Aktenzeichen L 19 R 399/14
Leitsatz
1. Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Rentenklage kann nicht deshalb verneint werden, weil eine mögliche Erwerbsminderungsrente mit einer Pension verrechnet werden würde. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 14 R 1290/10 2011-09-14 SGWUERZBURG SG Würzburg
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.09.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers kann nicht verneint werden, selbst wenn es bisher keine Belege für ein finanzielles Interesse des Klägers im Gefolge der von ihm geäußerten Hoffnung, dass eine Erwerbsminderungsrente nicht in vollem Umfang mit der Pension verrechnet werde, gibt. Der Kläger hat jedenfalls ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung darüber, ob ihm ein Rentenanspruch gegenüber der Beklagten zusteht oder nicht.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1.voll erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach dieser Vorschrift ist ein eventueller Rentenanspruch auf die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze begrenzt. Im Fall des Klägers – Geburtsjahrgang 1951 – ist die Regelaltersgrenze nach § 235 Abs. 2 SGB VI bei 65 Jahren 5 Monaten gelegen. Damit ergibt sich, dass beim Kläger ab 15.12.2016 die Regelaltersgrenze erreicht bzw. überschritten war, so dass eine evtl. danach eintretende volle Erwerbsminderung ohne rentenrechtliche Bedeutung wäre und auch Ermittlungen zu einer möglichen Verschlechterung der medizinischen Situation entbehrlich sind.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat der Kläger nach der nachträglichen Zulassung durch die Beklagte zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen über § 241 Abs. 2 SGB VI für alle in Frage kommenden Zeitpunkte eines medizinischen Leistungsfalls erfüllt. Der Kläger hat offensichtlich die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI), d.h. 60 Kalendermonaten, mit Beitragszeiten zurückgelegt und damit die Bedingung aus § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt. Die allgemeine Wartezeit war beim Kläger darüber hinaus bereits schon vor dem 01.01.1984 erfüllt gewesen (175 Kalendermonate Pflichtbeitragszeit), so dass für ihn die Schutzvorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI zum Tragen kommt. Nach dieser Vorschrift entfällt die weitere Bedingung aus § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, die der Kläger in Ermangelung von Pflichtbeitragszahlung während seiner aktiven Beamtenzeit und der nachfolgenden Pensionierung nicht hätte erfüllen können. Allerdings erfolgt dies nur unter der Bedingung, dass sämtliche Kalendermonate vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 241 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 bis 6 SGB VI) belegt sind oder noch belegt werden können (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Dies ist beim Kläger nach dem Ergebnis des Rechtsstreites S 8 R 796/12 der Fall.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist nach den einhelligen ärztlichen Darlegungen in der Zeit ab dem traumatischen Ereignis am 08.03.2001 nur noch unter 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig gewesen. Eine Differenzierung in eine anfängliche Zeit der Arbeitsunfähigkeit und den erst verzögerten Eintritt von Erwerbsminderung im Herbst 2002, wie sie Dr. K. in seiner aktuellen Stellungnahme andeutet, sieht der Senat nicht als geboten an. Ärztliche Feststellungen zu einem Eintritt einer dauerhaften zeitlichen Einschränkung auf weniger als 3 Stunden täglich bereits zu einem Zeitpunkt vor März 2001 – etwa im Zusammenhang mit dem Unfall 1967 – liegen in keiner Weise vor und auch die tatsächlichen Geschehensabläufe mit einer umfangreichen beruflichen Tätigkeit des Klägers sprechen dagegen.
Zur Überzeugung des Senats war der Kläger bis zum 07.03.2001 in der Lage gewesen, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, mit geringen Einschränkungen seiner Handfunktion und seiner Belastbarkeit; letzteres im Zusammenhang mit längerdauernden Schmerzempfindungen.
Die volle Erwerbsminderung ist aus Sicht des Senats beim Kläger bis Ende 2007 als belegt anzusehen. Danach ist eine deutliche Besserung dokumentiert mit nahezu Symptomfreiheit und Anstieg der Belastbarkeit. Dies hat sogar den zeitweiligen Einsatz im zuvor ausgeübten Beruf zugelassen, obwohl gerade damit die stärksten Belastungsauslöser verbunden waren. Die Berufsausübung wurde von den behandelnden Ärzten seinerzeit auch nicht als problematisch beschrieben, sondern eine weitere Steigerung der Einsatzzeit befürwortet. Dass seitens der Beschäftigungsstelle dies kritischer gesehen wurde – vor allem auch wegen Problemen im Zusammenhang mit einer Entkoppelung vom aktuellen Fachstand -, führt nicht dazu, dass damit der Fortbestand oder das Wiedereintreten von voller Erwerbsminderung belegt wäre. Am Vorrang der wiederholten und über einen längeren Zeitraum erfolgten zeitnahen ärztlichen Ausführungen ändert sich auch nichts dadurch, wenn aktuell die Besserungsphasen pauschal negiert werden (Dr. K. am 02.05.2017) oder die tatsächlichen Wiedereingliederungsversuche als problematischer beschrieben werden (Dr. A. am 02.05.2017). Andeutungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung, dass es sich seinerzeit um tendenzgeleitete ärztliche Angaben gehandelt haben könnte, überzeugen nicht; zu bedenken ist auch, dass andernfalls die Aussagequalität der Angaben der behandelnden Ärzte wesentlich verschlechtert und entwertet wäre und der Kläger dann erhebliche Probleme beim Nachweis der damaligen gesundheitlichen Situation haben dürfte. Ab Januar 2008 ist eine Einschränkung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 3 Stunden nicht mehr anzunehmen, wenn die behandelnden Ärzte sogar einen mehrstündigen Einsatz im – wie zu bedenken gegeben – besonders belasteten – weil mit der Traumasituation konfrontierenden – Beruf des Berufsschullehrers für gesundheitlich verantwortbar angesehen hatten. Eine volle Erwerbsminderung hat beim Kläger in dieser Zeit sicherlich nicht bestanden.
Soweit im Gefolge des Scheiterns der Wiederaufnahme des Berufes und der sich ausweitenden familiären Probleme erneute psychische Belastungsreaktionen des Klägers zu beobachten gewesen waren, hat es sich nach den Darlegungen des Gutachters M. I. hierbei um behandelbare und erfolgreich – zumindest im Sinne einer Besserung – behandelte Erkrankungen gehandelt, die keine dauerhaften Einschränkungen quantitativer Art mit sich gebracht haben. Der Senat folgt dieser Auffassung. Dem widersprechen die Gutachtensergebnisse der Dr. von B. nicht, da dieser nicht die umfangreichen Unterlagen wie M. I., sondern in erster Linie aktuelle Angaben der Behandler Dr. A. und Dr. K. zur Verfügung gestanden hatten. Diese verzerren in ihren aktuellen Darlegungen jedoch eindeutig den medizinischen Verlauf ins Negative, ohne die Gründe dafür auch nur zu diskutieren. Die gesundheitlichen Einschränkungen haben nämlich nicht durchgängig so vorgelegen, wie sich aus ihren eigenen Attesten in der Zeit von 2008 bis 2011 entnehmen lässt. Selbst wenn sie unter Einbezug heutiger Erkenntnisse manche damalige Einschätzung revidieren wollten, müssten sie dies ganz anders psychodynamisch darlegen. So verbleibt nur eine inkonsistente Darstellung, die sich als Nachweis einer neuerlichen Verschlechterung aus Sicht des Senats nicht eignet und auch vom Gutachter M. I. so nicht nachvollzogen worden ist. Somit sind beim Kläger nach 2008 zwar mit Arbeitsunfähigkeit verbundene akute Erkrankungen bzw. Verschlechterungen ersichtlich, eine dauerhafte oder längerdauernde Auswirkung auf die zeitliche Einsatzfähigkeit des Klägers im Erwerbsleben ist jedoch nicht nachgewiesen.
Da die gutachterlichen Ergebnisse in dieser Zeit auch eine dauerhafte zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von weniger als 6 Stunden, aber mehr als 3 Stunden – d.h. teilweise Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI – nicht bestätigt haben, scheidet neben der teilweisen Erwerbsminderung auch die volle Erwerbsminderung, die sich bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hätte ergeben können (vgl. BSG, Beschluss vom 10.12.1976, Az. GS 2/75 u.a. – nach juris), aus.
Zwar kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung auch dann erfolgen, wenn die in § 43 Abs. 2 SGB VI geforderte quantitative Einschränkung nicht besteht; dazu müssten jedoch die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was aus Sicht des Senates nicht der Fall ist. Für die Prüfung ist nach dem BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R – nach juris) mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich – außerhalb des Zeitraums von ca. Mitte März 2001 bis Ende Dezember 2007 – bereits keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da fast alle Arbeitsfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen wären. Zwar kommen zu den Beschränkungen der psychischen Leistungskapazität noch geringere Einschränkungen der körperlichen Funktionen als Spätfolgen des Unfalls von 1967 hinzu. Aber selbst wenn man zur Annahme der ernstlichen Zweifel gelangen würde, so stellen jedenfalls die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sich nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine – ggf. funktionale – Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen dar. Eine solche Summierung würde voraussetzen, dass zu den Einschränkungen der Belastbarkeit, wie sie üblicherweise bei physisch und teilweise psychisch geschwächten Erwerbsfähigen zu beobachten sind, besondere weiter reichende Einschränkungen hinzutreten. Die beim Kläger festgestellten Einschränkungen sind dagegen gerade nicht so weitgehend, insbesondere sind die Einschränkungen der Sinneswahrnehmung moderat. Hinzu kommt, dass der Kläger bei Ausübung einer beruflichen Tätigkeit auf intellektuelle Ressourcen zurückgreifen könnte.
Die mit dem Hauptantrag vom Kläger angestrebte Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung kann nach dem bisher Festgestellten nicht erfolgen.
Außerhalb der Zeit vom 08.03.2001 bis längstens 07.01.2008 fehlt es am Nachweis der medizinischen Voraussetzungen für volle Erwerbsminderung. Eine erneute Verschlechterung der Gesundheit des Klägers wird von Dr. A. heute auf Anfang 2012 beschrieben, während sie zeitnah im Mai 2012 noch eine fortgesetzte Besserung beschrieben hatte; diese Widersprüche mindern der Wert dieser Einschätzung erheblich. Ein Verschlechterungsnachweis wäre somit höchstens ab der Untersuchung bei Dr. von B. am 13.05.2016 vorstellbar, was bei dem Regelfall einer Zeitrente wegen § 101 Abs. 1 SGB VI erst eine Leistungsgewährung ab 01.11.2016 ermöglichen würde. An beiden Zeitpunkten stünde einer Rentengewährung aber zusätzlich § 34 Abs. 4 SGB VI entgegen, weil es sich um einen nachträglichen Wechsel von einer Altersrente in eine Rente wegen Erwerbsminderung handeln würde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bewilligung der Altersrente wegen Schwerbehinderung bereits bindend geworden ist oder nicht, für die Zeit des Bezugs dieser Rente, der auch vom Kläger bestätigt worden ist und rückwirkend für die Zeit ab November 2011 erfolgt ist.
Für die Zeit vom 08.03.2001 bis längstens 07.01.2008 scheitert die Rentengewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung am fehlenden Rentenantrag: Nach § 99 Abs. 2 SGB VI käme bei Stellung des Rentenantrags am 31.12.2009 für einen Leistungsfall ab 08.03.2001 grundsätzlich eine Rentenleistung ab 01.12.2009 in Betracht; da zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr nachgewiesen waren, konnte keine Rentengewährung erfolgen. Auch eine Anwendung von § 116 Abs. 2 SGB VI kam nicht in Betracht; nach den Unterlagen handelte es sich bei dem stationären Aufenthalt in der Klinik W. um eine Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse.
Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI scheitert daran, dass außerhalb der Zeit in der sogar volle Erwerbsminderung vorgelegen hatte, eine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens auf weniger als 6 Stunden täglich – wie dargestellt – nicht nachgewiesen war. § 43 Abs. 3 SGB VI schließt bei einem Einsatzvermögen von mehr als 6 Stunden täglich eine Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinn aus.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise geltend gemachte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Zwar gehört der Kläger auf Grund seines Geburtsjahrganges zu dem von § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI grundsätzlich erfassten Personenkreis. Er ist jedoch nicht berufsunfähig im Sinne dieser Vorschrift.
Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Nach dem zuvor Dargelegten hatte sich die Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit auf den Zeitraum von Dezember 2009 (frühestmöglicher Rentenbeginn wegen § 99 Abs. 2 SGB VI) bis 1. November 2011 (letzter Rentenbeginn wegen § 34 Abs. 4 SGB VI) zu konzentrieren.
Der Kläger hat ursprünglich den Beruf eines Schmieds erlernt. Dieser ist im Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 240 SGB VI, Rn. 24, 101, 102 mwN aus der Rechtsprechung) eindeutig der Ebene der Facharbeiter zuzuordnen. Ausgehend von dieser Tätigkeit würde der Kläger dann berufsunfähig sein, wenn er weder diesen Beruf, noch eine andere Facharbeitertätigkeit (gleiche Stufe) noch eine angelernte Tätigkeit (nächstniedrigere Stufe) ausüben könnte. Eine Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten wäre unter dieser Prämisse ausgeschlossen.
Der Kläger hat diese Tätigkeit jedoch zwischenzeitlich aufgegeben. Soweit er die Berufsaufgabe aus dem Unfall vom September 1967 abzuleiten versucht und damit das Vorliegen von Berufsunfähigkeit begründen will, scheitert dies schon daran, dass er seinerzeit noch keinen Berufsschutz hatte, sondern diesen erst mit der Gesellenprüfung und der Beschäftigung im Beruf erworben hatte. Die Tätigkeit als Fachlehrer im Beamtenstatus ist nicht geeignet, den Berufsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen. Trotz der relativ geringen Dauer der vorherigen Beschäftigung als angestellter Fachlehrer, die die letzte versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit darstellte, sieht der Senat die Zeit der Ausübung als ausreichend dafür an, diese Tätigkeit als die im Gesetz genannte, dem beruflichen Werdegang entsprechende, „bisherige Berufstätigkeit“ anzusehen.
Für diese Tätigkeit war neben dem Abschluss einer Facharbeiterausbildung und Berufserfahrung ein einjähriger Qualifizierungskurs im Bereich der Pädagogik erforderlich. Nach § 5 der damals geltenden bayerischen „Verordnung über die Zulassung und Ausbildung der Fachlehrer (ZAF)“ vom 29.01.1975 wurde die pädagogische Vorbildung durch einen einjährigen Kurs am Staatsinstitut mit Abschlussprüfung nachgewiesen. Für den Senat ergibt sich aus dieser zusätzlichen Qualifizierung kein Nachweis einer Fachschulausbildung und auch kein Beleg dafür, dass der Kläger auf der Stufe einer Meistertätigkeit eingeordnet werden müsste. Vielmehr ist der Kläger weiterhin der dritten Stufe des Mehrstufenschemas zuzuordnen und kann damit zumutbar auch auf angelernte Tätigkeiten, nicht aber auf den gesamten Arbeitsmarkt verwiesen werden.
Aus den Darlegungen im Zusammenhang mit der Pensionierung und den Ausführungen sowie den tatsächlichen Geschehnissen bei der als Wiedereingliederungsversuch gedachten „Aushilfstätigkeit“ als Berufsschullehrer im Schuljahr 2011/2012 sieht es der Senat letztlich als hinreichend belegt an, dass der Kläger im Gefolge der im März 2001 ausgelösten posttraumatischen Belastungsstörung durchgehend bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr im erforderlichen zeitlichen Umfang als Fachlehrer einsatzfähig war, selbst wenn Arbeitsversuche in Teilzeit mehrere Monate andauerten. Grund dafür ist die nachvollziehbar bei derartigen Situationen bestehende besondere Auslösegefährdung für sog. Flash-backs oder Rezidive der psychischen Erkrankung.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die behandelnden Ärzte die Auslösesituation insbesondere darauf bezogen hatten und gleichwohl Arbeitsversuche für vertretbar oder sogar förderlich angesehen hatten, erscheint dem Senat der Einsatz in Verweisungsberufen – insbesondere ohne stärkeren Kundenkontakt – deutlich leichter möglich. Als eine körperlich leichte Tätigkeit ohne besondere Stressbelastung und ohne besondere Anforderungen an die Handfunktion stellt sich die Tätigkeit eines Registrators dar.
Der Kläger erscheint aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse als Fachlehrer ohne längere Einarbeitung dazu in der Lage, die Tätigkeit eines qualifizierten Registrators auszuüben. Zur Aufgabe einer Lehrkraft gehören auch die Umsetzung von Lehrplänen und die Erstellung von Dokumentationen über die Unterrichtstätigkeit (Lehrnachweis). Die Einarbeitung in die Tätigkeit eines angelernten Registrators kann auch ohne Verwaltungsausbildung oder kaufmännische Ausbildung in einer Einarbeitungszeit von bis zu 3 Monaten erfolgen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.05.2016, Az. L 7 R 318/12 – nach juris).
Damit ist – außer in der Zeit, in der sogar volle Erwerbsminderung bestand – Berufsunfähigkeit beim Kläger nicht eingetreten gewesen und ein Anspruch des Klägers aus § 240 SGB VI ist nicht ersichtlich.
Der Senat hat auch keine weiteren Ermittlungen vorzunehmen gehabt; die Streitsache war entscheidungsreif. Die im Schriftsatz der Klägerseite vom 09.06.2017 beantragte Anhörung der Dr. A. zur aktuellen Medikation und Behandlung des Klägers erübrigten sich. Abgesehen davon, dass der Antrag nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten wurde, konnte er auch nicht zur Entscheidung beitragen, da es auf die aktuelle gesundheitliche Situation des Klägers schon wegen § 34 Abs. 4 SGB VI iVm der Altersrentengewährung sowie wegen des zwischenzeitlichen Überschreitens der Regelaltersgrenze (§ 235 Abs. 2 SGB VI) nicht mehr ankommen konnte.
Die Anhörung der Dr. A. zum Beweis der Tatsache, dass das Krankheitsbild mit Krankheitswert zu keinem Zeitpunkt dauerhaft und endgültig überwunden wurde, vor allem nicht im Zeitraum von 2008 bis 2012, wurde erstmals mit Schriftsatz vom 23.02.2017 beantragt und der Antrag wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten. Der Senat musste dem Antrag aber nicht folgen, denn mit diesem Antrag wurde keine Beweiserhebung von Tatsachen beantragt, sondern es sollte ein sozialmedizinisches Leistungsbild „Überwinden einer Erkrankung“ erstellt werden. Dies ist aber nicht Gegenstand einer Zeugenanhörung, sondern eine gutachterliche Äußerung, wofür die Prozessordnung die Möglichkeit der Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG zur Verfügung stellt. Aber selbst wenn man den Antrag anders als der Senat bewerten wollte, konnte er nicht beweiserheblich sein. Die Frage der Rentengewährung wegen Erwerbsminderung knüpft an Funktionseinschränkungen im Erwerbsleben an; der Nachweis, dass eine Erkrankung nicht vollständig überwunden gewesen ist, hätte keine unmittelbare Auswirkung auf die Frage des Nachweises von Funktionseinschränkungen im rentenberechtigenden Umfang. Der Senat geht – wie oben dargelegt – mit der Klägerseite davon aus, dass zu keinem Zeitpunkt nach dem Eintritt der psychischen Erkrankung beim Kläger im März 2001 diese vollständig, also dauerhaft und endgültig, überwunden gewesen ist.
Die zum Schluss der mündlichen Verhandlung ebenfalls beantragte Anhörung des Dr. R. sollte zum Beweis vergleichbar der beantragten Anhörung der Dr. A. dienen. Der Senat konnte aus den bereits dargelegten Gründen auch von dieser Anhörung absehen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.09.2011 im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.