Steuerrecht

Abkommensrechtliches Schachtelprivileg für Ausschüttungen einer Luxemburger SICAV

Aktenzeichen  I R 61/17

Datum:
15.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.150321.IR61.17.0
Normen:
Art 13 Abs 1 DBA LUX 1958
Art 20 Abs 2 S 3 DBA LUX 1958
Art 2 Abs 2 DBA LUX 1958
§ 1 Abs 1 Nr 1 KStG 2002
§ 1 Abs 1 Nr 4 KStG 2002
§ 1 Abs 1 Nr 5 KStG 2002
§ 50d Abs 9 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 8 Abs 1 S 1 KStG 2002
§ 96 InvG
§§ 96ff InvG
§ 11 InvStG vom 15.12.2003
KStG VZ 2010
Spruchkörper:
1. Senat

Leitsatz

Nach der Rechtslage des Jahres 2010 sind Ausschüttungen einer Luxemburger SICAV an eine inländische Kapitalgesellschaft, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile an der SICAV gehören, wegen des sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958 von der Besteuerung im Inland ausgenommen.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 22. März 2017, Az: 3 K 383/16, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 22.03.2017 – 3 K 383/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung und langfristige Anlage eigenen Vermögens ist. Ihr alleiniger Gesellschafter ist ein eingetragener Verein (D-e.V.), der die Geschäftsanteile an der Klägerin treuhänderisch für mehrere Konzerngesellschaften der E-Bank hält. Die größten Anteile als Treugeber halten die E-Bank 1 AG (ca. 72 % der Anteile) und die E-Bank 2 AG (ca. 23 % der Anteile).
2
Seit Dezember 2009 ist die Klägerin mit 99,3 % der stimmberechtigten Anteile an der vom D-e.V. im April 2009 in Luxemburg in der Rechtsform der Société d’investissement à capital variable (SICAV) gegründeten B-SICAV beteiligt. Die B-SICAV ist eine Aktiengesellschaft (société anonyme) in der Form einer offenen Investmentgesellschaft nach luxemburgischem Recht. Sie hat ihren Sitz in Luxemburg und beschäftigt in ihren dortigen Geschäftsräumen ca. zehn Mitarbeiter. Nach ihrer Satzung kann sie mehrere Aktionäre haben und dem Anleger nach freiem Ermessen einen oder mehrere Teilfonds anbieten (sog. Umbrella-Konstruktion). Die Gesamtheit der Teilfonds ergibt den Umbrellafonds, wobei die Rechte und Pflichten der Anteilsinhaber in der Satzung geregelt sind. Gesellschaftszweck der B-SICAV ist der Erwerb, der Verkauf und die Verwaltung von Wertpapieren und sonstigen Vermögenswerten nach dem Grundsatz der Risikostreuung und mit dem Ziel, dass die Aktionäre von der Verwaltung ihrer Anlage profitieren. Die Gesellschaft kann zur Erfüllung dieses Zwecks jede Maßnahme ergreifen, die sie hierfür für sinnvoll erachtet, soweit dieses gemäß dem (Luxemburger) Gesetz “concernant les organismes de placement collectif” (über Organismen für gemeinsame Anlagen –OGAW–) vom 20.12.2002 in seiner jeweils gültigen Fassung zulässig ist. Das Gesellschaftskapital entspricht zu jeder Zeit dem Gesamtnettowert der verschiedenen Teilfonds. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Anteile jederzeit zurückzukaufen. Die Geschäfte der Gesellschaft werden durch einen Verwaltungsrat geführt, der von der Gesellschafterversammlung gewählt wird. Dieser beschließt auch über Zwischenausschüttungen aus den Teilfonds.
3
Nach dem im Jahr 2010 (Streitjahr) in Luxemburg geltenden Recht unterliegen die OGAW –zu denen auch die SICAV gehören– keiner dortigen Steuer mit Ausnahme von Kapitalverkehrsteuern und Abgeltungsteuern. Die von den OGAW vorgenommenen Ausschüttungen unterlagen in Luxemburg keiner Quellensteuer und wurden bei nicht gebietsansässigen Empfängern nicht besteuert.
4
Im Streitjahr bestand bei der B-SICAV mit dem B-Fonds lediglich ein Teilfonds. Das Teilgesellschaftsvermögen wies zu mehr als 90 % festverzinsliche Wertpapiere einer Vielzahl von Emittenten verschiedener Nationalitäten aus. Die verbleibenden 10 % entfielen auf gruppeneigene (E-Bank) Investmentanteile, Derivate, Swaps und Bankguthaben. Aktien waren nicht darunter. Über die diesem Fonds zuzuordnenden Vermögensgegenstände erzielte die B-SICAV Zinserträge, die zum Teil ausländischer Quellensteuer unterlagen.
5
Die Klägerin erhielt im Streitjahr von der B-SICAV aus dem Teilgesellschaftsvermögen Gewinnausschüttungen (Endausschüttung für das Geschäftsjahr 2009 und Zwischenausschüttungen für das Geschäftsjahr 2010) in Höhe von insgesamt … €. In ihren Steuererklärungen deklarierte die Klägerin diese Gewinnausschüttungen –unter Berücksichtigung nicht abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5 % (… €) gemäß § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG)– als steuerfrei nach dem sog. Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23.08.1958 (BGBl II 1959, 1270, BStBl I 1959, 1023) i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15.06.1973 (BGBl II 1978, 111, BStBl I 1978, 73) und des Änderungsprotokolls vom 11.12.2009 (BGBl II 2010, 1151, BStBl I 2011, 838) –DBA-Luxemburg 1958–.
6
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß. Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, das abkommensrechtliche Schachtelprivileg sei im Streitfall nicht einschlägig, weil es sich bei der B-SICAV nicht um eine Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958 handele und überdies die Ausschüttungen keine Dividenden im Sinne des Schachtelprivilegs seien. Das FA sah die Ausschüttungen vielmehr als Investmenterträge an, die nach Maßgabe des Investmentsteuergesetzes vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2676, BStBl I 2004, 5) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (InvStG 2004) zu ermitteln seien und deren Berücksichtigung im Rahmen der inländischen steuerlichen Bemessungsgrundlagen durch das DBA-Luxemburg 1958 nicht ausgeschlossen sei. Dementsprechend änderte das FA die Bescheide über die Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags für das Streitjahr wie folgt:
Ausschüttungen:
… €     
        
        
zzgl. Ausgleichsposten für nichtabziehbare Werbungskosten (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 InvStG 2004)       
… €     
        
        
Summe 
… €     
        
        
zzgl. Quellensteueraufwand im Fonds (außerbilanziell)
… €     
        
        
Summe 
… €     
        
        
abzgl. von der Klägerin  gemäß § 8b Abs. 5 KStG berücksichtigt
… €     
        
        
Differenz im zu versteuernden Einkommen gegenüber den ursprünglichen Festsetzungen
… €     
7
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) des Landes Sachsen-Anhalt hat die angefochtenen Bescheide antragsgemäß dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines um … € verminderten zu versteuernden Einkommens sowie unter Berücksichtigung einer um … € verminderten Anrechnung ausländischer Steuern und der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines um … € verminderten Gewerbeertrags festgesetzt werden (Urteil vom 22.03.2017 – 3 K 383/16, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2017, 1943).
8
Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision des FA.
9
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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