Sozialrecht

(Gesetzliche Unfallversicherung – Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 – Wie-Beschäftigung – Arbeitnehmerähnlichkeit – Sonderbeziehung – Gefälligkeit – langjähriges und gutes Freundschaftsverhältnis zum Bauherrn – nicht gewerbsmäßige Eigenbaumaßnahme)

Aktenzeichen  B 2 U 3/19 R

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:160321UB2U319R0
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 SGB 7
§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7
§ 8 Abs 1 SGB 7
§ 192 SGB 7
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Münster, 12. Januar 2017, Az: S 10 U 134/14, Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Dezember 2018, Az: L 17 U 208/17, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger unter Unfallversicherungsschutz stand, als er sich bei der Mithilfe bei dem Bauvorhaben eines Freundes verletzte.
2
Der Kläger half dem Beigeladenen, einem privaten Bauherrn, bei dessen Bauvorhaben. Am 17.12.2012 brachte er Zierbalken in dem zukünftigen Esszimmer an. Dabei löste sich ein Eisenspan vom Meißel, wodurch der Kläger eine Augenverletzung erlitt. Der Beigeladene hatte das Eigenbauvorhaben und die Beteiligung privater Helfer vorab bei der Beklagten angemeldet. In der Unfallanzeige teilte der Beigeladene mit, der Kläger habe ihm als Freundschaftsdienst beim Anbringen der Zierbalken geholfen. Er und der Kläger würden sich gegenseitig häufig Gefälligkeiten erweisen, wie zB Hilfe bei Renovierungsarbeiten. Zu dem Kläger bestehe seit ca 20 Jahren eine freundschaftliche Beziehung (Freundeskreis, Kolping, Jugendferienlager). Der Kläger habe ihm bis zum Zeitpunkt des Unfalls schon ca 36 Stunden bei Trockenbauarbeiten geholfen. Ohne den Unfall hätte der Kläger voraussichtlich noch 10 Stunden Spachtelarbeiten erbracht.
3
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Kläger habe am 17.12.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten. Weder sei der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden noch sei er “Wie-Beschäftigter” gewesen. Seine Tätigkeit habe sich vielmehr im Rahmen dessen bewegt, was üblicherweise unter engen, seit Jahren verbundenen Freunden als Mithilfe aus Gefälligkeit geleistet werde (Bescheid vom 28.5.2013 und Widerspruchsbescheid vom 27.3.2014). Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall begehrt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.1.2017), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.12.2018). Der Kläger sei nicht gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII als sog “Wie-Beschäftigter” tätig gewesen. Zwar sei seine objektivierbare Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfalls darauf gerichtet gewesen, wie ein Bauhelfer auf der Baustelle des Beigeladenen untergeordnete Hilfstätigkeiten zu verrichten. Obwohl er damit beschäftigtenähnlich tätig geworden sei, sei der Versicherungsschutz zu verneinen, weil die Verrichtung wegen der Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt sei. Es habe sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung aufgrund der jahrelangen Freundschaftsbeziehung zum Beigeladenen gehandelt. Die Motivation für das Tätigwerden habe darin bestanden, die langjährige Freundschaft zu pflegen und das System des gegenseitigen Helfens aufrechtzuerhalten. Auch der Umfang der Hilfeleistung stehe dem nicht entgegen, denn im Rahmen eines engen freundschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses könnten auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer ihr Gepräge durch das Gemeinschaftsverhältnis erhalten. Kläger und Beigeladener hätten die Hilfe als selbstverständlich angesehen.
4
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 2 Abs 2 SGB VII. Seine Mithilfe sei über das hinausgegangen, was von ihm als Freund hätte erwartet werden können.
5
Der Kläger beantragt sinngemäß,
        
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12. Januar 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 17. Dezember 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
6
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
        
die Revision zurückzuweisen.
7
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
8
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.


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