Sozialrecht

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Einstweiliger Rechtschutz bei noch nicht abgeschlossenem Überprüfungsverfahren

Aktenzeichen  L 16 AS 568/19 B ER

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32654
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 44
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
SGB II § 10, § 31

 

Leitsatz

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Fall eines noch nicht abgeschlossenen Überprüfungsverfahrens ungeachtet der Bestandskraft des (Sanktions-) Bescheids nicht von vornherein unzulässig. (Rn. 18)

Verfahrensgang

S 53 AS 1345/19 ER 2019-08-02 SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.  Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. August 2019 wird zurückgewiesen.
II.  Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Rückgängigmachung der Wirkungen eines Sanktionsbescheids gemäß § 31 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1980 geborene Antragstellerin ist Diplom-Politologin und seit vielen Jahren arbeitslos. Zuletzt hatte sie bis Ende 2009 als freiberufliche Mitarbeiterin bei der G. gearbeitet. Seit 2012 bezieht sie vom Antrags- und Beschwerdegegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe des jeweiligen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung fallen nicht an; die Antragstellerin lebt bei ihren Eltern. Mit vielen Bewerbungen um einen Arbeitsplatz strebte sie in den vergangenen Jahren eine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung an und lehnte nicht ausreichend anspruchsvolle Tätigkeiten ab.
Mit Bescheid vom 22.08.2018 minderte der Antragsgegner das Arbeitslosengeld II der Antragstellerin für die Zeit vom 01.09.2018 bis zum 30.11.2018 um 30% des Regelbedarfs (124,80 €), nachdem sie sich geweigert hatte, an der zweiwöchigen Maßnahme „Potentialanalyse“ bei B. A-Stadt teilzunehmen, ungeachtet der Rechtsfolgenbelehrung in der Zuweisung vom 25.07.2018 und ohne einen wichtigen Grund für ihr Verhalten mitzuteilen. Um 60% des Regelbedarfs (254,20 €) minderte der Antragsgegner das Arbeitslosengeld II der Antragstellerin mit Bescheid vom 14.01.2019 für die Zeit vom 01.02.2019 bis zum 30.04.2019. Nach nochmaliger Zuweisung der Maßnahme „Potentialanalyse“ mit Schreiben vom 30.10.2018 (samt Rechtsfolgenbelehrung) hatte die Antragstellerin die Teilnahme erneut und ohne Angabe eines wichtigen Grundes verweigert.
Mit einem Vermittlungsvorschlag vom 19.03.2019 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, sich umgehend bei der Firma H. GmbH als Büroassistentin (kaufmännische Teamassistenz) in B-Stadt zu bewerben, und wies im Rahmen der Rechtsfolgenbelehrung darauf hin, dass ihr Arbeitslosengeld II zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag von 60% des Regelbedarfs gemindert worden sei und bei Weigerung der Aufnahme der nunmehr angebotenen Arbeit vollständig für drei Monate entfalle. Laut Anlage zum Vermittlungsvorschlag handelte es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Vollzeit mit anspruchsvollen und abwechslungsreichen Aufgaben in einem engagierten Team. Vorausgesetzt waren eine kaufmännische Ausbildung oder ähnliche Qualifikation, die verhandlungssichere Beherrschung der Sprachen Englisch und Deutsch, idealerweise auch Französisch, und idealerweise ein bis zwei Jahren Berufserfahrung. Nach Anhörung mit Schreiben vom 18.04.2019 stellte der Antragsgegner den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengelds II der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07.2019 bis zum 30.09.2019 fest und führte zur Begründung aus, dass das angebotene Beschäftigungsverhältnis bei der Firma H. unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der persönlichen Verhältnisse der Antragstellerin zumutbar gewesen sei. Einen wichtigen Grund für die Nichtaufnahme dieser Beschäftigung habe diese nicht mitgeteilt. Sie habe sich auch nicht bereit erklärt, zukünftig ihren Pflichten nachzukommen, weshalb es nicht gerechtfertigt sei, den Wegfall des Arbeitslosengelds II in eine Minderung um 60% des Regelbedarfs umzuwandeln. Die Antragstellerin wurde darüber informiert, dass ihr auf Antrag Gutscheine oder geldwerte Leistungen gewährt werden könnten. In Umsetzung des Bescheids vom 03.06.2019 wurden im Bewilligungsbescheid vom 04.06.2019 Leistungen in Höhe von jeweils 424 € für die Monate Juni 2019 sowie Oktober 2019 bis Mai 2020 bewilligt, nicht aber für die Monate Juli bis September 2019.
Den gegen den Bescheid vom 03.06.2019 eingelegten Widerspruch begründete die Antragstellerin damit, dass das Arbeitslosengeld II ein Leben ermöglichen solle, das der Würde des Menschen entspreche. Die Existenzsicherung habe gegenüber den willkürlichen Sanktionen des Jobcenters Vorrang. Die Rechtsfolgenbelehrung sei nicht auf ihren Fall konkretisiert gewesen. Es sei unzulässig, Meldeversäumnisse, die mehr als sechs Monate zurück liegen, nachträglich durch einen Bescheid zu sanktionieren. Die Sanktionen gemäß § 31 SGB II könnten daher nicht eintreten. Die „Berufsstellen“ würden nicht ihrem „Berufswunsch“ entsprechen, das Grundrecht der freien Berufswahl sei vom Antragsgegner nicht berücksichtigt worden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 17.06.2019 zurückgewiesen. Der Vermittlungsvorschlag habe eine ordnungsgemäße schriftliche Rechtsfolgenbelehrung enthalten. Im Übrigen seien der Antragstellerin aufgrund ihres langjährigen Leistungsbezugs die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen hinlänglich bekannt. Die angebotene Arbeit sei zumutbar gewesen. Zumutbar sei jede einfache Helfertätigkeit zum Mindestlohn. Dennoch bemühe sich die Arbeitsvermittlung regelmäßig, der Antragstellerin etwas bessere Tätigkeiten anzubieten, um ihren Hoffnungen entgegenzukommen und eine längerfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Die angebotene Stelle als Teamassistenz sei eine solche angemessene Stelle, die durchaus einige Anforderungen stelle, die von der Antragstellerin auch erfüllbar gewesen seien. Der Arbeitsort sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
Den gegen den Bescheid vom 04.06.2019 gerichteten Widerspruch begründete die Antragstellerin damit, dass der Bescheid fehlerhaft sei. Da sich die verhängten „Vollsanktionen“ für den Zeitraum Juli bis September 2019 auf keine Rechtsgrundlage stützen könnten, sei der Bescheid rechtswidrig. Unangemessen sei auch die Sanktionshöhe. Die Schulungen und die Berufsstellen, die ihr vorgeschlagen worden seien, entsprächen nicht ihrem Berufswunsch. Die ihr angebotenen Stellen würden nicht zu ihren Qualifikationen passen und seien daher ungeeignet. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12.06.2019 zurück.
Mit einem Schreiben vom 12.06.2019 stellte die Antragstellerin am 14.06.2019 beim Sozialgericht München unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 03.06.2019 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Jedwede Sanktion des Regelsatzes sei im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz verfassungswidrig. Der Sanktion nach § 31 SGB II sei auch keine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung vorausgegangen. Mangels Konkretisierung auf die Verhältnisse ihres Einzelfalls sei die Rechtsfolgenbelehrung nicht geeignet, ihre Warnfunktion zu erfüllen.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 02.08.2019 ab. Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.06.2019 nicht fristgerecht Klage erhoben habe. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei nur zulässig, wenn der betreffende Bescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könne nicht als Klageschrift ausgelegt werden. Da die Antragstellerin an demselben Tag gegen einen anderen Sanktionsbescheid ausdrücklich Klage erhoben habe, sei davon auszugehen, dass sie vorliegend aufgrund der unmissverständlichen Formulierung tatsächlich lediglich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz habe stellen wollen.
Daraufhin stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner mit Schreiben vom 12.08.2019 am 14.08.2019 einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf Überprüfung des Bescheids vom 03.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2019. Der Sanktionsbescheid sei zurückzunehmen und die gekürzten Regelleistungen für den Zeitraum Juli bis September 2019 zu erstatten. Es entspreche nicht den Vorgaben des Gesetzgebers, in eine Maßnahme (Potentialanalyse) „ohne Angabe von genauesten Ausführungen“ zu verweisen. Die Zuweisung zur Maßnahme würde als eigenständiger Verwaltungsakt gegen § 35 Abs. 1 SGB II (gemeint offenbar SGB X) verstoßen. Auch die im Angebot aufgeführte Zielsetzung, dass mit dieser Maßnahme eine „Unterstützung zur beruflichen Eingliederung“ angeboten werde, könne den Begründungsmangel nicht beseitigen. Soweit sie mit Bescheid vom 30.10.2018 in die gleiche Maßnahme gezwungen werden sollte, ermangele es der verbindlichen Zuweisung ebenfalls an der erforderlichen Ausführlichkeit. Diese Begründung gelte auch für die inakzeptable Sanktion wegen der angeblichen Verweigerung, ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma H. als Büroassistentin anzunehmen. Sie sei nach wie vor ernsthaft bestrebt, sich um eine zumindest annähernd ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung zu bemühen. Der Bescheid leide damit offensichtlich an besonders schwerwiegenden Fehlern, was dessen Nichtigkeit auslöse.
Der Antragsgegner lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 02.09.2019 ab und führte aus, dass der Sanktionsbescheid vom 03.06.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2019 nicht zu beanstanden sei, weil bei dessen Erlass das Recht richtig angewandt sowie vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Am 06.09.2019 legte die Antragstellerin dagegen Widerspruch ein.
Mit einem Schreiben vom 14.08.2019 hat die Antragstellerin am 19.08.2019 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es handele sich um eine 100%-Sanktion über einen Zeitraum von drei Monaten, womit die Eilbedürftigkeit bereits begründet wäre. Dennoch sei nicht innerhalb kürzester Zeit eine einstweilige Anordnung erlassen worden. Die weiteren Ausführungen entsprechen im Wesentlichen der Begründung im Überprüfungsantrag. Sie hätte erwartet, dass der Antragsgegner sie bei der Vermittlung einer zumindest einigermaßen adäquaten Arbeitsstelle unterstützt, wozu sie laut Grundrecht der „freien Berufswahl“ berechtigt sei. Sie habe nicht jahrelang studiert und einen qualifizierten Beruf ausgeübt, um als Zimmermädchen, Fleischverkäuferin oder Gebäudereinigerin zu arbeiten. In ihrer Person bestünde kein regelwidriges Verhalten, vielmehr habe der Antragsgegner die Dimensionen des Erforderlichen und Erlaubten bei Weitem überschritten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.08.2019 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Leistungen für die Monate Juli bis September 2019 in Höhe von 424 € monatlich auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mangels Klageerhebung sei der streitgegenständliche Sanktionsbescheid bestandskräftig geworden. Im Übrigen halte er daran fest, dass der Sanktionsbescheid rechtmäßig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und auf die beigezogenen Akten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das Begehren der Antragstellerin im Eilverfahren ist darauf gerichtet, dass die durch den Sanktionsbescheid vom 03.06.2019 und den Bewilligungsbescheid vom 04.06.2019 bedingte Kürzung der Regelleistung auf Null in den Monaten Juli bis September 2019 rückgängig gemacht wird. Wären der Sanktionsbescheid vom 03.06.2019 und der Bewilligungsbescheid vom 04.06.2019 (zur insoweit bestehenden rechtlichen Einheit vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2019, B 4 AS 68/09 R, Juris Rn. 9) nicht bestandskräftig geworden, wäre einstweiliger Rechtsschutz über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzustrengen gewesen. Wenn allerdings wie hier in einem etwaigen künftigen Hauptsacheverfahren ein ablehnender Verwaltungsakt nach § 44 SGB X streitig ist, der die Bestandskraft des zu überprüfenden Verwaltungsakts unberührt lässt, scheidet die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Klage von vornherein aus. Vielmehr kommt nur ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung in Betracht. Ein solcher Antrag auf einstweilige Anordnung ist im Fall eines noch nicht abgeschlossenen Überprüfungsverfahrens ungeachtet der Bestandskraft des Sanktionsbescheids nach Auffassung des Senats nicht von vornherein unzulässig.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Bei einem Antrag auf einstweilige Anordnung in Fallgestaltungen wie hier ist zu berücksichtigen, dass über die Bindung der Beteiligten an einen nicht mehr anfechtbaren Verwaltungsakt (Bestandskraft, vgl. § 77 SGG) Rechtssicherheit geschaffen wird, die ein hohes Gut im Rechtsstaat ist und nicht ohne weiteres disponibel ist. Andererseits könnte aus Sicht des Senats die Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz für die Auffassung sprechen, dass bei einem gesetzlich vorgesehenen und auch betriebenen, aber noch nicht abgeschlossenen Überprüfungsverfahren gemäß § 44 SGB X die Bestandskraft eines (Sanktions-) Bescheids dann einer einstweiligen Anordnung nicht entgegensteht, wenn der zu überprüfende Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist und deshalb klar mit einem für die Antragstellerin positiven Ausgang des Überprüfungsverfahrens zu rechnen ist. Jedenfalls dann steht im Rahmen der geltenden Rechtsordnung die Bestandskraft des Verwaltungsakts dem Erlass einer Regelungsanordnung nicht entgegen. Letztlich kann der Senat dies allerdings offenlassen, weil von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids vom 03.06.2019 nicht die Rede sein kann.
Der Sanktionsbescheid vom 03.06.2019 ist keineswegs offensichtlich rechtswidrig. Die Einwände der Antragstellerin greifen nicht.
Sie irrt, soweit sie davon ausgeht, dass das Grundrecht der freien Berufswahl bei der Zuweisung von Jobangeboten im Rahmen der Arbeitsvermittlung von Arbeitslosen Bedeutung hätte. Maßgeblich ist vielmehr die Zumutbarkeit einer Arbeit im Sinn des § 10 SGB II. Gemäß § 10 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB II ist eine Arbeit nicht allein deshalb unzumutbar, weil sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde, oder weil sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist, wobei dies gemäß § 10 Abs. 3 SGB II für die Teilnahme an Maßnahmen entsprechend gilt. Im Übrigen wurde die Antragstellerin mit dem Vermittlungsvorschlag vom 19.03.2019 im Vorfeld des Sanktionsbescheids vom 03.06.2019 keineswegs zu einer Bewerbung auf einen Arbeitsplatz als „Zimmermädchen, Fleischverkäuferin oder Gebäudereinigerin“ aufgefordert, wogegen sie sich im Beschwerdeverfahren verwahrt, sondern zu einer Bewerbung als Büroassistentin mit der Anforderung einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung oder ähnlichen Qualifikation und mit der weiteren Anforderung, Englisch und Deutsch, idealerweise auch Französisch verhandlungssicher zu sprechen.
Die dem Vermittlungsvorschlag vom 19.03.2019 beigefügte Rechtsfolgenbelehrung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ist sie individuell auf ihren Fall ausgerichtet. Es heißt hier u.a.: „Ihr Arbeitslosengeld II wurde zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert (vgl. Bescheid vom 14-01-2019). Weigern Sie sich, die Ihnen mit diesem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen, entfällt das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II vollständig. ….“
Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der nicht ausreichenden Begründung des Vermittlungsvorschlags vom 19.03.2019. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin braucht ein Vermittlungsvorschlag, der kein Verwaltungsakt ist, nicht begründet zu werden.
Da mangels offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids vom 03.06.2019 ein Anordnungsanspruch nicht besteht, kann die Frage, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist, dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


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