Aktenzeichen W 5 K 13.354
ZPO ZPO § 42, § 49
Leitsatz
Ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle kann entsprechend den für Richter geltenden Vorschriften wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)
Ein pauschales Ablehnungsgesuch gegen alle Richter bzw. Urkundsbeamten eines Gerichts ist rechtsmissbräuchlich. (redaktioneller Leitsatz)
Über ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann abweichend von § 54 Abs. 1 VwGO iVm § 45 Abs. 1 ZPO der Einzelrichter entscheiden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag des Klägers, sämtliche Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und sämtliche Richter des Verwaltungsgerichts Würzburg wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger wandte sich mit der dem vorliegenden Verfahren vorausgegangenen Klage vom 25. April 2013 gegen einen Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K. (AELF) vom 22. März 2013, durch den er zur Rücknahme des über die Aufforstungserlaubnis vom 14. Oktober 1992 hinausgehenden Bewuchses und zu dessen dauerhafter Haltung auf einer Höhe von unter 2 m auf Teilflächen des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung H. verpflichtet worden war. Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 10. April 2014 ab. Mit Urteil vom 2. Dezember 2015 (19 B 15.1257) hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. April 2014 und den Bescheid des AELF K. vom 22. März 2013 auf und legte fest, dass die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen der Beklagte zu tragen habe. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom gleichen Tage auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2016 stellte der Kläger beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof (eingegangen am gleichen Tag) einen Antrag auf Kostenfestsetzung in den Verfahren W 5 K 13.354 und 19 B 15.1257 und machte außergerichtliche Aufwendungen i. H. v. 11.682,50 EUR geltend. Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 übersandte der Bayer. Verwaltungsgerichtshof den Kostenfestsetzungsantrag an das Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg mit der Bitte um Bearbeitung. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2016 setzte die Urkundsbeamtin des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers auf 131,14 EUR fest. Mit Schreiben vom 5. April 2016 beantragte der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss die Entscheidung des Gerichts. Er verzichte zunächst auf eine Begründung. Er beantrage aber, „die Unkostenbegründung, verursacht durch Falschurteil persönlich darzulegen“. Sollte dies nicht möglich sein, werde um Mitteilung gebeten. Mit Schreiben vom 11. April 2016 teilte die Urkundsbeamtin des Gerichts dem Kläger mit, dass die Einwendungen gegen den ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss schriftlich vorgetragen werden müssten, was dem Kläger telefonisch bereits mehrfach mitgeteilt worden sei. Dem Wunsch nach persönlicher Darlegung könne daher nicht entsprochen werden. Es werde um schriftliche Begründung des Antrags binnen zwei Wochen gebeten.
Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 17. April 2016, eingegangen bei Gericht am nächsten Tag, dass Strafantrag gestellt worden sei, da „unter allen erdenklichen Gründen das Urteil von H. … am VG Wü keinen Bestand haben konnte“. Aufgrund dieser Tatsache „lehne ich Ihr Haus mit der Befassung der Kostenfestsetzung ab da Sie aufgrund ihres falschen Urteils befangen sind“). Weitere Ausführungen zu dem Antrag auf Befangenheit machte der Kläger nicht.
II.
Der in einem Kostenfestsetzungsverfahren (bzw. Erinnerungsverfahren) gestellte Antrag des Klägers, mit dem das „Haus“ und damit sinngemäß (§ 88 VwGO) sämtliche Urkundsbeamten und Richter des Verwaltungsgerichts Würzburg mit der Befassung der Kostenfestsetzung abgelehnt werden, ist bereits unzulässig.
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorhanden ist, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 49 Halbs. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kann ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle entsprechend den für Richter geltenden Vorschriften wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Urkundsbeamten zu rechtfertigen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl. 2014, § 49 Rn. 3). Zuständig für die Entscheidung über ein solches Ablehnungsgesuch ist gemäß § 54 Abs. 1 i. V. m. § 49 Halbs. 2 ZPO das Gericht, bei dem der Urkundsbeamte angestellt ist. Dies ist das Gericht, dem der Urkundsbeamte angehört, im vorliegenden Fall also der Einzelrichter, dem das Verfahren gemäß § 6 VwGO übertragen worden ist (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2001, § 25 Rn. 14).
Ein derartiger Grund für die Besorgnis der Befangenheit ist dann anzunehmen, wenn ein objektiv vernünftiger Grund glaubhaft gemacht ist, der die Partei von ihrem Streitpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter bzw. Urkundsbeamte werde nicht unparteilich und sachlich entscheiden. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen der Partei sind unbeachtlich.
Das vom Kläger mit Schreiben vom 17. April 2016 vorgebrachte Ablehnungsgesuch ist missbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig.
Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob ein Befangenheitsantrag rechtsmissbräuchlich ist, ist insoweit, ob die Partei Befangenheitsgründe vorträgt und glaubhaft macht, die sich individuell auf den an der zu treffenden Entscheidung beteiligten Richter bzw. Urkundsbeamten beziehen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der betreffende Richter bzw. Urkundsbeamte im Ablehnungsgesuch namentlich aufgeführt wird. Vielmehr muss der Ablehnungsgrund durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert werden. Als rechtsmissbräuchlich ist das Ablehnungsgesuch etwa dann zu qualifizieren, wenn es dem Antragsteller nicht um die Person des Richters bzw. Urkundsbeamten, sondern um die Verhinderung einer Entscheidung schlechthin geht, oder sie gar nicht oder nur mit Gründen begründet wird, welche die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen könnten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 54 Rn. 16 m. w. N.).
Als rechtsmissbräuchlich ist das Ablehnungsgesuch auch dann zu qualifizieren, wenn alle Richter bzw. Urkundsbeamten eines Gerichts abgelehnt werden, das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können, oder wenn gegen den Richter unqualifizierte Angriffe wegen seiner angeblich rechtsstaatswidrigen Rechtsfindung erhoben werden. Denn das Ablehnungsgesuch muss sich auf einen (oder mehrere) konkrete Richter bzw. Urkundsbeamte beziehen, die grundsätzlich namentlich zu bezeichnen sind (Posser/Wolf, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 54 Rn. 31). Unstatthaft bzw. rechtsmissbräuchlich ist demgegenüber die Ablehnung des gesamten Gerichts bzw. Spruchkörpers, sofern nicht die Befangenheit gerade aus in einer Kollegialentscheidung enthaltenen konkreten Anhaltspunkten hergeleitet wird (BVerwG, U. v. 5.12.1975 – VI C 129.74 – BVerwGE 50, 36; B. v. 7.4.2011 – 3 B 10/11 – BeckRS 2011, 50194; Posser/Wolf, VwGO, § 54 Rn. 31, 34.1; s.a. BayVerfGH, E. v. 31.1.2000 – 112 IX 99 – NJW 2000, 2809).
Vorliegend hat der Kläger sein Ablehnungsgesuch nicht gegen einen einzelne Urkundsbeamten oder Richter, sondern gegen alle Personen, die mit der Kostenfestsetzung bzw. (Nicht-)Abhilfeentscheidung und der Entscheidung im Erinnerungsverfahren, also gegen alle Urkundsbeamten und Richter des Verwaltungsgericht Würzburg („… lehne ich ihr Haus mit der Befassung der Kostenfestsetzung ab …“) gerichtet. Er hat sein Ablehnungsgesuch auf den Umstand gestützt, dass das Urteil des Einzelrichters vom 10. April 2014 in dem vorangegangenen Verfahren in der Berufungsinstanz aufgehoben wurde („Da unter allen erdenklichen Gründen das Urteil von H. … keinen Bestand haben konnte … Aufgrund dieser Tatsache lehne ich Ihr Haus mit der Befassung der Kostenfestsetzung ab, da Sie aufgrund Ihres falschen Urteils befangen sind“). Ein solcher Befangenheitsantrag ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich, da er nicht auf die individuelle Person des abgelehnten Urkundsbeamten bzw. des abgelehnten Richter bezogen ist, sondern in dieser Allgemeinheit gegen sämtliche Urkundsbeamten bzw. Richter des Gerichts, konsequenterweise gegen die Kostenfestsetzung bzw. richterliche Entscheidung hierzu insgesamt gerichtet ist. Der Kläger knüpft vorliegend nicht in geringster Weise an ein Verhalten der von ihm abgelehnten Urkundsbeamten bzw. Richter an, sondern allein an den Umstand, dass ein anderer Richter ein bestimmtes Urteil erlassen hat. Offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist insbesondere die Begründung, „da Sie aufgrund Ihres falschen Urteils befangen sind“. Denn ein solches Vorbringen ist ohne jeden Bezug zum eigentlichen Gegenstand des Verfahrens, nämlich der Kostenfestsetzung, zumal weder die Urkundsbeamtin noch der hier zur Entscheidung berufene Einzelrichter noch die weiteren derzeit am Verwaltungsgericht Würzburg tätigen Richter an dem Urteil vom 10. April 2014 in irgendeiner Art und Weise mitgewirkt haben.
Nach allem vermag die vorliegend geltend gemachte Begründung des Klägers für sich allein offenkundig eine Ablehnung nicht zu rechtfertigen. Ein solches Ablehnungsgesuch steht einem Gesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleich und ist als unzulässig bzw. rechtsmissbräuchlich zu verwerfen (vgl. BVerfG, B. v. 2.6.2005 – 2 BvR 625/01 – juris).
Der Einzelrichter entscheidet daher über das Ablehnungsgesuch abweichend von § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO. In der Rechtsprechung und Literatur ist auch für den Bereich des Verwaltungsprozesses anerkannt, dass der abgelehnte Richter bzw. der abgelehnte Spruchkörper ein Ablehnungsgesuch selbst ablehnen kann, ohne dass es der Durchführung eines Verfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 44 f. ZPO bedarf, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist (vgl. BVerwG, B. v. 24.1.1973 – III CB 123.71 – Buchholz 310 § 54 Nr. 13; B. v. 5.12.1975 – VI C 129.74 – juris; v. 7.9.1989 – 2 B 110/89 – juris; BVerfG, B. v. 18.12.2007 – 1 BvR 1273/07, juris; B. v. 20.7.2007 – 1 BvR 2228/06 – juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 54 Rn. 61; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 45 Rn. 6).