Sozialrecht

Kein Unfallruhegehalt bei fehlendem Zusammenhang zwischen Dienstunfähigkeit und Unfallfolgen

Aktenzeichen  M 21 K 16.1847

Datum:
25.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 36
VwGO VwGO § 42 Abs. 1, § 75 S. 1, S. 2, § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Gewährung von Unfallruhegehalt (§ 36 Abs. 1 BeamtVG) scheidet aus, wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit führten, nicht als Dienstunfallfolgen anzuerkennen sind. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird in einem bestandskräftigen Grundlagenbescheid ein bestimmter Körperschaden nicht als Folge eines Dienstunfalls anerkannt, kommt dieser Entscheidung für die Gewährung von Unfallruhegehalt Bindungswirkung zu. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit sie sich gegen den Bescheid vom 18. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2016 richtet, ist sie als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft. Soweit sie sich gegen den Bescheid vom 30. November 2015 richtet, ist sie als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO statthaft, weil die Beklagte bis zum Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO nicht über den Widerspruch des Klägers entschieden hatte.
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der D. T. AG vom 18. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2016 sowie der Bescheid der D. T. AG vom 30. November 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unfallruhegehalt nach § 36 BeamtVG.
Gemäß § 36 Abs. 1 BeamtVG erhält ein Beamter Unfallruhegehalt, wenn er infolge des Dienstunfalles dienstunfähig geworden und deswegen in den Ruhestand versetzt worden ist. Der Kläger ist zwar mit Ablauf des 31. Oktobers 2015 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden, die Gewährung von Unfallruhegehalt scheitert aber daran, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, derentwegen er als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt wurde, nicht als Dienstunfallfolgen anzuerkennen sind.
Entscheidend für seine Ruhestandsversetzung waren nach dem Bescheid der D. T. AG vom 11. August 2015, der sich auf das Gutachten des Vertragsarztes des von der Beklagten eingeschalteten betriebsärztlichen Instituts bezieht, multiple Beeinträchtigungen neurologischer Art. Dieses für die Ruhestandsversetzung maßgebliche Krankheitsbild des Klägers beruht nicht auf dem mit Bescheid der Unfallkasse Post und Telekom vom 11. Juli 2014 anerkannten Dienstunfall vom 9. April 2014. Der Dienstunfall war keine wesentlich mitwirkende Ursache für die Dienstunfähigkeit sowie die Zurruhesetzung des Klägers.
Nach der im Recht der Unfallfürsorge herrschenden Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache besteht der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Körperschaden dann nicht mehr, wenn für den Erfolg eine weitere Bedingung ausschlaggebende Bedeutung hatte (Plog/Wiedow, BBG, § 36 BeamtVG Rn. 6a). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind (mit-)ursächlich nur solche für den eingetretenen Schaden kausalen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben; jede von mehreren Ursachen ist als wesentliche (Mit-)Ursache anzusehen, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hat (BVerwG, U. v. 20.4.1967 – 2 C 118.64; U. v. 22.10.1981 – 2 C 17.81 – NJW 1982, 1893; U. v. 28.1.1988 – 2 C 70.85; U. v. 30.6.1988 – 2 C 3.88 – NJW 1989, 184). Keine Ursache im Rechtssinn sind so genannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also etwa die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (BVerwG, U. v. 30.6.1988 – 2 C 77.86- juris; U. v. 16.9.1994 – 2 C 24.92 – NVwZ 1996, 183; U. v. 18.4.2002 – 2 C 22.01 – NVwZ-RR 2002, 761; U. v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – NVwZ 2010, 708). Erleidet ein bereits Vorerkrankter durch ein äußeres Ereignis eine zusätzliche gesundheitliche Schädigung in der Art der Vorerkrankung, so kommt dem äußeren Ereignis nur dann ursächliche Wirkung zu, wenn es bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (Plog/Wiedow, BBG, § 36 BeamtVG Rn. 6a; vgl. BVerwG, U. v. 30.6.1988 – 2 C 77.86 – juris; B. v. 23.10.2013 – 2 B 34.12 – juris).
Vorliegend steht bestandskräftig zwischen den Beteiligten fest, dass Folge des Dienstunfalles lediglich eine folgenlos abgeklungene Schädelprellung war. In dem Anerkennungsbescheid der Unfallkasse Post und Telekom vom 11. Juli 2014 wurde abschließend als Unfallfolge lediglich eine folgenlos abgeklungene Schädelprellung anerkannt. Nicht anerkannt als Unfallfolgen wurden abschließend Schwindel, Tinnitus links, Kopfzwangshaltung, Septumdeviation, Laryngitis chronical, Astigmatismus beidseitig, Myopie, Exophorie, Globusgefühl, depressiver Verstimmungszustand mit Angstbeschwerden und Psycho-Somatisierung.
Auf die Frage, ob die Unfallkasse Post und Telekom dahingehend richtig entschieden hat, kommt es vorliegend nicht an, weil gegen den Bescheid vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2015 nicht fristgemäß Klage erhoben wurde. Ob hier gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Frist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides einzuhalten war oder wegen falscher Rechtsbehelfsbelehrung:gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Frist von einem Jahr, kann dahinstehen, da beide Fristen bereits verstrichen sind.
Wenn ein entsprechender Grundlagenbescheid in Form eines Verwaltungsaktes seitens der Beklagten erlassen und darin geregelt wurde, dass ein bestimmter Körperschaden nicht als Folge eines bestimmten Dienstunfalls anerkannt wird, kommt der Entscheidung hinsichtlich der Gewährung von Unfallruhegehalt gemäß § 36 BeamtVG Bindungswirkung zwischen den Beteiligten zu (vgl. VG München, U. v. 6.7.2013 – M 21 K 13.3309 – juris). Aufgrund dieser der Bestandskraft fähigen Regelungswirkung geht die Rechtsprechung sowohl von einem Rechtsschutzinteresse als auch von einer Klagebefugnis für eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Klage des Betroffenen gegen einen entsprechenden feststellenden oder ablehnenden Grundlagenbescheid aus (vgl. OVG Münster, U. v. 23.5.2014 – 1 A 1988/11 – juris; in der Sache ebenso: VG Ansbach, U. v. 23.10.2013 – AN 11 K 13.00473 – juris; VG Augsburg, U. v. 29.8.2013 – Au 2 K 12.943 – juris; VG Düsseldorf, U. v. 24.1.2014 – 13 K 7355/12 – juris). Eine Klage gegen den Bescheid vom 11. Juli 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2015 hat der Kläger aber unterlassen, sodass aufgrund der Bestandskraft der genannten Bescheide zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass die Beschwerden Schwindel und Tinnitus links, die vom Kläger als dienstunfallbedingt und als wesentliche Ursachen für seine Dienstunfähigkeit angesehen werden, nicht als Folge der Dienstunfälle vom 9. April 2014 anzuerkennen sind.
Im Übrigen bestünde auch nicht der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfall vom 9. April 2014 und der Dienstunfähigkeit des Klägers, da dem Dienstunfall keine überragende Bedeutung für die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers zukommt, die zu seiner Ruhestandsversetzung geführt haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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