Aktenzeichen L 19 R 1118/14
SGG § 106, § 109
Leitsatz
1. Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung (hier: Aktivitäts- und Aufmerksamkeitststörung im Erwachsenenalter).
2. Die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente müssen aus dem Versicherungsverlauf nachgewiesen sein. Lückenhafte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder lediglich vermutete rückwirkende Arbeitsunfähigkeitszeiten genügen diesen Anforderungen nicht. (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn mehrere neurolgisch-psychiatrische Gutachten übereinstimmend ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bejahen, so ist die weitere gutachterliche Ausführung nachvollziehbar, dass dieses erst mit einer weiteren, zu der Grunderkrankung hinzutretenden familiären Belastungssituation vermindert wird. (redaktioneller Leitsatz)
4. Entscheidend für das bestehende quantitative Leistungsvermögen ist, dass trotz einer ADHS-Störung und einer rezidivierenden depressiven Erkrankung die Führung eines 6-Personen-Haushaltes, die Betreuung von vier Kindern, die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, das ehrenamtliche Engagement in einem Seniorenheim und die Teilnahme an einem Chor möglich sind. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 3 R 347/11 2014-12-08 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.12.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2014 die Klage gegen den Bescheid vom 04.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2011 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gegen die Beklagte.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin lediglich bis 31.01.2011 vor. In dem gesondert durchgeführten Kontenklärungsverfahren, das beim SG noch unter dem Aktenzeichen anhängig ist, wurden keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten festgestellt. Die letzte Pflichtbeitragszeit, die im Versicherungsverlauf der Klägerin enthalten ist, stammt aus Dezember 2008 und resultiert aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II. Danach sind von der Klägerin keine weiteren Pflichtbeiträge mehr entrichtet worden, so dass auf die vor dem 31.12.2008 entrichteten Pflichtbeiträge nur dann noch zurückgegriffen werden könnte, wenn über eine Verlängerung des gesetzlichen 5 Jahreszeitraums eine Berücksichtigung dieser Zeiten möglich wäre. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hinweist, dass nach Angaben des Bezirksklinikums O. die Klägerin – rückschauend betrachtet – mindestens seit 2007 durchgängig arbeitsunfähig gewesen sei und dass deshalb Anrechnungs- oder zumindest Überbrückungstatbestände zu berücksichtigen seien, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Eine rückschauend vermutete Arbeitsunfähigkeit, wie dies in den Schreiben des Bezirksklinikums O. vom 07.09.2010 und 30.07.2013 zum Ausdruck kommt, kann nicht als Nachweis einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung gewertet werden. Auch die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen enthalten mehrere Lücken, teils über Wochen hinaus, so dass eine durchgehende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten gerade nicht vorliegt, obwohl die Bescheinigungen alle vom Bezirksklinikum O. ausgestellt worden waren. Ferner ist zu beachten, dass auch die Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezuges nicht einheitlich dokumentiert sind, vielmehr wird im Versicherungsverlauf der Klägerin auch differenziert zwischen Leistungsbezug von ALG II mit Arbeitslosigkeit, d. h. mit der vorhandenen Verfügbarkeit der Klägerin zur Arbeitsvermittlung, und Zeiten des Leistungsbezugs von ALG II ohne Arbeitslosigkeit, was z. B. mit Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin oder der Erkrankung eines ihrer Kinder verbunden sein könnte. Diese ist aber nur in der Zeit vom 01.03.2006 – 30.04.2007 und dann nochmals vom 01.05.2008 – 30.09.2008 dokumentiert. Vom 01. – 02.10.2008 ist „krank/Gesundheitsmaßnahme“ im Versicherungsverlauf enthalten. Eine weitere Berücksichtigung der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit scheidet auch deshalb aus, weil der Leistungsbezug von ALG II nicht unmittelbar an Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung anknüpft und deshalb der relevante Unterbrechungstatbestand nach § 58 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt wäre.
Ein Absinken des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin auf unter 6 Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes spätestens im Zeitpunkt 31.01.2011 ist nicht nachgewiesen, so dass eine Rentengewährung nach § 43 SGB VI nicht in Betracht kommt.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin frühestens im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. K. am 12.12.2013 nachgewiesen ist. Dr. K. kommt – unter Berücksichtigung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.08.2014 – eindeutig zu dem Ergebnis, dass ein früherer Eintritt eines Leistungsfalles nicht angenommen werden kann. Erst ab Dezember 2013 kann ein 3 – unter 6-stündiges Leistungsvermögen der Klägerin angenommen werden. Dr. K. begründet dieses Ergebnis nachvollziehbar mit einer zusätzlichen familiären Belastungssituation der Klägerin, wonach ein weiterer Sohn in psychiatrische Behandlung gegeben werden musste, nachdem er auf Facebook seinen geplanten Selbstmord mitgeteilt hatte. Auch dieser Sohn leidet – wie die anderen Kinder der Klägerin und wohl auch ihr Ehemann – unter ADHS wie die Klägerin selbst. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob aufgrund dieser Argumentation von Dr. K. überhaupt bereits von einer dauerhaften Funktionsstörung der Klägerin auszugehen ist, die zu einem nicht nur vorübergehenden Absinken ihrer quantitativen Leistungsfähigkeit geführt haben könnte oder ob nicht durch Ergreifen geeigneter Behandlungsoptionen durchaus eine Besserung des Befindens der Klägerin hätte erreicht werden können. Zu diesem Zeitpunkt sind jedenfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Aber auch bei Anknüpfung an den Untersuchungszeitpunkt von Dr. R. wären die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben.
Die Sachverständigen, die die Klägerin seit ihrem ersten Rentenantrag im Jahr 2006 begutachtet hatten, hatten alle ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sowohl für den zuletzt im Jahr 1984 von der Klägerin ausgeübten Beruf als kaufmännische Angestellte als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gesehen, mit Ausnahme von Dr. R. in ihrem Gutachten vom 05.02.2013. Diese ist zu einem unter 3stündigen Leistungsvermögen der Klägerin gelangt.
Betrachtet man zunächst die Sachverständigengutachten aus dem ersten Renten- und Sozialgerichtsverfahren, fällt auf, dass Dr. F. in ihrem Gutachten vom 11.01.2007 ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen angenommen und dabei festgehalten hatte, dass eine wesentliche Einschränkung der Alltagskompetenzen der Klägerin nicht vorlag, ebenso wenig eine depressive Erkrankung. Demgegenüber haben Dr. O. in ihrem Gutachten (nach § 106 SGG) vom 29.09.2008 und Dr. B. in seinem Gutachten (nach § 109 SGG) vom 02.06.2009 sogar eine deutliche Besserung der Symptomatik gegenüber der Begutachtung durch Dr. F. gesehen, nachdem die Klägerin wegen ihrer ADHS medikamentös und psychotherapeutisch behandelt worden war. Eine kontinuierliche Behandlung im Bezirksklinikum O. fand erst seit Mai 2007 statt, allerdings nur – wie sich aus der Bescheinigung von Dr. M., Bezirksklinikum O. vom 30.07.2013 ergibt – im Umfang von 1 x pro Quartal. Dr. O. und Dr. B. sahen nur geringe qualitative Leistungseinschränkungen, insbesondere dahingehend, dass die Klägerin aufgrund ihrer hohen Intelligenz und des vorliegenden ADHS nicht mit monotonen Arbeiten betraut werden dürfe, sondern dass entsprechende Abwechslung im Arbeitsablauf notwendig wäre, damit ihre Konzentration nicht nachlasse. Eine relevante depressive Erkrankung konnte von beiden Gutachtern nicht gesehen werden. Konsequenterweise wurde das Klageverfahren dann mit Schriftsatz der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.07.2009 durch Rücknahme beendet.
In dem hiesigen Verfahren hat die Beklagte zunächst ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von Dr. R. eingeholt, die nach Untersuchung der Klägerin am 08.12.2010 ebenfalls auf den geordneten Tagesablauf der Klägerin und ihre Alltagskompetenz ausführlich hingewiesen hat. Sie hat insbesondere dargelegt, dass die Klägerin in erster Linie unter den finanziellen Engpässen infolge der großen Familie und der Arbeitslosigkeit ihres Ehemanns litt und sie sich insgesamt als benachteiligt angesehen hatte. Eine depressive Erkrankung konnte die Sachverständige nicht erkennen. Es sollten monotone Arbeiten vermieden werden.
Zu einem vergleichbaren Bild ist Dr. K. gelangt, der im Auftrag des SG die Klägerin neurologisch-psychiatrisch am 19.04.2012 begutachtet hat. Dr. K. vermochte nur eine einfache Somatisierungsstörung, aber keine nennenswerte unüberwindbare psychische Erkrankung zu sehen. Er kam zu dem Ergebnis, dass nur eine Angst- und depressive Störung der Klägerin vorliege, aber eine Borderline-Störung nicht zu erkennen sei und er diagnostizierte eine gute Befundbesserung der psychischen Erkrankung durch die Behandlung im Bezirksklinikum O.. Auch von einem Erschöpfungssyndrom der Klägerin ist keine Rede gewesen. Er sah lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bei gleichen Diagnosen wie die bisherigen Sachverständigen.
Erst Dr. R. ist in ihrem Gutachten nach § 109 SGG vom 05.02.2013 mit Untersuchung der Klägerin am 07.11.2012 zu einem unter dreistündigen Leistungsvermögen gelangt. Zu beachten ist dabei, dass Dr. R. die gleichen Diagnosen wie die anderen Sachverständigen gestellt und ausdrücklich festgestellt hat, dass keine weiteren Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen zu berücksichtigen seien. Sie war allerdings der Meinung, dass das Ausmaß der Leistungseinschränkung der Klägerin von den anderen Gutachtern unterschätzt worden sei. Betrachtet man allerdings die Begründung von Dr. R. ihrem Gutachten und der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten weiteren Stellungnahme, fällt auf, dass die Begründungen unterschiedlich sind: im Gutachten wird der wesentliche Faktor in der parallel zur ADHS vorliegenden psychischen Erkrankung der Klägerin gesehen, die dort mit einer mittelgradigen depressiven Episode beschrieben wird, während in ihrer weiteren Stellungnahme die Begründung dahingehend erfolgt, dass die Klägerin durch die ADHS-bedingte permanente Überlastung und das Hinzutreten weiterer familiärer bzw. sozialer Probleme in einen Erschöpfungszustand geraten sei, den sie nicht mehr überwinden könne. Zwar hat sich Dr. R. nicht ausdrücklich zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles in ihrem Gutachten geäußert, andererseits beschreibt sie aber ein hinzugetretenes Erschöpfungssyndrom, das sich im Laufe der Jahre verschärft und schließlich zu einer Dekompensation der Klägerin geführt habe. In ihrer weiteren Stellungnahme hat sie aber dann ein unter 3stündiges Leistungsvermögen ab Antragstellung angegeben, ohne sich mit den in der Zeit zwischen 2010 und 2013 erstellten Gutachten der anderen Sachverständigen auseinanderzusetzen.
Dr. K. hatte in seinem Terminsgutachten vom 12.12.2013 bei vergleichbaren Diagnosen eine Dekompensation der Klägerin im Herbst 2013 angenommen, nachdem sich die psychische Erkrankung ihres Sohnes derart manifestierte, dass er in stationäre psychiatrische Behandlung gebracht werden musste. Dr. K. sah allerdings auch entsprechende Behandlungsoptionen der Klägerin durch konsequente psychiatrische, verhaltenstherapeutische und medikamentöse Behandlung, so dass er ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen nach Ablauf von 2 Jahren für wahrscheinlich hielt. Dr. K. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.08.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits seit ihrem 12. Lebensjahr unter ADHS leide und seitdem wiederkehrend medikamentöse Behandlung benötigte, die es ihr aber auch ermöglichte, einen Ausbildungsberuf ergreifen zu können und in Vollzeit zu arbeiten. Eine relevante psychische Erkrankung der Klägerin sei in den vorliegenden Gutachten nicht gesehen worden und auch von Dr. R. nicht in ausgeprägtem Umfang in ihrem Gutachten beschrieben worden. Die in der psychologischen Zusatzbegutachtung am 07.11.2012 festgestellten gut durchschnittlichen Ergebnisse sprächen eher gegen als für eine belegbare Leistungsminderung der Klägerin.
Für den Senat ist aufgrund der vorliegenden Gutachten und der persönlichen Angaben der Klägerin durchaus nachvollziehbar, dass eine Einschränkung der qualitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin bereits seit Antragstellung oder auch schon früher bestanden hat, die von den Sachverständigen durchgehend auch beschrieben wird. Eine quantitative Leistungsminderung vermag der Senat aber frühestens im Herbst 2013 zu erkennen, wie von Dr. K. beschrieben. Wenn die Klägerin – wie von Dr. R. beschrieben – durch tatsächliche kontinuierliche Überforderung ihrer eigenen Kapazitäten ihre gesundheitliche Situation verschlechtert hätte, könnte mit der Verschärfung der familiären Probleme durchaus eine Dekompensation eingetreten sein. Einen Nachweis hierfür für einen früheren Zeitpunkt sieht der Senat nicht.
Entscheidend für den Senat ist, dass die Klägerin offenbar trotz der ADHS-Störung und der rezidivierenden depressiven Erkrankung in der Lage war, ihren Tagesablauf zu strukturieren und einen 6-Personen-Haushalt zu organisieren. Nach ihren eigenen Angaben haben die Kinder ihre Schulausbildung absolvieren können, eine Organisation des alltäglichen Ablaufs erschien der Klägerin möglich. Sie hat bei den Sachverständigen durchweg Aktivitäten geschildert, die über die bloße Haushaltsführung hinausgehen, insbesondere die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte im Freundes- und Bekanntenkreis, darüber hinaus, wie etwa im Gutachten von Dr. K., gibt die Klägerin an, in einem afrikanischen Chor gesungen zu haben, Chorproben zu besuchen, in einem Seniorenheim ehrenamtlich tätig zu sein. Sie unterhalte sich mit Senioren, bekomme dafür allerdings keinen Lohn. Sie hilft auch beim Sonntagsgottesdienst im Altenheim mit. Einmal wöchentlich geht sie da hin, um vorzulesen und zu singen. Aus den Gutachten geht hervor, dass insbesondere die finanziell angespannte Situation der Familie durchaus ein entscheidendes Element für die depressiven Phasen darstellt. Sie selber hat gegenüber Dr. K. auch angegeben, dass es ihr seit Sommer 2013 schlechter gegangen sei und die psychiatrische Behandlung des 3. Sohnes ab dem Oktober 2013 stelle eine weitere psychische Belastung für sie dar. Im September 2013 habe der Sohn einen Facebook-Notruf mit einer Selbstmordankündigung gemacht. Im Oktober 2013 sei er 24 Stunden verschwunden gewesen. Damals hätte sie die Polizei informiert. Die Klägerin hat des Weiteren angegeben, dass sie sich gelegentlich auch damit beschäftigt habe, über eBay Kleinigkeiten aus ihrem Haushalt zu verkaufen. Im Haushalt falle ihr vieles schwer, vor allem wenn es um Ordnung gehe. Einkäufe würden schwer fallen, auch wegen eines Innendrucks aufgrund der finanziellen Situation. Sie könne sich schwer entscheiden, was wichtig sei und was nicht. Sie vergesse auch mehr als früher.
Die Leistungseinschätzung der Gutachter, die zu einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen gelangt sind, wird durch das Gutachten von Frau Dr. R. nicht widerlegt, zumal Dr. R. ihre Leistungseinschätzung nicht nachvollziehbar begründet. Sie stützt sich im Wesentlichen auf die subjektiven Angaben der Klägerin, ohne den Versuch zu unternehmen, diese nachhaltig zu objektivieren und dies im Lichte der vorliegenden Gutachten zu werten. Auch die relativ geringe Behandlungsintensität und die festgestellte Strukturiertheit der Klägerin zur Organisation ihres Tagesablaufs und der Versorgung ihrer Familie wurden nach Ansicht des Senats nicht ausreichend von der Sachverständigen gewürdigt. Gleiches gilt für die psychologische Zusatzbegutachtung durch Dipl. Psych. N.. Sie beschreibt selbst, dass die Klägerin ausreichende Mechanismen entwickelt habe, um die Versorgung ihrer sechsköpfigen Familie zu gewährleisten und dass sie hierfür über ausreichende Ressourcen verfüge. Anzeichen für Erschöpfungs- oder Überforderungssymptome rechtfertigen für sich allein aber nicht die Annahme eines dauerhaft quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögens der Klägerin, ebensowenig die Neigung der Klägerin zu ausschweifender und umständlicher Kommunikation, die konstruktive und zielorientierte Gespräche erschwerten. Jedenfalls ist ein Nachweis eines dauerhaft quantitativ abgesunkenen Leistungsvermögens der Klägerin spätestens am 31.01.2011 nicht geglückt. Die Klägerin trägt hierfür aber die objektive Beweislast.
Der Senat sieht im Hinblick auf den letztmals möglichen Leistungsfall im Januar 2011 keine Veranlassung zur Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nach § 106 SGG, zumal von Seiten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine weiteren gesundheitlichen Einschränkungen vorgetragen wurden, die bislang noch nicht berücksichtigt worden wären. Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwar schriftsätzlich gestellt, aber in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt. Der Senat sieht auch keine Veranlassung zur Einholung eines solchen Gutachtens, weil es dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin darum geht, die Würdigung der vorliegenden Gutachten im Hinblick auf die Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin von dem benannten Sachverständigen vornehmen zu lassen. Diese Würdigung ist aber Aufgabe des Senats im Rahmen der hier vorliegenden Entscheidung.
Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 08.12.2014 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.