Sozialrecht

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Aktenzeichen  S 9 R 596/19

Datum:
14.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55996
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 SGG zu entscheiden. Die Beteiligten wurden zu der Entscheidung per Gerichtsbescheid angehört.
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist zulässig, §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 SGG, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Gem. § 43 Abs. 2 S.1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, § 43 Abs. 3 SGB VI.
Hier fehlen die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Das Gericht hat ein Gutachten von dem Internisten und Sozialmediziner Dr. L. am 05.12.2019 eingeholt und legt dieses Gutachten seiner Entscheidung zugrunde. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat den Kläger untersucht und ausführlich und überzeugend die Befunde gewürdigt. Er verfügt über die erforderlichen Kenntnisse und langjährige Erfahrung, um sämtliche in Betracht kommende gesundheitliche Störungen medizinisch zutreffend einzuordnen und die Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit des Klägers im allgemeinen Erwerbsleben und in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit sachgerecht zu beurteilen. Das Gericht sieht keinen Anlass, an den Feststellungen und der Richtigkeit der Leistungsbeurteilung zu zweifeln.
Dr. L. bezeichnet die Gesundheitsstörungen wie folgt:
„1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei
2. degenerativem LWS-Syndrom ohne sensomotorische Ausfälle sowie Gonarthrose beidseits mit mittelgradiger Funktionseinbuße
3. Coxarthrose
4. Omarthrose
5. Metabolisches Syndrom mit diabetischer Stoffwechsellage und distalsensibler Polyneuropathie
6. Vorbeschriebene dilatative Kardiomyopathie mit normaler Pumpfunktion
7. Rezidivierende Harnröhrenstriktur mit wiederholten operativen Interventionen und intermittierender Inkontinenz Der Kläger kann damit mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten im Sitzen mit Möglichkeit zum Positionswechsel ausüben. Vermieden werden müssen: Schicht- und Akkordtätigkeit, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten im Knien und in der Hocke, Klettern und Steigen, überwiegend witterungsausgesetzte Tätigkeiten, Exposition zu inhalativen Noxen, Tätigkeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung und erhöhter Unfallgefahr, häufiges Bücken und ständige Zwangshaltungen sowie häufiges Überkopfarbeiten. Stand und Gangsicherheit muss gegeben sein. Keine besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, keine besondere Stressbelastung.“
Zu den psychischen Gesundheitsstörungen ist im Übrigen auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach psychische Störungen nur dann als rentenrechtlich relevant anerkannt werden, wenn sie austherapiert sind. Solange noch Behandlungsoptionen bestehen, müssen diese erst ausgeschöpft werden (vgl. BayLSG Urteil vom 18.03.2015 – L 19 R 956/11, BayLSG Urteil vom 07.03.2012 – L 20 R 861/08, BayLSG Urteil vom 21.03.2012 – L 19 R 35/08, BayLSG Urteil vom 17.04.2012 – L 20 R 19/08, BSG Urteil vom 12.09.1990 – 5 RJ 88/89).
Zudem ist auch der Orthopäde Dr. E. in seinem Gutachten gem. § 109 SGG vom 07.07.2020 zu einer Leistungsfähigkeit des Klägers von mindestens 6 Stunden täglich gekommen.
Eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nicht vor. Unübliche Arbeitspausen sind nicht einzuhalten, die Wegefähigkeit des Klägers ist gegeben.
Auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ist nicht mehr einzugehen, da der Anspruch schon an den medizinischen Voraussetzungen scheitert.
Eine Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI steht daher nicht zu.
Aber auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI steht nicht zu. Der Kläger ist nämlich nicht vor dem 02.01.1961 geboren.
Nach alldem ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung nicht begründet. Der Bescheid vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2019 stellt sich somit als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.


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