Abschneiden in dem mündlichen Prüfungstermin die zweite juristische Staatsprüfung insgesamt nicht bestanden hätte. Auch deshalb, weil der Kläger in der mündlichen Prüfung theoretisch noch hätte durchfallen können, kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits mit der Ladung zur mündlichen Prüfung ausreichende Kenntnis von einem konkreten Beendigungszeitpunkt hatte. Im Übrigen entspricht die Rechtsauffassung, die vorliegend vertreten wird, auch der Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 (Aktenzeichen L 10 AL 382/13). In dieser Entscheidung hat das Bayerische Landessozialgericht in einer vergleichbaren Fallkonstellation ebenfalls festgestellt, dass eine Sperrzeit bei derartigen Sachverhalten nicht eingetreten ist.
Nachdem eine Sperrzeit im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III demnach nicht eingetreten ist konnte auch ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht festgestellt werden. Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes gemäß §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 SGB III lagen im Übrigen vor. Damit war die Beklagte zur Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den streitgegenständlichen Zeitraum zu verurteilen.
Höchst vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass auch ein Ruhen im Rahmen des § 157 SGB III nicht festgestellt werden konnte soweit der streitgegenständliche Zeitraum in Rede steht. Gemäß § 157 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die die oder der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Vorliegend hat der Kläger für den Zeitraum vom 01.05. bis 05.05.2017 noch sein sozialversicherungspflichtiges Referendariatsgehalt in Höhe von 204,37 € erhalten. Für den Zeitraum vom 06.05.2017 bis 31.05.2017 hat er sodann Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 1.062,71 € sozialversicherungsfrei erhalten. Nach der überzeugenden Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 26.09.2007 (Aktenzeichen S 2 AL 783/06) ist davon auszugehen, dass die dem Kläger für den Zeitraum vom 06.05.2017 bis 31.05.2017 gewährte Unterhaltsbeihilfe nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 157 SGB III angesehen werden kann. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen insofern, als die Beklagte mit der Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 16.05.2017 ohnehin zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie der Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 26.09.2007 inhaltlich folgen würde. Im Übrigen ist auch das Gericht der Auffassung, dass die Leistung der Unterhaltsbeihilfe für den Zeitraum vom 06.05.2017 bis 31.05.2017 nicht als Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 157 SGB III angesehen werden kann.
Insgesamt liegen daher Ruhenstatbestände für den Zeitraum vom 09.05.2017 bis 15.05.2017 nicht vor, sodass der Leistungsanspruch des Klägers nach Auffassung des Gerichts jedenfalls in Höhe von 7,28 € pro Tag besteht.
Das Gericht hat im Übrigen der Beklagten Verschuldenskosten im Sinne des § 192 SGG in Höhe von 500,- € auferlegt. Dies beruht darauf, dass die Beklagte den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihr in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2018 vom Vorsitzenden die Rechtsmissbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverteidigung dargelegt worden ist und das Gericht auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen hat. Hierbei konnten entsprechende Verschuldungskosten auch der Beklagten auferlegt werden, zumal es sich bei der Beklagten ebenfalls um einen Beteiligten am Rechtsstreit im Sinne des § 69 Nr. 2 SGG handelt. Die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverteidigung durch die Beklagte sieht das Gericht darin, dass der Beklagten die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 (L 10 AL 382/13) durchaus bekannt war. Trotz der Kenntnis dieser Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts in einem in den entscheidungserheblichen Aspekten völlig gleichgelagertem Fall hat die Beklagte ohne Angabe näherer Gründe dennoch an ihren Bescheiden festgehalten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 rechtskräftig wurde und eine Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Revision von der Beklagten nicht eingelegt wurde. Im Übrigen hat das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung auch ausführlich dargelegt, wieso die Revision etwa wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen war, zumal das Bundessozialgericht bereits entschieden hatte, dass für den Beginn der Frist im Sinne des § 38 S. 2 SGB III sichere Kenntnis eines konkreten Beendigungszeitpunktes erforderlich wäre. Im Übrigen wird die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 soweit ersichtlich weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ernsthaft in Zweifel gezogen. Wenn ein Verfahrensbeteiligter bei Kenntnis sämtlicher Umstände und der mehr als naheliegenden Einschätzung, dass ein weiteres Betreiben des Rechtsstreits keinerlei Aussicht auf Erfolg bietet dennoch nicht die naheliegenden prozessrechtlichen Konsequenzen hieraus zieht, so liegt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten durchaus nahe. Vorliegend ist noch dazu davon auszugehen, dass mit Blick auf den Streitwert von 7 x 7,28 € insgesamt die Berufungssumme bei weitem nicht erreicht wird, sodass ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Regensburg ohnehin nicht ohne weiteres zulässig wäre. Hieran ändert auch nichts, dass die Beklagte möglicherweise die Nichtzulassungsbeschwerde deswegen einlegen könnte, weil das Sozialgericht die Berufung nicht von sich aus zugelassen hat. Im Übrigen wäre auch noch zu bemerken, dass die Beklagte die Zulassung der Berufung auch nicht beantragt hat. Maßgeblich für die Verhängung der Verschuldenskosten war unter anderem aber auch noch, dass die Beklagte keinerlei nachvollziehbare Rechtsausführungen in den angefochtenen Bescheiden gemacht hat, weshalb sie der in Schriftum und Literatur anerkannten Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 nicht zu folgen gedenkt. Schließlich berücksichtigt die Höhe der Verschuldenskosten auch die Regelung des § 192 Abs. 1 S. 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten entspricht dem Obsiegen des Klägers. Die Rechtsgrundlagen stellen insoweit die §§ 183, 193 SGG dar.
Die Berufung gegen dieses Urteil war nicht zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- € nicht erreicht und im Übrigen auch nicht laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 SGG). Darüber hinaus liegen auch Gründe, die Berufung zuzulassen, nicht vor. Insbesondere hatte die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, zumal die zugrunde liegende Problematik durch die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.01.2015 und die dort genannten Entscheidungen des Bundesssozialgerichts hinreichend geklärt ist. Weitere Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Im Übrigen wurde die Zulassung von den Beteiligten auch nicht beantragt (vgl. insgesamt § 144 Abs. 2 SGG).


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