Steuerrecht

Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten – Voraussetzungen für die Bildung einer Wirtschaftseinheit

Aktenzeichen  14 C 10463/15

Datum:
25.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuM – 2017, 206
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 315 Abs. 1, § 556 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Voraussetzung für die Bildung von Wirtschaftseinheiten ist, dass die Gebäude in unmittelbarem örtlichen Zusammenhang stehen, im Wesentlichen gleiche Wohnwertmerkmale aufweisen, die Errichtung nach demselben bautechnischen Stand erfolgt ist, sie die gleiche Bauweise und Ausstattung aufweisen, eine gleichartige Nutzung der Gebäude vorliegt und eine einheitliche Verwaltung gegeben ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Betrieb eines Hostels stellt eine grundlegend andere Nutzungsart dar als die Nutzung von Wohnungen und lässt auf einen erheblich unterschiedlichen Verbrauch und eine unterschiedliche Kostenverursachung schließen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Gebäude mit vier Stockwerken hat eine generell andere Bauweise als ein Gebäude mit 20 Stockwerken, so dass diese nicht in einer Wirtschaftseinheit zusammengefasst werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 995,18 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine Nachzahlung in Höhe von 995,18 € auf Grund der Betriebskosten- und Heizkostenabrechnung vom 26.11.2014 betreffend dem Abrechnungszeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2013 zu.
I.
Grundsätzlich besteht zwar ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Betriebskosten gemäß § 556 BGB i.V.m. § 2 Abs. 4 des Mietvertrages der Parteien vom 29.11.1995. Die streitgegenständliche Betriebskosten- und Heizkosten-Abrechnung der Klägerin vom 26.11.2014 ist jedoch zumindest teilweise unwirksam, da die von der Klägerin verwendeten Abrechnungseinheiten zum Teil fehlerhaft gebildet wurden.
Grundsätzlich hat die Umlage nach der kleinstmöglichen Einheit zu erfolgen, um eine möglichst gerechte und verbrauchsnahe Abrechnung zu gewährleisten. In der Regel werden die Betriebskosten daher auf die Wohnungen eines Gebäudes umzulegen sein. Der Vermieter kann unter bestimmten Voraussetzungen auch mehrere von ihm verwaltete Gebäude zu einer Abrechnungseinheit zusammenfassen nach §§ 556 Abs. 3, 315 BGB, wenn dies dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entspricht und die Abrechnungsweise nach billigem Ermessen erfolgt. Die Voraussetzung für die Bildung von Wirtschaftseinheiten ist nach der Rechtsprechung jedoch, dass die Gebäude in unmittelbarem örtlichen Zusammenhang stehen, im Wesentlichen gleiche Wohnwertmerkmale aufweisen, die Errichtung nach demselben bautechnischen Stand erfolgt ist, sie die gleiche Bauweise und Ausstattung aufweisen, eine gleichartige Nutzung der Gebäude vorliegt und eine einheitliche Verwaltung gegeben ist (BGH Urteil vom 20.10.2010 VIII ZR 73/10; LG Hamburg, Urteil vom 30.11.2000, 307 S 127/00).
1. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf eine Nachzahlung in Höhe von 706,42 € auf Grund der Heizkostenabrechnung vom 26.11.2014, da die bei den Heizkosten verwendete Abrechnungseinheit 3 fehlerhaft ist.
Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Bildung einer Wirtschaftseinheit sind bei der von der Klägerin für die Heizkostenabrechnung angesetzten Abrechnungseinheit 3 nicht eingehalten. Es fehlt jedenfalls schon an der gleichartigen Nutzung und der gleichen Bauweise der Gebäude:
Nach der Rechtsprechung ist die Bildung einer Wirtschaftseinheit aus mehreren Gebäuden nur möglich, wenn diese Gebäude einheitlich genutzt werden. Hier wurden dagegen Gebäude mit reiner Wohnnutzung wie das von der Beklagten bewohnten Gebäude und Gebäude mit ausschließlich gewerblicher Nutzung zusammenfasst. Bei der Abrechnung der Heizkosten hat die Klägerin 44 Gebäude mit einer gesamten beheizbaren Fläche von 46.341,96 Quadratmeter in einer Abrechnungseinheit zusammengefasst und hierbei die Gebäude … mit reiner Gewerbenutzung und … mit einer ausschließlichen Nutzung als Hostel mit einbezogen.
Die Einbeziehung der Anwesen … und … ohne eine Vorwegerfassung des Gesamtverbrauchs dieser beiden Einheiten ist jedoch nicht möglich, da es sich bei diesen beiden Gebäuden schon um eine völlig andere Nutzungsart handelt als bei den Wohnhäusern. Zwar wurde in der Heizkostenabrechnung ein Abzug für „Kosten Läden“ und „Kosten …“ vorgenommen. Es ist jedoch nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, welche Einheiten konkret von diesem Abzug erfasst werden. Insbesondere erfassen diese Abzüge nicht sämtliche Kosten für die Gewerbeeinheiten des Anwesens … Nach den Angaben der Klägerin seien von diesen Abzügen nur die Kosten einer Arztpraxis, Büroflächen sowie Lebensmittelläden erfasst. Es ist also nicht vorgetragen, dass insbesondere die Pizzeria und das Friseurgeschäft im Anwesen … hier berücksichtigt wurde bei dem Vorwegabzug. Jedenfalls wurde kein Vorwegabzug vorgenommen für die Heizkosten und Warmwasserkosten des Anwesens … das ausschließlich als Hostel betrieben wird. Der Betrieb eines Hostels stellt eine grundlegend andere Nutzungsart dar als die Nutzung von Wohnungen und kann daher nicht gemeinsam in der Abrechnungseinheit angesetzt werden. Die Nutzung eines Gebäudes als Hostels lässt auf einen erheblich unterschiedlichen Verbrauch und eine unterschiedliche Kostenverursachung schließen. Schon auf Grund der Einbeziehung des Hostels ist die Heizkostenabrechnung daher fehlerhaft.
Auch weisen schon die als Wohnungen genutzten Anwesen völlig unterschiedliche Bauweisen auf, nämlich drei 20-stöckige Hochhäuser, zwei 15-stöckige Hochhäuser und flachere Häuser mit jeweils vier Stockwerken. Zwischen den 4-stöckigen Häusern und den 20-stöckigen Hochhäusern handelt es sich um völlig verschiedene Bauweisen, die nicht vergleichbar sind. Eine erheblich andere Bauweise weist dazu das Anwesen Nr. … auf, das nur ein- und teilweise zweigeschossig ist. Eine Zusammenfassung der 44 Gebäude mit erheblich abweichender Nutzungsart und erheblich unterschiedlicher Bauweise ist nicht möglich.
Es kommt daher vorliegend nicht mehr darauf an, ob die Gewerbeeinheiten überhaupt mit Wärmemengenzählern oder ähnlichem ausgestattet sind, was zwischen den Parteien streitig ist. Ebenso kann dahinstehen, ob die Verteilung der Heizkosten entgegen der mietvertraglichen Vereinbarung mit 70% nach dem Verbrauch und 30% nach der Grundfläche statt 60% nach dem Verbrauch und 40% nach der Grundfläche zu Recht erfolgt ist.
2. Des Weiteren besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung in Höhe von 288,76 € als Betriebskostennachzahlung auf Grund der Betriebskostenabrechnung vom 26.11.2014.
a) Die bei der Abrechnungseinheit 1 zusammengefassten Gebäude unterscheiden sich ebenso erheblich in der Nutzung und Bauweise der Gebäude, so dass keine Wirtschaftseinheit gebildet werden darf:
Hier war zu berücksichtigen, dass bei der Abrechnungseinheit 1 für die Positionen Pflege Außenanlage allgemein, Straßenreinigung/Winterdienst, Sach- und Haftpflichtversicherungen und Hauswart jeweils 44 Gebäude angesetzt wurden mit einer Gesamtfläche von 51.509,58 m². Auch hier sind die Anwesen … und … also das ausschließlich als Gewerbe und das ausschließlich als Hostel genutzte Gebäude einbezogen. Auch bei dieser Abrechnungseinheit ist zu berücksichtigen, dass, wie bereits oben ausgeführt, keine gleichartige Nutzung der 44 Gebäude vorliegt auf Grund der teilweisen Nutzung als Wohnungen und der teilweisen Nutzung durch Gewerbe und als Hostel in den Anwesen … und … Auch weisen die 44 Gebäude völlig unterschiedliche Bauweisen auf, nämlich drei 20-stöckige Hochhäuser, zwei 15-stöckige Hochhäuser, flachere Häuser mit jeweils vier Stockwerken und ein- und teilweise zweigeschossiges Gebäude, wie bereits oben ausgeführt. Eine Zusammenfassung der Kosten dieser 44 Anwesen und ihre anteilige Umlage über 51.509,58 Quadratmeter ist daher nicht möglich.
b) Die Abrechnungseinheit 5, also die Position Entwässerung befestigter Fläche, wurde entgegen der Vereinbarung der Parteien im Mietvertrag mit einem abweichenden Umlagemaßstab umgelegt, nämlich mit der Anzahl von 883 Wohnungen und Garagen. Nach § 2 Abs. 4 wurde eine Abrechnung nach dem Verhältnis der Wohnfläche vereinbart. Hier kann auch nicht wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.08.2016 korrigiert wurde, die Gesamtwohnfläche der 44 Anwesen von 51.509,58 Quadratmeter angesetzt werden, da auch hier auf Grund der unterschiedlichen Nutzungsart und der unterschiedlichen Bauweise der 44 Gebäude eine Zusammenfassung nicht möglich ist.
c) Ob die Umlage der Abrechnungseinheit 2 bei der Position Gebühren für Fernsehempfang, der Abrechnungseinheit 4 für Straßenreinigung, Müllabfuhr, Entwässerung, Wasserkosten und Stromversorgung sowie die Umlage der Abrechnungseinheit 6 bei der Position Grundsteuer zu Recht angesetzt wurden, kann letztlich dahinstehen, denn ein Abzug der in den fehlerhaft gebildeten Abrechnungseinheiten 1 und 5 angesetzten Kosten von insgesamt 318,83 € übersteigt bereits den von der Klägerin geforderten Nachzahlungsbetrag hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung.
Aufgrund der fehlerhaften Bildung der Abrechnungseinheit 1 besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der dort angesetzten Kosten in Höhe von 305,27 € für die Pflege Außenanlage allgemein, Straßenreinigung/Winterdienst, Sach- und Haftpflichtversicherungen und Hauswart. Und aufgrund der fehlerhaften Bildung der Abrechnungseinheit 5 besteht kein Anspruch auf Erstattung der dort angesetzten Kosten in Höhe von 13,56 € für die Entwässerung befestigter Fläche.
3. Es besteht daher kein Anpruch der Klägerin auf eine Nachzahlung aus der Heizkostenabrechnung vom 26.11.2014 in Höhe von 706,42 € und kein Anspruch auf eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung vom 26.11.2016 in Höhe von 288,76 €. Die zu Unrecht angesetzten Kosten bei Bildung der Abrechnungseinheiten 1 und 5 übersteigen den geforderten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 288,76 €.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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