Sozialrecht

Streit über die Bedeutung eines behördlichen Schreibens im Verfahren um einen Anschluss- und Benutzungszwang im Wasserecht

Aktenzeichen  Au 7 K 17.1943

Datum:
9.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25357
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WAS § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 25 Nr. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 1
BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

1. Die satzungsmäßige Einführung des Benutzungs- wie auch Anschlusszwangs für eine gemeindliche Einrichtung der Daseinsvorsorge beinhaltet grundsätzlich lediglich eine Inhaltsbestimmung und Ausgestaltung der Sozialbindung des Eigentums, das von vornherein mit der Pflichtigkeit der jederzeitigen Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs belastet ist. Die eine derartige Inhaltsbestimmung des Eigentums festlegende gemeindliche Satzung darf aber Inhalt und Grenzen des Eigentums nicht in einer Weise bestimmen, die grob sachwidrig wäre und in die Belange der Beteiligten ohne Grund übermäßig eingreifen würde. Deshalb muss eine solche Satzung für die Fälle, in denen die dabei zu beachtende Opfer- oder Zumutbarkeitsgrenze überschritten werden könnte, eine Möglichkeit der Befreiung vom Benutzungs- bzw. Anschlusszwang vorsehen. (Rn. 54 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das einfache Schreiben einer Behörde, ohne die Überschrift “Bescheid” und ohne die Erteilung eine Rechtsmittelbelehrung, stellt zwar keinen formellen Verwaltungsakt dar. Es kann sich dabei aber dennoch um einen materiellen Verwaltungsakt handeln, wenn nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung und einer entsprechenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB die Voraussetzungen des § 35 S. 1 BayVwVfG erfüllt sind. (Rn. 58 – 74) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2017 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Anfechtungsklage führt auch in der Sache zum Erfolg.
I.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. November 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Untersagung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st.Rspr. s. z.B. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris), d.h. zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses durch Zustellung an den Bevollmächtigten am 29. November 2017.
Die Beklagte durfte von der Klägerin nicht die Unterlassung des Bezugs von Wasser aus dem brauereieigenen Brunnen für den Verwendungszweck Flaschenreinigung verlangen, da sie der Klägerin (auch) für diesen Verwendungszweck mit Bescheid vom 14. September 2006 bereits eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang erteilt hat.
1. Die Beklagte betreibt nach Maßgabe ihrer Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Gemeinde … (Wasserabgabesatzung – WAS) vom 4. Dezember 2013 eine Wasserversorgungsanlage als öffentliche Einrichtung. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 WAS hat jeder Eigentümer eines von der Anlage erschlossenen Grundstücks das Recht, sein Grundstück an die Anlage anzuschließen und mit Wasser beliefert zu werden. Gemäß § 5 Abs. 1 WAS sind die zum Anschluss Berechtigten i.S.d. § 4 WAS verpflichtet, die Grundstücke, auf denen Wasser verbraucht wird, an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung anzuschließen (Anschlusszwang). Ein Anschlusszwang besteht nicht, wenn der Anschluss rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Gemäß § 5 Abs. 2 WAS ist auf Grundstücken, die an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung angeschlossen sind, der gesamte Bedarf an Wasser im Rahmen des Benutzungsrechts (§ 4 WAS) ausschließlich aus dieser Einrichtung zu decken (Benutzungszwang). Ausnahmen gelten gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 WAS für gesammeltes Niederschlagswasser für Zwecke der Gartenbewässerung und der Toilettenspülung.
Gemäß § 6 Abs. 1 WAS wird von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung auf Antrag ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der WAS sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO können die Gemeinden durch Satzung aus Gründen des öffentlichen Wohls nicht nur den Anschluss an eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung vorschreiben, sondern auch die Benutzung dieser Einrichtung zur Pflicht machen. Die satzungsmäßige Einführung des Benutzungswie auch Anschlusszwangs für eine gemeindliche Einrichtung der Daseinsvorsorge beinhaltet grundsätzlich lediglich eine Inhaltsbestimmung und Ausgestaltung der Sozialbindung des Eigentums, das von vornherein mit der Pflichtigkeit der jederzeitigen Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs belastet ist. Die eine derartige Inhaltsbestimmung des Eigentums festlegende gemeindliche Satzung darf aber Inhalt und Grenzen des Eigentums nicht in einer Weise bestimmen, die grob sachwidrig wäre und in die Belange der Beteiligten ohne Grund übermäßig eingreifen würde. Deshalb muss eine solche Satzung für die Fälle, in denen die dabei zu beachtende Opfer- oder Zumutbarkeitsgrenze überschritten werden könnte, eine Möglichkeit der Befreiung vom Benutzungs- bzw. Anschlusszwang vorsehen. Diesen Anforderungen genügt die Wasserabgabesatzung der Beklagten vom 4. Dezember 2013. Sie enthält in § 6 Abs. 1 eine verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdende Befreiungsmöglichkeit (vgl. zum Ganzen VG Ansbach, U.v. 23.7.2013 – AN 1 K 11.01339 – juris Rn. 82 ff. m.w.N.).
2. Der Unterlassungsbescheid ist formell rechtmäßig, da die Klägerin ordnungsgemäß angehört worden und der schriftliche Bescheid mit einer Begründung versehen ist (Art. 28 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz -BayVwVfG).
3. Er ist aber in materieller Hinsicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Unterlassungsaufforderung ist § 25 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 WAS.
a) Gemäß § 25 Nr. 1 WAS kann die Gemeinde zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Zu diesen Verpflichtungen gehört u.a. die Verpflichtung zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung, d.h. der Benutzungszwang i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 WAS. Der Benutzungszwang besteht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 WAS grundsätzlich zwar ausdrücklich für den gesamten Bedarf an Wasser, findet aber jedenfalls dort seine Grenze, wo von ihm gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 WAS befreit worden ist. Ob ein Anspruch auf Befreiung unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 WAS zum maßgeblichen Zeitpunkt der Unterlassungsaufforderung gegeben war bzw. aktuell noch gegeben ist, braucht vorliegend nicht geprüft zu werden. Maßgeblich ist allein der Umfang der durch Bescheid vom 14. September 2006 tatsächlich bereits erteilten, bestandskräftigen Befreiung. Nach Ermittlung und Auslegung des Inhalts der erteilten Befreiung ist die Kammer davon überzeugt, dass der streitgegenständliche Verwendungszweck der Flaschenreinigung unter Bezugnahme auf den zugrunde liegenden Antrag der Klägerin vom 8. November 2004, den Gemeinderatsbeschluss vom 12. September 2006 sowie das Schreiben des damaligen Ersten Bürgermeisters der Beklagten an das Landratsamt … vom 14. September 2006 von der Befreiung mitumfasst sein sollte.
aa) Die Kammer geht zunächst davon aus, dass das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 14. September 2006 ohne die Überschrift „Bescheid“ und Rechtsbehelfsbelehrung:zwar keinen formellen, gleichwohl aber einen materiellen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt.
Nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist Verwaltungsakt jede Verfügung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Das maßgebliche Schreiben der Beklagten erfüllt diese Anforderungen, da die Beklagte darin insbesondere eine „Regelung“ getroffen hat. Unter dem für das Vorliegen eines Verwaltungsakts erforderlichen Tatbestandsmerkmal der „Regelung“ ist das Setzen einer Rechtsfolge zu verstehen. Durch die geforderte Regelungswirkung grenzt sich ein Verwaltungsakt von einem rein tatsächlichen Verwaltungshandeln d.h. einem schlicht-hoheitlichen Tätigkeitwerden durch einen Realakt ab. Die Regelung ist vorliegend in der – auf die aufgeführte Abtretung eines Wasserkontingents an die Klägerin von 200.000 m ³ bezogenen – „entsprechende(n) Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang der gemeindlichen Wasserversorgungsanlage“ zu sehen.
Zwar ist die allgemeine Formulierung im Schreiben vom 14. September 2006 insofern unglücklich, als daraus nicht ohne weiteres auf den ersten Blick der Umfang der Regelung d.h. der die Klägerin begünstigenden Entscheidung ableitbar ist. Jedoch hat für die Klägerin als Empfängerin dieses Schreibens vor dem Hintergrund ihres Antrags zu keinem Zeitpunkt ein vernünftiger Zweifel am Regelungsgehalt dieses Schreibens bestanden.
Die insofern nicht gänzlich treffende, gewählte Überschrift „Abtretung eines Wasserkontingents“, der Einleitungssatz („Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können …“) sowie die Grußformel am Ende („Mit freundlichen Grüßen“) vermitteln insgesamt zwar eher den Eindruck eines formlosen Briefes als den eines Bescheides, sind indes gleichwohl unschädlich, da ein Verwaltungsakt nicht an eine bestimmte Form gebunden ist. Vielmehr kann er gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise d.h. gänzlich formfrei erlassen werden.
bb) Das Schreiben vom 14. September 2006, dem mithin Verwaltungsaktsqualität zukommt, legt zwar nicht ausdrücklich den Umfang der Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 WAS offen und erwähnt insbesondere auch nicht explizit die streitgegenständliche Flaschenwaschanlage. Allerdings ist sein Inhalt der Auslegung zugänglich und durch diese zu ermitteln. Eine an den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) orientierte Auslegung ergibt vorliegend, dass auch die Flaschenwaschanlage von der Befreiung mitumfasst sein sollte.
Auslegungsmaßstäbe sind grundsätzlich die – auch im öffentlichen Recht als allgemeine Rechtsgrundsätze für die Auslegung einer Erklärung entsprechend heranzuziehenden – §§ 133, 157 BGB. Maßgeblich für die Auslegung einer behördlichen Entscheidung ist danach ihr objektiver Erklärungswert, der nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bewerten ist. Dabei ist der objektive Erklärungswert der Behördenregelung zu ermitteln, wie er sich aus der Sicht des Adressaten verständigerweise ergibt. Abzustellen ist dabei darauf, ob aus dem Gesamtinhalt des Bescheids und aus dem Gesamtzusammenhang, vor allem auch aus der von der Behörde gegebenen Begründung der Regelung sowie aus den den Beteiligten bekannten näheren Begleitumständen des Falls hinreichende Klarheit gewonnen werden kann. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 5.11.2009 – 4 C 3.09 – BVerwGE 135, 209 – juris Rn. 21; U.v. 3.3.2005 – 2 C 13/04 – NVwZ-RR 2005, 591 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 1.7.2014 – 20 ZB 14.590 – juris Rn. 7; B.v. 6.5.2014 – 20 CS 14.791 – juris Rn. 3; B.v. 13.8.2009 – 22 ZB 07.1835 – juris Rn. 7). Auch der Antrag und die ihm beigefügten Unterlagen können den Inhalt des Verwaltungsaktes mitbestimmen, sofern in ihm wie vorliegend auf diese Bezug genommen wird (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 76).
Dabei ist davon auszugehen, dass die Behörde im Zweifel eine durch Verwaltungsakt abschließende Regelung treffen will, um so eine rechtsbeständige Entscheidung herbeizuführen.
(1) Ausgangspunkt einer jeden Auslegung von Regelungsinhalt und -umfang eines Verwaltungsakts ist dabei stets dessen Wortlaut. Der im Befreiungsbescheid unglücklich formulierte Tenor („Insoweit erfolgt hier auch eine entsprechende Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang der gemeindlichen Wasserversorgungsanlage.“) kann nur unter Bezugnahme auf den zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschluss sowie den diesem wiederum zugrundeliegenden Antrag (vgl. die Verweisungsbegriffe „insoweit“, „entsprechende“) in seinem Sinngehalt erfasst werden. Durch den Zuschnitt des Befreiungsbescheides auf den Antrag der Klägerin (vgl. „das von Ihnen gewünschte Wasserkontingent von 200.000 m³ pro Jahr“) ergibt sich allein aus diesem noch nicht zwangsläufig, dass auch die streitgegenständliche Flaschenwaschanlage von der Befreiung umfasst sein sollte. Zwar spricht die angesprochene wunschgemäße Ausführung deutlich für ein volles, antragsgemäßes Entsprechen. Erst die Einbeziehung dieses Antrags sowie des zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlusses kann indes zu einer vollen Aufklärung des Inhalts der Befreiung führen, wie er sich einem objektiven Empfänger in der Rolle der Klägerin erschloss.
(2) Die Klägerin begehrte mit ihrem Antrag vom 8. November 2004 die – im Schreiben vom 14. September 2006 erfolgte – „Abtretung von 200.000 m³ Trinkwasser aus der wasserrechtlich beschiedenen Entnahmemenge der Gemeinde … zugunsten der Brauerei“. Mit der ausdrücklich gewünschten „Abtretung“ ist nach entsprechender Auslegung des Erklärungsinhalts gemäß den oben aufgezeigten Grundsätzen damit einhergehend zugleich die entsprechende förmliche Befreiung nach § 6 Abs. 1 WAS gewollt. Auch die Klägerin erwähnte in ihrem Antrag die streitgegenständliche Flaschenwaschanlage also nicht ausdrücklich, stellte diesen aber explizit „auf Grundlage des beiliegenden Schreibens der … vom 22.10.2004“. Dieses Gutachten beschrieb unter dem Punkt „2.1 Ausgangslage“ auf seiner ersten Seite die Absicht der Brauerei, „künftig das Produktionswasser (Wasserenthärtungsanlage, d.h. Flaschenwaschmaschine und Sudhaus sowie Limonadenproduktion) über einen neuen, brauereieigenen Tiefbrunnen (…) zu fördern“ (Anm.: Hervorhebung durch Verfasser). Der Begriff der „Wasserenthärtungsanlage“ stellte demzufolge einen Oberbegriff u.a. für die „Flaschenwaschanlage“ dar. Unter dem Punkt „2.4 Voraussetzungen und Ziele“ hieß es: „Auch für die bei der Flaschenwaschmaschine benötigte Wasserenthärtung ist die wechselnde chemische Beschaffenheit von großem Nachteil.“ (Anm.: Hervorhebung durch Verfasser). Hierdurch wurde klargestellt, dass die Wasserenthärtung (und damit natürlich auch die hierfür benötigte Wasserenthärtungsanlage) gerade der Flaschenwaschanlage dient. Die Kammer geht übereinstimmend mit dem Klägerbevollmächtigten davon aus, dass eine Enthärtungsanlage nach ihrer technischen Funktionsweise und ihrem bestimmungsgemäßen Einsatz selbst kein Wasser verbraucht (jedenfalls nicht in relevanten Mengen, abgesehen von einem vernachlässigbaren Betriebsverlust), sondern dafür eingesetzt wird, Wasser für andere Zwecke, hier die Flaschenwaschanlage, vorzubereiten. Eine Befreiung ausschließlich für die Enthärtungsanlage an sich ohne Blick auf die erst nachfolgende, tatsächliche Verwendung des über die Enthärtungsanlage laufenden Wassers hätte insofern keinen echten Sinngehalt.
(3) Die dem Bescheid vom 14. September 2006 zugrundeliegende Beschlussfassung des Gemeinderats der Beklagten vom 12. September 2006 über die Abtretung eines Wasserkontingents von 200.000 m³ pro Jahr an die Klägerin „gemäß ihrem Antrag“ und die dementsprechende Befreiung kann folglich nur unter Einbeziehung des oben aufgezeigten Antragsgegenstands verstanden werden. Der vorgelegte Beschlussbuchauszug der Beklagten vom 12. September 2006 enthält insbesondere keine weiteren Details, welche Aufschluss über den Ablauf der Beratung und Beschlussfassung geben könnten. Soweit im Beschluss daher u.a. vom Nutzungszweck der „Enthärtungsanlage“ die Rede ist, ist davon auszugehen, dass dieser – dem Antrag der Klägerin auf Grundlage des Gutachtens entsprechend – auch die Flaschenwaschmaschine enthielt. Dies gilt umso mehr, als eine Enthärtungsanlage nur der Enthärtung des für andere Zwecke benötigten Wassers dient, aber gerade keinen Selbstzweck verfolgt und mithin per se auch keinen eigenständigen Wasserbedarf aufweist. Dieser Gemeinderatsbeschluss wurde im nur zwei Tage später erlassenen Befreiungsbescheid seitens der Verwaltung der Beklagten auch ausdrücklich in Bezug genommen („Vergleichen Sie hierzu bitte auch den beiliegenden Beschlussbuchauszug.“). Ein objektiver Empfänger des Befreiungsbescheides inklusive beiliegendem Beschlussbuchauszug konnte daher nur davon ausgehen, dass die angesprochene, von der Befreiung erfasste „Enthärtungsanlage“ auch die – gemäß Antrag und Gutachten hierzu gehörende – Flaschenwaschmaschine miterfassen sollte.
(4) Das so gefundene Auslegungsergebnis wird weiter gestützt durch das Schreiben des damaligen Ersten Bürgermeisters der Beklagten an das Landratsamt, ebenfalls datierend auf den 14. September 2006, d.h. den Tag des Bescheidserlasses, in welchem mitgeteilt wurde, dass sich die „Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gegenüber der Brauerei (…) ausschließlich auf Wasser zur Getränkeherstellung sowie für die Flaschenwaschanlage“ bezieht. Dieses Schreiben ging ausweislich des handschriftlichen Vermerks „zu Hd. Fr. …“ zu irgendeinem, nicht näher bekannten Zeitpunkt auch der Seite der Klägerin zu. Vor dem Hintergrund der antragsgemäßen Befreiung laut Bescheid inklusive beiliegendem Beschlussbuchauszug vom selbigen Tag wäre es mehr als widersprüchlich, die im Schreiben an das Landratsamt sogar ausdrücklich beinhaltete Flaschenwaschanlage nicht als Teil der – laut Gemeinderatsbeschluss von der Befreiung erfassten – Enthärtungsanlage anzusehen, da letztere gemäß dem – dem Antrag zugrundeliegenden – Gutachten sich u.a. aus dieser zusammensetzt.
Auch die Erklärung, dass die Verhandlungen „nunmehr zu einem positiven Ende geführt werden“ konnten, bestätigt den oben bereits angesprochenen Gedanken, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Bescheid die von ihm geregelte Rechtslage abschließend behandeln will. Durch Bekanntgabe des Befreiungsbescheids vom 14. September 2006 wurde das Verwaltungsverfahren folglich abgeschlossen. Nichts anderes ist aus der Sicht eines objektiven Empfängers auch dem Befreiungsbescheid zu entnehmen, der keinerlei Ablehnung des gestellten Antrags enthält, sondern vielmehr vom „gewünschten Wasserkontingent“ spricht.
b) Da folglich der ausgesprochenen Untersagung für den Nutzungszweck der Flaschenwaschanlage die bestandskräftige Teilbefreiung vom 14. September 2006 gemäß § 6 Abs. 1 WAS entgegensteht, ist schon der Tatbestand des § 25 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 WAS mangels eines diesbezüglichen Benutzungszwangs nicht erfüllt. Eine Überprüfung der Ermessenserwägungen für die Einzelfallanordnung i.R.d. § 25 Nr. 1 WAS („kann“) in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO erübrigt sich mithin.
c) Auf die weiteren vorgebrachten Einwände der Klägerin zur Trinkwasserqualität, Qualitätsschwankungen, drohenden Korrosionsschäden, erhöhtem Nitratgehalt, Entfall der Kennzeichnungsmöglichkeit als natürliches Mineralwasser etc. im Rahmen der fehlenden Zumutbarkeit der Benutzung des gemeindlichen Wassers i.S.d. § 6 Abs. 1 WAS kommt es daher im vorliegenden Verfahren nicht mehr an.
II.
Als unterliegende Partei trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Alt. 2, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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