Sozialrecht

Zuständigkeit der Sozialgerichte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Aktenzeichen  M 10 K 16.2146

Datum:
13.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 40 Abs. 1, § 173
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1
SGG SGG § 51 Abs. 1 Nr. 6a

 

Leitsatz

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG ist in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes der Sozialrechtsweg gegeben, so dass der Rechtsstreit vom Verwaltungsgericht an das zuständige Sozialgericht zu verweisen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht München verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der 1962 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben liberianischer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau, die 1968 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben Staatsangehörige Sierra Leones. Nach Aktenlage reisten sie 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier Asylanträge. Die Kläger verfügen über keine Identitätsnachweise. Sie haben drei Kinder (geboren 1994, 1996 und 2002), die sich nach Aktenlage aber derzeit nicht im Bundesgebiet aufhalten.
Hinsichtlich des Klägers stellte das (damalige) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 Ausländergesetz (AuslG) in der damals gültigen Fassung in Bezug auf Liberia fest (Bescheid vom 19. Dezember 1994). Im Rahmen eines Personenfeststellungsverfahrens und einer Vorführung des Klägers bei der liberianischen Botschaft wurde festgestellt, dass er nicht liberianischer Staatsangehöriger ist; da die im Bescheid vom 19. Dezember 1994 festgestellten Abschiebungsverbote für Liberia ins Leere gingen, hielt das Bundesamt die Bescheidsaufhebung nicht für erforderlich.
Mit Bescheid der damals zuständigen Ausländerbehörde vom 5. Oktober 1999 wurde der Antragsteller ausgewiesen; die Ausweisung ist unanfechtbar.
Hinsichtlich der Klägerin stellte das Bundesamt zunächst das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG a. F. betreffend Sierra Leone fest. Nachdem auch die Identität der Klägerin nicht geklärt werden konnte, widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 11. April 2005 die Feststellung der Abschiebungshindernisse; der Widerruf ist zwischenzeitlich bestandskräftig.
Seit dem 26. Februar 2014 sind die Kläger von der Regierung … … – Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber – dem Landkreis … zugewiesen. Ihr derzeitiger Wohnsitz ist …
Mit Schreiben 27. Januar 2015 und 6. März 2015 beschwerten sich die Kläger beim Sozialgericht München, dass sie seit Monaten keine Leistungen für den Lebensunterhalt mehr erhalten würden. Der vom Sozialgericht so verstandene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes wegen der Sicherung des monatlichen Lebensunterhalts (Az. S 52 AY 2/15 ER) wurde mit Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. April 2015 (Az. L 8 AY 6/15 B ER) abgeschlossen.
Unter dem 13. Januar 2016 wurde den Klägern von der staatlichen Ausländerbehörde beim Landratsamt … jeweils eine Grenzübertrittsbescheinigung mit Ausreisefrist bis 12. Juli 2016 ausgestellt.
Seit 1. Februar 2016 erhalten sie gemäß Mitteilung vom 26. Januar 2016 nur noch Leistungen für Lebensmittel und Hygieneartikel in Höhe von insgesamt 269,76 Euro.
Mit Schreiben vom 29. März 2016, klargestellt unter dem 3. Mai 2016, haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.2146).
Sinngemäß begehren sie
(I)
1. Nachzahlungen von Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum Juni 2015 bis September 2015 entsprechend dem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. April 2015 (Az. L 8 AY 6/15 B ER), den der Beklagte fortdauernd ignoriere,
2. höhere Leistungen (ohne Anspruchseinschränkung) ab Februar 2016 sowie
(II)
die Umverteilung nach München und/oder Zulassung des Auszugs aus der Asylbewerberunterkunft und Zuteilung einer privaten (Sozial-) Wohnung.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG ist in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes der Sozialrechtsweg gegeben sei und gab Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer insoweit beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 baten die Kläger um schnellstmögliche Entscheidung.
Unter dem 3. Juni 2016 legte der Beklagte die einschlägigen Verwaltungsakten vor und teilte mit, am 28. Mai 2015 seien ein Leistungsbescheid an die Klägerin sowie ein Ablehnungsbescheid an den Kläger ergangen (Blatt 214 d. A.), gegen die jeweils kein Widerspruch eingelegt worden sei. Am 25. Januar 2016 sei der Sachverhalt erneut überprüft worden und die Leistungen ab Oktober seien nachbezahlt worden. Ein Widerspruch gegen den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Januar 2016 sei nicht eingelegt worden. Die Klage sei daher unzulässig (§ 78 Abs. 1 Satz 1, § 83, § 88 SGG).
Mit Beschluss vom 13. Juni 2016 hat das Verwaltungsgericht den Teil des Verfahrens betreffend die Genehmigung der privaten Wohnsitznahme (vgl. das unter II geltend gemachte Antragsbegehren) vom Verfahren Az. M 10 K 16.2146 abgetrennt; der abgetrennte Teil erhielt das neue Az. M 10 K 16.2629.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Kläger wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Nach § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Eine solche Zuweisung ist hier gegeben.
Mit den in vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Klagebegehren gemäß Ziffer (I) der Klageschrift vom 29. März 2016 wenden sich die Kläger im Kern (§ 88 VwGO) gegen Beschränkung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG ist in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes der Sozialrechtsweg gegeben.
Das Verfahren ist deshalb nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das nach § 8 SGG sachlich und nach § 57 Abs. 1 SGG örtlich zuständige Sozialgericht München zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben