Sozialrecht

Keine Berücksichtigung von Mietkaufraten als Tilgungsleistung bei den Unterkunftskosten

Aktenzeichen  L 7 BK 6/15

Datum:
23.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131046
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 9, § 11, § 22 Abs. 1 S. 1
BKGG § 6a Abs. 1
SGG § 54 Abs. 1 S. 1, § 143, § 144 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Mietkaufraten sind als Tilgungsleistung nicht bei den Unterkunftskosten nach dem SGB II berücksichtigungsfähig. (Rn. 29)

Verfahrensgang

S 4 BK 7/14 2015-04-29 SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Regensburg vom 29. April 2015 und unter Abänderung des Bescheids vom 12. August 2014 idG des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2014 verurteilt, der Klägerin Kinderzuschlag zu gewähren für die Monate
a) Oktober und November 2014 Kinderzuschlag iHv jeweils 400 €
b) Januar und März 2015 iHv jeweils 510 €, für den Monat
c) August 2015 iHv 515 €,
d) September 2015 iHv 320 € und e) Oktober 2015 iHv 375 €.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist im tenorierten Umfang begründet.
1. Streitig ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.4.2015, mit dem die Klage gegen den Bescheid vom 12.8.2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2014 abgewiesen wurde bzw der Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG für den Zeitraum 1.7.2014 bis 31.5.2016.
2. Die Berufung ist bereits im Hinblick auf den streitigen Zeitraum von mehr als einem Jahr statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
3. Die Berufung ist im tenorierten Umfang begründet.
a. Die Klage ist statthaft als kombinierte Anfechungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und 4, § 56 SGG), die insbesondere fristgerecht nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben wurde.
b. Die Klage ist insoweit begründet, als die Klägerin in den Monaten Oktober und November 2014 sowie Januar, März, August, September und Oktober 2015 Anspruch auf Kinderzuschlag im tenorierten Umfang hat. Zwar besteht kein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der „Mietkaufraten“ als Kosten für Unterkunft und Heizung. Allerdings errechnet sich in den genannten Monaten unabhängig hiervon ein Leistungsanspruch aufgrund tatsächlich höherer Kosten für Unterkunft und Heizung, als bislang von der Beklagten in die Berechnung eingestellt wurden.
aa) Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kinderzuschlag ist § 6a BKGG (idF des Gesetzes vom 18.7.2014, BGBl I S. 1 042). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben einen Kinderzuschlag, wenn sie für diese Kinder Anspruch auf Kindergeld haben, sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 des SGB II iHv 900 € verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind, sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen und Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach Abs. 4 S. 1 für sie maßgebenden Betrag zzgl dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 entspricht und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6a Abs. 1 BKGG).
bb) Die fünf Kinder der Klägerin hatten im streitigen Zeitraum das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet, waren unverheiratet und lebten im Haushalt der Klägerin. Die Klägerin bezog für sie Kindergeld. Das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemanns überstieg 900 € monatlich, wobei gleichzeitig die Höchsteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 iVm Abs. 4 S. 1 BKGG nicht überschritten wurde (vgl Bl 134 ff der Berufungsakte). Die Klägerin hatte schließlich im streitigen Zeitraum nicht erklärt, Kinderzuschlag nicht geltend machen zu wollen (§ 6a Abs. 5 S. 1 BKGG).
cc) Die Klägerin erfüllt weiter die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG, weil durch den Kinderzuschlag in den genannten Monaten Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Dabei ist ohne den tenorierten Kinderzuschlag jeweils von Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II auszugehen, da entgegen der zunächst von der Beklagten vorgenommenen Berechnung vom 2.8.2016 (vgl gesonderten Ordner zur Berufungsakte) nicht die durchschnittlichen sondern die im jeweiligen Monat tatsächlich fälligen Kosten für Unterkunft (Betriebs- und notwendige Reparaturkosten) und Heizung in die Leistungsberechnung (vgl Bl 133 ff der Berufungsakte) einzustellen sind.
(1.) Die insoweit in die Berechnung des Kinderzuschlags einzustellenden Kosten für Unterkunft und Heizung richten sich nach dem SGB II (vgl BSG, Urteil vom 14.3.2012 – B 14 KG 1/11 R – RdNr. 29).
(a) Danach ist zunächst der Ansatz der Beklagten und des Sozialgerichts, wonach die monatliche „Mietkaufrate“ iHv 500 € keine Kosten für Unterkunft und Heizung iS des § 22 SGB II sind, nicht zu beanstanden. Denn zu den anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gehören nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 4.6.2014 – B 14 AS 42/13 R – RdNr. 17 mit umfassenden weiteren Nachweisen zur BSG-Rspr) nicht Tilgungsraten. Die Leistungen nach dem SGB II seien auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen (BSG, aaO).
(aa) Der Anwendung der vorstehenden Rechtsprechung auf die Berechnung des streitigen Anspruchs auf Kinderzuschlag stehen vorliegend nicht die Besonderheiten des Kinderzuschlagrechts (vgl hierzu BSG, Urteil vom 14.3.2012 – B 14 KG 1/11 R – RdNr. 22 ff) entgegen.
Zwar hat das BSG darauf hingewiesen, dass § 6a BKGG eine familienpolitische Leistung sei, die der Armutsbekämpfung von Familien mit Kindern dienen solle, und gerade keine Leistung nach dem SGB II und in diesem Zusammenhang eine Absenkung der tatsächlichen auf die angemessenen Unterkunftskosten nach einem Kostensenkungsverfahren (§ 22 Abs. 1 S. 1 und 3 SGB II) abgelehnt (BSG, aaO, RdNr. 22). Dieser Entscheidung ist allerdings gerade nicht zu entnehmen, dass im Rahmen der Leistungsberechnung nach § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind, die – wie Tilgungsleistungen – bei der unmittelbaren Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen wären. Im Gegenteil: in der gleichen Entscheidung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insoweit, also im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG iVm § 9 SGB II eine Berechnung nach dem SGB II vorzunehmen ist (BSG, aaO, RdNr. 29).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck des § 6a BKGG. Ziel und Zweck des § 6a BKGG ist es, Armut von Kindern zu vermindern und zu verhindern, dass Familien allein wegen der Unterhaltsbelastung Leistungen nach dem SGB II beziehen müssen. Ergänzend hierzu soll ein Arbeitsanreiz durch eine gezielte Förderung einkommensschwacher Familien gesetzt werden (BT-Drs 15/1516, S. 2). Durch den Kinderzuschlag soll zusammen mit dem Kindergeld und dem auf Kinder entfallenden Wohngeldanteil der durchschnittliche Bedarf von Kindern an Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld abgedeckt werden. Der Kinderzuschlag ist auf das Arbeitslosengeld II abgestimmt und soll Arbeitsanreize verstärken (BT-Drs 15/1516, S. 3). Damit zielt § 6a BKGG – wie das SGB II – auf die Sicherung der aktuellen Existenz von (bestimmten) Kindern ab. Die Zielsetzung, die Vermögensbildung von (Familien mit) Kindern zu fördern, lässt sich zumindest den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Sie ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Vielmehr findet sich die staatliche Wohnbauförderung grds außerhalb des Sozialrechts. Dient aber der Kinderzuschlag ebenso wenig wie die Leistungen nach dem SGB II der Vermögensbildung, können auch hier Tilgungsleistungen nicht als Kosten für Unterkunft berücksichtigt werden (so iE wohl auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9.7.2014 – L 13 BK 20/09 – RdNr. 34 ff zitiert nach juris).
Hieran vermag auch der Einwand der Klägerin, die Vermögensbildung erfolge vorliegend nicht aus dem Kinderzuschlag sondern aus dem Erwerbseinkommen (des Ehemanns), nichts ändern. Der damit verbundene Ansatz, dass die Eltern ihr Einkommen zunächst für sich selbst inkl einer eigenen Vermögensbildung einsetzen dürfen, bevor sie es für die Existenzsicherung der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder einsetzen müssen, findet grds weder in der Systematik des SGB II noch in der des BKGG eine Grundlage (vgl § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II, soweit keine Absetzung nach § 11b SGB II möglich ist).
(bb) Bei der von der Klägerin und ihrem Ehemann geschuldeten „Mietkaufrate“ iHv 500 € monatlich handelt es sich um eine Tilgungsleistung iS der og Rechtsprechung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin und ihr Ehemann bereits Eigentümer des von ihnen bewohnten Heims geworden sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die von der Klägerin und ihrem Ehemann entrichteten Zahlungen an die Eigentümerin des Grundstücks wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-) Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen (BSG, Urteil vom 4.6.2014 – B 14 AS 42/13 R – RdNr. 18). Dies beurteilt sich allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet werden können (vgl BSG, Urteil vom 22.8.2012 – B 14 AS 1/12 R – RdNr. 21).
Nach dem von der Klägerin und ihrem Ehemann abgeschlossenen notariellen Kaufvertrag werden mit den monatlichen Ratenzahlungen an die Verkäuferin/Grundstückeigentümerin Zahlungen auf den Grundstückskaufpreis vorgenommen (vgl IV. Kaufpreis, Ziff 3: Der Restkaufpreis iHv 49.500 € (…) ist in monatlichen unmittelbar aufeinanderfolgenden, gleichbleibenden Raten von 500 € zu zahlen). Insoweit handelt es sich auch nicht um einen (klassischen) Mietkauf, bei dem der Mieter berechtigt ist, die gemietete Sache innerhalb einer bestimmten Frist zu einem vorher vereinbarten Preis käuflich zu Eigentum zu erwerben, wobei die Miete ganz oder teilw auf den Kaufpreis angerechnet wird (vgl I. Saenger in: Erman, BGB, 14. Aufl 2014, § 506 BGB RdNr. 12 mwN). Damit kommt es schließlich nicht darauf an, ob Mietkaufzahlungen in diesem Sinne als Kosten der Unterkunft iS des § 22 SGB II zu berücksichtigen wären. Im Ergebnis bilden die Klägerin und ihre Ehemann damit mit jeder Ratenzahlung ein Stück Vermögen in Form von Grundeigentum, da sie nach Zahlung aller Raten einen Anspruch auf Eintragungsbewilligung im Grundbuch haben (vgl notarieller Kaufvertrag, III. Auflassung, Vormerkung, Ziffer 1). Hieran ändert auch der Hinweis der Klägerin nichts, dass für den Fall einer Rückabwicklung des Kaufvertrages zB wegen Ratenzahlungsverzugs, die von ihnen getätigten Kaufpreisraten nicht erstattet würden. Denn ungeachtet dessen handelte es sich im streitigen Zeitraum bei den im Streit stehenden „Mietkaufraten“ nach der insoweit allein maßgebenden Vertragsgestaltung nach dem eindeutigen Vertragswortlaut um Zahlungen auf den Kaufpreis des Grundstücks.
(cc) Anhaltspunkte dafür, dass eine ausnahmsweise Berücksichtigung der Kaufpreisraten als Kosten für Unterkunft nach der Rechtsprechung des BSG in Betracht kommen könnte, sind nicht ersichtlich. Insoweit kann auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen werden.
(dd) Handelt es sich aber bei den streitigen Ratenzahlungen nicht um Kosten für Unterkunft, scheidet bereits aus diesem Grund die Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens aus. Dieses sieht § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II nämlich nur für unangemessene Unterkunftskosten vor. Darüber hinaus wurde bereits darauf hingewiesen, dass unabhängig davon im Rahmen des § 6a BKGG ein Kostensenkungsverfahren nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 14.3.2012 – B 14 KG 1/11 R).
(b) Aus der vorliegend vorzunehmenden Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ergibt sich hingegen auch, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung entsprechend ihrer tatsächlichen Fälligkeit/Bezahlung bei der Leistungsberechnung einzustellen sind (vgl zu den Betriebskosten BSG, Urteil vom 15.4.2008 – B 14/7b AS 58/06 R – RdNr. 36; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr. 58 und 62; zu Nachforderungen BSG, Urteil vom 2.7.2009 – B 14 AS 36/08 R sowie zu (einmaligen) Heizkosten BSG, Beschluss vom 16.5.2007 – B 7b AS 40/06 R RdNr. 9 ff, insbesondere RdNr. 12, Luik aaO, RdNr. 66; zu § 6a BKGG Sächsische LSG, Urteil vom 11.8.2016 – L 3 BK 14/13).
aa) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass überwiegend ein ungedeckter Bedarf nicht besteht, in einzelnen Monaten hingegen, in denen die Kosten für Unterkunft und Heizung insbesondere aufgrund der Anschaffung von Brennstoffen oder der Fälligkeit von Kosten für notwendige Reparaturen, ein ungedeckter Bedarf entsteht, und Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II durch den streitigen Kinderzuschlag vermieden werden kann.
bb) So hatte die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin im Oktober 2014 tatsächliche Kosten für Heizung iHv 450 € (vgl Bl 55 der Berufungsakte), im November 2014 Kosten für Grundsteuer iHv 8,17 €, iHv 66,34 € für Gebäudebrandversicherung, iHv 45,80 € für Müllgebühren, iHv 149 € für Niederschlagsabwasser sowie für Wasser iHv 213 €, insgesamt also iHv 482,21 €, im Januar 2015 iHv 26,74 € für den Kaminkehrer und iHv 1.280,48 € für die Reparaturen von Fenstern und Außen-Rollos, im März 2015 für Niederschlagsabwasser iHv 17 €, für Wasser iHv 50 €, für Kanal iHv 115 € sowie iHv Reparaturen im Sanitärbereich iHv 1.301,93 €, insgesamt also iHv 1.483,93 €, im September 2015 iHv 600 € für Brennholz sowie im Oktober 2015 für Abfallgebühren iHv 40,80 €, für Gebäudebrandversicherung iHv 67,47 €, iHv 450 € für Brennmittel sowie für Reparaturkosten für Außenrollos iHv 735,46 €, insgesamt also iHv 1.293,73 € (vgl hierzu die Angaben der Klägerin Bl 39 ff der Berufungsakte).
cc) Diese Kosten sind auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als Betriebskosten bzw hinsichtlich der Reparaturkosten nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II als Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen.
(1.) Nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II sind auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum iS des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 als Bedarf für die Unterkunft anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind.
(2.) Der Klägerin sind in den Monaten Januar, März und August 2015 die durch Rechnungen (vgl Bl 126 ff der Berufungsakte) belegten Reparaturkosten tatsächlich entstanden. Die für die Reparatur undichter Abwasserleitungen sowie den tropfenden Waschmaschinenanschluss im Keller entstandenen Kosten (vgl Stellungnahme des Klägervertreter vom 22.2.2017, Bl 204 f der Berufungsakte) waren für die ordnungsgemäße Bewohnbarkeit der Unterkunft genauso notwendig wie die Reparatur undichter Fenster bzw des defekten Außenrollos. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass durch die Maßnahmen ein Wohnstandard erhalten oder geschaffen wurde, der einen einfachen, ein menschenwürdiges Leben sicherstellenden Ausstattungsstandard übersteigt, oder dass die Maßnahmen hätten zeitlich weiter aufgeschoben werden können.
Die Maßnahmen waren auch angemessen iS des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, da sie – auch zusammen mit den laufenden Unterkunftskosten, wie sie von der Klägerin angegeben wurden (Nutzungsgebühren, Gebäudeversicherungen, vgl Bl 39 ff der Berufungsakte) – hinter den angemessenen Kosten (Bruttokaltmiete) einer entsprechenden Mietwohnung (erheblich) zurückblieben. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen entstanden der Klägerin in der Zeit von Januar bis Dezember 2015 inkl der Reparaturkosten in den Monaten Januar, März und August zu berücksichtigende Unterkunftskosten iHv 4.808,12 €, von März 2015 bis Feburar 2016 inkl der Reparaturkosten im März und August 2015 zu berücksichtigende Unterkunftskosten iHv 3.371,06 € und von August 2015 bis Juli 2016 inkl der Reparaturkosten im August 2015 zu berücksichtigende Unterkunftskosten iHv 2.037,35 €. Diese Kosten blieben weit hinter den für einen Sieben-Personen-Haushalt im Landkreis B-Stadt angemessenen jährlichen Unterkunftskosten für eine Mietwohnung (Bruttokaltmiete) iHv 8.904 € (§ 12 WoGG ohne „Sicherheitszuschlag“, ausgehend von der für den Landkreis B-Stadt geltenden Mietenstufe I – 600 € für einen Fünf-Personen-Haushalt zzgl jeweils 71 € für zwei weitere Personen – 742 € x 12 Monate) zurück.
dd) Auf dieser Grundlage errechnet sich ein Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag im Oktober und November 2014 iHv jeweils 400 €, im Januar und März 2015 iHv jeweils 510 €, im August 2015 iHv 515 €, im September 2015 iHv 320 € und im Oktober 2015 iHv 375, wobei hinsichtlich der einzelnen Berechnungsschritte auf die Berechnungen der Beklagten vom 21.2.2017 (Bl 135 ff der Berufungsakte) verwiesen wird, die auf Grundlage des Vorgaben des Senats erfolgten, hier nachvollzogen wurden und Grund zur Beanstandung nicht ergaben. Insoweit waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg und die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten abzuändern.
c) Im Übrigen errechnet sich auf der Grundlage der Angaben der Klägerin (Bl 39 ff der Berufungsakte) und der vorstehenden Ausführungen ein Anspruch auf Kinderzuschlag nicht. Insoweit wird ergänzend auf die Berechnungen der Beklagten vom 2.8.2016 (vgl Aktenordner zur Berufungsakte) verwiesen, die hier nachvollzogen wurden und Grund zur Beanstandung nicht ergaben. Insoweit war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
d) Die Klägerin kann einen (weitergehenden) Anspruch auch aus Art. 3 GG nicht herleiten. Dabei kann dahinstehen, ob die von ihr zitierten Dienstanweisungen verschiedener Jobcenter auf die streitigen Ratenzahlungen überhaupt oder nur auf die klassischen Mietkäufe anzuwenden sind. Denn wie die vorstehenden Darlegungen zeigen, kommt in der vorliegend maßgebenden Konstellation eine (rechtmäßige) Übernahme der monatlichen Raten als Kosten für Unterkunft iS des § 22 Abs. 1 SGB II gerade nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht aber nicht (vgl BSG, Urteil vom 10.4.2008 – B 3 P 4/07 R – RdNr. 20 zitiert nach juris).
e) Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Fortzahlung des Kinderzuschlags auch nicht auf Vertrauensschutz stützen, weil die Beklagte die Ratenzahlungen in der Vergangenheit bei ihrer Leistungsberechnung (fehlerhaft) berücksichtigte. Denn die früheren, insoweit rechtswidrig begünstigenden Bewilligungen von Kinderzuschlag schaffen keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass an der rechtswidrigen Praxis in Zukunft festgehalten wird (vgl BSG, Urteil vom 11.12.2014 – B 11 AL 3/14 R – RdNr. 20).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache selbst.
5. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich. Der Senat geht insbesondere davon aus, dass die Frage, ob Tilgungsraten im Rahmen der Anwendung des § 6a BKGG als Unterkunftskosten anzuerkennen sind, aufgrund der bereits vorliegenden BSG-Rechtsprechung, die vorstehend in Bezug genommen wurde, als geklärt angesehen werden kann, so dass der Sache keine grds Bedeutung iS § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zukommt.

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