Sozialrecht

Entscheidung über den Widerspruch im Bewilligungsverfahren um Ausbildungsförderung

Aktenzeichen  W 3 K 13.614

Datum:
7.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 9
BAföG BAföG § 15 Abs. 3
BAföG BAföG § 15a Abs. 3
BAföG BAföG §§ 21 ff.
BAföG BAföG § 48
SGB I SGB I § 60
SGB I SGB I § 67
EStG EStG § 2 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid des Studentenwerks vom 11. Januar 2013 für die Bewilligungszeiträume Oktober 2011 bis September 2012 und Oktober 2012 bis September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 (§ 79 Abs. 1 VwGO).
Die Auslegung (§§ 86, 88 VwGO) des klägerischen Vorbringens ergibt, dass sich der Kläger zum einen gegen die Versagung von Ausbildungsförderung für die Zeit von Oktober 2011 bis Februar 2012 wendet. Zum anderen wendet sich der Kläger gegen die Richtigkeit der Berechnung der Ausbildungsförderung im Bescheid vom 11. Januar 2013.
1. Das als Verpflichtungsklage ausgelegte Vorbringen des Klägers mit dem Ziel, für die Zeit von Oktober 2011 bis Februar 2012 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu erhalten, ist unbegründet. Der Kläger hat für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 9 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wird die Ausbildung gefördert, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreicht. Dies wird in der Regel angenommen, solange der Auszubildende die Ausbildungsstätte besucht oder an einem Praktikum teilnimmt und bei dem Besuch einer höheren Fachschule, Akademie oder Hochschule die den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen entsprechenden Studienfortschritte erkennen lässt. Hierüber sind die nach § 48 erforderlichen Nachweise zu erbringen (§ 9 Abs. 2 BAföG). Nach § 48 Abs. 1 BAföG wird vom fünften Fachsemester an Ausbildungsförderung für den Besuch einer höheren Fachschule, Akademie oder einer Hochschule nur von dem Zeitpunkt an geleistet, in dem der Auszubildende eine der in § 48 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 genannten Nachweise vorgelegt hat. Dabei gelten die Nachweise als zum Ende des vorhergehenden Semester vorgelegt, wenn sie innerhalb der ersten vier Monate des folgenden Semesters vorgelegt werden und sich aus ihnen ergibt, dass die darin ausgewiesenen Leistungen bereits in dem vorhergehenden Semester erbracht worden sind.
Der erforderliche Leistungsnachweis ist erst am 17. April 2012 per Telefax beim Studentenwerk Würzburg eingegangen. Nachdem das fünfte Semester des Klägers bereits am 1. Oktober 2011 begonnen hatte, hätte der Kläger die Bescheinigung bis spätestens 31. Januar 2012 einreichen müssen, damit diese rückwirkend berücksichtigt werden kann. Somit kann der Leistungsnachweis gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 BAföG erst für das darauffolgende Semester berücksichtigt werden, das am 1. März 2012 begonnen hat.
Bei der Vorlage des Leistungsnachweises nach § 48 BAföG handelt es sich um ein konstitutives Element des Förderungsanspruches. Nach § 9 Abs. 1 BAföG wird die Ausbildung nur gefördert, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreicht. Die so umschriebene Anspruchsvoraussetzung der Eignung wird in der Regel als erfüllt angesehen, solange der Auszubildende die Ausbildungsstätte besucht und bei dem Besuch einer Hochschule die den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen entsprechenden Studienfortschritte erkennen lässt. Hierüber sind die nach § 48 BAföG erforderlichen Nachweise zu erbringen. Das Gesetz knüpft also an die Vorlage des Leistungsnachweises die Vermutung der fortdauernden Eignung des Studenten. Legt der Auszubildende einen solchen Leistungsnachweis vor, dann ist die Erwartung gerechtfertigt, er werde sein Studium innerhalb der Förderungshöchstdauer abschließen. Wer dagegen zu Beginn des fünften Fachsemesters eine Bescheinigung nach § 48 BAföG nicht vorzulegen vermag wird, solange der damit offenbar gewordene Leistungsrückstand nicht aufgeholt ist, von einer weiteren Förderung ausgeschlossen, weil dann die Erwartung, er werde seine Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer erfolgreich abschließen, nicht mehr gerechtfertigt ist. Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 BAföG ist es demnach, im Interesse einer sparsamen und sinnvollen Verwendung der von der Allgemeinheit für die Ausbildungsförderung aufzubringenden Mittel nicht ausreichend geeignete Auszubildende von einer weiteren Förderung auszuschließen (BVerwG, U.v. 14.5.1992 – 5 C 50/88 – juris – Rn. 18).
Dies bedeutet, dass die Vorlage der Bescheinigung Anspruchsvoraussetzung ist (so schon OVG Hamburg, U.v. 16.10.1979 – II B A 23/79 – juris). Deshalb besteht – anders als in den Fällen der fehlenden Mitwirkung nach §§ 60 ff. des 1. Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) – keine Möglichkeit, nach Nachholung der erforderlichen Mitwirkungsleistung im Wege der Ermessensentscheidung die Leistung nachträglich zu bewilligen (vgl. § 67 SGB I). Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 3 BAföG hingegen räumt der Behörde keinen Ermessensspielraum ein. Vielmehr besteht schon der Sinn der Regelung darin, es dem Auszubildenden zu ermöglichen, ohne Gefahr für den Förderungsanspruch die erforderliche Bescheinigung innerhalb einer bestimmten Frist nachzuweisen. Der Kläger hätte bis Ende Januar Zeit für die Beibringung des Nachweises gehabt. Auch unter Berücksichtigung der Belastungen, die durch den Tod seines Vaters (Anfang Oktober 2011) auf den Kläger zugekommen sind, wäre die rechtzeitige Beibringung des Nachweises zumutbar gewesen.
Es liegen auch keine schwerwiegenden Gründe i. S. d. § 48 Abs. 2 i. V. m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG vor, die eine spätere Berücksichtigung bzw. eine Rückwirkung der Vorlage der Bestätigung zulassen würden. Nur wenn Tatsachen vorliegen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG oder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 3 BaföG rechtfertigen, kann das Amt für Ausbildungsförderung die Vorlage der Bescheinigung zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zulassen. Vorliegend ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Kläger sein Studium aus schwerwiegenden Gründen oder wegen seiner Behinderung nicht innerhalb der vorgesehenen Förderungshöchstdauer absolvieren wird. Der Kläger hatte die erforderlichen Leistungen zum Ablauf des vierten Semesters auch tatsächlich erbracht. Lediglich die Vorlage der Bestätigung ist nicht rechtzeitig erfolgt.
2. Soweit sich die Klage gegen die Höhe der gewährten Ausbildungsförderung, insbesondere gegen die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen wendet, ist sie unbegründet. Diesbezüglich erweist sich der Bescheid vom 11. Januar 2013 als rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Bewilligungszeitraum März 2012 bis September 2012:
Für diesen Zeitraum wurden die vom Kläger angegebenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3.900,00 EUR jährlich, abzüglich einer Sozialpauschale, sowie die Waisenrente abzüglich Freibetrag zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Mieteinkünfte kann insbesondere nicht berücksichtigt werden, dass der Kläger vor Erzielung der Mieteinkünfte in der Vergangenheit Investitionen vorgenommen hat, die er nun mit den Mieteinnahmen verrechnen möchte.
Wie sich aus §§ 21 ff. BAföG ergibt, gilt als Einkommen die Summe der positiven Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten ist nicht zulässig (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 BaföG).
Eine unmittelbare Berücksichtigung des Investitionsaufwandes durch Verrechnung mit den Mieteinnahmen bei der BAföG-Berechnung ist nicht möglich. Vielmehr ist dies nur über eine entsprechende Einkommenssteuererklärung und damit über den Steuerbescheid möglich. Investitionskosten in Bezug auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können als Werbungskosten nach § 9 EStG berücksichtigt werden und mindern dann die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Diesbezüglich hat das Studentenwerk aufgrund des mittlerweile vorgelegten Steuerbescheides für das Kalenderjahr 2012 eine Neuberechnung des Förderbetrages vorgenommen und mit Schreiben vom 20. Februar 2015 mitgeteilt, dass sich aufgrund der Neuberechnung ein Anspruch auf einen um einen Euro monatlich höheren Förderungsbetrag ergibt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Studentenwerk nicht bereit wäre, diese Nachzahlung in Höhe von 7,00 EUR an den Kläger auszuzahlen.
2.2. Bewilligungszeitraum Oktober 2012 bis September 2013
Hier gilt hinsichtlich der Berücksichtigung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung das Gleiche wie zuvor ausgeführt. Das Studentenwerk ist bereit, nach Vorlage des entsprechenden Einkommensteuerbescheides, aus dem sich gegebenenfalls niedrigere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ergeben, eine Neuberechnung der Ausbildungsförderung vorzunehmen.
3. Hinsichtlich der Anrechnung von Vermögen des Klägers ist darauf hinzuweisen, dass sich die Vermögensanrechnung in Höhe von monatlich 31,61 EUR aufgrund der Angaben des Klägers ergibt. In dem Antrag vom 28. Oktober 2011 waren nur Guthaben und keine Schulden angegeben. Zum Antrag vom 30. Dezember 2012 für den Zeitraum Oktober 2012 bis September 2013 hat der Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass er ca. 70.000,00 EUR Schulden aus der Sanierung seines Hauses, aus dem er die Mieteinnahmen beziehe, habe. Die Höhe der Schulden wurde nicht nachgewiesen. Dies ist jedoch – wie vorstehend ausgeführt – auch nicht entscheidungserheblich.
4. Somit erweisen sich der Bescheid vom 11. Januar 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2013 als rechtmäßig. Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.


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